Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 22, 1905, Sweiter Theil., Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Yebraska
Staats-— Anzejger Und Ist-rollt
— J.7P. Wind-Jlle, Heraussdsn ,
quiw Jsikiiiovcävkkp 22H "L:czcsi-bck-19"05 (Zweitek Theil ) THE-Zigqu äki " Jst-Im
-s
Meer-nacht
Von F, E. Ioenn l e s, New York.
sichs-stehe am einsamen Strande,
Tief dunkel die Nacht um mich het.
Gespenstische Nebel vom Lande
Zieh'n über die Dünen zum Meer.
Von Ferne der Brandung Dröhnen,
« Dringt an mein laufchendes th,
Mir ilinget wie Menschenfiöhnen
Der Wellen leissingender Chor!
Du machst meine Seele .erbeben, «
Ein Grauen erfaßt mich mit Macht;
Wie gleichst du doch meinem Leben,
Du dunkle, du sietnlofe Nacht!
-.——-.-—-——-—·
»Unsere Königin.
Lebensdild aus einer deutschen Klein
stadt. Von W. Witten.
Sie stammte nicht aus einem der
weltbetannien königlichen Geschlechter.
Bei ihrem Tode mußte in? Register
des Kirchenbuches eingetragen werden:
»Vater und Mutter unbekannt.« Erst
durch ihre Heirath wurde sie Glied
einer königlichen Familie. Sie heira
thete nämlich den Schuster König.
Seit jener Zeit hieß sie im ganzen
Städtchen Königin. Und sie war
stolz auf diesen Namen. Wenn sie»
einmal sah, daß Lehrlinge oder Mad
chen nicht fleißig waren, rief sie wohl:
Willi ji mal wat dohn; ick bin de
Königin, da möt ji gehorchen« i
Jn ihrem Hause hatte sie unbestrit-!
ten das Regiment. Es soll öfters
vorkommen. daß ein König, der ein
ganzes Land zu regiren hat, von
der Königin regiert wird. Da lann
man sich nicht wundern, daß auch der
Schuster König unter dem Regiment
feiner Königin stand und ihr ge
horchte, ohne jemals Opposition zu
versuchen.
Selbst Könige sind vor dem Tode
nicht sicher. Es starb auch der Schuster
König und ließ seine Frau als ver
wittwete Königin zurück. Es gab da
mals sicheilich leine andere Königin
auf der Welt, die ein so geringes
Eintommen hatte. Ader unsere Kö
nigin verlor den Muth nicht, sie ging
frisch an's Wert, ihre Verhältnisse zu
verbessern. Friedrich der Große sagt:
»Der Fürst ift der erste Diener seines
Staates.« Auch unsere Königin hielt
es nicht sür unvereinbar mit ihrer
Zugehörigteit zu einem königlichen
Geschlecht, anderen zu dienen und
siir andere zu arbeiten. Sie half in
einzelnen Haus-ständen der Stadt an
besonders bedeutungsvollen Tagen,
als Da Illlv großes- znemmuayen over
Schweineschlachten. Dann hiefz es:
»K·oniain, holen Se mal den Bessen!«
oder »Königin, niaten Se mal den
Pott reini« Sie schämte sich solcher
Arbeiten nicht nnd war unermüdlich
thätig. Aber dafür hat ihr das Essen
auch besser geschmeckt und at sie fester
des Nachts geschlafen als tttele Für-—
ftinnen. die öchstens einmal eine Na
del zu feinen Stickereien anfassen.
Unsere Königin-war schon lange
verwitiwet und eine alte Frau, als
ich sie kennen lernte. Sie trug für
einen Gärtner Gemiise und Früchte
in der Stadt erum. Ich freute mich
immer wesin ich sie kommen hörte.
Es ist tein Verschen, wenn ich schreibe
»sie tommen hörie«; denn man hörte
sie eher, als man sie sah. Sie war
auffallend klein und hätte ihrer Größe
nach sicherlich zit Pipin dem Katzen
gehaßt. Sie hatte besonders kleine
Beine, die sie im Alter nicht mehr
recht heben konnte. Da sie nun sehr
fiir die Fixigteit war, so ging es im
mer tripptripp, tripptripp. Schon
von Weitem hörte man das flinte
Klappern ihrer Holzpantosfelm das
ihre Ankunft ankündigte.
