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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Feb. 2, 1906)
Ehrliche Finder-. nasse von Reinhold Ort mann n einem schönen Sammet-sonntag Mmd der tand. med. Herbert ne am Fenster feines Par Mzimmers und schaute mit fo sehn Wtigsen Brian die Straße hinab. »U- Inkm in feinen Jahren nur auf M theutes weibliches Wesen oder ei Im Geldbeiefträget zu warten pflegt. UND diesmal mußte es wohl der letz Me en fein, dem die sehnsüchti « licke gegolten, denn als die uni . miete Gestalt des Postboten umdie Ecke bog, ging es wie ein freudiges Aufleuchten über das Gesicht des jun kn Mdiziners. .Schnell, schnell, Herr Postkaka tief er ihm zu. foittld er in Hör-weite Ist-. »Ich habe eine Verabredung und keine Minute mehr zu verlieren« « Aber der Angerufene, statt feinen Schritt zu beschleunigen, schüttelte mit einer Miene wehmüthigen Bedauern-Z sen Kopf. »Nichts da, Herr Doktor! —- Viel Mt deshalb, weil die süddeutsche st weg-en Zugverspiitung ausgebuc n ist. Hoffentlich kommt’s 1norgen.« : Herkett Wolffram sah etwas nieder geschenettert aus, denn er hätte bei sei Ier grundsätzlichen Abneigung gegen des Schuldenrnachen schwerlich den Wigen Ausflug mit feinem Freunde . Asiessor von Lexow, verabredet, denn er nicht mit voller Sicherheit auf ( i i ! i den pünktlichen Eingang seines Mo mtöwechsels gerechnet hätte. Aber am Sude war die Sache ja nicht weiter tragisch. Lexow war ein Nabob» der then rnit Vergnügen aushelsen würde, und das Reinlich-e für Wolffram war nur »die ungewohnte Nothwendigleit, ihn um solche Gefälligleit anzugehen. St til-erzählte seine Baarschaft und Æte fest, da fie noch aus beiläufig f Mark be and. Das war unge genug, um die Fahrt nach Lin zu bezahlen. Um ein paar Zehnniarlsiüele also würde er den gu ten Affessor jedenfalls anvumpen Izniisiem Aber er wollte mit dem fata Ien Aulieaen unter allen Umständen warten, bis sie an Ort und Stelle wa nn. Es hätte doch einen gar zu schlechten Eindruck gemacht, wenn er es gleich bei der erften Begrüßung nearly-acht hätte. MS er den Freund vor dem Bahn hofkgebliude erblickte, ging er denn aueh mit der unbefangensten Miene m Der Welt auf ihn zu und da Lexow auf seine Frage erklärte. daß er noch kein-, Fahrtarten gelöst habe, erbot er sich sogar mit besonderem Eifer, das statt seiner zu thun, wie wenn er sich durch diesen kleinen Rast einen gewissen Anspruch auf feine Dankbarkeit erwerben wollte. Rückfahtlarten reichte es aller: — s nicht aus« denn die Billetts lo Ietru genau fünf Mart, aber das spielte ja weiter keine Rolle. Für die speimfahrt wie für alle weiteren Aus sehen würde eben der Assessor sorgen müssen · In heiterstem Gespräch legten sie Ue Fahrt zurück und schritten frohge muth in den gleich hinter der Station Lindenhof beginnenden Wald hinein, auf einein nur wenig Ausslüglern be kannten Wege, der denn auch zu ihrer WftenGenugthuung ganz menschen Mlassen war. Jn dem auf der Höhe Mauren Restaurant »zu: schönen — . sicht«, das wegen feiner trefflichen M und feines vorzüglichen Rhein M berühmt war, gedachten iie ein Mientes Frühstück einzunehmen Und ehe sie es erreicht hätten. wollte der Enge Mediziner natürlich dem rennde feine Mittellofiateit beichten Er war in einiger Verlegenheit, wie et »die rechte Anknüpfung dazu finden stellte. Da ereignete sich etwas Uner Urietes, das ihm die Sache gewaltig erleichterte. Seine scharfen Augen er fpiibten nämlich mitten ais dem Wege einen Gegenstand den sie sogleich als cis sehr elegantes und zierliches Da Wortemonnaie erkannten, und er Mann fich natürlich nicht, das Fund Mel aufzuheben. Meinerwettey « wie gewichtig!