Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 19, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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    Schleppiagd
.,»;», , von Wilhelm v· T r o tha.
LIM- die Reiter hinter den Hunden
N brav vor dem Feinde ge
funden.«
Wellington.
ie hatten die Ulanen, wie üblich,
im großen Speisesaal gegessen,
dem man hatte im sogenannten
immer gespeist. Das Zimmer
g« alle kleinen Seltenheitm die
m Ofsisietskorps heilig sind. Unter
M Schmuclgegenständen prangten
schöne Jagdtrophäen in Gestalt
ausgestopster Sauentöpse und
starke Hirschgeweihe an den
Ue wenigen deute anwesenden Her
Essen gemiitdlich rauchend an klei
iicksen und besprachen das-Haupt
gttiß der Saison, die morgige gro
se Sankt Hubertus- Jagd
Sagen Sie mal Helmenhorst, Sie
Itzt- ja dgs Gelände mit ausge
such-U begann der dicke Nelken die un
Mbrpchene Unterhaltung, »wie lang
wird ie Schleme«
»Na, ich denke, so’n dreiviertel
Stifan werden wir dran galoppi
ten müssen.«
»Ah, kein Fehler!«
»Hm, wie steht es mit den Hinder
Kme fragte ein anderer aus einer
heraus.
»Ich bin der Ansicht, daß wir recht
Sprünae haben werden. Für
·« wandte sich der Sprecher an ei
M der herren, dessen langes, schma
U Gesicht das eigenartige Gepräge
Rennreiters trug, »habe ich ne
aiiberraschung.«
»Sooo,« gab der Angeredete, sich
lebhaft aufrichiend, zur
«hcben Sie unseren sogenannten
MrlshorsteR herausbringen las
senk«
Der erstere nickte und fügte dann
hinzu: «Kinder, ’n bischen vorsichtig
Müssen wir an das Ding herangehen,
's fimpler Schwadröner nimmt das
Hindernis nicht. Jch habe bei der Ein
ladung auch die auswärtigen Theil
mhmer so unter der Hand davon in
Kenntniß gefest. Es wird nur tadel
lpses Pserdematerial dadurch erschei
nen- Kein Fehler!«
Man nichte allgemein befriedigt und
besprach das in Aussicht stehende
schöne Jagdreiten
»Wer bei uns Männern mitteiten
will, muß eben alle Hindernisse mit
nehmen, sonst verdirbt er das Recht
auf den Hubertusbruch im Knopf
loch,« sagte schroff der Sportsmann.
Die anderen nickten zuftimmend,
Um das Gesicht Helmenhorfts wurde
um einen Schatten nachdenklichen
« »Sie dentW wohl an die schöne
Baroneffe Jlse, be, alter Freund?«
meinte liichelnd der dicke Nelken.
helmenborfi lachte eigenthümlich
und zuckte nichts- oder wie man es
Antwort, »
i
nehmen wollte, vielfagend die Achseln. I
Mit einem freundlichen Gruß verab- J
te er sich von den Herren und I
schritt nachdenklich seiner Wohnung
is. Er wußte, daß der morgige Tag
die Entscheidung bringen mußte. Er
liebte die junge Baronesfe zu sehr, um
noch länger warten zu können. Er
hatte alles schon so arrangirt, daß
Jlse am Schlusse der Jagd dieBriiche
mit den Schleifen der Regimentsfar
ben vertbeilen sollte, und dann auf
dem heimritt, da wollte er ——— na
warten wiss ab« endete er kurz seine
Gedanken
Die anderen waren im Kasino zu
rückgeblieben und besprachen »den
Fall helmenhorft«.
»Na, ’s wird morgen schon zum
Klappen tomtnen,« meinte einer der
Herren, und da niemand Widerspruch
erhob, so galt dieSache als abgemacht.
Ein wunderbarer, frischer Herbst
tag war angebrochen. Leichte Nebel
wallten über Berg und Thal,
nnd hie und-da blitzten die Thauper
ten auf den gelb und roth gefärbten
Miene des Waldes und der Wiesen,
sie theilweise mit seinen, weißen Fä
des, Altweiberfvmmey überspannend.
Ein farbenprächtiges Bild entfal
ieie sich bald auf der Waldwiese an
Ist Etlendorfer Mühle. Eine Schaar
Dritte-r Reiter sammelte sich dort. Es
tm der —»Nendezvous-Platz« siir die
« Verkehrs-Jagd Jn den ver
« " , Uniforrnen, alle ohne Ach
M mit neu aufgezäurnten Pfer
« Schlags, die Rein-eit
fs is der hand, trafen die Reiter
darein nnd in Gruppen nach und nach
hui, da knallte eine lange Hunde
peitsche. Der Hundsmann kam mit
der Mente, zehn Koppeln start, her
angetrabt. Schön sahen die Schweiß
bunde aus. Mit hochtragender Ruthe
trabten sie daher-, theils vor Freude
mit frohem Geläui Ton gebend, theils
schon eifrig mit der Nase spüre-in
Durch das Stangenholz schimmerte
hie read da ein rather Rücken hin
durch, da sich auch einige Gutsbesitzer
Guts der Nachbarschaft den Reitjagden
der Ulanen aneeschlossen hatten.
