Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 26, 1906, Sweiter Theil., Image 13

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    Das Wunderkind. « l
Oumoresle von Alired Deutsch
German.
Miß Maud war aus Amerila ge-»
tommen und l trte im telBritoH
Papa war ein Pömsleis -Graf. :- ;
ma die Tochter eines rings-Baums. s
Aus dieser Melange tammte MaudU
Sie interessitte sich weder iiir Pölelss
flkssch noch siir Heringe, sie hatte von
den Eltern nichts als die Millionen;
das genügte übrigens vollständig. Ne
benbei war Maud eine stolze und kühne
Schönheit Jhre Augen blickten über
legen aus die neun- und mehrzacligen·
Bett-erben und ihre Nase riimpste sie
deg öfteren, wenn sie sah, wie man
sich lrampfhast bemühte, ihr gefallen«
zu wollen. Selbst tändig und ener-«
gisch gab sie einem utzend von Preis-.
boxern und Championringern von ver
schiedenen Universitöten den Lauspaß.
Die europiiischen Degenerees beha« ten
ihrsnicht, die heimischen Zuchtarito
traten gesielen ihr noch weniger-. llnd
sie sagte eines Tages zu ihren beküm
merten Eltern: Erlaubt, daß ich mir
meinen Galan selbst suche, ihr wißt,
daß ikh dafür genügend Verstand und
sehr zchatse Augen mitbringe. Jhr
könnt niir also vertrauen. Wenn es
euch recht isi, dann nehme ich Edith
mit und Onlel Joe, die sind Garde
genug und sollen mir helfen.«
Dabei blieb es; Eisenbahn und
Ozean wurden in Bewegung gesetzt.
und die s öne Maud traf am Konti
nent ein. zzni Fluge gings durchdie
Großstiidte; nach London kam Paris,
dann Berlin, dann Wien. llnd nun
war sie hier. Im Solon lagen die
Toiletten umher, auf einem Koffer
mit Juwelen saß Miß Edith, auf
einem Korb mit neu angeschafften
Kostbarkeiten hanc sich Mist-c Zo
placirL Sie hielten Kriegsrath « er
Onkel er ob eben feine Stimme:
»Theure aud,« begann er, »die
Sache fängt an, mich zu langweilen;
ich weiß wohl, was ein amerikanischer
Onkel, der auch Coionel aeaannt
wird, kein-kutschte schuldig ist, aber
ich mu dich bitten, mir endlich zu
sagen, was das Ziel deiner Reise sein
so . Du suchst einen Mann, du bät
test ihn schon längst wählen können.
In Amerika standen dir die ersten
Milliardäre zur Verfügung siir Mes
allianren gab es Her öge und Lords,
in Paris wollte dich ern Redakteur des
»Figaro« angeln, ein Minister und ein.
Erfinder, in London hatteit du Ge
legenhseit, mit dem größten Maler des
Landes Verbindungen anzulniipsem
in Berlin interessirte sich ein Held des
,« rerositlufstandes site dich, aber alles
, eß dich kalt. Wann soll die Irrfahrt
enden? O meine liebe Maria« fuhr
,der Onkel fort, »ich hätte gar nichts
egen diese Reisen, aber dag sind ja
Zetzjagdem mich einzuleben, Bezieh
Æzn anzuiniipsem mein Geld in
ragen auszugeben Jch bin ja tein
Selundenfahrer; daß es dir nicht ein
stillt, zu sagen: »Mein lieber Onkel,
wir reisen morgen mit dem Erpresz.«
—-Das geht nicht weiter. Mist Edith
ist ganz meiner Ansicht, bitte sage mir,
wie lange du noch in dem Tempo zu
reisen gedentst und was du eigentlich
iwillsti Fällt die Antwort nicht zu un
ferer Zufriedenheit aus ,dann lehren
wir nach Frist-o zuriict, die Fiampagne
hat besonnen fund ich sehr gar nicht
ein, toarum«.., mir das Vergnügen,
noch ein paar lleine Millionen leicht
zu verdienen, nehmen lassen sol1.«
Die hübsche Nichte lächelte freund
lich und sagte: »Arme: Onlel! Ich
weiß, was es dir für Qual macht,
dieseReise mitzumachen,aber nun sollst
du bald erlöst sein. Höre also, was
ich dir zu sagen habe: Jch erllärte
Papa, ich ginge nach Europa, um
einen Mann zu suchen, das war nicht
ganz richtig, ich unternahm diesetiieise,
um e i n e n Mann zu suchen. Verstehst
du jetzt?«
Der Onkel verstand. Er· verstand
nur nicht, warum MißMaud in einem
solchen Fall nicht einen Separntdamg
pfer und einige Separakziige nach dem
Kontinent schickte und den Bevorzug
ten in einer Karosse, die mit Tausend
Dollar-Noten ausgefchmiickt war, nach
Sau Francisco holen ließ. Miß
Maud ließ sich zu Details herbei.