« Jagte er. »Wir wollen doch sehen, ob fass sich dabei nicht etwa bloß um eine Verspxgelung falscher Thatsachen - ’ Er drückte auf das Schloß und fein dacht gegen die Verliererin erwies als ungerechtfertigt, denn das Wilan enthielt außer mehreren Silbermün en eine ganze Anzahl blin bstber le ftückr. »Alle Achtung! —— Diese jungeDame scheint ja eine glänzend-e Pariie zu sauf' scherzte er. »Und da steckt auch eine Visitenkarte: Melitta Schiönborn, Paristraße s. — Na da wissen wir ja gleich wo wir den kostbaren Fund morgen abzuliefern haben.'· «Melitta Schönborn?« meinte der I eifor nachdenklich »Mit ist H, als Akte ich den Namen schon gehört ha den« Aber das arme Mädchen wird - Mehr in der Paeksttaße vor damit sie sobald als möglich " M «« Abe ßt d en —- r wes u DIE-, daß ich diesen Fund als Its ugeschcnk des Himmels be » Niede, wenn ich nicht einen "» wie dich an meiner Seite M nie-in Wechsel ansgeblieben " « — meine Baarschaft in die u-» . es i Be , ist-ist« ZEIT-: stät Ess— nd das sagst du erst jetzt? — Du besidest in deiner Armuth noch immer fünfzehn Pfen nige mehr als ich. Jch entdeckte näm lich vorhin aus dem Bahnhofe, daß ich mein Pordemonnaie zu Haufe habe lie gen lassen. Und ich verließ mich da raus, daß du mir gerne aushelsen würdest. Da bleibt uns also nichts anderes übrig, als mit dem nächsten Zuge zurückzufahren.« »Als wenn das so einsa wäret — Jch habe ja nur einfache k hrlarten lös, und die Eisenbahn wird uns schwerlich ans Kredit befördern. Es wäre eine nette Situation, wenn der Fimmel in feiner Huld uns nicht die en Bund bescheert hätte." » ie meinst Du das? —Du denkst doch nicht etwa daran, etwas von die sem fremden Gelde zu nehmen?« »Warum denn nicht? — Bist du nicht in der Lage, es unmittelbar nach unserer Heimlehr zu ersetzen?« »Allerdings. Aber es bliebe trotz dem eine glatte Fundunterschlagun .« »Ach, U inn! Wenn Dein iuriti sches Gewi en sich dadurch beschwert fühlt, so nehme ich das Verbrechen aus mich. räulein Melitta lann froh sein, da ihr Eigenthum nicht in an dere Hände gefallen ist, als in die unsri en. Und ich würde bei der Rück gabe ogar nicht einmal Bedenken tra en, ihr zu beichten, aus einer wie gro gen Verlegenheit sie uns durch ihre Nachläsfr teit geholfen hat« Der A essot hatte zwar noch aller lei Bedenken, aber sein lustiger Ge siihrte wußte sie zu verscheuchen. Und dann blieb ihm ja auch in Wahrheit kaum etwas anderes übrig. als sich den glücklichen Zufall u Nutzen zu machen. Eine Vierte unde später saßen sie in bester Laune oben auf der Terrasse desRestaurants »Zur schönen Aussicht«, hatten ein reichliches De jeuner dinatoire und eine Flasche gu ten Ritdesheimers bestellt. und ließen, als man ihnen das Berlangte servirte, ihre Gläser fröhlich auf die Gesund-: heit des Fräulein Melitta Schönborn zusamnrentlingen. Da pS li verfiirbte sich das Ant lit des A ors und er faßte seinen Freund am Arm. »Sieh dort-. die jun Dame in dem grauen englischen Ko iiint —- Jch wette, das ist die Besi erin des von uns unterschla enen ldtäschchens." Herbert Wol rains Blicke wandten sich der bezeichneten Richtung zu, und er gewahrte eine sehr hübsche und sehr elegant aussehende junge Dame, die sich anscheinend etwas erregt mit einein Kellner unterhielt, und sich dann, da ihr der dienstbare Geist « nach seinem wiederholten Achselzucken zu urtheilen —- ofsenbar eine wenig besriedi ende Auskunft gegeben, mit allen nzeichen der Niedergeschlagen: heit an einem etwas abseits stehenden Tisch setzte. Auch der schwer z’u verbliissende Mediziner war im ersten Augenblick etwas betroffen. »Du könntest wohl recht haben.'