Mit schwarz und weißen Seiden
W geschmückt erschienen die Pi
tsee, und nach und nach hatte sich ein
It dä- ålsneå Anderihgtesitern ver
W , men et trug ein
W szeichery das er sich aus der
, -;-·.» in Dann-wer erworben
Er stand abseits von dem gro
Ind betrachtete seinen
-- Wuchs-, den der Bur
sehe im Verein mit einem großen un
garischen Vollbliiter hielt.
Die Musterung schien gut ausge
fallen zu sein, denn der Offizier gab
jedem der Thiere ein Stück Zucker,
das sie freudig mit den Hufen schar
rend entgegen nahmen. Dann klopfte
er ihnen einzeln den Hals und schritt,
mit der Peitsche einen Lufthieb ma
chend und ein Iagdlied pfeifend, zu
den verschiedenen Reitergruppen Es
fehlte noch gut eine Viertelstunde bis
zum Beginn der Jagd. Suchend glit
ten die Augen des schlantgewachsn
nen’Offiziers, der in der kurzen eng
anliegenden Ulanta besonders vor
theilhaft aussah, die Mütze schief auf
dem Kopf schen hatte, über die Ka
tvalkadr. Sein tiihn geschnittene-s
Gesicht mit dem- aufgewirbelten
Schnurrbart zeigte neben großer
Gutmüthigkeit doch einen Zug un
beugsamer Strenge. Jmmer noch
suchte er! Endlich hatte er das Ziel
seiner Sehnsucht entdeckt und schritt
freudig lächelnd auf eine herrlich im
Sattel sitzende junge Dame im ein
fachen schwarzen Reittleide zu. Es
war Baronesse Jlse v. Melling.
Eine herzliche Begrüßung fand
statt, und ohne daß dioeReiterin es be
merkte, führte langsam sprechend der
junge Ulan das Pferd mit seiner Rei
terin abseits von der großen Masse,
da, wo seine beiden Pferde standen,
hin.
»Baronefse· Jlse," begann er, »Sie
wollen doch heute auch einen Puder
tusbruch an'Jhre Brust stecken?«
Mit einem leichten Erröthen nickte
sie zustimmend.
»Dann bitte,« sagte er mit zärtli
chem, aber festem Tone, »tauschen Sie
Ihre Wanda mit meinem Narzi da.
Er springt todtsicher, während Wanda
unsicher ist. Wir haben einen Kapi
tahspruna su nehmen, und wenn Sie
über das Hinderniß wirklich hinüber
wollen anstatt es zu umreiten, so dür
fen Sie keinesfalls auf der unsicheren
Wanda bleiben!«
»Aber Sie. Herr v·Helmenhorft?«
»Ich, oh ich reite meinen Kisber,
der muß schon hinüber.«
Einen Augenblick zögerte Jlse v.
Melling noch, denn sie wußte. daß der
Kisber ein tapitales Pferd war, aber
im Springen hatte er gerade keinen
guten Ruf. Auf der anderen Seite
aber schätzte sie die Reittünste Helmen
horsts so hoch ein, daß sie es nicht
wagte, ihm ihre Befürchtung auszu
sprechen, denn einem Kavalleristen
darf man zwar sagen, daß er Fehler
beim Reiten macht, nur ihn nicht füh
len lassen, er könne nicht reiten.
Jeht hatte sie sich entschlossen. ———
Graziös sprang sie, von dem jungen
Ulanenosfizier unterstund zur Erde,
und beim Niederfetzen der leichten Fi
gur hielt er sie fast unbewußt einen
Augenblick an seiner Brust gefangen.