»Ich müßte den Bräutigam selbst
auffuchen, denn es war mir nicht
mö leich, seinen Aufenthaltsort zu
eru ren. Jch kenne ihn auch weiter
Mr nicht, ich habe ihn ein einziges
al gesehen und’ich weis; nicht, wie er
heute aussieht, denn es sind zehn
Jahre seither oergangen.«
»Was, zehn Jahre?« fragte der Co
lonel, «da warst du ja noch ein Kind
non neun Jahren!« ,
»Gewiß,« fuhr Mond fort. »Er
spielte bei uns und bekam tausend
Dallars fiik den Abend, ektvar Gei
kten Papa hatte ihn eingeladen nnd
ch ging in den Saal und veqiebte
mich in fein Spiel. Er hat damals
die Zigeunern-eilen von Summe die
«Maseg«-Phantnsie nnd anderes ge
spielt. Seither habe ich Joachim nnd
Saeasale gehört. aber er bleibt mir
unvergeßlieh, ihn sehe ich immer vor
mir in meinen Träumen mit seinem
Instrument, ihn liebe ich, ihn will ich
erringen, und nun wißt Ihr, warum
wie von Ort zu Ort zogen, warum
ich diele Reife überhaupt unternahm.«
Der Onkel sagte: »Ok) das nur nicht
eine Dummheit war, Mauth Ich ver
stehe es überhaupt nicht, wie man sich
in einen Gei et verlieben tann! Und
vor zehn Ja een lagst du? Ja, ist
et denn nicht zu alt ewotden?«
Miß Mund OF te: »Er lann
höchstens um fünf ahte iiltee sein
als ich. Damals galt er noch als
Wunderkind Hier habt ihr fein Bild.«
iUnd die Ameritanerin zog das Bald
eines schwarz arigen tleinen Jungen
hervor, der niihta seiner Fiedel sich hatte
photographiren lassen. »Es war der
einzige Gedanke meiner Seele, diesem
Virtuosen mein Herz zu schenken; wer
so zu geigen vermag, der muß ein
edles Herz haben. Jch habe von die
ser Liebe Niemand ein Wort erzählt,
denn ich wollte nicht, dasz man mit
einer so heiligen Sache Scherz treibe.
Aber nun bin ich auf seiner Spur.
Ich will ihn erobern, will ihn an mich
reißen und ioill dann heimziehen, um
im Orfordshotel in unserem Club
vor die anderen Mädchen hinzutreten
und zu sagen: Seht i r, den habe ich
mir mitgebracht, er it tein Milliar-»
där, kein Fürst, er ist nur ein Künst- -
ler. So wählt sich eure Präsidentins
ihren Mann!«
»Wundervoll,« sagte Miß Edith
»Du wirst ihneitzdainit furchtbar im
poniren, Mund, aber glaubst du denn,
ihn finden zu können?«
. »Ich bin dessen gewiß,« sagte
;Maud, »unsere Heszjagd ist zu Ende,
hört nun weiter: Jch erfuhr, daß sich
der junge Virtuose vor zehn Jahren
snach London begeben hat. -aruin
besuchten wir zuerst die englische
»Hauptstadt. Kaum hatte ich erfahren,
Jdaß er sich nach Paris begeben habe,
Hals -wir auch schon Paris aufsuchten.
jSeine halbverwischte Spur zog sich
l nach Berlin und nun nach Wien. Hier
’ist er, hier lebt er, denkt euch nur« ich
Iathnie die gleiche Lust initihin, nnd
ich werde ihn hören, ihn sehen. werde
ihn bei der Hand fassen und ihm sa
gen: Komme mit niir nach Amerika,
ich liebe dich, ich lege dir meine Mit
lionen zu Füßen. Du sollst meinen
Freundinnen im Oxford-Dom vorge
ftellt werden und sie sollen dich lieben
und dich anbeten.«
Der alte Colonel machte eine sehr
unzufriedene Miene: »Wenn er aber
verheirathet ist?"