« meinte er. »Aber wir müssen uns vor allem volle Gewißheit verschaffen.'« Er winkte den Kellner heran. »Borausgeseszt, daß es nicht gerade ein Geheimniß ist —- wiirden Sie uns dann vielleicht sagen, was die junge Dame von Jkinen wolltet-« »Sie erkundigte sich, ob hier viel leicht ein Portemonnaie gefunden wor den sei, das sie nach ihrer Behauptung entweder hier oben, wo sie den Mor geiikaffee genommen, oder aus dem Rückweg-e zur Station verloren haben muß. Sie scheint sich in großer Ver legenheit zu befinden.« »Da haben wir’ö!« sagte der Bisses Er in höchster Erreguiig nachdem sich r befrackte Ganvined wieder zurück Zezo en. »Du hast uns mit Deinem eichztsinn in eine schöne Lage gebracht. Wir haben jetzt nur noch die Wahl, entweder we n Fundunterschlagung oder wegen chprellerei prozessirt zu werden!« »Das eine so wenig,« ais das an dere!'« erklärte Wolsram mit größtå Seelenruhe. »Wir irerden der jungen Dame zunächst mit ihrem eigenen Gelde aus der Verlegenheit helfen und dann, wenn wir uns volle Gewißheit uber ihre Persönlichkeit und ihre Adresse verschafft haben, werden wir ihr morgen das Portemvnnaie mit sei neiri vollen Jn lt anonym zurück kchickm Das ist doch das einsachste chicken. Das ist doch die einsachste Sache von der Welt.« «Und ehe noch der Assessor einen Einwand erheben konnte, war er schon ausgestanden und hatte sich der jungen Dame genähert, um mit chevaleresler Verbeugung seinen Hut zu ziehen. e,·Jci) bitte um Verzeihung, mein anadiges Fräulein —---— aber mein Freund, der Assessor von Lexow und meine Wenigteit, der rund. med. Wolssram verdanken einer Jndislw tion des Kellners die Kunde von h rem bedauerlichen Mißgeschick sie wahrheitsgemäßen Angaben, die ich Ihnen iiber unsere Persönlichkeiten gemacht habe, sind ihnen hoffentlich iirgschast genug da ür, daß nur der selbstverständliche Wunsch, einem in Vetlegenheit gerathenen Nebenmen schen beizustehen, uns den Muth giebt, Ihnen unsere Dienste anzubieten. Wir würden untröstlich sein, wenn gädigeö Fräulein unsere Absicht miß verstehen und uns durch eine Ableh nung betrüben könnten. , Die junge Dame überflog ihn mit einein- raschen. Züsendsen Blick und salj dann zu dem · rsckze hinüber, an dem der Assessor in der Qual seiner Ge wissenkbisse saß. Namentlich die Per sönlichleit des Herrn von Lexow schien ej sein, die ihr einiges Vertrauen e. ·«Wenn Sie mir Ihr« Ehrenwort - sen wollen. mein Herr, morgen o weiteres den kleinen Betrag zurück-n nehmen, deffen ich fiir die Heimfahrt bedarf, fo würde ich mich in meiner ärgerlichen Zwangslage wohl dazu verstehen, Jht freundliches Anerbieten zu atzeptiren.« »Mein Ehrenwort darauf, gnädiges Fräulein! — Aber es ift 1 Uhr Mii tags und der nä fte Zug na der Hauptstadt geht er tun vier. nn wir gnädiges Fräulein bitten dürften, bis dahin mit unserer bescheidenen Gefellfchaft vorlieb zu nehmen und vielleicht einen kleinen meiß nicht zu verschmähen — -—« Seine Verwegenheit nöthigte ihr ein Lächeln ab. Und sie war ihm nicht ernstlich böse. »Ich geftehe offen, daß ich aller dings einen fürchterlichen Hunger ver fpiire«, sagte sie fteimiithig. »Aber Sie kennen meine Bedingung. Es wäre nicht ritterlich, wenn Sie mein Vertrauen täuschen könnten.