Langsam löste sie sich mit einem rei
zend verwirrten Lächeln aus seinen
kräftigen Armen und ihm blieb keine
Zeit zu Erklärungen und Austausch
von Liebesbetheuerungen, denn die
Zeit drängte, wenn er noch mit dem
Umfatteln fertig werden wollte »
Spiiter war noch Zeit genug zum Lie
bes-werben! —
Jn wenigen Minuten war alles ge
schehen, und als diebisthörner dieRei
ter in die Sattel riesen, da half er Jlse
in den Sattel aus dem Narzi. Eilig
schwang er sich aus den unruhig hin
und hertretenden Fuchs, noch ein Gruß
»mit den Augen, ein herzliches Lächeln
sihres Mundes, und er galopdirte von
« dannen, feine Funktionen als Pitör zu
übernehmen. Jm Vorbeireiten rief
Eihrn der dicke Nelten, der sich eben in
Iden Sattel schwang, noch zu: »Hu
jhelmenhorst, wie ist«-E-, gibt’s heute noch
;’ne Bowle, Sie verstehen mich schon,
the-t«
f »Wer weiß«, lachte der Angerusene
liibermtithig und während er weiter
.galoppirte, winkte er lächelnd mit der
treitpkiischhequfuetm hand zurück.
I Der Schlepper ritt ab. Man zählte
tbegierig die Minuten, db er ·lange e
lnugunterwegs sei. ———Endlzch! A es
kwartete gespannt auf das Zeichen, und
Ida bliesen die Trompeter die Jagd an.
I ui, wie gingen die hunde wie
; ha en aus und mit hochgehobenen Ru
sthen mit heitern Geläut dtzoonshundk
smanm Muster und Pitbre hatten
IMiihe, sit zu bändigem Jn wenigen
IMinuten war das ganze stattliche
iFeld in Bewegung. War das ein
i-Auf und Abwippen, ein Vorwärts
drängen der Thiere. Nach und nach
latn Ruhe in die bunte Reiterschaar.
Langsam stiegen sie über das erste
Hindernisz. Einige zu eifrige Pferde
wiischten die Decke dahin. Da lag auch
schon ein 1u er Husar. Aber nein,
’der Gaul muåtz stehen bleiben, so fest
hatte der Gestü zte die Zügel gehalten.
Schnell saß et wieder im Sattel und
hatte das Feld bald eingeholt. Es war
schon langer geworden. ie und da
ritt schon einer, de en T ier zu un
ruhig war und au gepullt hatte eine
Volke, auch einige Gaule erhielten für
ihre Faulheit beten Herangehen an das
Hinderniä ein paar »in diezacw ge
uen uez, es war ein ild wie
keins schöner sich dem Reiterauge die-«
ten konnte, und dazu schien lächelnd
die herhsfliche Sonne herab.
Reben deen Jagd ern, einem noch
jung und frisch ause ehenden General,
galoppirt Baepnesse Ilse. Der Ungae
Heime-eh erst st,s den ritt machte
kle rußig Geltdet sprung nach Ga
ssean und d und Reiteein
sienen wies-tatst e verwachsen zu
sein« Alle denen hatten den niean
anwesenden Damen bereitwilligst die
vorderen— Pliihe im Felde eingeräumt,
und so galoppirte Jlse nur weni
Sängen hinter helmenhor « der rn
einem Fuchs heute nicht o recht ins
ine tomrnen wollte. Ein Angst
geruht für den Gerichten sikiihne sies
nicht im mindesten, denn e kannte
nnd schiihte seine Reitsertigkeit.
Auf glänzendem, bethauteni Rasen(
galoppirte das Feld, dumpf donnerten
die Huse, dazwischen inallte sausend
die Peitsche des Hundsmannes oder
einer der Pilöre, wenn der eine oder
der andere der Hunde saul arbeitete
oder sich hinter einer Hecke oder in
einem Erdloch zu verbergen suchte.
Aber weiter, immer weiter ging es,
was lag, das lag, es mußte weiter
gehen. Da -—jetzt lam das Feld an
den großen Sprung, den sogenannten
»Karlshorster« heran
Mehr und mehr zog sich nün das
Feld auseinander und unwitllürlich
kam ein wenig Unruhe hinein. Der
Muster und zwei Pitöre gingen in
scharfer Pace heran, hops—— ein Satz,
und sie landeten gut.
Sausend suht die Peitsche Heime-i
borsts dem Fuchs in die Seite, denn
der Kisber begann zu flattern; zwei
Schritte vor dem Sprung brach er
aus, während der Kagdherr und dicht
neben ihm Barone e Jlse das Hin
derniß mühelos überstiegen. Reiter
nach Reiter nahmen das Hindernisz,
einzelne Pferde oerfingen sich und
stürzten, hie und da humoelte ein ein«
zelner Reiter dem davoneilenden Felde
nach oder schwang sich schnell wieder
in den Sattel. Niemand achtete auf
die Zuriickgebliebenem und so sah auch
Niemand, daß unbeweglich ein illa
nenoffizier sammt seinem Pferde, ei
nem Fuchs, hinter dem hinderniß lie
gen blieb. —- Keines rührte sich! —
Weiter und weiter ging die Jagd.
