Yeöraska Staat5-3n2ejger Und THErnlII I. P. Windolph, Herausgeher. Grund Island. Nebr« Is-. Dezember 1905 (Zweiter TheiU Jahrgang 26 No. lis. , Höhen und Tiefen. Von Mai-le Krauie - Kinlei. Weiß nicht wie's wmmt, an manchen . » Tagen » Maria« ich, ich tonnt’s nicht langer tragen! Wie ich auch ringe und michwehre, Zur Erde drücle mit Centner’s Schwere. Bis still ich lieg in Dunkelheiten, Kann nicht mehr kämpfen, nicht mehr ftzeiten .. Dann plötzlich kommen goldene Tage, Wo froh den Flug zum Licht ich wage, Wo alles Schwere vdn mir gleitet, Wo meine Brust sich selig weitet, Wo mir die Welt in Nichts versinkt-i lind meine Seele Schönheit trinket. Seine Frau. Von Hjalniar Högluiid. aus- dein Schwedischen von B..Mann. De- Schnek siiiii dicht finis- in kro- H fien, weißen Flocken mit einem leisen i «Windhauch, den man nur dann hört, wenn man stehen bleibt und lauscht. Der Weg zieht sich wie eine weiße, ge bogene Linie durch den Wald. Jn dieser Gegend giebt es noch keine Eisenbahn. Deshalb müssen sie im Schlitten fahren. -- Er war vom Hause fort gewesen und hatte sich eine Braut geholt, war fort gewesen und hatte Hochzeit gehal ten und mehrere Tage in ihrem El iernhaiise verweilt, und jetzt befindet er sich mit seiner jungen, eben angeO trauten Gattin neben sich im Schlit ten auf dem Weg nach seinem ländli chen Heim. - Der Schnee hat sie aber unterwegs überrascht. Er fällt leise und dicht, fällt einschliifernd und geheimnifivoll und wendet die Gedanken nach innen, und beide sind sie nach nnd nach in sich selbst versunken, iind sie schweigen nnd denteii. Er denkt an das-, was war und war ,ifi und sucht das Eine gegen das An - dere aiifzuwiigeii nnd zu erforschen, was das Beste ist. Er denit daran, baß er jetzt den entscheidenden Schritt 4 gethan und sich verheirathet hat. Er hatte geglaubt, daß er mit dieseiiii Schritt das Alte binier sich lasseni iviirde, uin es nie wieder zu sehen, cr ; merkt es aber, daß er sich in diesem ; Punkt geirrt hat, dasi er ihn doch ver-—- . folgt und daß die andere noch nicht vergessen ist und daß sie ihin oft dann gerade in feine Gedanten toiiimt,ir-enn er es ani wenigsten wünscht; die an- » dere, die er einst so lieb hatte, die er aber nich-i geheirathet hat. » Er ist tein unehrenhafter Mann; er H ist mit der besten Absicht an den Altar getreten und hat sich gelobt, das-, er sei- : ne Pflicht erfüllen nnd gut zu seiner . Gattin sein will; und deshalb ärgert» er sich iiber sich selbst, daß er immer. wieder an die andere denken muß,iind daß ihr Bild ihn selbst während der Trauung nicht verließ nnd ihn Zer streut gemacht hat« und daß er es auch seßt nicht lassen tann, sie mit ihr, die neben ihm sitzt, zu vergleichen. Er denkt darüber nach, ob er wohl seine Frau betrogen hat, daß er sie des schnöden Gewinnes halber ohne Liebe an sich leitete. Ach nein, das hatte er ja doch nicht gethan. Denn reich war sie nicht. Er hatte sie nur des An sehens ihrer Familie wegen genom men. Eben hierin bestand seine . Schuld. Jhres Ansehens wegen hatte er die andere geopfert, denn sie war nach den allgemeinen gesellschaftlichen Begriffen ihm nicht ebenbürtig· Und das hatte er ihr auch ehrlich gesagt, das