Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 22, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    Senta Wolksburg.
Roman von Elsbetb Borcbart
« ss CZ- FMM MIg .
" M hielt Senta ein )nnd tiisitr
ngtte aus beide Backen »Wenn ich T
Ach nicht hätt-, Brigitte! »Nicht eine
Stunde hielt ich es hier aut! Diese
Dame mit der hochmüthigen Nasen
" , mit der werde ich auf ewigem
- esiuß stehen paß nur aus«
- n Du, ich könnte es ertragen.
daß man Dich wie bisher weiter acht
los behandelt? Nein, das leide ich
nicht, hörst Du, Brigitte? Und mag
man sich ans den Kopf stellen.«
»Ach Gott« Herzliebling — mei
netwegen —- sollst Du Dir leine Un
annehmlichieiten bereiten Was liegt
denn an mir? Und ob die Dame mich
fiir Deine Dienerin oder sonst was
Filt, das ist doch gleich, wir bleiben
doch. was wir sind, und im Grunde
—- hat ne doch recht. "
»Brigitte, so darfst Du nicht spre
chen, Du weißt recht gut, was Du
für mich bist, und ich will es nicht«
daß man Dich niedriger stellt.«
»Aber wenn die Dame dem Herrn
Grasen nun erzählt, wie Du ihr« —
»Bescheid gesagt hast«, vollendete
sSenta »Was ist da zu erzählen?
Jch würde es jederzeit versechtenk
,,Aber —- der Herr Gras sehen mir
nicht danach aus —- als wenn« —
" »Brigiite —- fiirchtest Du Dich
etwa vor ihm?'«
»Ich fürchte-nur, man lönnte mich
von Dir trennen wollen«
»Das sollen sie nur versuchen, nicht
eine Stunde bliebe ich ohne-Dich im
Schlosse. Ich habe ohnehin nicht die
Absicht, lange auf der Wolfsburg zu
bleiben; denn ich habe es Onkel und
Tante Rodenbach versprochen. sobald
wie möglich nach Berlin zurückzu
kommen und meine Studien fortzu
..«setzen
,,Hofsentlich erlaubt es der Herr
Gras.«
»Was Du nur immer mit Deinem
»Heru! Gras« hast «
»Er ist doch Dein Vormund, Herz
chen.«
»Ach so — ja richtig — leider. —
Weißt Du —- am liebsten kehrte ich
noch heute der ganzen adelstolzen
Sippe den Rücken.«
»Du bist bei Deinen einzigen Ver
wandten.«
,,Verwandten ? Hat er isich meinem
Vater gegenüber jemals verwandt
schaftlich gezeigt und fandest Du etwa
seinen steifer-, förmlichen Empfang heu
te besonders verwandtschaftlich7 —
Du schweigst —- das ist die beste Ant
wori.«
»Aber das Schloß, Kindchenz be
denke doch, Dein Vater wurde darin
geboren.«
»Das habe ich bedacht, und ich sage
Dir, es überrann mich wie einSchauer,
als ich zuerst die Schwelle betrat; ich
meinte, ich träte in einen geheiligten
Raum. Gleich daran freilich fiel mir
ein, daß diese Mauern-ihn ver-stießen,
nnd — nun hasse ich das Schloß mit
sammt feinen kalten, lieblofen Bewoh
mn.«
»Und es ist eigentlich doch recht
schön hier. Du haft Dich noch gar
nicht einmal nmgesehen.«
Jest ließ Senta den Blick gleich
giiltig umherstreifem und sie konnte
nicht leugnen, daß alles sehr schön
und zweckmäßig eingerichtet war.
Man-hatte an ein Kind gedacht, doch
die hellen, lustigen Gardinen, die
ebenso hellen Möbel, die zierlichen
Tischchen, der Schreibtisch mit allem
nnd tleinen Nippes und das
" M liegende lustige Schlamm
Wer mit feiner zierlichen Garnitur
Wien auch wohl das Herz eines
fachzehnjahrigen Mädchens erfreuen.
Senta aber sah nur ein-: auf einem
Wie saß eine schöne, große Puppe.