Die Schleppe war zu Ende. Bald
war die Jagd abgehlasen worden, und
hell und freudig erklang aus hundert
Kehlen das dreimalige »halali« in
den frischen Herbsttag hinaus.
Eifrige Hände eilten, die gebroche
nen Eichenzweige aufzutheilen und
den Damen die Brüche zur Verthei
lung zu reichen.
Bruch nach Bruch mit einer einfa
chen lleinenSchleife in denRegiments
farben der Ulanen wurde von den
Damen und dem Jagdherrn an die
Theilnehmer der Jagd vertheilt.
Baronesse Jlses Wangen erglühten
im Eifer der Arbeit. Nur noch drei
Brüche hatte sie in der Hand. Jetzt
sah sie suchend in die hin und deriva
gende Reiterschaar, die zum Theil ab
gesessen und ihre Thiere am Zügel
führten, denn die Jagd war lang ge
wesen, und fast zwei Dutzend Hinder
nisse hatten die Thiere nehmen müssen
Jlse suchte noch immer.
Neben ihr stand Relien, der seinen
Braunen ein wenig lose geguriet hat
te. Er sah die suchenden Blicke des
jungen Mädchens und konnte sich den
ten, wen ihre Blicke noch erwarteten.
Nelken warf einem neben ihm ste
henden Ulanen die Zügel zu und traf
grüßend an die Neiterin heran. »Ich
werde- Ihnen helfen und den Aus-rei
ßer suchen,« sagte er lächelnd.
Jlse bekam einen vurpurrothen
Kon und nickte nur mit zu Boden gei
senktem Blick.
Der Dicke drängte sich zwischen den
einzelnen Reitergruppen durch, konnte
aber Helmenhorst nirgends entdecken.
Er suchte nun schon fast fünf Minu
ten und auch leiner, den er fragte,
hatte den Vermißten heim Halali ge
sehen. — Er fragte, und von Mund
zu Mund ging es weiter; Niemand
hatte ihn bemerkt.
»Der wird gewiß noch vor dem
»Karlshorster« sein« denn ohne den
Schinder hinüberzubringem geht er
nicht vorn Platze,« rief einer der Her
ren. -
Jeht entsann man sich, das; der
Fuchs helmenhorfts vor dem hinder
niß ausgebrochen war. Einer der illa
nenoffiziere wintte einen in der Nähe
haltenden Ulanen heran und irabte
mit dem Mann davon. Die Zurückge
bliebenen stießen mit einem frischen
»Wir hipp — horridoh«' die Gläser
aneinander, dio ihnen von den Wa
gen, in denen die-Damen Plan genom
men hatten, die der Jagd gefolgt wa
ren, tredenzt wurden. Jlse sah er
wartungsvoll den Davonreitenden
nach. Ihr herz klopfte rasch, und eine
geheime Bangigseit beschlich ihr Ge
müth.— Sie antwortete uur zerstreut
auf di: Fragen der einzelnen eren
und hatte sur die kleinen reien
iiber das unverantwortlichlange Aus
hleihen helrnenhorftz nur ein mattes
Lächeln. Immer und immer wieder
mußte fie nach jener Walde-e hinüber
chauen. hinter der die Sucher ver
- schwunden waren, und wo der Ge
liebte erscheinen mußte.
Ob ihm wirklich etwas zugestoßen H
sein tönne, dachte sie. Unmöglich tonni ’
te das bei ihm nicht sein. Lieber hätte
er den ganzen Tag vor dem Hinderniß
gestanden, als daß et dem Gaul den J
Sprung geschenkt hätte. ;
Doch was war das? Da lam ja mit T
bleichen Wangen in windenber Fahttj
der abgesandte Ulan zurück; ihr Herz .
schien fiir einen Augenblick still zu sie- «
ben, dann raste es wild weiter. -—— Ei
nige Ulanenosfiziete eilten dem heran
sprengenden Mann entgegen, und mit »
des-störten Gesichtern fragte man leise ;
nach dem Arzt. s
Schnell saßen einige Ulanen aus und !
jagten mit ihm von bannen, eine über- j
aus gedeiickteStimmung zurücklassend I
Mitte-läge unds halb scheue Blicke ’
sit-isten das Kälte Mädchen.
Der Mc en, der neben ihr stand, l
rang verzweifelt nach Athenn Ein ent- l
sehter Blick Jlset streiste ihn, und er
sagte nur kurz: »Gestiirzti«
Einen Au enbltet schien Jlse von.