« « Wolffram legte die Hand aufs-» Herz und wiederholte feine vorige Ber sicherung. Der Asseffor aber wäre am liebsten vor Scham in die Erde gefun len, als et die beiden auf sich zukom men fah, nnd er ging ernftlich mit sich zu Rathe, ob er. nicht doch lieber auf jede Gefahr hin, ein offenes Geständ nifz ablegen folle. Nur die Erwägung, daß er dann feinen Freund Ja geradezu einer fttafbaren Handlung bezichtigen mußte, hielt ihn davon zurück. Er bet bengte sich stumm, als ihn Wolfram vorstellte, und die junge Dame mochte im Stillen nicht wenig-verwundert fein über die merkwürdige Befangenheit des so stattlich aussehenden Assessors. Nun nannte sie auch ihren Namen, der fiir die beiden ja teine Ueberraschung mehr bedeutete: Melttta Schönborn, Male rin. Mit der Sicherheit einer Frau« die gewohnt ist« ihren Weg allein durchs Leben zu finden und die sich ftart genug fühlt, sich im Nothsall ih rer Haut zu wehren, nahm sie am Tische Platz, wähkte aus der ihr vor gelegten Speifetarte eines der wohl seilsten Gerichte aus und lehnte es nicht ab, als der junge Mediziner um die Erlaubniß bat, ihr Glas aus der in zwischen bestellten zweiten Flasche Ritdesheimer füllen zu dürfen. Der Verlust ihres Geldtäschchens schien ihr fest, da die unmittelbare Verlegenheit beseitigt war, keinen großen Kummer mehr zu bereiten und sie ging mit fröh licher Unbefangenheit auf Wolframs Scherze ein, daß auch der Assefsor seine Befangenheit allgemach überwand und sich mit wachsender Lebhaftigteit «an den immer interessanter werdenden Gespräch betheiligte. Plötzlich schien ihm eine Erinnerung gekommen zu sein« nach der er in fei nem Gedächtnisz schon lange gesucht hatte. »Verzeihen Sie, mein gnädiges Fräulein, sind Sie vielleicht eine Ver wandte jenes Fräulein M. Schönborn, von der ich neulich einen so geharnisch ten Aussatz gegen die sogenannte Ga lanterie der Männer gelesen, die nach Ansicht der Versasserin in den meisten Fällen nur ein Beweis von der Ueber hebung des vermeintlichen Siärteren sein solltet« «Eine sehr nahe Verwandte fogar«« erwiderte sie lachend, »denn ich bin es selbsi.« »Ist es möglich« —- Sie eine Bor tiimpferin der sogenannten Frauen rechteit —- Wahrhaftig, das ist das letzte, was ich siir möglich gehalten hätte.« T »Und weshalb setzt es Sie so sehr in Erstaunen?« Wenn er hätte ganz aufrichtig fein wollen« hätte er antworten müiseM Weil Sie mir bis zu diesem Augenblick als die Vertörperung der reizendsien und echtesten Weiblichkeit erschienen sind. Aber dazu hatte er denn doch nicht den Muth und so suchte er sein Befremden mit einigen allgemeinen Redensarten zu erlliiren, um sich dann sogleich mit allerlei triftigen Ggen gründen gegen die Ausführungen je nes Artikels zu wenden, den er troh seiner gründlichen abweichenden Mei nung mit dem ausrichtigsten Interesse gelesen hatte. Die beiden befanden sich bald in einer sehr anaereatenDis is— lussions und diesen Umstand benutzte — Wolffram, der sich ganz unbeabachtet glaubte, zur Ausführung eines kleinen Manövers, das in’Anbetracht der be vorstehenden Abrechnung mit dem Kellner dringend nothwendig war. Da er doch nicht in Gegenwart« der rechtmäßigen Eigenthümer-in das ge fundene Porteinonnaie aus der Tasche ziehen konnte« uni von seinem Inhalt die Zeche zu berichtigen, so mußte er es in der Tasche öffnen und, sich ganz auf sein Gefühl verlassend. ein Gold stück heraus zu fischen suchen. Das gelang ihm denn auch ganz gut und als er die Münze in seine Westen tafche praktizirte, war er ganz sicher, daß Fräulein Melitta nicht das Ge ringste von seiner Manipulation wahrgenommen habe. Das mochte wohl auch wirklich so sein. Aber et was anderes war es, was ihre schar fen Maleraugen gewahrtem Als nämlich der junge Mediziner einige Minuten später sein Taschentuch her vorzog, um sich seine bei den schwieri gen Bemühungen doch etwas seuchl1 gewordene Stirn u trocknen, hatte er das Unglück« glei eitig das verhäng nisvolle Gelt-täan herauszurei- s sen, ohne