Sie brach in herzliches Lachen
aus, nahm die Puppe auf den Arm
TY skd Wte sie hahakm sieh nur«
M
Witz ist sie nicht entzuckends Sie
techte saure, echte Wimpern und
Isuselgelenk — Er hat ein
M in mir erwartet, ein Zeichen
We, wie wenig er sich um feinen
Les-der gekümmert hat. Doch die
M behan- ich, die gebe ich nicht
siedet heraus. Mag er lieber die —
sicherm zurücknehmen —- haha —
»Die wirst Du wohl in den Kan
nehmen müssen, Liebling.«
»Wieso? Bin ich denn nicht schon
zu alt zu einer Erzieherin und um
am Gängelbonde geführt werden zu
müssen?«
«Freilich, freilich, doch sieh einmal,
haschen, so ganz ohne Dame ging es
doch auch nicht, Du verstehst mich.«
«Eigentlich nicht, doch immerhin
werden wie in der kurzen Zeit schon
miteinander fertig werden. Morgen
werde ich dem Onkel meine Pläne
Mseinandetsesem ich werde fär meine
Kunst kämper und mir seine Zu
« »Was-. wenn es sein muß —- er
" m Mo via-u Kind kenne
III- W gnich pude- sni dem ask-i
ldurch die Wand, Ueberlegung konnte
Dir mehr schaben als nühen.«
»Und doch muß es sofort geschehen,
ich meine die Aussprache mit ihm.
Jede Berzögerung bringt mich um
einige Schritte zurück. Doch jetzt
sprechen wir nicht mehr davon. Wir
sind beide todtmiide —- laß uns zu
Bett gehen.«
Brigitte half dem jungen Mädchen
beim Austleidem sie ordnete das rei
che blonde Haar und streifte ihr das
seine Nachthemd über. Wenige Minu
ten später lag Sentas Kopf in den
blendend weißen Kissen.
»Wie ein Engel « sagte sie leise.
« »Ein Engel, der beißt und kratzt
Hast Du schon je von einem solchen
gehört?«
Lachend zog sie Brigitte aus den
Bettrand nieder· »Du schlässt neben
mir, Brigitte? — Es ist mir ein be
ruhtgendes Bewußtsein, daß ich in
dem großen Schlosse nicht allein und
verlassen bin.«
»Ja, es war sehr freundlich von
dem Herrn Grasen, mich neben Dir
; einzuquartieren.«
» »Was dem Kinde galt Der Sech
zehnjährigen hätte er diese Rücksicht
gewiß nicht gezeigt. Also schon das
lzweite Gute, was mir aus seinem
tJrrthum erwächst. Aber ich tnerte
lschon, meiner guten Alten bat der
»Herr Graf«, trotzdem er sie ganz
schauderhaft nichtachtend behandelt
Ibat, imponirt. Mir unbegreiflich.
Na — gute Nacht, Brigittef
»Gute Nacht, Herzensliebling und
träume etwas Schönes Du weißt,
was man in der ersten Nacht an einem
fremden Ort träumt, das geht in Er
»füllnng.«
i »Unsinn, Liebste! Schlafe wohl —
gute Nacht.«
Schon lange verkündeien die regel
mäßigen Atbernziige aus dem Neben
zimmer, daß Brigitte fest eingeschla
fen war. Senta lag noch wach, in
Thriinen gebadet! Das heiße Weh.
das sie am Tage so standhaft über
wunden hatte, brach jetzt durch. Die
Erinnerung, die Trauer um den Va
ter, die neuen Eindrücke und das Ge
fühl des Verlassenseins überflutheten
ihre junge Seele, und ihr Schmerz
faßte sich zusammen in dem einen
Ausdruck. Das vater- und mutter
lose Kind besaß keine Heimath mehr.
Doch die Ermüdung von der lan
gen Reise machte sich in dem jugend
lichen, noch nicht widerstandsfähigen
Körper bemerkbar und forderte ihre
Rechte.
Das Schluchzen wurde schwächer,
die Thriinen versagten, und die Augen
schlossen sich zum Schlummer.
Und der Traumaott stillie das
heimwehx er führte die Waise zu den
Eltern in die glückliche Kindheit und
brachte sie so in das verlorene Para
dies zurück. «
8. K a p i t e l.
Als Senta am nächsten Morgen
erwachte, schien die Sonne hell und
Isreundlich in ihr Zimmer: denn sie
hatten vergessen, die Jalousien herab
zulassen.