heißt, nicht, daß sie zu gering fiir ihn sei. sondern, daß er sie nicht lieb genug habe, uin ihr Geschick an das seinige zu binden Ueber alles dies denit er nach und wundert sich, weshalb er die andere und ihre Abschiedsthriinen nicht ver gessen tann. Und feine Frau? Er hatte es versucht, ihr Wesen zu erfor schen und «n ihr Jnneres zu dringen, und er wußte, daß sie eine musterhafte Hausfrau, in seinem Heim eine vor zügliche Wirthin abgeben würde, auf die er stolz sein konnte. Er wußte auch, daß seine Wirthschast sich unter ihrer Leitung heben würde, daß sie eine Frau ist wie ein Landwirth sie sich nicht besser wünschen lann. Alles dies weiß und begreift er, und doch fühlt er, daß zwischen ihnen etwas Fremdes und Kaltes liegt, etwas Un tlares und Dunkle-D das er nicht ganz versteht. Und er fürchtet, daß, wenn sie ihm nicht mehr Vertrauen mit bringt, wenn sie nicht mehr aus sich heraus aeht —- daß sie dann beide be trogen sind. Und der Schnee fällt dicht und ein ichläfeend und wendet die Gedanken nach innen, und er dentt und grübeli. Und dee Weg zeichnet sich weiß gegen den duntien Wald ab, bis ek in das Thal mündet, in dem das Dorf vor ihnen liegt. Da fiidet er wie aus einem Traum auf, da erinnert er sich, daß seine junge Frau neben ihm sitzt, und et schämt sich seiner Gedanken und sei nes langen Schweinen-L «Jett sind wie gleich da,'· sagt et und wendet sich mit erwachendee Herz iichteit itye zu. , »Endlich!« kommt es schwach und Txxkediimpft aus den Tüchetn hervor. Das Stille in der Stimme verletzt ihn, und er schweigt von Neuem. anwifchen sind sie auf den Hof an anwifchen sind sie auf dem Hof angelangt, und er hält vor der Hans thiirteeppe, wirft die Zügel demKnecht zu, hilft feiner Gattin aus dem Schlit ten und nimmt ihr drinnen den Pelz ab. Dann führt et sie durch die Woh nung mit dem Glücksgefühh das man iiher ein eigenes Heini hat. Er führt sie von-Zimmer zu Zimmer-, und sie be fieht alles, gründlich und ruhig, und er fühlt, daß diefe Ruhe sich wie ein Band über feine eiaenenen Gefühle leat. »So sieht Dein zuliinitiges Heim aus« und ich heiße Dich herzlich will tommen.« sagte er, als sie im letzten Zimmer angelangt sind. Dabei beugt er sich zu ihr nieder und liißt sie. Aber während er dies sagt und wit danle. »Er dentt daran. wie die andere sich wohl in diesem Falle verhalten würde. Sicher wäre sie in sriihlicher Ausgelassenheit wie ein Wirbelwind durch die Wohnung geflogen, und sicher hätten sich, ehe er zu Worte gekommen, zwei Arme um seinen Hals geschlun gen und ihre Lippen sich auf die seinen gepreßt. Ja, diese überströmende Le benlust, wie oft hatte er sie ihr vorge worsen. und wie ersrischend wirlte sie doch wieder. Seine junge Frau begegnet aber sei nem abweisenden Blick und schaut ihn forschend und sragend an, und dabei tritt etwas Feuchtes in ihr Auge, das er nicht bemerkt. ,,Judas!!