Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 19, 1906, Sweiter Theil., Image 10

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    Senta Wolksburg.
Roman von Elshetb Bokcbäkt.
(6« FortsehungJ
M Du denn nicht gekommen,
, Sabtneåg holen?«
.. M um« ttes willen, nein!«
;;.- et. sich vor tomifchem Entsetzen
lmutl«
« bin ja gar nicht Ihr Helmut
—- ech heiße Robert.«
tt?« wiederholte die Greisin
Mkm und schien nachzusinnetr.
M st? Und wo ist Helmut?«
' »Im das mag der Kuckuck wissen
Ich in jedenfalls nicht Jhr Seliger.«
«Seliger?« Dieses Wort brachte
Ue Alte mit einem Schlage zur Be
mmg. »Du haft Recht -— Helmut
. lange« lange todt —- abn Du siehst
sg ähnlich —- bist Du nicht fein
n «
Sie strich liebkosend über seinen
Rvckätmet
»Nein, daß ich nicht wüßte,« gab
et zur Antwort ,
»Aber Du heißt Kensmger wie ers
»Allerdings, und das ist ein selt
seines Zusammentreffen das ich mir
Nicht erklären kann.«
»Besinne Dich, besinne Dich —-- hast
Du keinen Verwandten, der Helmut
i ti« drängte die Alte mit fieber
ar Hast. .
Robert preßte die Hand an die
»ein-u »Helmut —- 1mut,« wie
derholte er sinnend, » alt —- nein,
das ist doch nicht möglich!«
".,Sprich es aus-Du hast ihn gr
sundent«
»Ich besitze ein Lied — ein uraltes
Lied ist es, aus dem Nachlaß meines
Vaters stammend",- erwiderte Robert.
,Es ist von meinem Urgroßvater
komponirt worden, und mir ist es,
als hätte ich den Namen Helmut da
raus gelesen.«'
»Der ist es, der ist es!« jubelte das
Mütterchen.
»Ich tann’s aber nicht beschwö
ren," warf Robert ein«
»Und ich goeifle nicht-Du trägst
seine Züge, u bist sein leibhaftiges
Ebenbild.« »
»Sie haben also meinen Urgroß-"
vater gekannt?« fragte Robert, dem
jetzt ein wirkliches Interesse an der
Sache erwacht war und der dem ei
genthiimlichen Zusammentreffen gern
auf den Grund kommen wollte.
»Und ob ich ihn kannte!« Ein ver
tränmtes, abwesendes Lächeln um
Zielte ihre verwitterten Züge. »Und
. us
— sie griff mit beiden Händen
nach seinem Arm und drückte ihn —
»und Du bist sein Urentel —«- Zu bist
zur alten Sabine gekommen, weil -——
er dich geschickt hat«
»Das nun gerade nicht —- ich woll
te eigentlich nur meine Vase hier be
suchen.«
»Deine Base?« Je t erst wurde
die Alte des jungen ädchens, das
ßch etwas abseits gehalten hatte, ge
wahr. Sie ließ Robert los, schritt
auf Senta zu, und ihre mageren Fin
Fer strichen liebkosend über deren
zarte Wangen.
»Mein Engelchen, so bist Du auch
and seinem Geschlecht? — Welches
Glück soll meine letzten Lebenstage
noch verschönern!«
»Wer sind Sie denn eigentlich?«
g te Sei-ts, die dem Gespräch mit
« rt mit wachsendem nteresse ge
b folgt war, jetzt keck nnd usrchtlos.
«
,,Hihihi — kleine Neugier. Sollt
alles erfahren, Kinderchen, kommt
nur ·mit in mein Reich —- die alte
Fahne- kann so lange nicht mehr
e machte einige Schritte nach
dein dunklen Spalt in der Erde; dem
sie vorhin entstiegen war, zu.
Robert nnd Senta folgten, doch
We wandte fich kurz davor mit lei
sem Schauer ab. »Nein, dorthin fol
sen wir hnen nicht«
»Hast v Furcht, meines Es ist
b M ein unterirdischer Gang, der
Jst-H der Wolfsbur führt«
der — olföburg?« fragte
überrascht.
IM, freilich —- hihihi."
»so-'s- .
WITH Sie wohnen aus der Wolfs
-»Mrltch, sei-rochen — übe-: di
i’";55«sshreu schon, immer in denselben
: »Man-r Die alte Wolssbur-«
« und wenn sie mich sehen, er
Mk nennen mich die Leute im
sz H und l· ·
XVI-Ist — Eisiin He zäeoteileeln
rauen um, auch wenn
sic noch nicht todt sind, nnd —- zu
weilen san sie schon todt, wenn sie
nach leben. — Darum, Kind-then
wählen wir den unterirdischen Gang,
damit niemand erschrickt.«
»Sie wohnen auf der Wolf-sinng,
nnd ich hatte keine Ahnung davon?