Senia blickte sich, vom Schlaf noch
verstört, um, und wie Enttäuschung
glitt es über ihre Züge·
Da trat Brigitte ein.
»Guten Morgen, Herzblatt, was
hat Dir geträumt?«
Senta sah sie mit heißen, ver
träumten Augen an.
»Ich —- war daheim, Brigitte«
,,,Aeh wie schön —- doch nun, schnell
aus Kindchen, die Sonne scheint so
verlockend, und über Nacht ist es
wahrhaft und wirklich Frühling ge
worden. Wir wollen in den Bari
und an den See, an dem wir gestern
vorübersuhren. gehen.«
»Ja, ja, beeilen wir uns,« antwor
tete Senta und sprang aus· Sie
fühlte Brigittes Absicht, sie abzuleu
ien wohl heraus und erkannte, daß es
das beste war.
Nach kurzer Zeit saßen beide am
Kasseetiseh Das Mädchen, das den
Kassee gebracht hatte, meinte zu Bri
gitte ganz vertraulich, daß heute nur
eine Ausnahme gemacht würde. Von
morgen ab müßte die gnädige Kom
. teß mit dem gnädigen Fräulein unten
i im Speisezimmer sriihstitcken.
! Senta, die im Nebenzimmer am
ernster stand, hatte es gehört und
I gleichmiithig ausgenommen Das war
za vorauszusehen. heute wollte sie
aruin die gemüthliche Kasseestunde
in Brigittes Gesellschaft noch aus
kosten.
Mit jugendlich gesundem Appetit
ließ sie sich den Kassee und die fri
schen Dritt-sen schmecken nnd plan
derte unterdes mit Brigitte über die
gestrigen Netseeriebnisse und den gro
ßen Sturm, den sie aus hoher See
gehabt hatten.
s Ein Klopfen an die Thüre machte
ldtesenr Gespräch ein Sude Aus
ISentas »Mein« wurde die Thiir ge
iöfsnet und ein altes graubattigez
Mem-gestehn dem bald der dazu ge
W W W schsb sich htt
.. . M z« . « N - - t
Senia sprang mit einein Ums em-.
por, strich ihr schwarzes Kleid glatt
und reichte Brigitte die Hand.
»Mein Himmel, Sentachen, Deine
Hand ist ja kalt wie Eis."
Senta lachte aus, nickte der Alten
zu und folgte dem Diener.
«Gniidigste Komiesse brauchen keine
Bang- zn haben. Unser gnädiger
Herr sind wohl manchmal ein wenig
lurz angebunden und scharf, aber,
im Grunde genommen, meinen Sie es
nicht böse. Der alte Gottlieb kennt
feinen Herrn« .
Erstaunt sah Senta auf. Wußte
der Diener von dem Kampfe, dem siel
entgegenging, oder hatte ihn nur ein
feiner Jnftinlt geleitet? Das treu
herzige Gesicht des Alten heimelie sie»
ordentlich an, es kam ihr lieb undf
vertraut vor. s
»Warum sollte ich Bange haben,1
Gottlieb? Wir Wolfsburger fükchJ
ten nichts und niemand auf der!
Wett.« 1
»Ah. so stolz sprach auch der seligei
Herr Bater.««
».-.. (
-:
»Sie fanlllckl Meinen BERLIN s
»Und ob ich ihn kannte! Jch habe
ihn ja noch, als er ein kleiner Junge
war, aus den Armen getragen, bin
später mit ihm fischen und jagen ge
gangen. Ein lieber, lustiger Herr war s
es, and singen konnte er —- die Vö
gel schwiegen im Walde» wenn er an- «
feste. Und —- nun steht sein Kindt
vor mir —- Komteßchen, nichts fürs
ungut. einem alten Diener, der seine«
herrschast lieb hat —- erzählen Sie
mir einmal-von dem Junker —- wollte
sagen von dein seligen Herrn Grafenf
Senta kamen Thränen in die Art-I
gen. Der erste Mensch, der auf der
Wolfsburg nach ihrem Vater fragte,
der Theilnahme für sie empfand.
»herzlich gern, Gottlieb, soviel Siei
wollen.«
»Dant —- tausend Dant. —- Doch,
hier ist dieThiir nach des Herrn
Grasen Zimmer —- treten Sie frisch!
und frank ein.«
Der alte Gottlieb öffnete die Thür,
ließ Senta eintreten und schloß fiel
wieder. .