Man konnte sich freuen über die
schönen Radies und Erbfen und Kir
schen und Erdheeren, die sie wie das
Mädchen aus der Fremde brachte.
Aber noch mehr freute ich mich, wenn
ich sie selber -sah. Jn jedem Arm
einen arofzen Korb, erschien sie in der
hausthiir. Ich sehe sie noch vor mir,
die kleine Gestalt mit ihrem glatten,
weißen Haar, mit ihrer frischen, ge
sunden Gesichtsfarhe und ihren blan
ten, braunen Kinderauaen. Sie wußte
immer viel zu erzählen und hatte
auch immer mancherlei, worüber sie
klagte. Vornehme Damen pfleaen nie
ganz ohne Leiden zu sein. Da ist
es erklärlich, daf; auch unsere Köniain
mit ihrem Gesundheitsiuftand nicht
zufrieden war. Sie jammerte dar
iiher, daß sie »Meumatismus im
Kopf« hätte und darum oft so ver
gesilich und däsiq sei.
Ja ihrer Runae aber hatte sie tei
nen Nheuniatiömus. Denn schneller
noch als ihre tleinen Beine ging ihre
Annae. Es ist ia aut, wenn Köni
atnnen die Gabe der Unterhaltuna
halten« Unserer Miniain war sie in
Worraaendem Maske verliehen. Mit
jedem Menschen wußte sie Iu reden.
und nie manaelte es ihr an Gespräch-H
ftoff. Bei ihrer eifriaen Unterhaltuna
here-aß sie soaar manchmal das Wich
tiaiie. nämlich dah tie Erbsen oder
Radiei me verkaufen l,«tte, und mußte
erfi daran erinnert werden.
Dies Beihilfen bereitet ihr noch
eine beim-here Schwierigkeit Am
Billetschalter liest man zuweilen:
»Das Fahrgeld ist abgezählt bereit zu
halten«. Es wäre gut gewesen, wenn
auch an ihren Kötben mit großen
Buchstaben gestanden hätte: »Das
sGeld ist abgezählt bereit zu halten.«
sDenn das Wechseln machte ihr un
siisberwindliche Schwierigkeiten. Sie
;tlagte, daß sie bei ihrem »Rheuma
»tismug im Kopf« nicht mehr ordent
lich rechnen könnte. Aber ich glaube,
auch ohne diesen Rheumatismus wäre
es nicht viel besser gegangen. Doch
als Königin zeigte sie sich auch dieser
schwierigen Lage gewachsen. Wie
Alexander der Große zerhieb sie den
gurdischen Knoten, der jedes Rechnen
fiir sie war. Sie reichte einfach ihr
PtPortemonnaie der tausenden Frau
und sagte: N,,ähmen Se sich man so
veel rut, als Se weddertriegen.« Man
sah an ihr, daß das Vertrauen selbst
in Geldsachen auf der Welt noch nicht
ausgestorben ist. Und ihr tindliches
Vertrauen ist wohl kaum mißbraucht
worden. Dies Verfahren war für un
sere Königin aus dem Grund nach be
sonders praktisch, als sie statt des
Rechnens Zeit gewann zum Erzäh
len, wozu sie sehr viel mehr Sinn und
Geschick hatte.
Nicht immer hatte sie alles in ihren
Körberh was man gerade haben woll
te. Dann wurden ihr Bestellungen
aufgetragen Aber Königinnen sind
nicht dazu da. um Bestellungen zu ma
chen, und nun gar Königinnen, die
über »Rheumatigmus im Kopf« tla-«
gen und darum kurz von Gedanten
sind. Mit ihren Bestellungen richtete;
sie nur Verwirrung an. Die Erdbee- ;
ren, die die Frau Amtsrichter bestelltj
hatte. wurden der Frau Pastor zuge- s
schickt, und die Erbsen. die die Franz
Pastor haben wollte, kamen bei der!