,,Schadet nichts! Jch gebe seiner
Frau so viel Gelid als sie wil.«
»Er wird Kinder haben!«
»Ich adoptire sie.«
»Er wird gestorben sein!«
»Dann baue ich rnir ein Haus neben
dein Friedhof und will nichts mehr
vom Leben wissen.«
,,Gut,'« sagte der arme Onkel, »sich
also zu, daß du ihn findest, denn ich
merte es nun: das ist eine Idee, die
du als Präsidentin deZ Excentrictslub
boni Oxford-Ovid gefaßt hast, dir
deinen Mann aus die abenteuerlichste
Wiese zu verschaffen.«
»Die Liebe ist es, ehrwürdiger Co
lonel. aber davon habt ihr eingepölels
ten Schweinesleischherren tciue Jdee.«
»Und wie willst du ihn finden?«
fragte Edith.
Maul-I hübsches Antlitz wurde in
der Farbe lebhafter, sie erhob sich von
ihrem Fauteuil und sie sagte in dem
feierlichen Ton, in dem sie sonst die
Sitzungen im OrsordsHotel erösfnete:
»Ich habe seine Adresse, wir haben ihn
gesunden, das Ziel ist erreicht." Jn
ihrer Hand hielt sie einen Zettel. Es
hatte sie Tausende gekostet, die Spur
bit-hierher zu verfolgen, aberimit Geld
ist alles zu machen· Und sie las:
,,Wien, XH., Grundsteinaasse.«
Dann machte sie Toilette, Maud
nahm einige Perlen von der Größe
eines Taubeneieg als Schmuck, sie
meinte lächelnd: »Ich muß ja meinem
Bräutigam aesallen.« Dann bestellte
sie»,einen Wagen und dann fragte sie
den Partien »Was ist dag, XYL
Gruiidsteingasse?«
Der Portier antwortete: »Das ist
etwas, nach dem junge Tainen, die
taubeneigroße Perlen haben und fünf
hundert Kronen täglich für Apparte
ments bezahlen, nur selten sragen.«
Der Kutscher erhielt die Weisung
und die drei Ameritaner standen vor
einem kleinen Haus. Mand, Edith und
der Colonel gingen über eine enge
Stiege, dann fanden sie eine Tafel
und traten in ein niedriges Gemach
ein. Eine alte Frau, sehr diirfiig ge
kleidet, lain ihnen entgegen. Sie er
ichrai förmlich als sie den Gianz in
ihrer Hütte bemerkte. »Ihr Naine?«
fragte Maud rouraairt. Die Alte
nannte ihn. Maud sagte leise zum
Onkel: »Es ist die Mutter.« »Ihr
Sohn?« »Er ist drinnen im Zimmer,
der Poldl, er hat gestern Namenstag
gehabt, da thut ihm der Kop; weh,«er
ist heute gar nicht in’s Geschii t gegan
gen. Sind die Herrschaften vielleicht
vom Zwiebaet?«
»Nein,« sagte Mand. »Haben Sie
nicht einen anderen Sohn, einen
Künstler, einen Virtuosen. der in.
Amerika wart«
Die Augen der Alten begannen zu
leuchten. »Sie meinen den Fritz, o
ja, der ist mein Stolz.«
»W-) ionzertirt er?«
Die Alte begann leise zu weinen
»Der lonzertirt schon viele Jahre nicht »
t.
»So ist er todt?«
»Er lebt!« «
»Ob« verheirathet?«
»Er ist ledig.«
. Die Ametitanerin atlnnete auf:
»So erzählen Sie doch!«
Und die Mutter erzählte von den
Triumphe-i des Sohnes-, von feinen(
Erfolgen und wie er einige Monate«
nach seiner Heitnieht alle Lust an derj
;Violine verlor, wie fein Taient ver 4
-flauie, bis niemand mehr an ihn(
:glanbte, bis sie seine Violine in Stücke
I schlug
»Die Tragödie des Wikndektindes!«
Taste Maud eeiihkt, »das thut aber
nichts wer o wie er gei te, der
braucht nicht Violine und ni t Arme.
Ringen feines Schlage-s- geigen mit
der ele.«
»Wenn Fritzi wollen S’ was wis
en,« la te die Alte. »Da ist sein letz
« er Brie. Der Colonel nahm einen
fchmuhi n « WtLei detilchon vielfach
labgegei n wor, und bei-fette sei
nen Inhalt der M'illionenerbin. Er
enthielt nur ein paar Zeilen und sie
lautetem ,,Theure Mutter! Ich habe
ein Stubenmäbchen gefunden, das mir
sehr gefällt. Viehlricht hörst du bald
was Neues von uns. Das Leben ist
hier sehr theuer. Viele Grüße von
deinem Sohn Fritz, Eßzeugputzex im
Hotel Oxford in Sau Francisco.«
HON
Orlows ,,Einfegnung.«
Stizze aus dem russischen Militär
leben. Deutsch von A d. He ß.