Nimm-nd hat mir je von Ihnen er
scle sagte Senta.
Oktqu wohl —--— hihihi. Die al
te« plfsbntgerin kümmert sich um
bis dort unten schon lange nicht mehr,
H Akte nie wissen, was dort vor
" « man sollte sie ungeschoren las
Dnrum hat man sie vergessen-—
« Uns ficht ed nicht an —- wie
-gn1..xtnulich in unserem
vIns-d wenn Eulen und mähen
" nisten nnd Nachts zuweilen
» s " - stechen —- wit füh
" l » s: Kommt nur,
. t es nicht beten
« Senta und Robert sahen sich se
kundenlang fragend an. Aber ihre
Neugier, dem Geheimniß dieses
Abenteuer-s auf die Spur zu kommen,
überwa jedes gen und Grauen.
Beherzt stiegen e der alten Wolfs
butgerin, die bereits durch den LIan
gekrochen war, nach.
Als sie unten standen, schloß sich
oben, wie von Geisterhand berührt
leise die Fallthiiy und eine Finster
niß, die aum von dem kleinen, alt
tnodischen Laternchen, das die Alte
trug, durchbrochen wurde, erfüllte den
Raum. Ein beklemmender Moder
geruch, der ihnen den Athem nahm«
rang ihnen ent egen.
»Schauetlich it es hier,« flüsiette
Senio, sich schüttelnd.
»Durch Nacht zum Licht,« antwor
tete dsie Alte nur und schritt voran.
Die anderen beiden folgten ihr im
Gänsemasrsch denn der Gang war für
zwei zu schmal, auch war er so nie
drig, daß sie gebückt gehen mußten.
»Nimm denn der Weg noch immer
lein Ende?« sagte Senta nach einer
Weile un duldig.
Helle Schweißtropfen standen aus
ihrer Stirn, und die Lust wurde im
mer stickiger und unerträglicher in
dem engen Raum
Da stieß die Wolssburgerin eine
Thür auf, und helle-E Licht sluthete
herein.
»Gottlob!« riefen Senta und Ro
bert wie aus einem Munde.
Eine schmale Wendeltreppe zeigte
sich ihren Blicken.
Die alte löschte vorsichtig das La
ternchen und stieg hinaus.
Zu gleicher Zeit wurde oben von
jemand die Thür geöffnet, und eine
Stimme rief herab:
»Sind Sie es« Fräulein Sabine?«
»Ja, ich bin’s, Beriha, und ich
bringe liebe Gäste rnit," lautete die
Antwort.
Ein staunender Ausruf wurde oben
laut, und ein in einer altmodischen
Hauke steckender Kopf wurde sichtbar.
»Das ist meine Dienerin, die mir
schon 70 Jahre treu dient,'« sagteTans
te Sabine und trat an ihr vorbei in
das Zimmer »Sieh Bertha dieie
lieben Kinder schickt Helmut mir sie
sind seine Nachkommen. Beiorgc
Wein und Kuchen, damit wir solckke
lieben Gäste angemessen bewirthet-«
könen.«
Die alte Dienerin schlug erst siau
nend die Hände über dem Kopfe zu
samtnen und starrte die beiden jungen
Menschen wie Wunder an, ehe sie der
Weisung ihrer Herrin nachkam und
aus der Glasservante allerhand Ge:
schirr und Gläser nahm.
Senta und Robert hatten sich un
terdes in dem traulichen Stäbchen,
darin es so anheimelnd nach Lamen
del und Thymian dustete, umgesehen
Urväterhausrath bildete die Einrich
tung dieses Gemaches; sie wirkte zu
sammen mit der Gobelintapete, der
dunklen holtäselung den Batzen
scheiben der Fenster wie ein« Bild aus
einem Märchen Jn dem kleinen
Spitzerier stand ein zierliches Spinn
rad, an der Querwand eine Glossen
vante hinter deren blanlen Scheiben
lostbarrs altmodisehes Pprzellan und
Silber sichtbar wurde, und in einer
Ecke, nahe dem Fenster, ein Spinett.
So a und Sessel tru en verschossenen,
ein wohl sehr kostbar gewesenen
Ueberzugz an den Fenstern blühte
Geranium und Goldlack.
Die alte Sabine bat ihre Gäste,
Platz zu nehmen, und bald iaßen alle
drei um den Tisch, den die Dienerin
zierlich gedeckt und mit Tellern und
Gläsern beseht hatte.