Frau Bürgermeister an, und die Frau z
Doktor, die Himbeeren bestellt hatteJ
erhielt statte dessen frische Kartoffeln ;
Allmählich wurde unsere Königinl
schwächer. Jhre tleine Gestalt
fchrumpfte immer mehr zusammen,
ihr kleines Gesicht wurde immer klei
ner. Nur ihr Rheumatismus im
Kopf wurde immer größer-. Sie ver
gaß fast alles, und dabei hatte sie von(
Haus aus ein gutes Gedächtniß. Den -
großen mecktenburgischen Landes-latet
chismus hatte sie noch in ihrem Alterl
bis-k- vor luriem lzersagen lännen von
A bis Z, mit Fragen und Antworten.
Sie hatte auch gerne ihr Wissen ge
zeigt nnd erzählte mit Stolz, daß sie
in der Schule immer »boben an fäten
sei.« Nur hätte sie leider lein Schrei
ben in ihrer Dorffchule gelernt. Die«
Kinder, die nur Religion, Lesen und
Nechnen gehabt hätten, hätten jede
Woche einen Schilling Schulgeld be
zahlt, aber die, welche auch noch
Schreiben lernen wollten, hätten zwei
Schillinge mitbringen müssen. Jhr
wäre das Lernen leicht geworden, und
da hätte sie auch gar zu gerne schrei
ben gelernt. Aber ihr Vater wäre ge-«
starben, und da hätte ihr ältester Bru
der gemeint: »Ach,- woto sall de Dirn
schriewen lihren, den Schilling willn
wi liwer fporen.« So war ihr das
Schreiben eine unbekannte Kunst ge
blieben, aber sie ist dennoch Königin
geworden. Auch bei anderen Leuten
königlichen Geschlechte-Z ift es ja nicht
besser gewesen Selbst von Karl dem
Großen wird erzählt, daß er erft in
seinem Alt-r angefangen habe, auf ei
ner Tafel Buchstaben zu machen.
Da wurde eines Tages unsere Kö
nigin traut. Sie mußte sich zu Bett
legen, und nun wurde es ganz bie
sterisch und wirr in ihrem Kopfe.
Sie bildete sich ein« daß fremde Leute
sich in ihrer Küche zu schaffen mach
ten, und gerieth darüber in die größte
Aufregung. Denn ihre Küche war
ihr lieb und werth wie eine könig
liche Schatztammer. Die Stadtm
waltung ertannie, daß sie nicht mehr
im Stande war zu arbeiten. Und»
sie hatte ein wohlverdientes Recht auf
Ruhe, denn sie hatte viel in ihrem
Leben gearbeitet. Sie wurde auf
Stadtiosten fiir 5 Mart die Wochej
bei einer Wittwe untergebracht, und
sie hatte es gut bei ihr. Sie sprach
es oft aus, wie fchön für sie gesorgt
würde, und man sah es ihr auch an.
Sie wurde auf ihre alten Tage etwas
rundlicher. Auch ihr Kon wurde
wieder etwas klarer. So war denn
fiir unsere Königin die schöne Zeit
gekommen, wo sie es ebenso gut hatte
wie andere Königinnen und sich be
dienen lassen konnte.
Jene Wittwe hatte immer vor
nehme Hausgenossem Vorher hatte
ein Graf bei ihr gewohnt, nämlich
ein ehemaliger Barbier namens Graf,
der übergeichnappi war. Als dieser
ihr aber einfi mit einem Messer zu
Leibe gegangen war und sie faft um
gebracht hätte, wurde er nach der Ir
renanstalt geschafft. Nun bekam sie
statt des Grafen eine Königin. Da
sie so vornehme Hausgenossen hatte,
so bediente sie sich auch nicht der
plattdeutschen, sondern der vornehme
rm hochdeutschen Sprache. Sie gab
sich alle Mühe, es denen, die bei ihr
untergebracht waren, recht behaglich
zu machen. Aber sie verkündete auch,
wo sie nur konnte, ihren eigenen
Ruhm und sagte: »Sie können mich
das zuglauben, daß die Leute alle zu
gerne bei mich wären.« Sie forderte
von ihnen keine Arbeit, aber gerne
waren diese bereit, ihr auf ihre Bitte
kleine Dienste zu leisten. Wenn sie
etwa sagte: »Liebe: Graf, wolltest
»Du mich wohl einen Eimer Wasser
hollen«, so machte sich der Graf ohne
Widerspruch auf, um mit dem Eimer
nach der Pumpe zu gehen. Und
wenn sie später sagte: ,,Königin,
möchten Sie mich nicht ein paar Kar
toffel schälen", so scheute sich unsere
Königin ebensowenig vor »diese: ge
ringen Arbeit, wie einst die Königs
tochter Nausikaa sich geschämt hat,
mit ihren Mägden die Wäsche zu be
sorgen.