»Herr, morgen früh wird im zwei
ten Bataillon Orlow ,,eingesegnet«',
sagte der Feldwebrlbursche Schubtn,
ein Kamtschadalse, zu mit. der auf der
Treppe die Stiefel seines Vorgesetzten
reinigte.
Orlow, der vom Militärgericht zu
fünfzig Ruthenhieben wegen Deserti
rens und Beschiidigung von Mons
eigenthum verurtheilt war, saß tm
Arrgt
,,- i, sind das Sachen, der ganze
Mantel ist zerrissen und verbrannt!«
erzählte der Gefreite, der Orlow zum
Gericht eslortirtr.
Es war das erste Mal, daß Orlow
desertirt war; tiirzere Entfernungen
vom Regiment wurden ni t mitgereF
net. Ja die em Falle hie es eiufa
Orlow ist wieder »aus Wasser« gegan
gen. Gewöhnlich verschwand er aus
dem Lager. Jm Winter war er pünkt
lich im Dienst. Aber sobald das Eis
auf der Wolga ging, belam er Heim
weh, lief bald hierhin, bald dorthin,
und sobald man ins Lager zog, war er
sbeim Walde, dicht am Flusse, ver
schwunden. Nach zwei, drei Tagen kam
er dann vergnügt wieder an, saß seine
Strafe ab und trat wieder in Dienst.
Das letzte Mal war er im Juni
vorigen Jahres verschwunden. Man
hatte ihn dann vierzehn Tage in ein
unterirdisches Loch gesperrt, wo Re· «
genwiirmer auf die niedrige Pritsche
fielen. Dirett aus diesem Arrestlolal
tam Orlow zum S-chies3en.
Wir tauchten und unterhielten uns
gerade. i
»Mit warst Tru? Hast Du Dich ir
gendwo vollgetrunten?«
»Ich trinke niemals, finde keinen
Geschmack am Trinken, esJ zog mich
einsach ans Wasser. Ta ging ich nach
dein Dienst an die Wolga und setzte
mich unter eine Bitte beim Lager. Da
zogen die Dampfer Pfeisend vorüber,
- hinterher glitten Barlen, auf den Bar
len lachten die Leute ihre Griitze, und
an den Ewern leuchteten die Segel.
Wiss duftete nach Birkentheer. Hinter
tnir im Lager aber rief die Trommel
,,Tra-sta-ta, tra-ta ta«. Da ging ichs
hinunter zu der Sandbant, iro dass
Mütterchen Wolga läuft. Ich gehe;
und gehe « setze mich nieder, trinte
Wasser und gebe weiter. — — »Im ta
ta, tra-ta-ta« trink-l ei- mir immer;
I noch in den Ohren, und die Stadt ist
j schon weit, und die Sonne ertrintt im
.Wasser und Vergoldet die ganze Wol
ga. Da bleibe ich stehen und denke:
nach: zum Appell kommst du Zu spät; ;
da bleib schon big morgen ist Doch ;
ganz einerlei. Am Ufer im Eanoej
qselte ich Licht. Ta sitzen ein paar
Fischer und kochen sich Sappe. Ich
trete zu ihnen. ,,(ijriis; tiuch Gott,
brave v,«fiscl)er51eute,« ietze mich nieder
und riicte näher an den Kessel. sDer
siedet und brodelt gar lustig! - --Vlf3en
Fischsuppe — unterhielten uns-« oon
diesem und jenem, und dann blieb ich
da und arbeitete vier Tage bei ihnen.
Dann lehrte ich ins Lager zuriict und z
brachte dem Feldioebel zwei Sterlet«
und einen Stör mit. Aber der Feld s
toebel Scheptun fahrt wie nichts Gu- !
teg aus mich los-: »Was hast du da?"
Woher hast dtt die Fische? (-Ssiestohlen?« I
Jch gestand ihm alles. Er nahm
die Sterlette und steckte mich ins Loch
Wie durste er das thun!
Dergleichen geschah oft mit Orlow.
lsr verschwand auf zwei bis drei Tage ;
und lehrte dann ganz still zurjict.
Waren seine Sachen heil, so betam er
eine leichte Strafe; sein tttottentom
mandeur, Jwan Jarejew, verstand «
eine Soldatenseele, und alles fchieni
gut zu gehen. denn Orloto hatte nur«
noch ein Jahr zu dienen, bis- er auf
unbestimmte Zeit beurlaubt wurde.
Nun sollte er am nächsten Tage aus
gepeitscht werden!