Senta war von dem geheimnißvol
len Poetischen dieses Beisammenseins
sowie von der Alten selbst ganz e
sangen genommen, und als ie
Wolssburgerin sie bat, sie vertraulich
Tante Sabine zu nennen, da willigte
sie mit reuden ein
«Erzii le uns, Tante Sabine, wo
Zr Du Roberis und meinen mir bis
ganz unbekannt ewesenen Ur
Iczßoater lennst,« bat Ie, nachdem sie
nte Sabines sehr umständlicher —
inykrüherer Zeit soZ Sitte gewesener
öthigung zum Zulangen gemäß,
dem Wein und Kuchen tapser zuge
sprochen hatte
« »Das ist eine traurige Geschichte,
« meine Engelchen, aber ihr sollt sie hö
ren. Doch ch, Kind-« —- sie sah Senta
sclzarsee an —- »Deine Augen Dein
» Kamhdåe ertiertchiwnb Zfli g; ältste
e mu n re in o s
zart rIäiertmale; Wie kommst
zu n «
»Ich bin eine Wolfsburgetin.«
»Du —- Du?«
«Jn,. Tante Sabine,« antwortete
Sen-tu und erzählte der aufhoechen
den Alten ihre kurze Geschichte.
»Das Kind Diethelms bist Du?
Diethelm — Diethelm, ja, ich ent
xmne mich —- wae er nicht der Bru
er Gettss —« Rein, nein, der Maxi
7n1ilians. Mem alter Kopf verwech
,felt die Personen schon ein bischen.
»Nein Wunder, wenn man 95 Jahre
; auf dem Rügen hat. —- Du bist also
j Diethelens Kind —- nnd der Maximi
steten iß Dein Olyme -
s Stute ntckie schweigend
F »Wie lieh Du- ansfchauftt Paßt
euch nicht hmher in das alte Eulen
m-» —- ——-·
ne «, n —- Wie kam Du auch
an « lfjiurz Engel ni«
tits
di
die .
nta et ählte wieder —- vpn ib
Bcteh man mn seiner Kuqu
willen verstieß von dessen le
Wu- che. der ri- mn n won- zg
bra e, nnd m ihren genen Pla
! MU.
»Wie? —- Du —- willgt Opern
sän rin werden, Dich er Kunst«
wei ni«
Die alte Walfsbnrgerin sah sie mit
sc eigenthümlichem Blick an, daß es
Senta durch und durch ging.
« »Za, Tante S-abine.«
» nd« —- die Spannung in den
Zügen Sabinens wurde intensiver —
,,die da unten —-— gestatten es Dir?«
»Nein.« Senta schüttelte den
Kopf. »Sie wollen eg- mirs nicht ge
stattem aber ich« —-- ihre Stimme
wuchs unwillkürlich an « »ich gehe
doch meinen Weg, ich werde ihn mir
erkärnpsen, wie mein Vater ihn sich
erlämpfte.«
Die Augen Sadinene hatten sich
immer weiter geöffnet, jetzt starrten
sie das junge Menschenkind, dessen
Wangen Vor Beaeisterung nnd Muth
lijhten, an. Mit einem Male brach
te wieder in ihr altes zirpcndes La
chen aus.
»Hihihi — sie werden Tit die
Kraft im Fluge nehmen, bis Tu er
lahmt die Flügel sinken läßt —— ja,
ja, mein Engelchen —-- sind ein ital
zis, strenges Geschlecht, die Wolfe
burger, und der Marimilinn hat den
Sinn und den Charakter seiner Vor
fahren geerbt -s- ja, ja -—-s der Ma
ximilianS Der wird Dir nie den
Weg frei geben, hörst Du? ——— Mel-—
Aber —- mach nicht solch entietzliches
Gesicht, mein Engelchen —-— ich. die
site Walsgburgerim werde Dir hel
cn.«
das möclich?« fragte Senta über
rascht und ungläubig.
»Ja« -—— Sabinens matte alte Au
gen bekamen einen merkwürdig hellen
Glanz, »ich werde Dir helfen
denn ich weiß was eg heißt —- seiner
Jeliebten Kunst -— entsagen zu miis
en.«
»Tante Sabine, Tu hast die Kunst
aeliebt ——'- Du hast ihr entsagen müf
sen?·« riefen Senta und Robert zu
gleicher Zeit in höchstem Staunen
Tante Sabine hatte sich erschöpft
in die Sofalehne zuriielaesetzt und laa
nun mit geschlossenen Augen wie leb
los in den Kissen. Die alte Dienerin
trat herzu und winkte den beiden. sie
möchten nicht weiter fragen.