Melling im ttel zu wanken, dann
gab sie dem Brunnen einen Hieb mit
der Reitpeitsche und jagte, ehe sie je
mand zurückzuhalten vermochte, da
von, im Wegreiten Nelten zuwintend,
ihr zu folgen
Als beide dem bewußten Sprunge
nähet kamen, tnieten schon einige Her
ren neben -dem Ar te, der mit hoff
nungslosem Blick en bleich und ohne
Athem daliegenden Helmenhorst unter
suchte. Jlse glitt aus dem Sattel und
eilte, ehe es die anderen hindern konn
ten, aus die Gruppe zu und ries mit
halb erstickter Stimme: »Ist er todt?"
Alle sahen schweigend vor sich aus
den grünen Rasen, in dem noch die
Husspnren der darüber gatoppirten
Pferde zu sehen waren. Der Doktor
zuckte nur die Achseln. :
Schwankend trat sie näher und legte
das bleiche Haupt des Geliebten in
ihren Schooß.— Ein Thtänenstrom
brach aus ihren Augen, während die
Kameraden in tiefster Ergrifsenheit
um beide standen.
Der dicke Nelten wandte sich stumm
ab und sagte, mit dem Ulantaiirmel
iiber die feuchten Augen fahrend, mit
halt-lauter Stimme: ,,.Herrgott, ’n
schöner Tod site ’n ehrlichen Reiter-S
n1ann, aus dem grünen Rasen, im
Arm der Geliebten!«
Die Anderen nickten stumm.
Auch der Fuchs lag mit gebtochenem
Genick daneben. Die noch vor Kur
zem so lustige Jagdgesellschaft ritt
still und ruhia hinter dem Kranken
wagen, » aus dem der todte Kamerad
lag, heimwärts-, und anstatt fröhlicher
Reiter- und Jagdrnusit blies das vor
ausreitende Trompetertorps den Cho
Pin’schen Todten-narsch. Noch einmal
wurde die Stille des Heimrittes unter
brochen, als die Meute mit lautem und
hellem Geläut an dem Zuge vorüber
trabte, dem todten Bitin einen letzten
Gruß zurufend. — (
Ein »vielseitiger«· Braten.
Lehrreiche Geschichte aus dem Ehe
leben von Anna Ritter
Die aIe Frau Justizrath Hanle
saß auf ihrem gewohnten Erlerplätz
chen, eins der ungezählten Kinder
striiinpfchen zwischen den Fingern die
im Laufe des Jahres von diesem
Stäbchen aus ihren Weg zu Noth und
Armuth antraten Jm Augenblick
aber tlinlerten die stöhlernen Strick
nadeln nicht denn die alte Frau
horchte auf den Gang hinaus und lä
chelte ihr liebes Lächeln voll Güte und
Schallhaftigteit
Sie lannte dies ungeduldig schnelle
Klingelm das Jette in der Kuche im
mer ein brummtges »Jotte doch!« ent
lockte, lannte auch dieje junge Stimme,
die manchmal noch einen ganz kindli
chen Klang hatte! Kam sie doch fast
alle Tage einmal die Treppen hinun
tergelaufen, die tleineFrau Klaudius
aus dem dritten S.tock urn sich in it
gend einer Wirthfchaftsfrage den Rath
der Justizriithin zu holen. «
Ja, sie hatte viele Sorgen die arme
lleine Hausfrau, die ihr schweres Amt
erst seit einigen Wochen trug; so viele,
daß sie sich trotz ihres großen Glückes
oft recht unglücklich vortam. Da war
es nur gut daß ein freundlicherZus
fall sie mit der Justizräthin unter
dasselbe Dach geführt, und daß eine
im Hausgärtchen perlorene und der
alten Dame zurückgebrachte Scheere
ihnen Gelegenheit gegeben hatte,
z- reundschaft zu schließen! Was hätte
lla Klaudius wohl anfangen sollen
ohne die liebe, alte Freundin, die so
tlu« zu rathen und so gütig zu trösten
tvu te, die immer noch einen Ausweg
sah, wenn Hellas Trotztöpfchen sich
noch fo tief oerrannt hatte
»Herein .!" rief die Mithin und
winkte freunhlich mit Augen und
Laut-» »Mir immer herein, Kindchen!«'
ann bog sie sich erstaunt vor, um in
das junge Gesicht zu sehen, das noch
die Spuren frisch vergofsener Thriinen
trug.
Was ist denn g,eschehen Kind?
Doch nichts Schlimmes?« fragte sie In
her licher Theilnahme
a Klaudius warf fich plößlich
heftig fchluchzend neben ihr nieder. Die
Enge der alten Frau, mehr noch der
on inn warmen Mitgefiihls, in
dem sie gez-rochen wurde, brachte sie
sum alleF F.ossung Es war wie der
Tropfen ewesen, der den Eimer zum
Ueberflie en bringt
«O Gott, wie unglücklich hin ich.