Früh Morgens versammelte-i sich
alle beim zweiten Bataillon. Die Sol
daten wurden in einem starree aufee
stellt, und es blieb nur ein schmaler
Eingang iibrig. Jn der Mitte tour
den zwei Haufen lange, mit Stroh
zusammengebundene Birtenruthen
«
.
ausgeschichtet. Die Osfiziere kamen,
besahen die Ruthen nnd traten auf die
Treppe. Dann tani auch der Feld
webel Scheptun, ein stämmiaer, nie
driaer Kerl, schielte mit seinen starren
Augen nach dem Haufen hin, trat
heran, nahm ein Bündel in die Hand,
schlug zwei-— dreimal durch die Lust,
daß es pfiff, legte dieRuthen wieder
hin und ging in die Bataillonsschreid
stube.
»Ein bösartiger Kerl, dieser Schep
tun! Was braucht er überall herum
zuschniifsean
»Ja, der has-» mit der Nase und
mit der Zunge; schniisselt nach unten
und tiatscht nach oben; ist selbst mit
dem Divisionstommandeur betannti«
»Ein richtiger Schikaner. Quält
die Leute, ist schlimmer ale eine Rat
tet.«
So unterhielt sich ein Hausen Un
teroffiziere in unserer Nähe.
»Stillgestanden!« schrie der Feld
ivebel. "
n das Karree traten ein paar Ge
seeite und der Bataillonstommandeur,
in Ma·or. der wegen seiner«militijri
schen igenschaxten allgemein beliebt
war. We en ge nes"langen, weit vor
ragenden åchii els führte et den Spitz
namen »Pfetdeiops«. Gegenwriitig
versah er den Dienst eines Regiments
lommandeurs.
Er nahm den Rapport des dienst
thuenden Ofsiziets entgegen und be
fahlt dem Rottenlommandeur: »Also
vorwärts, aber ohne alle Zeremonien
und möglichst schnell!« i
Zwei Eskortesoldaten mit aufge-J
pflanztemBajonett führten Orlolo ins
Karee. Er ging mit niedergeschla«,e
nen Augen. Sein breites, hageres,»
verbrannte5, blatternnarbiges Gesicht
erschien blaß. Die wenigen Minuten,
während deren das Urtheil verlesen
wurde, erschienen uns lvie eine Ewig
keit. Der Major wie die Offiziere be
mühten sich, weder uns noch Orlow
anzusehen. Rur der Rottenkapitän
Jarejew, der von der Pike auf gedient
hatte und noch das Spießruthenlau
fcn kannte, gab kaltbliitig, ohne jede
Ueberstiirzung die nöthigen Befehlt-.
»Nun, Freund erow, zieb dich
aus! Nichts zu machen - -- das Urtheil
lautet einmal so.« .
Orlotv entlleidete fich; den«zufarn
mengerollten Mantel schob er unter
den Kon und legte sich nieder. Zwei
Soldaten packten ihn auf Jarejews
Befehl an den Beinen, zwei an den
Schultern?
M»Herr Kapitäm lassen Sie einen
Man sich auf feinen Kopf setzen!«
rief fiktzt der Feldwebel Scheptun.
Orlow erhob den Kopf, wandte
seine großen, grauen Augen Scheptun
zu und meinte mit leichtem Zittern in
der Stimme:
»Ist nicht nöthig. Man braucht
mich nicht festzuhalten. Jch riihre
mich nicht.«
»Wollen’s versuchen; laßt ihn al
lein,« sagte der Major.
Die Soldaten traten fort. Der Re
gimentsarzt Chlebow befühlte feinen
Puls, wandte fich dann zum Major
und sagte leise: »Gut. Es kann los
geben«
»Also Kinder, vorwärts; ich werde
zählen,« wandte fich Jarejew an lzwei
Gefreite, die mit Ruthenbündeln auf
beiden Seiten Orlows standen.
»Eins. «
»A- ah!« ertönte es im Gliede.
Die meisten jungen Offiziere wand:
ten sich ab. Der Major führte den
Flommandeur der ersten Rotte mit
schönem Baaenbatt zur Seite und
zeigte ihm ein Papier-. Beide betrach
teten aufmerksam das Papier. Jch sah
aber bei einem zufälligen Hinblieten,
daß der Major esdertehrt hielt.
,,Zwei! Drei! Vier!« zählte Jare
few weiter.
Orlow biß-mit den Zähnen in den
Mantel nnd barg den Kopf tief im
Tuch.