Für Selunden herrschte eine he
driickende Ruhe. Robert und Scnta
wagten laum zu athnten
Endlich schan die Greifen die Au
taen aus und richtete sich mit Bertao
sHilse ein wenia in die Höhe.
»Die Erinnerung übermatinternich,«
trotzdem Menschenalter zwischen da
mals und jetzt tieaen,« sag-te sie mit
matter Stimme. »Ich will euch gern
meine kurze aber traurige Geschichte
sei-zählen Kinder«
i Jn abaebrochenen Sätzen, von öfte -
ren Pausen und Zwischenrusen ihrerl
aufmerksamen Zuhörer unterbrochen, s
Errzählte sie·
Wenn ihr mich alte, vertrocknete
sPerson anfeht, Kinderchem so glaubt
sihr mir nicht, daß auch ich einst jung
lund schön wr. Und doch war es so,
»aber es war nicht alles-. was ich be
saß. Jsch hatte eine Stimme, von der
man sagte, daß sie Menschen bezau
bern konnte. Tie mich hörten, gerie
then in Entzücken, und mich harten
viele, denn ich verbrachte den Winter
jedesmal bei meiner Tante in Wien,
und nahm an allen Festen theil. Die
Wien-er Oper stand mals in ihrer
fBliit ezeit, und ein junger Sii er
iwar et vergötterte Liebling des
blilnms. Er fand Zutritt zu den
höchsten Kreisen, und so lernte ich ihn
kennen und — lieben Er wurde mein
Lehrer und brachte meine Stimme zu
einer Blüthe, die es mir nahelegte,
niizganz der Kunst zu weihen, sre mit
ut zusammen auf der Bühne aus
uiiben. Ich stieß auf den hartnäckig
sten Widerstand von seiten meiner Fa
milie; ja, mein Vater drohte mich zu
verstoßen und zu oerfluchen, wenn ich
nicht jeden Gedanken an die Kunst wie
an den Geliebten aufgäbe. —- Man
nahen mich von Wien fort und fii rte
mich auf die Wolföburg Es lf
alles nichts Jch wollte weder die
Kunst noch den Geliebten opfern —
Da —erhrelt mein rz einen schwe
lag — liebte selbst, an
reue ich denimmermehr gezwei
» dethättn gab mir sein Wort zuriich
»So war er des samt-fes tun meinen
jBesi schnell miide ogen-enden —- so
Elei gab er michn a nå OMDann hatte er
I mich nte geliebt. — ch litt unsagbae
lunter dein Treuerch ——· wende
»Du willst mir helfen? Wie wäre
l
l
« lobttranl, und als ich genas, hatte ich H
-jede Kraft nnd jede Hoffnung verlo
lren. —--Jch kämpfte nicht mehr füt’
Imeine Kunst —--- man hatte mir die
Flügel allzusehr gestutzt —- ich konnte
mit ihnen keinen Flug zur Höhe mehr
wagen. —— Später, viel später, als es»
längst zu spät war, erfuhr ich die er
bärmlichen Intriguen, die man mei
netwegen gespielt hatte. Mein eigener
Vater, mein eigener Bruder hatten sie
geschickt und fein eingesiideli. Sie hat
ten elmut Kenzinjzer auf Umwegen
beizu ringen gewuß, daß ich ihm un
treu geworden sei, ihm einen anderen
vorgezogen hätte, ja Schlimmeres als
das —- das Schlimmste, was man
einem Weibe nachsagen kann. D
hatte Stolz und Zorn ihn überman ,
und er hatte mit den Absa ebrief ge
schrieben. — Als ich das a es erfuhr,
als ich keine Gelegee heit mle tie,
ihm, dem Geliebten, die Wo rhet zu
enthüllen, da umnuchiete mich der
Wahnsinn vorEmvstung und Grauen. »
Fiir lange Zeit blieb ich hier in diesen
Räumen mer meiner Vertha überlas
sen. in dieser Wahnsinn-nacht bis ich
eines Tages daraus er te. das
war mein Erstes ein surcht rerRaehes s
, schwur gegen meinen Vater nnd Beu- -
ldec, IagegenPch das ganze Geschlecht der
sWoilsjs ång nicht me aus
meinen Piihlen herang, i
schloß mich vor meiner Familie —
Ost wünschte ich, der Tod würde sieht
mir erlösend nahen, aber es stirbt sich!
nicht so leicht an gebtochenem Herzen.