« sagt sie halblaut und ent windet sich seiner Umartnung. Ach, sie wollte das Wort eigentlich nicht ausspreche-. Der Gedanke über ruinpelte sie aber förmlich, und schon im selben Augenblick hatte er sich, ohne daß sie wußte wie, Bahn gebrochen Und jetzt ist es gesagt, und er hat es gehört, und er stutzt, und es ist ihm tlar daß sie ihn durchschaut Und er schreitet einige Male im Zimmer auf und ab und macht plötzlich vor ihr aHltl - »Nicht möchte ich unsere Ehe in Un frieden beginnen,« sagt er, und es liegt etwas weiches und zärtliche-Z in seinem Ton· »Meine Vergangenheit tennst Du. und ebenso weißt Du, wie es heute mit mir bestellt ist. Jch habe Dich nicht nur aus kalter Berechnung geheirathet, ich will meine Frau lieben, ich will es! Da gieb Du mir aber auch außer Dei nem äußeren Menschen etwas, das ich lieben lannt Gieb mir etwas, das mich die Vergangenheit vergessen macht! Ah, ich weiß sa, daß Du ein prächtiges Weib bist. Jch lenne Deine Tüchtigkeit, Deinen Odrnungssinn, Deinen Fleiß. Aber sage mir, wo hast Du Dein Herz, Deine Seele? Weshalb verbirgst Du vor mir? Zeige sie mir, scheut mir einen Theil von ihnen, und Du wirst nie in die Versuchung kommen, mich Judas zu nennen.« So spricht er, und seine Stimme zittert vor innerer Bewegung, und die Lippen bitten, und die Augen bitten. Sie weicht aber seinem Blick aus und wendet sich mit dem Stolz des ge sträntten Weibes von ihm· « « Seine Arbeit zwingt ihn, während des Winters viel von Haufe fort zu sein. Er ist draußen im Walde, an den Seen, auf dem stfer befchäftigL Er scheut teinen Strum, teinen Regen, keinen Frost. Mit feinen hohen Stie feln ist er überall, wo seine nwefenheit nöthig ift, im Walde, und im Früh ling, wenn die Flöfzerei beginnt, auf dem Eise. Er ist lange im Walde gewesen« hat die zum Fällen bestimmten Bäume ge zeichnet, die Hölzer gemessen und schickt sich jetzt an, den Heimweg anzutreten. Er benutzt den Waldweg, den langen Waldweg, der über Berg und Thal führt und sich zwischen Steinen und Bäumen, zwischen Felsblöcten und Dickicht und unter langen, mit Schnee und Eis bedecktenBaumftämmen durch windet. Und soeben hat ihn ein Schneefall überrascht, nicht weich und leise, fon dern hart und peitschend, vom Sturm getragen. Der Schneesturm fegt über das Land, und die Luft ist ganz weiß von wirbelndem Schnee. Er sitzt mit über die Ohren gezogener Mütze und aufgefchlagenem Pelzlragen auf seinem Schlitten und bemüht sich, das Gleich gewicht zu halten. Der Schlitten schwankt in dem tiefen Schnee hin und her, während das Pferd sich mühsam Schritt für Schritt durcharbeitet nnd hier und da stehen bleibt. Schließlich steigt er ab, legt den fchweren Pelz in den Schlitten und schreitet dem Pferde voraus, um ihm den Wea zu bahnen, und das Pferd versteht ihn und folgt ihm ohne Weiteres. In weitem Um kreis lennt er kein schützendes Dach, unter dem er bei diesem fürchterlichen Wetter Unierlunft finden könnte. Er muß vorwärts, immer vorwärts-, und versuchen, einen alten Bretterfchuppen zu erreichen. der ihm und seinem Pferde wenn auch nur einen schwachen Schutz geqen die Unbilden des Schnee siurmes bieten würde. Er betritt den Schuppen nnd blickt sich um. Drinnen findet er glücklicher weise Brennholz und Reisig. Er holt seine Streichhölzer heraus und zündet ein Feuer an. Dann führt er das Pferd hinein und stellt es in einen Winlel, breitet die Schlittendecke unter sich aus, deckt den Pelz iibet sich nnd beschließt, so lange zu ruhen, bis der Sturm ausgetobt hat. Aber während er ruht und liegt und dem Unwetter draußen lauscht, glaubt er schon halb im Schlaf plötzlich Schel lengeläute draußen aus dem Wege zu hören. Er eilt hinaus und ruft. Da hört er eine Stimme, ein weiche, weibliche Stimme, die ihn in gewaltige Erregung versetzt. Er stürmt dem sich nähernden Schlitten entgegen, und in swenigen Schritten steht er an ihrer », Seite. »Aber mein Gatt, was willst Du bei diesem Wetter im Walde?