daß er selber dessen gewahr z geworden wäre. Hart neben seinem i Siuhl fiel es zu Boden, und in der nMn Selnnde schon hatte Fräulein l Meint-, über vmu hübsches Seh-H mengesichtein eigenthiimliches Zacken » ging, ihr zierliches Fäßchen daraus l gesehn Just in diesem Augenbliet j sagte der nach und nach ganz in Hide( gerathene Assessor: »Sie verwahren sich geegn die soge- ! nannte Galanterie der Männer, mein i gnädiges Fräulein, wie gegen etwa-i Entwiirdigendes und Beleidigendes. ’ Und doch werden Sie mir zugeben; müssen, daß sie für das schöne Ge- ! schlecht doch auch ihre sehr angenehmen » Seiten hat. Wieviel leichter findet knicht ein weibliches Wesen, das aqu i irgend welche Art in Verlegenheit nnd ? Bedrängniß gerathen ist —- —« ! »Wie ich zum Beispiel ——« schaltete ; Fraulein Memra ein. »Nun ja, wie Sie zum Beispiel — wie viel leichter findet sie nicht infolge der von jedem gebildeten Manne an erkannten und befolgten Gesetze der Ritterlichkeit Hilfe und Beistand als ein Mann, der sich etwa in derselben Lage befändei Man sollte die An nehmlichkeit dieser Vorzugsstellung wie ich meine,doch nicht unterschiißen.« «Schade nur, daß wir uns ihrer in der Regel nur so lange erfreuen, als wir die dreißig noch nicht überschrit ten haben und uns eines leidlich gu ten Aussehens rühmen dürfen,« be merkte Fräulein Melitta sarkastisch. »Aber möchten Sie nicht den Kellner rufen meine Herren, damit ich ersah re wieviel ich Jhnen schuldig gewor den bin Wolsram klopfte an sein Glas, ließ sich von dein Kellner die Rechnung machen und schob ihm das Goldstück zu, das er nachiöisig wie ein echter Grandseigneur aus der Westentafche genommen hatte. Der dienstbare Geist betrachtete die Mäuse und legte sie auf den Tisch zurück-. »Ich bitte um Entschuldigung mein herr, aber erstens ist das ein Zwan zigsrancsstiick, siir das ich hier keine Verwendung hätte, und zweitens hat es ein Loch« Der junge Mediziner war starr vor Schrecken. Noch ehe er aber das un glückliche Geldstiick wieder hatte ver schwinden lassen können, sagte Fräu lein Melitta heiter: »Ein Zwanzigfrancsstiick mit einem Loch! —- .Wie merkwürdig! Lassen Sie doch sehen! —— Wahrhaftig, es gleicht aus ein Haar der Münze, die ich zur Erinnerung an ein besonderes Vorloinmniß in meinem Leben auf bewahre und die sich in meinem ver lorenen Getdtiischchen befand. Es giebt doch in der That die merkwür digsten Zufälle-" , »Ja, höchst merkwürdige Zufälle!« stammelte Wolfram, der schon seit ei ner guten Weile wie ein Verzweifelter in seiner Tasche nach dem Portemon naie suchte, während das Gesicht des Kellners mit jeder Sekunde ernster und länger wurde. »Donnerwetter, wo in aller Welt — —" »Wenn Sie vielleicht Jhre Geld biirse oerlegt haben sollten, mein Herr," fuhr die junge Malerin mit iibermiithig blißenden Augen fort, »so wiirde ich Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir erlaubten, Jhnen fiir den Augenblick auszuhelfen. Jch bin in der glücklichen Lage es zu lönnen, denn mein Portemonnaie hat sich wie durch ein Wunder wiedergefunden. Es liegt hier unter Jhrem Stuhl, und wen ich Sie bitten dürfte, es mir aufzuheben —- —" Erst in dem Augenblick, wo sich die beiden herren gleichzeitig danach blicks ten, zog sie ihr Fäßchen zurück, und als dann zwei blutiibergossene tödtlich verlegene Gesichter über dem Tisch rande erschienen, brach sie in ein friily liches Gelächter aus. »Das ist das drolligste, was mir je widerfahren ist. Sie sind also bei mir zu Gaste gewesen, meine Her ren.