I—— So sah ich Men ehenalter an mir!
svorüdekzieherp und er jüngeren Ge
sneration zeigte ich mich wieder zu-!
gänglicher, denn die eit stumpst l
, schließlich jedes Leid ab. der m jedem
Unglück, das die Familie traf sah ich
i eine Strafe des Himmels für den Fre s
jveh den man mir anqethan hatte —1
So sah ich auch Dietgelms Hang zur s
)iiunst, den ich heimli nährte seinen s
Entschluß zur Bühne zugehen undj
fdessen Auesiihrunr als solche Strafe
an und ich gönnte sie den harten
arausamen Menschen. —--- Und nun
Jsteht sein Kind, die letzte Wolfe-but
scetim vor mir mit dem gleichen
JWnnsch mit der gleichen Liebe zur
Kunst, und sie soll nicht das Geschick
s der armen alten Sabine theilen und
sihr Leben einsam ans der Wolfsburg
vertrauem Was war denn mein
Leben hier? Ein nutzloses Vegetiren
ohne Zweck nnd Ziel. Nun aber, am
Rande des Grabes wird ihr noch ein
Ziel: Dir, Engelchen die Wege zum
Glück zu bahnen, und dieses Ziel hat
einen doppelten Sinn: es soll zugleich
— Sabineng Rache lein.«
Sie hielt inne, und Robert nnd
Senta sahen iikerwältigt und erschüt
tert in das alte, runzelige Gesicht
Senta ergriff die inochige Hand und
drückte ihre Lippen daraus.
»Arrne Tante Sabine!"
»Nein, nein, ich war reich in der
Erinnerung, und ich fiihlte mich mit
dem theoren Vorangegangenen eins in
der Liebe. Er weiß jetzt dort-« oben,
daß ich nie ausgehördt habe, ihn zu
lieben, und bald folge ich ihm dorthin
nach. Jch habe Heimweh, Kinder. —
Doch zuvor will ich noch seinen Nach
tommen meine Liebe beweisen. Du,
Robert, gehst noch heute in die Haupt
stadt zurück. —- Senta hat mir «a vor
hin erzählt, welche Hinderni e Dir
entgegenstehen Deiner Kunst treu zu
bleiben —- ich gebe Dir die Mittel —
sei still, was willst Du? Die alte Sa
bine braucht den Mammon nicht mehr.
Geh’ mit Gott und werde wie Dein
Urgroßvater ein berühmter Künstler
Du aber, Senta, die Du noch eine
Weile in meint Nähe auf der Wolfg
biirq bleiben wirst, veriprich mit-, niiclx
täglich zu besuchen, mich Deine Stint
me hören zu lassen. - — Aber sage dein
Marimilian nichts- daoon, bis ich es
Tit erlauben werde. Auch Dir
werde ich helfen, Du bist ja noch so
jung und kommst schon noch zu Dei
nein Ziel, und Kraft, Augdaiier und
Muth scheinst Du ja zu haben. viel
mehr, als Sabine einst besaß. » Und
nun lebt wohl, ihr theuren Kinder und
Nachkommen Heimat-It Ich bin müde
und bedarf der Ruhe.«
Die alte Wolseburaerin drückte
beide an ihre Brust und befahl dann
ihre Dienerin, sie den Gang zurück
zugeleiten.
Senta ging wie im Traum, aber
Robert, der «den Beweis der Wirtlich
leit, die blauen Kassenscheine, die
Tante Sabine ihm gegeben, in den
Händen hielt, tam sich wie ein Kröfus
vor. O
»Jetzt erobere ich mir die Welt und
mit ihr Senta!" jubelte es in seinem
Innern, während er vergebens die
Dunkelheit zu durchspähen suchte, um
die voranfchreitende Senta zu sehen.
Er sah sie nicht-—er fühlte ihre Nähe.
nur. '
Als das Himmelslicht sie wieder
grüßte, als die Frühlingöluft sie am
Ausgang wieder umfing. da fiel der
Bann, der auf den jungen Gewitthern
gele en atte.
it einein Jubelriif breitete Robert
die Arme aus und zog· Senta hinein.
»Mir-tit, Kiwitt —lebe wohl und
folg mir bald.«
ie machte sich sanft sret und
reichte ihm die hand.
«Gehe mit Gott, Robert, und wenn
Du etii großer Kitnftler geworden bt
nnd — wenn meine it gekommen i ,
dann—solge ich r.«
Sie n ckte then zu nnd eilte, ehe er
noch Miene machen konnte, fte zurück
zuhalten. in den rt und war bald
feinen Bliden ent chwundeii.
7. K a p i t e l.
Seta ging nun täglich zu Tante
Sahine in das trat-lich altmodifche
Thurmzimmer. Vettha hatte ihr einen
anderen Weg, damit sie nicht den un
terirdiscle zu machen brauchte, durch
zahllose dunkle Gänge über Treppen
und durch Thürme nach dem rechten
Flügel gezeigt. den sie bald ohne Füh
tutxg fand. Doch mußte sie ehr vor
steifs ig sein, um sich nicht ettappen zu
a en.