Endlich kam für unsere Königin die
Sterbestunde. Sanft und friedlich ist
sie eingeschlafen. Sie wurde auf
Staatslasten beerdigt, aber« es war
kein vornehmes Begräbniß. Jn einem
Armensarg wurde sie zum Kirchhofs
hinausgetragen, und nur wenige ga-’
ben ihr das letzte Geleite Aber was!
schadet das-? Unser Herrgott, der an;
den Demüthigen Wohlgefallen hat, I
und dem sie in kindlichem Vertrauen
gedient hat, wird sie bei sich aufgenom
men haben Dort im Himmel wird sie
als Königin auch eine Krone tragen,
die Krone des Lebens, und wohl höhe-(
rer Ehre theilhaftig werden als man- ’
che, die auf Erden goldene Königskros
nen getragen haben.
!
(
l
meine erste und letzte hauen-i
fahrt. (
1
Stizze von Oskar Bieder-«
manm
Es war während meiner Studien
zeit in X» als das Xer Tageblatt eines·
Tages die Mittheilung brachte, daß in
den nächsten Wochen der bekannte Luft
fchiffer Westmann mit seinem Ballon
»Prometh·eus« in X. eintreffen und von
Heibiges Etablisfement aus auffahren
werde. Das war etwas für mich!
Und meine Hoffnung, daß es mir doch
noch einmal gelingen werde, im Jn
teresse meiner Arbeiten eine Ballon:
fahrt mitzuinachen, wurde aufs Neue
angefacht. Meine naturwissenschaftli
chen Studien ließen es mir besonders
wünschenswerth erscheinen, die Kennt
nisse der Vorgänge in den Regionen
des Luftmeeres nicht nur durch die
Lettiire aus Büchern, sondern durch
eigene Beobachtungen zu ergänzen nnd
zu erweitern, und so entschlon ich mich
denn schnell, an Weftmann, der augen
blicklich in E. weilte, zu schreiben, ob
und unter welchen Bedingungen er ei:
nen Mitreisenden für seine geplante
Fahrt annehme. Jch fügte Näheres
über die Gründe meines Wunsches-,
mit ihm aufzufahren, bei und hatte
das Glück, bald eine zuftimmende Ani:
wort Zur-erhalten Da Weftmann ei
nen sehr mäßigen Preis nannte, so
war ich entschlossen, die Fahrt zu wa
gen, und sah mit einer gewissen Auf
regung dem ereignißreichen Tage ent-:
gegen.
nerlei Mittheilung davon gemacht, son
dern überraschte sie damit erst beim
Dämmerfchoppen vor dem zur Aufs
fahrt festgesetzten Tage. Ein furchtba
res »Halloh« war die Antwort aus
diese Neuigkeit, und man beschloß ein- I
stimmig, am anderen Tage einen Pum
mel nach Helbig’s Etablissement zu
machen, um mir auf meiner Himmels
reise das Geleit zu geben.
Zunächst wurde das Ereigniß na
tiirlich lang und breit besprochen,
selbftredend auch gehörig begossen; aus
dem Dämmerschoppen wurde ein«
Abendschoppen, mit einer recht läng
lichen Sitzung, bei welcher der ,,iiihne
Luftschiffer" in mehr oder weniger
guten Reden und schlechten Witzen ge
bührend gefeiert wurde.
s- i- «
Die zur Auffabrt festgesetzte Zeit
war herangekommen. Jch begab mich
nach Helbig’s Eiablisfement, woselbst
der »Prometheus« schon seinen Rie
senleib blähte und an den ihn fesseln
den Stricke zerrte. Mir war etwas be
klommen zu Muthe. Eine eigenthijm
liche Stimmung hatte mich beschlichen,
es lag wie eine eleitrische Spannung
in meinen Gliedern.