« Der Assessor winkte dem Kellner, sich zu entfernen und wandte sich mit mannhaster Entschlossenheit an Fräu lein Melitta: »Ich lege unser Schicksal in Jhre band mein gnädiges Fräulein! Hö reiiäLSie mein reumiithiges Geständ n « Er erzählte ihr alles, und die neckt sche Heiterkeit auf ihrem reizenden Ge sicht war Beweis genug dafür, daß sie nicht an der Wahrheit seiner Worte zweifelte. Als er mit der elegischen Bemerkung schloß, daß es ihr natür lich freistiinde, Strafanzeige wegen Fundiinterschlagung zu erstatten, nahm sie eine drollig nachdenkliche Miene an. »Ich behalte mir die Entschließung darüber vor. Aber da Sie ja nun meine Grundsätze -iiber die Stellung der beiden Geschlechter zu einander kennen, werden Sie es auch nicht miß verstehen, wenn ich Sie um die Er laubniß bitte, Ihnen zunächst inJhrer Bedrängniß auch weiter beistehen zu dürfen. Man soll einen in Noth ge rathenen Nebenmenschen nicht im Stiche lassen, gleichviel, ob ihn die Natur als Mann oder-— als Weib aus die Welt kommen ließ. Mit der sp genannten Galanterie hat das, wie ich denke, nichts weiter zu schaffen." Zwei Minuten später stand eine dritte Flasche Rübeslseimer ans dem Tische, und da man sich nachher noch zu einem längeren gemeinsamen S« - ziergange entschloss, hatte man s MikgeschiC den Nachmittagszug su ver aunten und mußte sich wohl oder übel entschließen, bis zum Abend mit einander in Lindenbe zu bleiben. Fräulein Meliita gestattete zwar den beiden beeren nicht, sie bi an ihre Wohnung zu begleiten, da Isc, wie sie sagte, keines männlichen Schndeg be dürfe, aber sie eriheilte mit einem sehr liebenswürdig-en Lächeln dem Assessor die dringend erbetene Erlaubniß, ihr die verauslagie Summe morgen per fönlich Zu überbringen Und nach den Geständnissen, die ihm sein Freund auf dem Heimweg machte, hegte Ver bett Woifram nicht mehr den minde sten Zweifel. daß er mit seiner Fund unterfchlagung dem beneidenswerthen Lexow zu seinem Lebensglück verhel fen habe. Auf dem Rückzuge. Kriegöepisode von H o n o r e d e B a l z ac. »Mein verehrter Herr Majori« ries Benassis plötzlich mit lautem Lachen, »Sie lassen mich hier reden wie ein Buch und erzählen mir nichts von Jhrem Leben, das doch gewiß recht abwechslungsreich gewesen sein muß. Ein Soldat Jhres Alters muß viel zu viel gesehen und mitgemacht haben, als daß er nicht mehr als ein Aben teuer zu berichten hätte.« «Du lieber Gott!« entgegnete Ge nestas. »Mein Leben ist nur das Le ben der Armee. Eine militiirische Fi gur gleicht der anderen. Da ich nie mals ein Kommando gesiihrt und im mer in der Front gestanden habe, wo man Hiebe austheilt oder welche er hält — so unterscheidet sich mein Le ben nicht von dem aller anderen Sol daten. Ich bin überallhingegangem wo Napoleon uns hingesiihrt hat. Jn allen Schlachten, wo die Garde zum Schlagen gekommen ist. habe ich in der Feuerlinie gestanden. Das - sind lauter allgemein bekannte Begeben heiten. Auf die Pserde auspassen — hin und wieder hunger und Durst leiden -—— wenn es dazu lommt, los schlagen —- das find die Phasen. aus denen das Soldatenleben sich zusam menseßt. Giebt es etwas, was einsa cher wäret Für den gemeinen Solda ten unterscheidet sich die eine Schlacht allenfalls dadurch von einer anderen, daß sein Pferd ein Eisen verloren und ihn im Stiche gelassen hat. Alles in Allem habe ich so viele Länder durchwandert. daß ich mich schließlich daran gewöhnen mußte — ich habe so viele Todte gesehen, daß mir mein eigenes Leben sehr wenig gilt.«« »Sie müssen mir aber doch in be stimmten Augenblicken einmal in per sönlicher Gefahr gewesen sein, und ich denle mir, daß die Erzählung einer solchen Begebenheit aus JhremMunde besonders eindrucksvoll klingen müßte.