Die Hausdame hatte die unange
nehme Eigenschaft, stets zufällig und
Anbemerit da aufzutauchen, wo sie sie
am wenigsten vermuthet, geschweige
denn gewünscht hätte. Ueberhaupt
hatte sie das Gefühl, als wenn te von
»der Dame übern-acht und auf « ritt
:und Tritt beobachtet würde. Das
Hinbmi hr einen Theil ihrer Unbefan
.genheit und ihrer Sicherheit
- Fräulein von Rupert noar ihr von
kAnfanq an nicht iympathifch ewe en,
die kleinen Reibereien der les en eit
hatten nicht dazu« -beigettagen, streiti
andt näher zu bringen, troßdem es die
Gesellschafterin nicht an Freundlichkeit
lLunt- iii en Redensarten fehlen ließ.
Senta iihlte instinltiv das etliche in
dieser atm. tiihlte die ade, die
mit ihrem Op er spielt, ehe sie es m
sank-F t. auch-m Dei
all-F er Ant denn sie besa
noch n frenheit und Klug
l
teiner Weltdame die ihre oeiTonkunst
tunc niste- sii sicher-wen Mienen
e rele, ungebundene
KARL-loher paßte - zudem jeden
Zwang, und diesen empfand sie täglich
mehr ohne die Macht zu haben, ihn
abzuschiittelm Zu viele Mächte ver
banden sich gegen sie. Daß es aber
einmal zum Krach kommen, daßi
Temperament einmal miti ista dur
gehen würde wußte sie; es ra tesi
nur, ob sie bei dem ungleichen amp
nicht den kürzeren ziehen würde.
Während sie so eine gewissermaßen
abwartende, passive Stellun ein
nahm, ahnte sie nicht, daß ein etz von
feinen Mafchen sich immer dichter um
ihr Haupt schlang. Und an diesen
Maschen arbeiteten die Rupert und
Tante Karla zu gleichen Theilen und
mit gleichem Eifer, wenn auch aus
verschiedenen Interessen
Griifin Arenberg ließ leine Gele
genbeit vorübergehen, »il)te liebe Nu
peri« —-—- die Damen hatten sich sehr
angefreundet gean ihren Zögling
anfzureizen und sie zu veranlassen.
des öfteren Klage bei dein Grafen zu
führen. Sie verfolgte den Zweck,
Senta von der Wolf Lburg zu entfer
nen nnd den ohnehin nicht an Geduld
leidenden Bruder dadurch zu dem
Entschluß, Sentasfortzuschiclem zu
bringen.
Fräulein von Ruperts Ziele waren
ganz anderer Natur Auch sie sah in
Senta ein Hinderniß fiir ihre kühnen
und ehreeizigen Pläne, die wiederum
ins Wasser fielen, wenn Senta, um
derentwillen sie aus der Wolssburg
war, fortging Wenn sie sich trotzdem
von Gräfin Arenberg beeinflussen ließ,
so geschah das sicherlich nicht darum,
der ,,lieben Freundin« einen Dienst zu
erweisen. Sie wußte, daß sie sich
selbst einen solchen leistete, wenn sie
ihre eigene Duldsamleit, Mühe und
Aufopferung dem Grafen gegenüber
in ein helles Licht rückte und durch
leise Anspielunaen Sentas Charakter
unaunstig heleuchtete. ]
Welches Urtheil der Graf sich iiber
feine Nichte bildete. erfuhr sie freilich
nie. Mochte es nun Bequemlichkeit,
Gleichgültigleit oder Prinzip sein, er
schien sich um sein Mijndel wenia zu
kümmern noch sich über gelegentliche
Beschwerden aufzuregen.
Fräulein von Rupert hatte nun
aber einen sehr mißtrauischen Charak
ter und witterte in allem ein feind
liches Hinderniß. So gab ihr auch in
letzterZeit das öftere heimliche Ver
schwinden Sentas zu denken. Auf ihre
Fragen erhielt sie stets ausweichende
Antworten, und das jedesmalige heiße
Erröthen des jungen Mädchens brachte
sie auf allerhand vaae Möglichkeiten
Dieses Grübeln und Sinnen versetzte
sie in einen nervösen Zustand, in dem
Haß und Bitterkeit eine Hauvtrolle
spielten, aber ihre Selbstheherrschung
hatte sie darum noch nie verlassen.
Senta empfand nun zwar die Ver«
heimlichung ihrer Besuche bei Tante
Eadine wie eine schwere Bürde. Nach
ihrer Meinung tonnte niemand ihr
diese Besuche verbieten, und sie hätte
es der spionirenden Erzieherin am
liebsten ins Gesicht gesagt, wo sie täg
lich ihre Schritte hinlentte. Jedoch
Tante Sadine legte es ihr jeden Tag
von neuem ans Herz zu schweigen, und
darum durfte sie nichts verrathen.