Was mich am meisten befremdete,
. l
Meinen Kommilitonen hatte ich tei- ’
war der Umstand, daß sich so wenig
Schaulustige eingefunden hatten, auch
meine Kommilitonen fehlten, zudem
war der Luftschifser merkwürdig
schweigsam. Jch that dieses Zusam
mentreffens eigenartiger Umstände
Westmann gegenüber Erwähnung,
doch dieser antwortete nicht, sondern
zuckte nur mit den Achseln und lud
mich mit einer Handbewegung zum
Einsteigen ein. Jch folgte wortlos
der Aufforderung und bestieg die Gou
del Ein leises Frösteln lief über mei
inen Körper. Westmann schwang sich
bald daran auch in die Gondel, dann
ein Schwenken mit der Fahne, und
majestätisch schwebte unser »Prome
theus« dem Aether zu.
Unter uns herrschte lautlose Stille.
Jch schaute rechts, ich schaute links
aus dem Ballon, und je höher dieser
stieg, desto leichter wurde mir ums
Herz. Eben wollte ich einen freudigen
Juhschrei ausstoßen, als mein Auge
auf Westmann fiel. Der Schrei blieb
mir in der Kehle stecken, »als ich dem
Luftschiffer ins Antlitz sah. Bleich,
mit blutlosen Lippen, gläsernen Au
gen, mit denen er mich durchbohren zu
wollen schien, saß er da.
»Ist Jhnen nicht wohl, Herr West-,
mann2« fragte ich gespannt.
Ein Kopfschiitteln war die Antwort.
,,Wollen wir vielleicht Messungen
vornehmen?« begann -ich nach einer
Weile auf's Neue, denn dieses Schwei
gen war mir unheimlich. Auch war
mir etwas bange, wenn ich daran
dachte, daß ihm oder mik in dieser
Einsamkeit des Weltraumes etwas zu
stoßen könnte.
Westmann nickte auf meine wieder
bolte Frage mit dem Kopfe. Mit zit-·
ternden Händen ordnete ich die Jn
strumente, prüfte und notirte die Höhe
nach dem Aeriodbarometer.
»Wie viel?« sprach meinGegeniiber
mit dumpfe-: Stimme, ohne sich zu
rühm. .
Der Mann wurde mir immer räch
selhafter; diese eisige Ruhe wirkte be
ängstigend auf mich ein.
,,1080 Meter«, erwiderte ich, ohne
aufzubliclen, da ich eben die Wind
ftärke in die Tabelle eintrug.
»Stimmt!« sagte Westmann mit
derselben kalten Ruhe.
Frappirt durch diese Aeußerung
blickte ich auf und bemerkte mit Er
staunen, daß sich mein Gefährte end
lich erhob. Seine Bewegungen waren
unsicher und glichen denen eines Auto
maten aufs Haar. Der Mann war
zweifellos leidend und verschwieg es
mir nur, um mich nicht zu ängstigen.
Er stieg auf den Sitz, stellte einen Fuß »
auf den Gondelrand und, ehe ich noch »
ahnen konnte, was er beginnen wollte, ;
hatte er ein Messer hervorgeholt und»
mit einem Ruck die Bentilleine ziemlich
weit oben durchschnitten.
»Mein Gott, was soll das?! rief ich
in tödtlicher Bestiirzung Daß West
mann etwas Ungeheuerliches vorhatte,
begriff ich, nur war mir nicht lalr,
was er auszuführen trachtete.
Er stieg wieder herab, setzte sich steif
auf feinen Platz und sagte, indem ein
gräßliches Grinsen über sein Gesicht
zog!
»Sie war mir im Wege.«
Mir blieb der Sinn dieser Worte
unklar-, und ich oerharrte in Schwei
gen, ängstlich mein Gegenüber be
trachtend. Tausend Gedanken schos
sen durch mein sieberndes Hirn, mei
nen Körper schüttelte der Frost.
»Wie hoch? fragte nach geraumer
Zeit mein Gefährte wieder.
»123(«) Meter,« lautete meine Ant
wssk
-
---c
l
»(
,,Osv 111 getau- oir uuiugc Hur-r,
sagte der unheimliche Mann.