« »Wohl möglich,« meinte der Major. »So erzählen-Sie mir doch die Evi sode, die Ihnen am deutlichsten in der Erinnerung haften geblieben ist. Be sürchten Sie nichts! Jch werde schon leine Unhescheidenheit bei Jhnen vor aussehen —- selbst wenn Sie mir die eine oder andere Heldenthat berichten sollten. Wenn ein Mann sicher ist, von denen verstanden zu werden« die er da nicht mit einer gewissen Genug thuung sagen dürfen: das bin ich ge wesen?« »Gut also —- ich werde Jhnen eine Begebenheit erzählen, bei deren Erin nerung ich manchmal etwas wie Neue empfinde. Während der siinsZehn Jahre, die wir uns herumgeschlagen haben, bin ich nur ein einziges Mal in die Lage gekommen, einen Mann zu tödten, ohne daß ein Fall der Selbsterhaltung und «Vertheidigung vorgelegen hätte. Gesetzt, wir besin den uns in der Feuerlinie und wir greisen an. Nun gut —- unter solchen Umständen müssen wir die, die uns gegenüberstehen iiher den Hausen ren nen. Thun wir es nicht« so werden sie uns nicht erst um Erlaubniß bit ten, uns etwas unsanst zur Ader zu lassen. Wir müssen also tödten, um nicht selbst getödtet zu werden; das Gewissen ist beruhigt. Leider bin ich in die eigenthiimliche Lage gerathen, einem meiner eigenen Kameraden das Lebenslicht auszubla sen. Wenn ich mir die Sache nach träglich iiberlege, so thut sie mir zu weilen leid, und ich sehe das verzerrte Gesicht des Mannes noch vor meinen Augen. Urtheilen Sie also selbst. Es war während des Rückzuges von » Mvskau. Wir machten eher den Em druck einer zerfprengten Rinderheerde, als den eines Theiles der »grande Ar mee«. Die Fahnen waren fort und mii ihnen die Diszipxin Jeder war fein eigener Herr. Jch kann wohl sagen -—— der Kaiser hat hier die Grenzen feiner Kraft kennen gelernt Als wir nach Siudzianka, einem kleinen Dorfe jenseits der Beresina, kamen, fanden wir dort nichts zum ZerftZeen, als einige Scheunen und henfchobee nnd sehr wenig vergrabene Kneioffeknnnd Rüben. Seit einiger Zeit hatten wir weder ein Haus noch etwas Eßbares gesehen —— die Armee hatte nicht gerade üppi gelebt. Die erften Ankömmkäse hatten — wie Sie fich wohl denken können — Alles vers ri. Jch war einer der Letierk k’cklicher Weise hatte ich nur ein Bedürfniß »- nach Schlaf. Ich bemerkte eine Scherme- Jch trat n Und fah ungefähr zwanzig Gene rat, lauter hochstehende Offi iere, lauter Männer von roßen Ver ieni sten —- Junpt, Rat onne, ver Ad vian des Kaisers —- kurz alle die großen Herren der Armee. Auch em pelne Soldaten waren da, die aber Ehr Sitahbett nicht einem Max-scholl redet-lassen hätten. Andere schliefen ehend und lehnten sich in Folge aummangels gegen die Mauer. Wieder Andere lagen, um sich Zu warmen, so nahe aneinandetgepre auf der Erde, daß ich vergeblich nach einem .leckchen fiie mich suchte. chritt also iiber diesen mensch lichen ußboden ins Innere der Scheune. Einer brummte wohl ei Ivs·s, Andere wieder sagten nichts; Keiner »Hu-er bewegte sich vom Platze. Man hatte sich nicht gerührt, um ei ner Kananenkugel aus dem Welge zu gehen; man erwartete anst·uuw W nerlei übertriebene Hoflrchtertsformem Schließlich bemerkte ich im Hinter unde eine Art inneren Baches, qui s n steigen wohl- Niemandem ern gesalken war; vielleicht auch, daß Nik mand die Kraft dazu besessen hat« ch llettere also hinaus,ich Macht WITH artenr, strecke mich der Lange nach aus und betrachte die Leute unter m«rr, die wie eine Menge geschiarhteter Kal der dalagen. So traurig dar ganze Bild war —- ich mußte fast lachen. Die Einen iauten mit animalischer Freude an ihren gestorenen Karottenz dee»Ge nerale hatten sieh in Decken und Tuchex gehiillt und schnarchten, daß