Senta befand sich in einem großen,
reich und bequem ausgestatteten Her
renzimrner. Die Geweihe an den
Wänden sowie allerhand anderes
Jagdgeräth und Trophäen verriethen,
daß der Besitzer ein Nimrod war.
Gras Maximilian erhob· sich von
seinem Stuht am Schreibtifch und
ging seiner Nichte einige Schritte ent
gegen
,,Guten Morgen, Senta."
»Guten Morgen —- Ontel Maxi
milian.«
Ei nahm ihre Hand und führte sie
zu einem Sessel, der an seinem
Schreibtifch gegenüber stand.
»Ich habe Dich um Dritten Besuch
bitten lassen," nahm er, nachdem sie
sich gesest hatten, das Wort, »um
Dich mit den Verhältnissen der Wolfs
burg respektive mit Deinem eigenen
vertraut zu machen. Aprpoö —- wie
haft Du geschlafen?«
.Dante —- ich schlief gut.«
»Das freut mich; so wirst Du die
Strapazen der langen Reise überwun
den haben.«
Er hob jetzt den Blick von der Zi
garre, die er in den händen gedreht
hatte, zu dem jungen Mädchen, dessen
feines Gesicht mit den dunklen Augen
heute bei Tageslicht doppelt anziehend,
rosig und frisch aussah.
»Wie Dir meine Ueberraschung ge
ftern verrieth, erwartete ich ein Kind
in Dir,« fuhr er nach setundenlanger
Paufe fort. »Du wirst diese irrtbiim
liche Aufnahme begreiflich finden,
denn Du weißt, daß Dein Vater in
keinem Verteer mit seiner Familie
stand, wir also nichts Näheres von
seinen Familienverhiiltnissen wußten.
—- Alletdingö befindet sich, wie ich
jetzt bemerkt habe, der Trauschein Dei
nes Vaters sowie Dein Tauf- und
Konsirmationsschein unter ven Pa
pieren, die mir mit dem Testament ge
sandt wurden; sie waren mit anderen
Papieren und Briesen, unter denen
ich sie nicht vermuthete, zusammenge
packi. —- Die Vorbereitungen die ich
zu Deiner Ankunft und Aufnahme
traf, galten, wie gesagt, dem Kinde,
doch erfährt die hausordnung trotzt
des Jrrthums keinerlei Aenderungj
Die Dame, die ich zur Repräsentan- l
tin meines Schlosses sowiefo engagi
ren mußte, kann anch Deine Lehrerin
und Erzieherin werden. Die wissen
schaftliche und gesellschaftliche Bil
dung eines sechszebnjiibrigen jungen
Mädchens kann noch nicht so vollendet f
sein« daß sie keiner Nachhilfe mehr be- :
dürfte. Das Nähere überlasse ichj
selbstverständlich Fräulein von Rupert l
und ihrer langjährigen ErfahrungJ
sie soll Dir nicht allein fellfchaftess
ein, sondern Respektsper on, deren
Anordnungen Dn Dich in jeder hin
sicht zu fügen hast, fein; im übrigen
lege ich Dir seinen Zwang anf. Lebe i
Deinen Neigungen nnd kleinen in nn- (
ferem Stande erlaubten Zentauren-I
en.«
g Sei-weisend- und innerlich bebendä
hatte Sentn dieser klaren, tnappenl
Bestimmt-ein« die nichts von einer tie- l
feeen Theilnahme vereint-, sondernt
ihr nur in teilten Worten ihre Pflich- 4
Der «-raf sahtm seine Nichte verwun
dert an.
»Ich verstand Dich- nicht« mein
Kind — —- was meinst Du damit?«
»Ich —- meine, wann ich nach Ber
lin zurtick dar-fik«
»Noch Berlin? —- Du sprichst mir
noch immer in Mithfelm Die Wolfs
burg soll Dir von jetzt an doch hei
math sein.'·
»Ja —- waö foll denn aber aus
meinen Studien werden? Hier lann
ich sie doch nicht fortsetzen«
»Von welchen Studien sprichst
Du?"
»Von meinen Geiangftudien?"