Ich dachte, er wolle nun die Nieder:
fahrt beginnen, und mach-te eine ent
sprechende, gleichsam fragende Hand
bemegung nach der getappten Ventil
leine hin. Er stand aus, schüttelte mit
dem Kopfe und sagte dann mit schnei- l
dender Stimme zu mir: »Sie müssen i
nämlich wissen, das ist meine letzte
Luftreise. Einmal werde ich doch ver
unglücken, und da will ich lieber selbst
ein Ende machen.12?() Meter, das
ist gerade die richtige Höhe, da bleibt
kein Knochen ganz.«
Jch wollte ausfpringen, ihn festhal- .
ten, aber die Füße versagten den
Dienst. Bleischioer lag es auf meinem
Körper, die Schlöer pochten und nur
ien Stö nen entrang sich meiner
Brust. m nächsten Augenblicke
schwebte Westmann über den Rand
der Gondelsund war im Nu meinen
Augen entschwunden Ich sank kraft
los aus meinen Sitz zurück Jm
Kopfe treiste und brauste es, Zentner
schwere lag auf meinen Gliedern, und
ich war fiir einen Augenblick unfähig,
einen Gedanken zu saism Der Bal- i
lon tanzte, schwebte, befreit Von einer
Last, hoher, und ich begann zu begrei
fen, daß es auch meine letzte Luft
reife fein werde, gelang es mir nicht,
das Ventil zu öffnen. — .
Zitternd erhob ich mich, stieg auf
den Gondelrand und begann unter
.unfä-glichen Anstrengungen an den
Stricken emporzuklimmen Eifige Luft
I umgab mich, während mir derSchiweiß
sin dicken Tropfen über das Gesicht
staun. Endlich, endlich gelang es mir,
« trotz des Schwanken-Z des Ballons, die
— Ventilleine zu erfassen, und mit jähem
Ruck riß ichs das Venstil vollständig
auf. Nach dieser Anstrengung-. stürzte
ich in die Gondel zurück, doch gewahrte
ich, daß der Ballon fiel. An ein Re
guliren war natürlich nicht zu denken,
der Ballon, dem« das Gas mit Sausen
entströmte, fiel schneller und schneller.
Jn meinem Kopfe drehte sich alles;
immer toller ging die Fahrt, und der
Erdboden mu te bald erreicht sein,
da —ein Sto , ein Schmerz in der
rechten- Seite un-d... »Donnerwetter,
Mensch! Du schnaufstjta wie eine Lo
Ikomotive, die umgeworfen hat,« tönte
es mir in die Ohren.
Jchi rieb mir die Augen; heller
Sonnenschein fluthete herein in mein
Zimmer, und vor meinem Bette stand
mein Freund spequ dev mit einem
wohlgemeinten ur rästigen Rippen
ftoße meiner Angst ein Ende bereitet
hatte.
l Die Aufregung meiner bevorstehen
fden ersten Ballonfahrt, besonders aber
»die etwas reichliche Vorfeier dieses
Ereignisse-Z hatten mir ein-en bösen
Traum mit allen Schrecknissen einer
Verungliickten Ballonfahrt vorgegan
kelt, und ich war herzlich froh, mich,
wenn auch mit etwas schwerem Kopfe,
fo doch mit heilen Gliedern von mei
nem Lager erheben zu können.
Das war meine erste Ballonfahrt
und es ist auch meine letzte gewesen.
Auf die Aufsahrt mit Westmann habe
ich verzichtet.
—- —-———
»Scherze« gekrönter Häupter .
Wie immer, so hat auch bei seiner
diegjährigen europäischen Reise der
Schuh von Persien·den Blättern über
reichen Stoff geboten durch seine klei
nen Späße, mit denen er mehr sich wie
seine Umgebung zu belustigen pflegte.
So fand er ein kindlich-es Vergnügen «
darin, einer alten Frau, die kleine
Luftballons für Kinder verkaufte,
ein-en Streich zu spielen. Als das
Mütterchen an dem Beherrscher Per
sienH und seinem Gefolge vorüber
ging, gab der gutgelaunte Schah sei
ner Umgebung einen Wink, nahm sein
Taschenmesser heraus und entsandte
mit einem Schnitt alle die kleinen
blauen, grünen und rothen Ballong -
in die Luft. Die Frau war natürlich ;
auf das höchste entrüstet, aber der
Schah besänftigte ihren Zorn sehr
bald durch eine anständige Entschä
digung. Einmal miethete ek eine An
·zahl Räder Und bestand darauf, daß
gerade die wohlbeleibtesten Mitglieder
seines Gefolges die Stahlrosse bestie
gen undRadfahrerkiinste improvisirten.