Oft mußte sie die tollsten Pläne und
itlussliichte erfinden, um von Fräu
lein von Ruderts Spaheraugen unbe:
helligt zu der Uraroßtante zu gelan
gen. Der Empfang, der Aufenthalt
in dem gemiithlichen Zimmer der Al
ten entschädigte sie jedoch für jede
Mühe und Unbill.
Die Alte und die Junge hatten sich
überraschend schnell u einander ge
sunden, und das din nde Glied war
die Musik. Während Senta an dem
alten, verstimmten Spinett mit den
gelben, abgespielten Tasten saß und
ihre herrlig Stimine«ertlingen ließ,
schwergte nte Sabine in seligen
Erinnerungen. Sie konnte nicht mude
werden u largchem ’und wenn Senta
dann ließli doch aufhörte, zog die
Alte in ihre Arme, streiche-te sie
und nannte sie ein gottbegnadetes
Kind, dessen herrliche Stimme nicht
un ehilrt in den Mauern vertlingen
so te. Dabei lam sie wohl aus ihre
eigene Jugend zu sprechen, und Senta
lauschte den Erzählungen der Greisin
mti heißen Wangen. wie Kinder Mär
chen und Sagen zu lau chen pflegen.
Auch liber Sentas utunft wurde
been-then äu einem klaren Entschluß
kam es da i freiiich nie. Die alte
Wolfslmrgerin besaß doch wohl nicht
mehr die rechteSpannkraft des Geistes
und war auch u wenig mit den jetzi
gen Verhältni en vertraut, um einen
wirksamen Plan ersinnen zu können
Sen a hin egen erwog alle Möglich
keiten, die re «nter r als unmoglikh
derweefen mu te; nn allem fehlte
das Wichtigste: die Zustimmung des
Oheimi.
Po Robert kam zuweilen Nach
richt. «r schrieb an Tante Sadine und
l te einen Bri an Senta bei. Unten
ång jeder Orte durch Tät-bin von
uperts Hände, und sie tte die
ser gegenüber stets ttder den d endet
auszuweisem was peinlich und demü
tdiaend war.
Tante Sabine sowohl wie Senta
begrüßten diese Briefe stets mit Freu
den· Die erstere sah den Useentel ihres
·eliebten Hetmnth in ihm; denn es
tte sich inzwischen hetusgestellt.daß
er es in der That war. Robert hatte
Nachforschungen angestellt, und aus
diesen hatte ch ergeben, daß jener
Velmut Kenz ngee ein bedeutendes
Sänger und Kann-onst und Roberts
Urgrv vater, einst ante Sabinens
Bröut gam gewesen um« Dem Mtmen
'
o tsiire selincheäme unsd seinvenu
en a ero gerne en.
nicht e ni eiese und Papiere u
dein Rast-iß von M Vater w
funden hätten.
Dieses Zusammentreffen war eis»
sehr seltsames, run so mehr, als ei
anderes Glied der Wolssburger .
mit der amtlie Kenzinger verbunden
atte: iethelmi rau und Sentas
treibt-erK war eine nstelin jenes Hel
mu enzinger gewe en. »
Dijes trug da u bei, die drei Men
fis-s die Nu lt keine Jesus-d unt
schen est- zu verb nden. Tanie Sabine
halsf obert mit Geldmittebi aus, und
die er schrieb beaeisterte Brie , daß CI
nun in den Sind ge etzt sei, ein hohes
Ziel zu erreichen. « nn Du nun nur
auch erst so weit wärst.«' Das was
stets der Entesrain seiner Epistelnan
Senta.» » »
Für Senta hieß es jedoch vorlauflg
nur: Geduld haben
»Geduld, Geduld, mein Engelctzen,«
prediate auch die Alte. »
Eines Tages hatte Senta sich ign
ger als gewöhnlich bei Tante Sabine
aufgehalten. Sie hatte vergessen daß
Fräulein von Rupert sie zu dem ge
wohnten Spaziergange zu einer be
stimmten Stunde erwartete. Diese
obligaten Spaziergänge waren ihr
höchst zuwider und sie entzog sich ihnen
nur zu gern, ungeachtet dessen, daß
sie die Dame dadurch noch mehr gegen
sich einnahm. Diesinal war es aber
nicht Absicht gewesen; sie hatieegeiw
sach vergessen. Es fiel ihr erst wieder
ein, als sie im Begriff war, disk Thiir
nach ihrem Zimmer zu öffnen, und
Fräulein von Ruperi ihr plötzlich da
raus entgegentrat Sie fuhr nun doch
ein wenia erschreckt zurück.