Wie schwer rlich ungluetlichk Mschluehzte
ge intetigeD rau. t b Nieer ann.
rea e anie uner a ceinjii in
Schreck. x he
»Es ist ihm doch nichts zugestoßen,
Frauchen? Irgend ein Unfall viel
leicht? Eine« erletzung . . .?«
»Nein . . .nein.« Hella schüttelte
heftig den Kopf. »Das ift’5 nicht. Er
iftganz esund. Aber er liebt mich
nicht mesr . . .'· Ihre Worte erfiiclten
in wieder neu hervorbrechenden Thra
nen. Sie sah nicht, wie die Justi -
räthin aufathmeie, wie der sorgenvo e
Aüsdruck einem schalthaften Lächeln
Platz machte! Ganz in sich zusammen
gefunlem hatte sie den Blondlopf auf
ie Kniee der alten Dame gepreßt, bis
zwei feine, welke blinde ihn cnit liebe
voller Energie aufrichteien.
»Nun aber einmal gebeichtet, Kind!
Wenn ich rathen oder gar helfen all,
rnu ich vor Allem klar se . s
hats wieder einmal gege n? Ein
nl mit dem Mit n? Eine ver
rannie Sup ? O r ga; eine —
Rechnun t« ie hielt inne; das alles
war's n t etoeien.
»Den-a re.« sagte die junge Frau,
und in Stimme und Augen ern-achte
neben dem Schmerz - det TroH
.,Wenn’z noch so etwas wäret Dannl
tönnte ich ihn vielleicht begreifen. Aber
so! Nur weil's fünfmal hintereinanq
der ausgewärmten Kalböbraten Habt
Einen »Fraß« hat er’s genannt, Sie
weinte in erneutee Heftigleit, «einen
Fraßt und dabei hat er die Serviette
aus den Tisch geworsen. Jst das nicht
ent etzlich?«
s ie Justizräthin hatte alle Mühe,
ernst zu bleiben. »Nun, nun...«
meinte sie be ütigend, »der Ausdruck
ist sreilich ni t ganz parlamentarisch,
aber so tragisch würde ich die Sache
doch nicht nehmen. Jhr Mann war
eben in Erreguna da wägt man die
Worte nicht. Uebrigens, Kindchen . ·'«
sie strich fchelmisch über die weiche,
junge Wange, »so anz unbegreiflich
ist mir seine Entrüftung nicht. Fün
Tage hintereinander dasselbe Reisch
— das tann auch den sanfteften ann
aufbringen!«
»Ja, aber...« Hella verlor allen
Boden unter den Füßen. »Die Kale
teule war doch nun mal da! Jch tann
doch das gute Fleisch nicht wegwerfen!
IUnlld Sonntag fand er sie so pracht
ivo ...«
! »dem aber ist’s Donnerstag, Kind
.chen.« Die alte Dame lachte jetzt ganz
Haut und herzlich. »Sie werden mir
qugebem daß die Begeifterung seit
JSonntag nicht nur nachgelassen, son
jdern sich in's Gegentheil verkehrt ha
’ben lann. Selbst ich —- Sie wissen,
lich gebe nicht viel um’s Essen! —- ich
Imöchte nicht siir mich bürgen, wenn
H Jette mir die ganze Woche das aufge
1wiirmte Kalb vorsetzen wollte!«
) »Es nißt sich aber doch nichts ande
Hres aus dem dummen Kalbsbraten
jmachen!« warf die arme tleine Haus
frau ein.
; »O doch, Kindchent Vielerlei. Sie
Jhabem wie ich sehe, noch gar leine
JAhnung, wie wandlungssiihig und
ivielseitig solch ein tälberner Sonn
Jtagsbraten ist. Ehe ich’s Ihnen aber
» erzähle, schicke ich den guten Rath vor
yaust Kaufen Sie sür Jhre tleine
Wirthschaft — es sind doch nur drei
Personen! —- nicht solch’ große
sFIeischstiiclr. Zumal im Sommer
»nicht!«
»Aber es ist doch so bequem,« meinte
jhella ganz harmlos, »und doch auch
sbilligen wenn man nur ein einziges
»Ma! Speck und Butter dazu
: braucht!«
Jn dem gutmüthigen Gesicht der
Justizriithin erschien ein strenger Zug.