»Ach — so.« Er sagte das ruhig
und gleichmiithig, als überraschte er
ihn nicht und als wäre er auf Neuh
liches vorbereitet. »Ich lege, wie s
einmal gesagt, Deinen Passionen ein
Hinderniß entgegen. Du kannst hier
ebenfalls musiziren, wenn es mit Ma
ßen gefchieht.«
Ein Zucken lief durch ihren Körper.
»Das wäre etwas halbes und
brächte mich meinem Ziel nicht näher,
denn — ich habe Musik zu meinem
Beruf erwählt."
»Zum Beruf -—— haha —- jede Frau
will heutzutage einen sogenannten Be
ruf haben. Jch erkenne dieses Bestre
ben gewisser Volksklassen an, obgleich
ich nicht zu den Freunden der Frauen
bewegung gehöre. Doch — eine Grä
fin Wolssburg, mein liebes Kind, hat
keinen anderen Beruf, als ihrem
Stande gemäß zu leben, ihrem Wahl
spruch »Noblesse oblige« nach zu han
deln. Eine hohe Aufgabe, ein schöner
Beruf ist es: wohl der Frau, die ihn
ganz erfüllen tann.«
»Ich bin aber keine Griifin und
will teine Gräfin sein.«
Der Graf sah seine Nichte mit ei
genthiimlichem Blick an.
»Das klingt wie der Trotz eines
Kindes —- was willst Du denn sonst
sein?«
,,Oernfängetin.«
,,?lh!« «
Trotz feiner biz hierher bewahrten
ruhigen «Selbstbeherrschung erschien
jetzt eine Unmuthsfalte auf feiner
Stirn.
»Du willst also zur Bühne gehen,
wenn ich recht verstehe. Dieses Ver
langen fetzt mich so seht in Erstaunen,
da ihr jungen Mädchen euch, wenn ihr
ein wenig Stimme besitzt, sogleich zu
etwas Höherem berufen, eine zweite
Patti oder Lilly Lehmann zu werden
glaubt. Die dornenvolle Laufbahn,
die solchem Ruhme vorangeht, ist euch
fremd. oder ihr dentt in eurer ju
gendlichen Begeifterung nicht daran.«
»Meine Eltern waren ftets glück
lich in ihrer Kunst,« fchaltete Senta
em.
»Sie werden Dir, dem Kinde, die
Schattenseiten verborgen haben. Wäre
Dein Vater mit Deinen Wünschen
einverstanden ogewefen, hätte er Dich
mir nicht anvertraut, denn er kannte
meine Ansichten und Meinungen und
wußte, daß ich sie nicht von heute auf
morgen öndere.«
»Und — doch war es meines Va
ters Wunfch; ich hegreife ihn zum er
sten Male nicht,« erwiderte Senta
mit schmerzlich bewegter Stimme.
»Später iommt Dir vielleicht das
Verständniß dafür. Jch — gebe
meine Zustimmung zu folcher Extra
vaganz jedenfalls nicht; ich würde un
serem Stande dadurch beflecken, wenn
ich duldete, daß ein Glied desselben
fich öffentlich zur Schau stellte.«
»Mein Vater that dasselbe,« rief
Senta, treidebleich geworden.
«Ja, und deshalb blieb ihm die
Wolfsburg verschlossen.«
Zweil ihr ihn mit kalten, lieblosen
Herzen daraus vertrieben habt.«
Sie rief es vor Leidenfchaft bebend.
Graf Maximilian guckte leicht zu
sammen, nnd auf feiner Stirn stan
den helle Schweißtropr ·
«Dein Vater verbannte sich selbst.
Er war mündig und ging. Dich aber,
das nnmiindige Kind, werde ich hal
ten« Die lehte Wolfsbnrgerin soll
sich nicht zum Schaustück für den Pö
bel machen«
»So —- tvillst Du mein Lebens
glück Deinen starren Standesvorur
theilen opfern?«
Maximiiian runzelte die Stirn;
mit seiner Geduld schien es ein Ende
zu haben. «Eine Kritii oder ein Ur
theil über meine Ansichten und hand
lungen gestatte ich Dir niemals, Kind,
merke Dir das,« erwiderte er strenge.