,,Fefter! Fester!« schrie Scheptnn,
der jeden Ruthenhieb mit starren
Blicken verfolgte
Hochroth« mit ansgestreettem Halse.
wodurch sein Kopf nach pferdemäßiger
wurde, fuhr jetzt der Major auf
Icheptun los:
»Sie gehen mit dem Adjntanten in
die Regimentskanzlei und erwarten
mich dort!««'
Scheptun trottete blaß und malmft
hinter dem Adjutanten her. »Hu Be
fehl, Herr Major!« murmelte er
ziihnetnirfchend beim Abganae
.,Sind Sie fertig, Kapitiin? Wie
viel haben Sie noch-«
»Dreiundzwanzig.«
»Nun, bitte, schnell, fchnell!«
Orlow ließ leinen Laut hören; aber
jeder einzelne Muskel feines atl)leten
haften Rücken-«- spielte.
Jn den Reihen der Junker ertönte
ein Schrei.
»Was ist da los?«
»Temidow ist schwach geworden«
Ein kürzlich erst eingetretener zun
ter, ein zarter, schwächlicher Bursche,
Mitja Deniidow, war in Ohnmacht
gefallen. Ost wurde weggetragen
,,Orlow, fteh auf, Freund! Hast
wacker ftandgehalten, Bursche!« lobte
Jarejew den Delinquenten, der fich
jetzt schleunigst ankleidete.
Orlow schien unterdessen mit trii
ben Augen in der Menge Jemand zu
suchen.
Jetzt trat der Major zu ihm. »Ma
tarow, gib ihm einen Schnabe, damit
er wieder hoch kommt. Nun, komm
schon. tomm.«
Und der Mai-or führte Orlow in
die Kanzlet
an der Raserne entstand bei seiner
Ankunft allgemeiner Lärm: draußen
aberJrat Jarejew zu den Juniern
und erzählte von früheren Zeiten:
»Was ist denn da Großes dabei?
Ihr hättet mal sehen sollen. loie eLs
früher war. In unsere-n Etrafba
taillon hatte mancher feine tausend
Hiebe hinter sich. Da wurden die
Kerls an Flintentolben gebunden und
halbtodt durch die Reihen geschleppt
und dabei gebriiaelL Wenn jemand
aus Mitleid zu leise schlug, machte
ihm der Feldtriebel hinten mit Kreide
ein Kreuz aus den Rudern das beden
tete, daß man nachher selbst durchae
priigelt tvurde.«
»Das sind ja schreckliche Dinge, die
Sie da erzählen!«
»Allerdings. Aber es hatte auch sein
Gutes. Zum Beispiel wagte Niemand,
einen Geprägelten noch herunter zu
machen, tvie das jetzt geschieht. Das
gab es einfach nicht. Der Körper wur
de gezüchtiat, aber das Innere des
Menschen blieb intalt. Die Strafe
wurde vollzogen und damit sertig."
»Dieser Scheptun wäre also selbst
damals nicht möglich aewesen 7« mein
te etner von den Jnntem
,,D.. haben Sie recht. Wir hatten«
ihn bald ausgeräuchert Auf Wieder
sehen, meine Herren!«
se si
Seit jenem Vorfall sind einigeJah
re vergangen. Unser Regiment ist im
russisch-japanischen Kriege arg mitge
nommen. Der Major lebt nicht mehr.
Von den früheren Ofsizieren sind we
nige übrig geblieben. Der Junker
Demidow ist gefallen. Scheptun aber
hat man richtig aus dem Regiment
hinausgeekelt; er soll jetzt irgendwo
Gutsbesitzern das Geld abnehmen.
Orlow aber ist bald nach seiner Säch
tigung wieder davon gelaufen, und
man ihn nicht wieder gesehen . .
Der Künstlerin Rache.
Episode aus dem Leben der Mod
fes-la.
Die Polen sind, wie wohl allbe
kannt, sehr stolz auf ihre Mutter
sprache, und gewiß keiner darunkd
mehr, als die berühmte Schauspiele
rin Modjeska. Während des Ge
sprächs bei einer Tafel hier in Ame
rita, nahm da einer der Tisch-Säfte
etwas unvorsichtig Gelegenheit, sich
über die Rauhett und Härte der pol
nischen Sprache zu äußern, und die
ser gegenüber den musikalischen Ton
fall der romanischen Mundarten her
vorzuheben. »Da dürfen Sie doch
wohl irren,« erwiderte Madame
Modjeska, »und ich glaube Jhnen
durch eine Probe beweisen zu können,
daß meine Muttersprache nicht nur
ebenfalls musikalisch ist, sondern daß
sie sich auch vortreflich zur Wiedergabe
der erhabensten Dichtungen eignet.«
Sie überlegte einige Augenblicke
und setzte dann hinzu: »Ich werde
Jhneu den Namen und die Art des
Stückes-, woraus ich eine Stelle rett
«tireu will, nicht mittheilen, Sie mö:
gen sich nach dem davon empfangenen
Eindrucke selbst ein Urtheil darüber
bilden.« Die Tischgefellschaft setzte
sich zu dem Vortrage zurecht und die
Künstlerin begann diesen mit der rei
chen Kunst der Rede und G-razie, die
ihr in der ganzen Welt einen so hers
vorragenden Ruf erworben hat.