»Die Billigkeit laß ich gelten,Kind,'«
sagte sie ernsthaft, »wenn Sie denn
wirklich am Mittagstisch so sparen
wollen und nicht lieber an anderen,
entbehrlichen Dingen .. .« Die junge
Frau war glühend roth geworden,
denn die Augen ihrer alten Freundin
hatten das theure Gürtelfchloß ge
streift, das viel zu elegant für das
einfache Hausileid war. »Was aber
die s»Beauemlichleit« betrifft« — nun
klang die sonst so gütige Stimme
wirklich hart —- »damit dürfen Sie
mir nicht lommenl Fragt Ihr Gatte
nach seiner »Beauemlichteit·', wenn er
Tag für Tag in hie Fabrik eilt und
sich nicht einmal die Zeit zum Mit
tagsschlöschen nimmt, damit’s dem
Frauchen an nichts fehle? Doch selbst
wenn er danach fragte, —- Sie dürfen
das böse Wort nicht tennenk Wissen
Sie nicht, wag »Weder-mühe« heißt?
Aber da halte ich alte Frau Ihnen
eine lange Moralpredigt.« unterbrachs
sie sich heiter, »ansiatt Sie in die Ge- !
heimnifse des Kalbsbratens einzuwei- s
heu. Also aufgepafzt. Kindchm z
Hat man aus irgend einem Grunde s
ein großes Stück genommen, so’
schneide man von dem Braten der»
ganzen Keule ein paar schöne Schnitzel .
herunter als erste Mahlzeit Zierlich
mit ein paar Citronenscheibchen undl
Kapern bestreut, und mit einem
Siriiußchen frischer Petersilie ge
schmückt, wirtt das Gericht ganz un
widerstehlich auf hungrige, wohl gar
veriirgerte Ehemiinnert
Arn Sonntag gietts dann den
eigentlichen Braten. Kinder-sein«
warf die Mithin, den Riichenvortraa
unterbrechend, ein, »viele ielir verstarr
dige Frauen fordern heutzutage« das-.
das Essen am Sonntag möolichst ein
sach eingerichtet werde, um dem Mäd
chen nicht fo viel Arbeit aufzubiirden
oder einen Kirchgang eine Waldpartie
mit Mann und Kindern zu erinng
lichen. Es liegt viel Beherziaenstvers
thes in dieser Forderung Ich aber
halte es mit einem festlichen Sonn-—
tagsmahU Menschen sind wir nun
einmal alle und essen lieber wag Gn
tes als was Schlechtes; besonders die
Herren der Schöpfung Eine mit des
fonderer Sorgfalt zubereitete Mahl
zeit hat also auf die Stimmung Ein
fluß, und die möchten wir doch grade
am Sonntag möglichst rosig haben,
gelt? Uebrigens braucht das Fest
mahl durchaus leine Nichtarbeit iiir
den Sonntag zu bedeuten! Es läßt
sich ja fo vieles am Sonnabend vor
bereiten. Wenn das Kompott oder
die kalte süße Speise zuvor gelocht,
Salat nnd Gemüte am Tage vorher
gepuyt und die Kalbsteule getlopft,
gehäutet und gespickt ist, dann ift das
Rochen am Sonntag Kinderspiel!«
Die junge Hausfrau horchte mit
rztåen Wangen. An all das hatte sie
n» nie gedacht. Bis ietzt waren
die Sonntagmorgen immer recht un
müthltch und voll betet gewesen,’
hatte noch nicht enmal in diesen1
Stunden rnit ihrem Manne ausgehen «
Weinen, und doch war der» So tagi
Mo- einzlger freier Tag, un erl
"fr«euie sich immer die gavzk Wschk
daraus. Sie seufzte laut. . «
»Es lernt sich alles, iletne Frau,
sagte die Mithin. ihr ermunternd ZU
nickend. Als ich so alt oder·vrelmehr
so jung war wie Sie, hab ichs Auch
nicht klüger gemacht! Wir hab-o
aber erst zweimal von der bewyßkss
Kalböteule gegessen, also werter,
la te ie. ..
kAnx Montag dürfen die» schMsW
Scheiben in der Sauce gewarmt wer
den« das Fleisch darf freilich nicht noch
einmal darin kochen —- sonsk Wurde CI
zäh! — sondern muß sich itlleassM
bad langsam erhitzen. Es bußt dann
nichts von seinem Wohlgeschmaii em.