Da keiner von ihnen vorher auf einem "
Rade gesessen hatte, so gab es natür
lich bald die lächerlichsten Situatio
nen, und die hochedlen Herren wälz
ten sich auf dem Boden, — ein An- »
blick, der ihrem königlichen Gebieter «
fast Lachkrämpfe verursachte. Der
Schah kaufte auch große Mengen Pil
len und Brechmittel und ließ diese
von seinen Dienern einnehmen, wo
rauf sie ihm dann die Wirkung der
Mixturen genau beschreiben mußten.
Einmal ließ er zwölf Gläser Eiswas
ser kommen, und der Großvesir mußte
sie austrinken. Aber der Schob ist«
wie eine englische Wochenschriftl
schreibt, nicht der einzige exotische
Herrscher, dem solche Späße Vergnü
gen machen; auch der Sultan von
Marotlo, von dem jetzt soviel die
Rede ist, ließ vor einiger Zeit seinen »
höchsten Würdenträgern Rolls litt
schuhe anschnallen und lachte ann
über die tollen Gliederverrenkungen,
die sie damit vollführten, so daß ihm
die Thränen die Backen entlang lie- .
sen, und daß er ihnen schließlich auf- L
zuhören befahl, weil er nicht mehr
lachen konnte. Auch der jugendliche
König Alsons von Spanien hat sich -
neulich einen boshaften Scherz dieser
Art geleistet. Er lud einen Hofbe
amten, der immer sehr hochtrabend
auftritt, dabei aber sehr furchtsam ist,
zu einer ,,ruhigen« Motorsahrt ein.
Anfangs ging alles gut, aber allmäh
lich steigerte der König die Schnellig
leit immer mehr, bis der würdige Herr
ganz außer sich war und laut um
Gnade flehte. Jn früheren Zeiten
waren die Herrscher freilich weniger
harmlos in ihren Späßen. So be
sahl einst der russische Zar Jvan IV»
genannt der Schreckliche, einem hohen
Hosbeamten, ihm ein Maß voller
Flöhe zu besorgen. Als das dem ar
men Manne nicht gelang, weil die
Thierchen immer wieder aus dem
Maß heraussprangen, ließ der Zar
ihm den Kon abschneiden und legte
ins-wies der Acri w «
Geldstrafe von 7000 Rubel a -
sie an dem Mißlingen fchul »
Auch bereitete es ihm größes III
gen, mit lustigen Zechgenossen -
Land zu ziehen und in Käfigen Bä
ren mit sich zu führen, denen er in
irgendeinem s friedlichen Dorfe die
Freiheit gab; Suchten sich dann die
geängstigten Dorfbewohner aus alle
Weise schleunigst in Sicherheit zu
bringen, oder fielen sie den hungrigens
Thieren zu Opfer, so brüllte der«
entmenschte Tyrann vor Lachen. Auch
von Alfons Vl. von Portugal wird
berichtet, daß er seinen Unterthanen
gern derartige Streiche spielte. Be
sonderes Vergnügen bereitete es ihm,
als Wegelagerek friedliche Reisende
anzugreifen oder kirchliche Prozessio
nen zu stören. Karl IX. von Frank
reich miethete jugendliche Diebe, die
seinen Gästen, wenn sie bei Tisch sa
ßen, die Juwelen und Schwerter hin
wegstehlen mußten. Wie es in dem
Bericht heißt, »lachte er laut, wenn er
den Erfolg beobachtete und sah, daß
seine Opfer nichts merkten, oder ihr
Erstaunen und ihre Entriistung,
wenn sie den Diebstahl entdeckten,
wahrnahm.« Die Königin Christine
vno Schweden war aufs äußerste ver
gnügt, wenn sie einem würdigen Be
Imten oder einer wohlbeleibten Hof
darne, die sich gerade setzen wollten,
den Stuhl wegnehmen konnte, oder
wenn sie als junger Galan verlleidet
iungen Damen des Hofes die Cour
schnitt.
,
Winter-Schmerzen.
Gesundheitliche Winke für
die kalte Jahreszeit.