»Im übrigen will ich Dir nur davor
bewahren, in Deiner Unersahrenheit
einen unrechten Weg zu gehen. Du
sollst das traurige Lin-T heimath
los zu sein, nicht mit Deinem Vater
theilen.«
»Seit denn hier an dem fremden
Ort meine Heimath sein?«
»Die Wolföburg ist Deineö Va
ters Geburtzhaus und heimath gewe
sen. Schon aus Pietiit müßte sie Dir
theuer sein.«
»Ich denke nur daran, daß sie ihn
grausam aus ihren Mauern verstieß.
Darum frageich nichts nach ihr —
in der Kunst allein ist meine hei
math.«
«Genug —- tein Wort weiter.«
Graf Maxirniltan hob abtvehrend die
hand, er war blaß geworden, und
singe-, kühnen "«« W« m
wagte, ihm in schnöder Undankbatteit
feine Großmnth vor die Füße zu wer
fen. »Ich rechte nicht mit Kindern;
Du kennst meine Ansichten und Wün
sche fest und wirft gut thun, Dich da
nach zu richten, solange ich als Dein
Vormund das Recht habe, iiber Dich
In bestimmen. Was Du später, wenn
Du majorenn bist, unternehmen willst,
dafür trifft mich teine Verantwort
lichkeit.« - f
Er war aufgestanden, nnd auch"
Senta hatte fich erhoben. eWe Hände»
ineinander geirampft, ftand sie da«
ohne noch ein Wort zu erwidern. Sie?
fah jetzt ein, daß fie diesem Manne;
ggeniiber von vornherein verlorenesj
piel hatte, daß aller Kam f und;
alle Mühe vergeblich waren. « er faß?
in feinen eingesieifchten Vorurtheilen!
fest und würde sie um ihretwilleM
nicht opfern. f
»Hast Du räulein von Rupertj
schon begrüßt?« fragte er ablentenlxs
,,Nein!"
»So bitte ich Dich. es s reich zul
thun und diese der Dame chuldige
Rück tcht nie zu versäumen.« T
»so kann ich jetzt gehen i«
»Den — Senio.«
Er schritt mit ihr dem Au«sgangs
u. Vor der Thitr blieb er zbgernd;
stehen und machte eine Bewegung-. als s
wollte er ihr die Hand reichen. Dachs
es blieb dabei. Die Hand erfaßte nur ;
den Drücker —- die Thiir ging auf.;
Er neigte leicht den Kopf — Senta;
that ein gleiches-dann eilte sie hin- 3
gis, iånd die Thiisr fiel hinter ihr ins i
s . i
einer Stimmung, die ein Ge
mich von Enttiiughung Kummer,
Gedemiithigtsein, rotz und Grolls
war, betrat sie das Zimmer! der Er- s
Mit-erin, wohin Gottlieb sie auf ihren s
unsch geführt hatte. J
»Guten Morgen,« fagte sie kurz. l
»Ah-guten Morgen, meine liebej
Kotnteß.« ;
Fräulein von Rupert erhob sich von ;
ihrem Platz und ging mit ausgestreck- »
ten Händen und sitßnchem Lächeln
ohne dabei ihrer Würde Abbruch zu
thun, auf Senta zu.
»Das ist lieb von Ihnen, daß Sie
z mir kommen -——— doch —- Sie sehenl
ja ganz verstört aus —- tvas ift Ihnen s
denn begegnet?« s
Bei diesen Worten hatte» sie Sentas
an das Fenster geführt und betrach
tete sie prüfend. »Haben Sie nach der
langen Reise etwa schlecht geschlafen?« »
»Nein, danie, ich schlief gut,« ant- I
wartete Senta, die von der Frage so
wie von der ganzen Art und eingehen- l
den Musterung der Dame unsympa
thisch berührt wurde.
»Aber, liebe Komtefz, dann macht
man doch nicht schon am Morgen ein
Gesicht wie zehn Tage Regenwetter.«i
»Ich bitte Sie, mich nicht mehr-s
Komteß zu nennen, ich bin einfachi
Seta Wolfsburg.« » l
»Ah« machte Fräulein von Rupert s
erstaunt, und in ihren kleinen, stechen
den Augen blitzte es triumphirend alt-.