« fragte er athernlos. »Verzeih, aber ich fürchtete, daß Dir etwas zugestoßen,« antwortete sie. Ihre Augen leuchten unfglänzem und in ihrem Schein liest er ihre Ge danken und Emsindungen. pOhne ein Wort zu sagen, nimmt er sie aus seine starken Arme und trägt sie in die Hütte, während der sie begleitende Knecht das Pferd absclzirri. Und dort drinnen vor dem Feuer setzt er sie aus » feinen Schaf-. und küßt sie, während sie ihren velikedectten Arm um seinen Hals schlingt. j Dann berichtet sie iiber das-»s, was sich zugetragen hat. Alsdasllnwetter hereinbrach und er ; noch immer nicht heinitehrte, war sie seinetwegen ängstlich geworden, und ie mehr die Zeit versloß, desto grösser wurde ihr Angst. Sie bat die Knechte, . sich auf die Suche zu begeben. Diese hatten sich aber bei dem Schneesturm nicht hinausgewagt Da hatte sie schnell den Entschluß gefaßt, selbst zu sahren udn ihn zu suchen. Dies kerichtete sie halb scherzend, halb dem Weinen nahe, und er küßte sie auss Neue, seine Gedanken weilten aber nicht mehr bei der anderen, son drn sie rraren ganz bei ihr. Und wäh rend der Schneesturm dort draußen rast uiid das Dunkel iiber dem Walde liegt, blickt er in ihr Jnneres und be greift, daß sie unter ihrer scheinbaren Gleichgiltixskeit "ein sühlendeS, hinges bendes Herz birgt, und daß dieses Herz ganz und allein ihm gehört· —-. Zwei Welten. Berliner Stizze von Stessi iltoseii.s » Noch ein scheuen ängstlicher Blicks flog über den Bahnhos. Gott seij »Dant, es hatte sie kein Mensch, tein s Bekannter gesehn. Sie hatte ihn sehr l gebeten, sich erst am »Zoologischen »Garten« auf dein Perron zu treffen. EDort ivar sie wenigstens sicher, das; steiner von Papa-, Freunden Dienst ’ that. s Papa ließ in der Be,iehiing nichts i mit sich spaßeii, ebenso pslichttreu, wie ; Her als Beamter war, ebenso streng» war er als Vater. Und doch gut da- T bei, als wolle er die Kinder nie mer ten lassen, daß sie arme mutterlosH Wesen seien. Gewiß, sie vergalt ihin seine zärt« liche Fürsorge, sie brauchte sich gar keine Mühe zu geben, eine gute Toch— ter zu sein, es machte sich sanz von selbst, —— dieses kleine Vergnügen aber wollte sie sich trotzdem gönnen, sie war nun schon zweiundzwanzig Jahre alt, und hatte noch ineinals Gelegen heit gehabt, einen Mann kennen zu lernen, warum sollte sie sich ängstlich verbergen, wenn der Lenz sich auch ihr einmal nahen wollte? Ost freilich zweifelte sie daran, das; Paul von Connitz ernste Absichten hatte, einen zu große Kluft trennte sie von ihm, von seinen Ansichten und Lebensansprüchen, eine Kluft, die durch seinen Reichthum noch tiefer wurde, — aber schließlich vergab sie sich ja nichts, -—— in letter Zeit spra chen auch ihre Freundinnen von den Rechten des Weibes, von der Pflicht, sich