Mit dem Wechsel der Jahreszeiten
geht auch ein solcher in unserem ge
sundheitlichen Befinden Hand in
Hand, der sich von Fall zu Fall durch
ganz besondere Störungen in den leib
lichen und seelischen Verrichtungen
einleitet. Man weiß zum Beispiel all
gemein, daß das Frühjahr sich mit
nehr oder minder starken Ermüdungs
erscheinungen bemerkbar macht, aber
ebensowohl hat auch das Hei-einbre
hen der kalten Jahreszeit seine Kri
ien für unseren Körper im Gefolge.
Die verschiedensten Theile des letzte- -
ken, die sich im Sommer noch eifrig -
äethätigem werden im Herbst bereits -
veniger angespannt und treten mit
Dem Winter in einen Zustand der
Ruhe, der seinen Rückschlag aus die
zeachbarten, mit ihnen in Beziehung
itehenden Organe ausüben muß, bis
ich ein allgemeiner Ausgleich einge
stellt hat, der hüben und drüben zum
Wohlthäter wird. Ein klares Beispiel J
iiebt uns die Thatsache, daß im Win
:er-Ansang viele Menschen über Reiz
erscheinungen, Kopfschmerzen und der
"ei Dinge mehr klagen. Man grübelts
Jiii und her über all den Jam- f
ner, und doch liegt die Ursache unge- »
nein nahe: der Winter bringt mehr
Zinbenhockerei und stärkere Hautbe
)eckung, die Därme werden dabei trit
1er, und vor Allem auch die Haut-;
din unter der schwereren Bekleidungzk
hre Ausscheidungsthätigkeit mehr E
md mehr «heruntersetzt, so daß sich-?
ltiickstiinde —- jeder Ofen hat ja seine-f
ilschenabfälle — irgendwo anstauen.sL-.
Die Anhäufungen von Ausscheidungs-««s
naterial führen zu Reizerscheinungenkgk
m Nervensystem und damit zu Kopf- Tj
"chmerzen. Auch die Nieren suchen
iutzuniachem was die Haut in ihrer ,i
Thätigkeitsverminderung sündigt, in
)em sie einen Theil der Unrathstoffe, «
)ie sonst durch die Haut von dannen
ringen, an sich ziehen und verarbeiten. -
Zeigt also die Nierenthätigkeit »
Schwankungen so haben wir keinen —
stund, uns zu beunruhigen, sondern
vir haben dies als» eine natürliche
dilfsmaßregel zu begrüßen. Gut-s
"chließt man sich zu einem längeren-?E
kußmarsche auch in der Winterszeit, «
"o wird man bald die Reizerscheinun- ,
sen und Kopfschmerzen schwinden »
"ehen.
-———-...--——-.
Wann war Bismarck nlücklichk E
Bei einein Festanlasse, am 24. Fe- «
druar 1895, wurde Bismarck von
einem Redner als glücklicher Manns
zefeiert .Charakteristisch ist die Ani
vort Bismarck’s, wann in seinem»j
Leben er sich glücklich gefühlt habe.:;
»Er sagte: »Wenn ich die spärlichen s
Minuten wahren Genusses zusammen «
zähle, so kommen wohl nicht mehr als sssk
34 Stunden heraus. Jn der Politik «
habe ich nie die Ruhe gehabt, das
våsjliick zu empfinden; das war eins
ewiges Kämpfen und Ringen, und-—
nenn ein Erfolg da war, so kam auch
tleich die Sorge, ihn festzuhalten und
ihn weiter auszunutzen Aber in J;
neinem Privatleben hat es Augen-«
blicke des Glückes gegeben. So er
innere ich mich eines wirklich glück-z
lichen Momentes in meiner Kindheit," i
da ich als Junge meinen ersten Hasens
schoß. Mit giücllicher Empfindungs
habe ich als Landwirth später meines
Rieselwiesen und meine Forstkulturenskss
rvachsen und gedeihen sehen, mich auch
im Hause meiner Frau und meiner zi;
Kinder gefreut.« Der erste Hase, die IF
Rieselwiesen und Forstkulturen undspäs
dinterdrein noch Frau und Kindtszv4
Und diese alle haben dem große V
Manne nicht mehr als 24 Stunde
wahren Glüclgenusses gebracht! Ae
-««s::;?«.? «- «.«. -..-.. .
mer, großer Manni