Kartoffeldrei. mit gerästeten Zwiebel
scheibchen nnd brauner Butter ub»et
gossen, und Salat sind eine schone
Beigabe dazu· «
So haben wir uns bis zum Diens
tag durchgesiittert. Das ansehnliche
Fleisch ist nun gegessen. Was nach
am Knochen sitzt, wird mit ern wenig
Sardellen, Zwiebeln, Kapern ltM ge
wiegt, mit Eiern vermengt, Mkfo
und Salz und Mustat dazugethav
und nun auf Weißbrodscheiben ge
strichen, die man zuvor in Milch Mi
geweicht hatte· Die bestrrchenen
Schnitichen — wir nennen sie »le
kenschnittchm«, weit sie nach beson
ders fein ausgedämpsten Kalbsmeren
schmecken —- werden nun in Erweis
und Krümchen gewälzt, hübsch gold
braun gebacken nnd mit Gemiise, Kar
toffeln und Preißelbeeren verzehkki
Wenn der mit reichlichern Wurzel
wert ausgesetzte zerhackte Kalbstnochen
dann am Donnerstag noch eine herr
liche Kartoffelsuppe geliefert bat —
besonders nette tleine Hausfrauen
backen dem Gatten wohl einen Eier
tuchen hinterherl—dann soll mir mal
einer sagen, der Sonntagsbraten habe
seine Schuldigteit nicht gethan!«
Jmmer erstaunter hatte Heller ge
lauschi; sie kam sich unsiiglich dumm
und ungeschickt vor.
»Wer bat Sie nur das alles ge
lehrt?" fragte sie endlich. »Das Le
ben, Kind«, erwiderte die alte Dam
leise. »Das Leben und die Liebe!«
Sie ließ es geschehen, daß Ldie jus
gen warmen Lippen sich reuevoll uns
dantbar zugleich aus ihre höndo
drückten. Dann aber schob sie M
kleine Frau fort.
»Elf Uhr, Kindchen2 Was giebtl
denn heute Gutest« »Königgberger
Klopö«, sagte Hella stolz. »Das is
sein Leibgericht!" Eilig nahm sie Ab
schied —- eine ,,Liebesmithe« winkte.
Dife kleinen Füße liefen lustig tret-p
au . —
sus dem sen-niesen eines
Kanarieuvvgem
Aus Wien wird der Frankfurter
Zeitung geschrieben: Ein Ueber-naß
von Berufsarbeit hat meine Kenntnier
in der Vo ellunde auf die durch die
Maturitätsgriifunsg gezegene Grenze
beschränkt. Und auch davon iit heute,
nach einein Vierteljahrhundekt, offen
gestanden, nicht viel mehr übrig. Ich
weiß daher auch nicht, ob day-, mag ich
hier über das Seelenleben eine. Kana
rienvogels mittheilrn will, vLkrerhaupt
tnitttzeilendtvertb ist· Jch wurde mich
aber gerne belebten lassen. 3 .1 meinem
Hausrath gehört seit drei Jassren ein
allerliebster Harzer Ranarieuaosel und
zu meiner Familie, unter anderen, die
siiße fünfjährige Mariettm tsfmsitz der
KanarienvogeL begegnet, wag mir eben
interessant erfctxeint, der ierziaen Klei
neu mit utwertknnbarer Zeietlkutsleit
So oft das Kind in die Nähe scs Vo
geltäfiak kommt und »Hanfi«« ruft,
zeigt sich chsi förmlich von Giärtselixp
teit erfüllt. Man wart fast versucht zu
sagen freudig l1ewe,«;t, hulcht und haicht
er längs der Drahtspeichen teures Ge
hiiuses, flattert, breitet die Flägel aus.
schiebt den Schnabel vor und sieht un
vertvandt aus das Kind, lslirlt ihm auch
nach, wenn es sich entfernt· Wer immer
sich ihm sonst nähert, stört ihn aus tei
nem Gleichmnth snicht. Die Beobach
tung ift in dem aleichen Verlauf immer
wieder wahrzunehmen Fiir mich un
terliegt ei teinem Zweifel, daß der Vo
gel das Kind kennt und erkennt
.
Weshalb et weinte-.
Ein Anwalt ans dem Weise-·- er
zählte neulich von einer Gerichte-ver
handlun51, der er einst in einem Ge
richte in Texas beigelvvhnL Der An
gellagie war ein sehr bedenklich aus
sehendeg Jnlividuuth Sein Verthei
diger richtete mit gerührte: Stimme
die folgenden Worte an die Jury:
»Meine Herren, mein Itlient ist ein
atmet Mann. Hunger und Noth ha
ben ihn verniilc«l;i, sich einen kleinen
Geldbetrag anziteignen Alleg, was
er wollte, war ein paar-Groschen um
sich Brod zu laufen, denn es ist bewie
sen, daß er die Brieftalche mit 8500
die in derselben Schublade lag, unbe
rührt ließ.«
Hier wurde der Vertheidiger durch
das lrampfhafte Schluchzen feines
Klienten unterbrochen. »Sagen Sie,
Mann,« fragte der Richter Letzteren,
weshalb weinen Sie so heftig?« —
»Ja, sehen Sie, Euer Ehren,« jam
merte der Angeklagte, »ich weine leh
,rübee, daß ich die Brieftalche in des
jSchublade nicht bemeelt habe!« Eck
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Gestatdiliien am besten Essai-Fuss w