Als sie geendet hatte, klatschten ihr
alle Zuhörer lebhaften Beifall und ga
ben freudig zu, daß sie ihre Vertheidi-·
-gung trefflich geführt und im Streite
Ider Meinungen den Sieg davon ge
Itragen hab-e. Nachher bemühten sich
idie Tischgäste, die Natur des betref
fenden Dichtwerkeg zu ergründen Ei
ner meinte, der Wärme und der Be
lgeisterung bei dem Vortrage nach,
mijsse es eine patriotische Lde sein.
Ein zweiter glaubte darin ein String
lied erkannt zu haben, während ein
dritter die Ansicht vertrat, eS werde
ein beriickendekl Liebeslied gewesen
fein. Alle aber stimmten darin über
ein, daß eiJ eine herrliche Dichtung
sein müsse. Die Dame hörte mit
freundlicher Miene die verschiedenen
Urtheile an, und als- das letzte abge
igeben war, erllärte sie mit einem lei
sen Anklang fdössisclxen Triumphs in
der Stimme: »Die Wahrheit, geehrte
zberrem ist, daß Sie sich alle getäuscht
haben. Dieses schöne »Gedicht«, dem
Sie so aufmerksam gelauscht haben,
bestand nur aus den Polnifcbens
Zahlwiirtern von eins bis hundert!«
Ok
,,Küchendragoner. «
Es wird wohl jeder annehmen, daß
der Ausdruck Fiiichendragoner eine
scherzhafte Bezeichnung ist, die ihren
Ursprung der Erwägung verdankt,
daß die an Kochherden waltende holde
Weiblichkeit manchmal wenig Feen
hafteH an sich hat. Aus der jüngsten»
Veröffentlichuna des Großen Gene
ralstabes lHeft 8 der Urkundlich-In
Beiträge zur Geschichte des preußi
schen Heeres) geht jedoch hervor, daß
die . Bezeichnung ,,.Kiichendragoner'«
dienstlich war. Die in dem Heft ver
öffentlichte, vor kurzem anfgesundenei
»Stammliste der preußischen Regimen-—
Her vom alten Dessauer aus dein
isahre 1729 sagt vom Reiterregiment
von Blanckensee Nummer 4, aus dein
daEJ jetzige Leibs-Kürassierregiment in
Breslau hervorgegangen ist, daß ers
,,anno 16574 von denen Hosstar1t5
oder siiicbendragouern des Obersrhen
ien Grumblows« errichtet sei. Wir
erfahren dabei in einer Bemerkung
des Großen (Sieiieralstabs, daß dieses
Regiment zwar ofsiziell diesen Na
men nicht gefü rt hat, das-, hingegen
drei Draqoner.ieginienter Manier-,
Lottunr und Wittgenstein) dienstlich
den Titel »Hofstaat-J oder Fiiicheu
dragoner« gehabt haben, weil sie bou
trittst bis 1704 den Dienst beim Hof
staat versahen. Zum Theil waren sie
ausdrücklich siir den Dienst bei Hofe
gebildet worden, so wie es auch ,.Ord
nungderagoner« gab, die Postdienst
versagen. Dai- Regnnent Grumh
low, dessen Chef Oberscheni war, wird
vom alten T«seisauer ,,.itiichendraaos
ner« genaqu, weil eg- in seiner ersten
Zeit thatsächlich ebenfalls Dienste im
Hofstaat deg-.tt11riiirsten von Vran
denbur verrichtete
Unasmcnclnn.
Jagdqast wer einen Treiber anat
fchossen): «-S zeußliches Pech! . . . is-)
’ivas ist niir noch nie paisiri! .....
(Zum Treiben) Nun, was kriegen Sie
denn, mein Bester?«
Treibert »Na, geb’n S mir half,
was S’ immer ’geben habm!'«
Zu stark- Berluchuns. .