.Wenn Sie mir gestatten, Sie titn -
tighin vertrauilch mit Senta anzu
reden, fo ist mir das eine ganz beson
dere reade. Jn Gegenwart anderer
jed , wie zum Beispiel in der des
Herrn Grafen oder der Dienerschaft«
muß es bei der Komteß bleiben.« i
»Warum? Jch sehe den Grunds
nicht ein.« (
räulein von Riipert legte die feine,
bei-engste Hand auf die Schulter des
jungen Mädchens, während ein hoch
miithig föttisches Lächeln ihre Lip
pen träu eite.
»Meine liebe Senta, ich glaube, Sie
werden anfangs von manchem den
Grund nicht einsehen. Vertrauen Sie
siehe nur ru ·g meiner Führung an.
S werden nn selbst nach und nach
.dahintertommen. was man feinem
"Stande schuldig ist.«
Eine slarnmende Nöihe ergoß sich
in Sentas Wangen; sie war sich selbst
nicht ganz klar, was die Veranlassung
dazu gab. Es war ihr nur, als wenn
jemand ihren Kopf genommen und
so tief gedu t hätte, daß sie ihn nicht
mehr erhebe konnte.
Fräulein von Rupert nahm anschei
nend teine Notiz von der Wirkung,
die ihre Worte aus das junge Mäd
chen hervor erusen hatten, sondern
fragte sehr reundlich, oh- sie sie auf
einem Spaziergang in den Part be
gleiten wolle.
Senta jedoch lehnte dankend ab und
fand einen passenden Grund, sich aus
ihr Zimmer zurückzuziehen
Sei konnte ihr Verlangen, der alten
treuen Brigitte ihr übervolleö Herz
aus uschiitten, nicht mehr zügeln.
nd erst, als sie sah an der Brust
der treuen Wärterin ausgeweint, deren
tröstenden Zuspruch entgegengenoms
men hatte, wurde ihr wieder leichter
und freier u Muthe·
t,recht Brigitte ich hätte
ulerch mit der Thiir ins Haus
sa en Dsollery noch dazu am erstenTage,
aber i konnte nicht anders und es ist
auch sser, ich weiß, woran ich bin.
sich mein Lieblingsnmnsckznwch nicht
ers llen soll, wenigstens sohl -
nicht, werde ich wohl schwer überwin
den, aber mir hleiht die hossnun,
dcgze er sich doch noch einmal verwir -
n wird. Zwar ist es noch eine«
lange Zeit, bis ich majotenn werde
und nach meinem eigenen Willen han
deln darf, auch he iirnmert es mich, .
das ich erxtqpn spat zum elan n»
sut i he ichdwsillliszJe elstritt- r
aunu n un ei unen.
Izu Ist-its Fånhaeäesso äantesund
e n n im n
oweit in die Geheimnisse her I
nstunst ringen-ihn daß ich Inir
we iterhelsen Kann. An Energie
« Ha . Int- 7 g,
ollte ich vor mein einund
zwanz sien hre nach Berlin kom
men. den alls hat de Onkel
eirrt, wenn er mein-t, da ich tm
Einem tategartschen Machtwort meine
lline begraben hade.«
Nachdem sie sich in dieer Weise
alles, wie sie sagte —- von Leder
geredet hatte, war ihr Mut wieder
neu belebt, und wendete hte Ge
danken und ihre ufnterlsamkeit tote- «
der den Außendtngen stu. Brigitte
hatte gerade ange ngen,, ihren Koffer
auszupackem un es machteSenta
Spaß, alle Sachen in die hübschen
Schranke und Kommt-den zu ordnen.
Sie war kchon froh, daß nian sie un
gestört lie und daß sie niemand aus
tn Schlosse zu sehen brauchte.
Da steckte der alte Gottlieb aus dor
heriges Anllopsen sein Gesicht aber
mals durch die Thürspalte, wie es
stets seine Gewohnheit war, ehe U
eintrat.
Er käme, das Komteßchen nach dein
Empfangs alon zu führen. Gräfm
Arenderg, ie gnädi e Taute, wäre e
taminen und wünFchth ihre Nitzte
kennen zu lernen, entledigie et ich
seines Austrag-es.
Senta ordnete Haare und Kleid und
folgte dem Alten ohne Zögern rnit
ruhigem Gleichmuth.
Sie wußte nicht, daß Tante Karla
schon seit geraumer Kett im Schlosse
weitt- uud mit dem dheim ihketksegm
starrtei lange Auöeinandersehung gehabt
e.