auszuleben, feiner Individualität gerecht zu werden, sie that also wirt lich nichts Schlimmes, wenn sie in seiner Begleitung eine Spazierfahrt machte. Und dann —— vielleicht führte die Freundschaft zu einer späteren Hei rath, solche Fälle kamen ost, sehr oft vor. Sie war doch hübsch, es sahen sich so viele Menschen nach ihr uni, wenn sie ierzengerade, mit leichten, federnden Schritten, wie ein Rasse vserd, über die Straße ging, und ge «lernt hatte sie weit mehr, als es Mäd chen ihres Standes sonst thun. Be schlagen in Geographie, in Geschichte, sie fühlte ein lebhaftes, leidenschaft liches Interesse für die Kunst, sür die Bildwerke der Alten, die Prachtbau ten des Mittelalters, und verstand die Schönheiten des modernen Stils, sie konnte sehr gut mit ihm Schritt hal ten -—- in jeder Beziehung, es wäre doch gar nicht so zum Erstaunen, wenn er sie heimsührte. Susanne lächelte in Gedanken und ein helles Noth slog über das kluge, runde Gesicht. Ach, wäre das schön! Papa müßte sofort seinen anstrengen den, verantwortungsvollen Bahndienst aufgeben, Lottchen, die kleine Schwe ster, müßte wie ein Prinzeßehen ge zhalten werden, und sie selbst würde ihm dankbar alles durch eine riihrende iLiebe vergelten. Da suhr der Zug in die Station ein. Schon »Zoologiseher Garten!« Jn ihren Träumen hätte sie beinahe das Ziel verfehlt. stanne neigte sich aus dem Coupesenster. Er stand schon wartend, winkte ihr mit der Hand, sitzen zu bleiben, nnd stieg zu ihr ein. Susanne betrachtete ihn mit einem verliebten Entzücken. »Wie hübsch er ist«, dachte sie, alles paßte so gut zu ihm, der braune Herbstanzug saß wie ansgegossen, der Mantel sah so elegant aus zu der übergroßen, schlanlen Ge stalt. Nur die Augen lbickten laltx aus dem etwas gebräunten Gesicht; und um den Mund mit dem blonden, i gepflegten Schnurrbart lag ein her rischer Zua Ordentlich schäbig -kam sie sieh neben ihm vor, in dein billigere sto stiim vom vorigen Jahr. Aber er schien das gar nicht zu sehen Mit großer Freude streckte erj ihr beide Hände entgegen: »Fräulein Susanna, liebes kleines Fräulein Susi, dass ist reizend von Ihnen, ichs dachte schon, Sie würden mich ver i setzen, seit einer Viertelstunde warte ich bereits-. « Sie zuckte ein wenig verletzt die Aehselnx glaubte er, daß sie so schlecht ihr Wort halte? »Wir fahren nach Potgdain, nicht wahr? »s-- es soll ein vergnügter Tag werden« An den Stationen vorbei fuhr der Zug, ließ Berlin mit seinen Riesen häusern hinter sich, und trug sie hinaus in den kleinen Ort, mit den historischen Stätten, den Erinnerun gen an friihere Zetien· Stumm wanderten sie nebeneinan der her. Ueber ihnen ein wolkenlos tiefblauer HerbsthimmeL müde Son nenstrahlen fielen in das tiefrothe Laub, tanzten auf gelben, grüngerän derten Bläiern, die leise der Wind bewegte. Unter ihren Füßen raschel ten die verstorbenen, braunen Herbst blätter, von den Borgärten der Billen leuchteten Herbstblutnen zu ihnen herüber, Altweibersommer versing sich in ihrem Hut und legte sich dann aus seine Schulter, daß es wie ein zartes, silberfarbenes Band aussah· Sie freute sich darüber und gab dein kleinen Zufall eine abergläubische Vorbedeutung Ein Trupp Arbeiter kam vorbei, machte einige Bemerkungen iiber sie und ging weiter »Bande!