»Wie konnten Sie mir Jhr früheres
Dienstmädchen nur als eine so ehrliche
Person empfehlen; um es zu prüfen
legte ich gestern Morgen ein Goldstüli
heimlich auf den Tisch, eine Stunde
später war’s verschswunden.«
»Ja, aber auch gleich mit Gold zu
beginnen.« Sie hätten’s mal erst mit
einem Nickel versuchen müssen.«
Eine gute Seele.
Eine Frau beklagte sich bitter über
ihren thtannischen Ehemann. Eine
Freundin rieth ihr, ihn dennoch freund
lich und aufmerksam zu behandeln und
sozusagen glühende Kohlen auf seineni
Haupte zu sammeln. Sie aber erwi- »
verte: »Ach wo, das nützt auch nichts
bei seinem Dickschädel, denn ich habt
es schon mit zwei Kesseln kochendem
Wasser versucht, und es hat gar nichts
geholfen!«
Unangenehme Offenheit
,,Woher das viele Gelt-Z«
»Das hat mir der Zinseles gelie
hem«
»So? Dem Wucherek geschith
recht.«
Beim sah-tanzt
»Die künstlichen Zähne, die Sie mir
eingesetzt haben, sind jchon wackligf
»Ich sagte Jhnen ja, sie tragend s eh
wie echte. «
Auf der Höhe der Zeit.
Dame: »Was? Sie sind auch in die
sem theuern Kurort?«
Bettler: »Ja freilich, meine Kunde
sind ja auch alle hier!«
Kurz und bündig
Arzt: ,,Also, Hubermeier, Sie ha
ben die Wahl: entweder Sie geben das
Bier auf, oder ich Sie!« -
Mißverständnis-. -
Geliebte (zum Studenten): »Aber
Ebgar, haft Du auch ein starkes
Herz?!«
Student: »Das will ich meinen . . .
ich bertrage täglich meine zehn Vierte-J
Wein!«
Kinder-mund.
Der kleine Hans (zu seinem Onkel,
einem Seemann, der stark Tabat
taut): »Aber Onkel, warum spuckft DI
denn immer die Chokolade aus?«
. Sehr einfach.
« . . . Und wag hätten Sie denn ge
than, Herr Leutnant, wenn über Ih
nen das Schwert des Damokles ge
schwebt hätte?«
,,(5infach auf ’n andern Platz ge
setzt!«
Sichrer-g Reich-Li
» zst Ihre Braut hübsch?«
»Darüber kann ich mir kein Urtheil
erlauben —— aber sie kriegt immer einen
Sitzpnnz in der E1cttkischen!«
Ueberraschung.
A: »Ich habe mich über Sie erkun
digt! Sie sollen ja kaum für hundert
Mark gut sein!«
B (überrascht): ,,2(lso doch für hun
dert Mark?«
Mißverstanchn
»Sie, Wächter, wie kommen Sie
dazu, den Obstdieb diurchzupriigelni
Ich hatt’ Ihnen doch nur gesagt, Sie
sollten gut acht geben«
»Ich hab’ ihm auch nur gut acht«
geben!«
Ein Ereigniß.
Mutter (Gattin eines Diurnisten zu
den Rindern): »Wenn Jhr heute schön
artig seid, biirst Jhr uIit dem Vater
gehen und zusehen, wie er beim Ban
tier einen Hundertmartschein wechseln
läßt!«
Unsinn-it
» . . . Für wie alt halten Sie mich
wohl, Herr BaronZ«
»Nun . . . fiir fünfunddreißig!«
»Da fehlt es gerade um zehn Jahres·
»Was-, Gnadiaste sind schon siiuss
undbiereia?«
isiuc reiche Partik.
» . . . Und wissen Sie, was meine
Tochter mitirieth«
,,,,J·an;ol)l doch ich heiraihe sie next
aug Liebe!«
»Je, e’ Kunst, zu heirathen nur est-I
Liebe wenn Eie wissen, wag sie iust
krieai!«
scnfntu
Alter Vetbrechcr fzn seinem jungen
Vertheioiaer): »Großarti«a, famos ha
ben Sie das gemacht! Herr Dom-,
Sir berechtian zu den schönsten Hofs
nunaenI . . . Also afacinnann sage ich
Ihnen due-P
sn genau befolgt
Baron: »Wie, Sie trinken aus mei
ner Flasche, Jean2«
Diener: »Herr Baron haben doch
gesagt, ich soll jedem Gläubiger, der
kommt, einen Rognat einfchütten . . .
nnd ich habe doch auch dieer Man-II
noch kein Geld gekriegt!«
Gemüthlich. .
Wirth was Letzte ans dem Fo
schenkend): »Hm, wem bring ich
das letzte Glaö?« s