Sie war gekommen, das Kind zu
kegriißen, und äußerte zu Maximiis
lian, daß sie ihm diese Aufmerksam
keit schuldig zu sein glaubte, indem sie
nicht erst einen ossiziellen Besuch ab
wartete. n Wahrheit trieb sie die
Neugier.
Die Ueberraschung, die Marimiliarr
ihr durch Kundgeben seines Jtrthums
bereitete, wirkte zuerst wie lähmend
aus ihre Nerven.
»Aber um Himmels millen, Maxi
milian, dann kannst Du sie doch nicht
im Schloß behalten.«
»Warum denn nicht2« staateerers
staunt. »Ich verstehe Dich nicht. Ich
bin ein alter Mann und habe über
dies eine Hausdame.«
iFortsetzung folai.)
Ein furchtbarer Schriftsteller-.
Der Umstand, daß der Pariser Jn
transigeant in ein Abendblatt verwan
deli wird, das sein Herausgeber und
Chefredakteur Henri Rochefort ebenso
eifrig bedienen wird wie vorher das
Morgenblatt, giebt einem Mitarbeiter
des Gaulois Anlaß, zu berechnen, wie
viel Rochefort in der ganzen Zeit sd
ner schriststellerischen und journalistii
schen Thätigteit schon zusammenge
schrieben hat. Es sind jetzt ungefähr
fünfzig Jahre her, dasi Rochefort seine
publizistische Laufbahn begonnen hat,
und in dieser Zeit hat er selten einen
Tag vorübergehen lassen. ohne niesf
wenigstens einen Leitartitel zu schrei
ben. .
Nimmt man diesen nur zu 150 Zei
len an, so macht das in einem Jahre
rund 54,000 Zeilen und in fünfzig
Jahren 2,700,000 Zeilen aus. Also
nahezu drei Millionen Zeiten! Das
würde, tvenn die Artikel gesammelt
und in Buchform herausgegeben wür
den, nicht weniger als dreihundert
Bande von dem gewöhnlichen Format
füllen, das in Frankrei zu Fr. 3.50
verkauft wird. Da jeder lrtitet Rothe
forts eine durchschnittliche Länge von
70 Cin. hat, fo würde, wenn man die
Streifen Papier, die Rochesort in
fünfzig Jahren verschrieben hat, an
einanderlegen und zu einem einzigen
Streifen vereinigen würde, eine Län
ge oon 13225 Meter herauskommen
Würde man die 2,700() Linien, von
denen jede sieben Centimeter Rang ist,
Ein der gleichen Weise hintereinander
stellen, so ergäbe sich eine Linie von
i188 Kilometer (etwa 117 Meilen).
i Es giebt nur wenige Beispiele von
Isv fruchtbaren Schriftstellern, deren
Werke allein eine ganze Bibliothek
lausmachen; das betannteste ist Alex
andte Dumas, der ebenfalls Stoff
fiir etwa 300 Bande produzirt haben
soll. Mit der Masse der Produktion
Rocheforts hat freilich ihre Güte nicht
zugenommen; in Gegentheii. Die eini
zelnen Nummern der wöchentlich er
scheinenden Laterne, mit der Rache
fort im JaIe 1868 den Kampf des
Witzes und r Satire gegen das Kai
set-reich begann und durch die er we
sentlich zum Sturze Napoleons bei
trug, wurden in ganz Europa rnit:
,größterSpannung erwartet und förm
ilich verschlungen.
Berliner Kindermunin —- Eine
Dame erzählt ibren Kleinen von den
Kindern Oisrciels und den Philistern,
und wie der böse Riese Goliath von
dein kleinen hiekenknnben David mit
einer Schleuder getödtet word. Und
der kleine David wurde dann zur Be
lohnung König. Da fragt das fünf
jährige Elscheru »Mein-L wo sieht
denn dem fein. Dänkmaw
. Niemand sann zwei Herren dienen
—- es gebi, wenn der andere Herr auch
Mammon heißt.
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iir die Masseniluchi Musikeka
kep en von dem Geschwader des Prin
zen von Batienber hat man jeßi eine
» Erklärung gefun n. Sie kvollien
; dem vom deutschen liaiier angeregt-n
Wrokessorenaulkansch durch den Ma
iroiensnsisnich ein Paroii bieten- «