Das Gesicht Fräulein von Ztiuperts
igte diesmal nicht den aewolmtm
iiß lächelndeu Ausdruck. Die Lippen
waren verzogen, nnd ein strengen
durchdringender Blick traf daz- jun-ne
Mädchen
Ohnc ein Wort zu sprechen trat sie
in Sentas Zimmer zurück. lief-. diese
ebenfalls eintreten und schloß danach
die Thür
Diese stillschweigende Maniuuthion
Bette etwas Iliilieiiiilichesj, Bedriittens
s.
»Ich wartete bereits seit einer
Stunde auf Sie," nahm sie endlitk das
Wori, »und obgleich ich solche kitiicts
sichtslosiakeit von Ihnen ja ten-its sie
tvöhnt bin, möchte ich heute dort end
lich einmal tlar sehen«
(Forisetzun«a folgt)
Packeti und Person«-vorn
General Posiineister Corteliion hatte
in seinem Jahresbericht, wie erinner
lich, eine Erleichterung der Pactetvers
sendung durch die Post angeregt, die
als Vorbereitung zur Einführung
einer allgemeinen PadetiPostbefördes
rung hätte dienen können, der Sekte
tär der Postal Progreß Liga gebt in
seinem Jahresbericht noch ein paar
Schritte weiter, indem er mit der
freien Postablieferung auf dein Lande
nicht nur Partei-s sondern auch Perso
nenbesörderung verbunden seben will.
Daß der Vorschlag vom Congrefz
aufgenommen werde, ist zwar nicht zu
denten, doch die igni gegebene Bei run
dung ist immer in ganz interessant
Der Landbrieftrögerdienft bezahltfich
nicht, das ist betannt. Er beschäftigt
weiunddreißigtauieiid Mann mit
ätferd und Wagen und auf jeden
lomrnt eine Durchschnittgeinnahine
von 40 Cents den Tag. Die Regie
rung setzt für jede Route 81130 den
Tag zu, wag für alle 850,000 pro
Tag ausmacht und fünf ehn Millio
nen per Jahr. Die Potsachen. die
der Bote befördert, wiegen eingesam
inelt wie abgeliefert tauin zwanzig
Pfund. Da bleibt noch viel Gewicht
und Raum fiir das Gefährt übrig.
Die Boten haben das bald genug be
nutzt und private Sendungen mit
übernommen, was setzt untersagt ist.
Manche hatten einen regelrechten Be
trieb neben der Postbesorderung ein
erichtet. wie aus dem Bericht des
ostmeisters von Concord, N. h»
vom Jahre 1903 hervorgeht, worin es
hei t, daß einige Boten Mehlfii er,
Ge reideläcle und andere schwere q
chen beförderten. dabei allerlei Bestel
lungen übernalinien und beforgten
»sehr zur Bequemlichkeit des Publi
tumö«. Die Thunlichleit ist a so er
wiesen. Allerdings mag der Dienst
zuweilen darunter gelitten haben,
wenn der Nebenverdienst gewinnbrtns
gender war als die regelmäßige Bes
zchlung Aber das laßt sich regeln«
wenn die Beförderung in die vorgi
xgriebene Dienstleistung rnit einge
losien ist.
- Die Ablieferung auf dein Lande,
sagt der Selretär der Liga, sherr
Fames L. Cowles, follte so ein nich
et werden« daß, soweit es die Linn-n
verbältnisse der Wagen gestatten,
Postftucte bis zu 200 Pfund Gewicht
von der Größe eines Barrel befördert
werden tönnten und zwar zu folgen
den Roten: bis zu 8 Unzen 1 Cent,
darüber bis zu einem Pfund 2Cents,
bis 1»1 Pfund 5 Centz und io weiter
aufwärts, bis Paaet von hundert und
zweihundert Pfund, filr das 25 Cents
zii entrichten wäre. Perynengeld Er
eine . abrt 10 Cents. uf jede r
vier tllionen Familien, die von der
Landpoft bedient wären, berechnet tät-«
Cowles eine jährliche Benutzung des
Dienstes znin Werthe von mindestens
silnxkndzwangtg Doktors was ani
n wiir e,s das Bostdefiiit In
decken, und noMnen Ueberfchuß von
mindestens linn v Millionen ergäbe.
-.-.,«-.J.-.- - —
Wohl hohen die mit feineren Ot
gcmen Genüsse. die den anderen ent
gehen. Doch haben sie auch Qualen
auszustehkm die Menschen gröbere
Sinns nicht einmal ahnen. .