« knirschte Paul leise durch die Zähne. Susanne hob die braunen Augen niit fragendem Blick zu ihm auf. »Meinen Sie, daß die es böse mei nen?« fragte sie. »Das ist mir gleichgültia.« Er zog finster die Stirn zusammen. ,,Niemals können die ihren Mund; halten, wenn sie Leute sehen, die nicht J zu ihnen gehören. Respekt sollen sie haben, den Hut ziehen, das ist ihre Sache.« Wie ein kalter Reif legte es sich um das Herz des jungen Mädchens. Eigentlich gehörte sie doch auch zu jenen ——— hätte sie einen Bruder, viel leicht wäre er auch irgendwo Arbeiter in einer Fabrik. ’ »Sie machen doch nur Scherz«, kam ses zur Entschuldigung noch einmal von den Lippen, die leise zu zittern began en. »Man kann doch nicht von then rlangen...« »Das sollten meine Leute sein« Paul von Connitz richtete sich Joch höher auf, die Mundwinkel zogen sich hart herab, und er ließ seinen Stock durch die Luft sausen, daß ein pfei fender Ton hörbar wurde. Mit einer Art visionärer Deutlich teit sah Susanne seine große Fabrik von der er hier immer erzählte, sah Männer und Frauen arbeiten, Lasten tragen, und sie hörte feine befehlende Stimme, vor der alles zitterte, ebenso wie vor dem kalten Glanz seiner eis blauen Augen. s Etwas Fremde-T Eissisges brach Fdarauf in ihm sie fchauerte zufam men. Jhr Gesicht verfinsterte sich, »und sie fand nur noch einsilbige Ant worten auf feine Worte. ; ,,Wollen wir nicht irgendwo ein ;tel)ren, Fräulein Susi?« bat er nun. !,,Es wird doch spät, ehe wir nach Hause kommen. Sie müssen doch » auch Hunger beiommen?« l Jetzt schaute er sie wieder so lieb .an, seine Stimme klang einschmei lchelnd hatte sie vielleicht zu streng ge urtheilt, war er am Ende doch ein guter Mensch mit einem warmen, fühlenden Herzen? »Ich muß nach Hause«, bat sie. »Papa kommt um acht Uhr, er darf nicht merken, daß ich länger fort ge wesen bin.« Der junge Fabrikherr schüttelte be dauernd den Kopf. »Ok) —- ah — ist der Herr Vater denn so streng ge gen sein schönes Töchterchen? —Danin wollen wir uns aber beeilen, daß wir den nächst-en Zug noch erreichen, ich möchte dann den Abend im Klub ver bringen. Jm Grunde hätte ich ja sehr gern Jhre Gesellschaft gehablh tleins Fräulein Susi, vielleicht ein andert- Moll« Ganz .ili«c- gingen sie den dunklen Weg, der zur Station führte, und traten in die Halle ein. Der-Zug stand abfahrtbereit. ,,Fiihrt dieser nach Berlin?« fragte Paul, nnd feine Stimme klang, als wollte er ein ganzes Personal zur Ordnung rufen. Der Beamte fah ihn erstaunt an, und zögerte mit der Antwort. »Jawohl,« sagte er dann, etwas iibettrieben langsam Jm selben Augenblick ertönte das Signal zur Abfahrt, Paul riß die Thiir auf und versuchte, sich auf das Trittbrett zu schwingen. Der Thür schließer stoarf sich dazwischen, von den Lippen des- Stationgvorfteherg tönte ei- laut nnd energisch: »Zurück Oleiben!« Jmmer rascher, immer schnell-er ent fernten sich die rothen Laternen, und waren bald nicht mehr sichtbar Für wenige Augenblicke blieb alles still, verdutzt sahen die beiden jungen Tilienschen sich in die Augen. ; Dann trat Paul vor den Thür- T schließen und seine Stimme bebte vor» verhaltener Wuth: »Können Sie denn nicht Jhren Mund aufmachen, wenn man Sie fragt, wag fällt Ihnen denn eigentlichl ein?