es wie ferner Donner klang. Ein brennendes Fichtenscheit erleuchtete den Raum Hiitte er die ganze Scheune in Brand geiteat — ich aiaube, es ware Nie mand ausgestanden, um das Feuer zu löschen. Ich liege also aus dem Rücken, öffne vor dem Einichlafen noch einmal die Augen und lebe unwillkürlich nach· oben an die Decke. Ich bemerke, daß sieh der haupttragebaltem aus dem das qanze Dach ruhte, langsam hin und her bewegt. Ich lann Ihnen sa aen —- der Teufel-halten führte keinen üblen Tanz aus. »Meine Herrens« rufe ich. »Orga szen ist offenbar ein Kerl, der sich aus unsere Kosten ein Feuer anziinden will!« Der Ballen war nahe daran, herun terzufallen. »Meine Herren· meine Herren --« sehen Sie doch den Ballen —- wir ge hen Alle elendiglicb Zu Grunde!« Ich schrie aus Leibestriisten. Herr Doitor — meine Kameraden haben sich wohl den Balken angesehen. Aber sie haben sich wieder ruhig schlafen gelegt, und diejenigen, die gerade aszen, baden mir nicht einmal geantwortet. Was blieb mir alio übrig? Ich mußte, um unser Häuschrn früheren Ruhmes zu retten. meinen schönen Platz aufgeben —selbst aus die Gefahr hin, ihn von einem Anderen besetzt in finden. Ich gehe also hinaus, schleiche um die Scheune herum nnd bemerkte ei nen Moxdsterl von einem Minimu beraer. der mit einem diabolifrhen Enthusiasmus an dem Ballen zerrt. ».t·:)eda!« rufe ich nnd mache ihm ein Zeichen, von seinem Vorhaben abzu iaffen. . »Mach’, daß Du sorttommst!« schrie erban deutsch, »aber ich schlage Dich o t.« So also steht die Sache! Ich ant wortete ihm: »Mach Du. daß Du forttommst!« Jch nehme sein Ge wehr, das er am Boden hatte stehen lassen, ich jage ihm eine Kugel aus den Pelz, gehe wieder in die Seher-ne und lege mich schlafen.« Der seine stiller. Ein lustiges Stücklein, das am 28. November in den Wandelgiingen des österreichischen Abgeordnetenhauses ers chlt wurde, giebt das «Frdbl.« wie r. Ein deutsch-mähriseher Abgeord neter hatte vor einiger Zeit eine Rede gehalten, die sieh gegen das allgemeine Wahlrecht aussprach. Als er nun in sein-u Wahrhezike Miit-nich Schön berg kam, ließen es sich die Arbeiter nicht nehmen« vor seiner Wohnung ein wenig zu demonstriren. »Nieder mit dem Abgeordneten! Rieder mit dem Abgeordneten!« so so tönte es in dunk ler Abendstunde wild durch die Menge. Plötzlich aber erschallte ein Ruf: »Nic der mit der Itaniarillat" Die guten das Wort zum erften Mal hörten und Möhrifche - Schönberger Arbeiter-, die nicht wußten, worum es sich denn ei gentlich handle, wiederholten mecha nisch: »Weder mit der Kamatilla!«Da aber unglücklichertveife in Möhrifchi Schönberg leit Jahren ein Eifenhiindi ler namens Karl Müller wohnt, wurde im Laufe der Begebenheiten infolge der bekannten Evolutionstheorie, die sich digiiial an Lotales anfchmiegte, aus »Kamarilla« das ähnlich tlingende Karl Müller« und immer lauter konn te man es hören: »Weder mit Karl Müller!« DieDemonftranten gaben sich aber damit nicht zufrieden. Muthes-t brannt zogen fie vor das.Gefchiifi des Eifenhändlers Karl Müller, der bisher noch niemand etwas zu Leide gethan, nnd demonstrirten und randalirten und « demolirten. Und in später Nachtfiunde ftitrzte der arme Karl Müller zu dem deutlchsmiihriichen Abgeordneten nnd fragte ihn, wie denn Karl Müller dass käme, fiir fremde Wahlrechtzreden sit büßen. Karl Müller-, der fich immer ängstlich von der Politik fern gehalten und nun so großen Schaden leiden müsse —-—-—« , Aus see Schule. » Lehrer « lin der Geographieftunde uber Italien und fein Voll): »Seit-en die taliener auch immer rnit uten A Tiers gehandelt?« g « iiler: «Nein, mit Gypsftgnrenck