« »Ich habe zur Zeit geantwortet,« entgegnete der Beamte zur Entschul digurig. »Herr von Conit3»« bat Susanne, nnr fiir ihn verständlich, ,,bitte, seien Sie doch nicht bös-. Die Leute sind doch auch nur Menschen, es hat ihn verletzt, daß Sie so barsch fragten, dann war es allerdings zu spät.« Doch er hörte nicht auf sie. »Men nen Sie mir Jhren Namen,« befahl er. »Habe ich nicht nöthsig,« antwortete der Thürschließer. Der Stationsvorsteher trat hinzu, und versuchte, den Streit zu schlichten. Susanne zittert-e am ganzen Kör per, als die harten Worte ihres Be gleiters herniedersausten, sie wagte nicht inhr, ein Wort zu sprechen und konnte auch nicht. Sie sah ihren Vater hier stehen, müde, ärgerlich, nnd Paul von Cosnnitz herrschte ihn an, wegen eines geringen Vergehens. Die Thränen strömten hernieder, als sie ihm in den Raum folgte, wo das Beschwerdehuch lage Und mit wachsendem Entsetzen be obachtete sie sein Gesicht, das immer härter wurde, seine Augen, die immer tälter und zorniger blickten. Dann beruhigte sich sein Antlitz und sah ang, wie aufs Stein gehauen, während er mit schneller, gewandter Hand schrieb und schrieb, vielleicht einen Menschen brodlog machte. »Herr von Connitz," sie raffte sich noch einmal zusammen. ,,Lass-en Sie doch die Beschwerde, Sie haben ja nun den Leuten Jhre Meinung ge sagt, der Mann wird sieh das nächste Mal sicherlich zusammennehmen solch eine Beschwerde ist für die betreffen den immer besonders unangenehm nnd kann sie ihre Stellung losten.« Das Mitgefiihl mit dem Manne machte ihre Augen beredt, ihre Stim me bat flehend und weich. ,,Nein,« entgegnete er barsch-. »Der soll einen ordentlichen Denkzettel be kommen, wäre er mein Angestellter, würde ich ihn auch entlassen.« Sie legten die Fahrt verstiinnit zu rück. Jn dem jungen Mädchen ers starben alle Hräume an ihr einstiges Glück, und gleichzeitig beweinte es den Verlust einer Menschenseele, von der es Gutes, Schönes erwartete-. Ein milder Herbstabend, von tau send Lichtern durchsluthet, durchtränlt von dem Gewirr zahlloser Stimmen, empfing sie, als sie aus dem Zuge stieg. »Adieu, Herr von Connitz, ich möchte allein nach Hause gehen.« »Adieu, kleines Fräulein Syst« Und dann fragte er zögernd, als fühlte er, was sie soeben erlebt: »Wer-net sehen wir uns wieder?« Das junge Mädchen zuckte die Achseln, Thränen stiegen in die , Augen, das Licht der Lampen brach sich darin, daß sie nichts sehen konnte. »Ich weiß noch nicht, wenn es geht, werde ich Jhnen schreiben.,, Sie wandte sich zum Gehen, er rief eine Droschke an: ,,Linden« hörte sie noch. Dann führte ihn das Gefährt davon. Für immer ——- das wußte sie. Vom Moltkesteusmah Bei der Schluß-Sieinlegung des Moltke-Denkmals anI Königsplatz in Berlin ist auf Anregung des Kaisers eine Urkunde eingefügt worden, die die Geschichte des Denkmalbaues wieder giebt, sowie fünfzig vom Direktor des Kaiserpanoramas A. Fuhrmann ge stiftete Glas Stereostope, die auf das Leben und die Beisetzungsseier lichteitendes großen Feldherrn Bezug haben. Sowohl Urkunde wie Steno stope waren vorher in eine Kupfer lapsel gefügt worden. Als Schlußstein dient eine Granitplatte, die folgende Inschrift trägt: Was dieser Marmorkern einbindet, Wohl kei es Menschen Auge findet, Solange ieses Denkmal steht. Doch wenn es einst in Trümmer geht, Lobpreise in letzter Stund’ Der Felsen hier aus unser’m Mund: »Wie immer sich wenden des Schicks sas Wege, sMoltke war nnd bleibt der größte s Stratege.« »Gott gebe in seinem gnädigen Walten JUnS Deutschen stets solche Heldenge . stalten. i Gras v. Schlieffen, Exz» Chef deg Generalstalze5. Bildhauer J. Uphues. Architekt O. Schmalz. Aktiengesellschaft für Marmor-Jn dustrie Kiefer-« « Stenograpyte zur Zeit Christi. Als das älteste literarische Denk mal, das von dein ersten Auftreten griechischer Stenographie Zeugniß ablegt, galt bisher ein im vorigen Jahre von Grener und Hunt publi zirter Papt)rus, der einen Lehrver trag eines egyptischen Vornehmen mit einem sturzschristlehrer darstellte. Der Vapyrus stammte aus dein Jahre 155 n. Chr. Nunmehr macht im 10 Hefte des ,,.lrchivs für Stenographie« (Ver lag G Reimer in Berlin) der als Pa pyrussorscher bekannte Gelehrte Dr. Friedrich Preisigte in Straßburg Elsas-J aus ein literarisches Denkmal aus weit früherer Zeit aufmerksam, das über das Bestehen einer griechi schen Stenographie berichtet. Jn Oxyrhynchos, jener bekannten -reichen Fundstätte an Naphri in Eghpten, ift ein Brief aufgefunden worden, den ein gewisser Dhonysios an seine Schwester Didyme richtet, er ist mit dem Datum des 15. November 27 n. Chr. verse hen. In dem Schreiben beklagt sich Diont)sios, daß ihm seine Schwester weder einen Brief in gewöhnlicher noch in stenographischer Schrift zu gehen lasse. Nicht unmöglich ist es, daß in dem Ausdruck »in stenographi scher Schrift« ein mit Spott durchsetz ter Humor verborgen ist, und dasz die Schwester sich gar nicht auf das Ste nographiren verstand; ist das richtig, so deutet der Scherz immerhin aus eine starke Verbreitung der Stenogra phie in Egypten in den ersten Jahr zehnten unserer Zeitrechnung, denn auch der Scherz hat zur Voraussetz ung, daß die Schwester von der Kunst des Stenographirens gehört hat. -—-—-.-—-— Die Vogelschießmuftk. Als Liszt’s .-Seilige Elisabeth« in einer thüringischen Stadt einstudirt wurde, leitete der Komponist selbst die Proben. Das Orchester war aus den Stadtmusitern zusammengestellt nnd durchaus nicht nach dem Ge schmacke Liszt’s. Nach einigen Tatten klopfte er ab nnd sagte: »Meine Herren, so geht das nicht. Das ist ja »die reinste Vogelschießmusit!« Da ;sprang der Kapellmeister zornig auf und rief: »Herr Doktor-, wir können nichts dasiirx wir haben sie nicht ge macht!« -- Sprüche der Lehensweisheih Nichts schenkt sich leichter her nle Titel, Orden nnd Cigarren. ä- sk II Dng Gewissen ist der einzige Spie gel, der weder betrügi, noch schmei cheli. sk- -l· sp Wen das Elend verdirbi, den ver-s dirbt auch der Ueberfluß. di- sk IS Es kann einein nichts Schlimmeres pasfiren, als von einem Halunken ge lobt zu werden. si- -l- Ist — Jch maq die nich-i, deren Leben mit ihren Werken nicht im Einklang sie hen. sssc Ik Il· Der Jiiinqling erläutpr feinen Platz, der Miann behauptet ihn, der Greis wird auf ihm geduldet.