Esenta Wolksburg. Roman von Elsbetb Borcbarc (1— Forschung-) Im Wf angelangt befahl er, eiudfttd fattelm und ritt kurze zum Thore hinaus. Als n nach mehreren Stunden heimkehrte, noch m erfüllt von den neuen Plä nen und Inaba-cum da war vie Orm- Mq die auf hohekSæ dkt - keimt dein-old zuftrht und alsbald in einen Mittels tat-m sollte, längst cui seinen Gedanken nnd aus seinem krank-esse verbannt Qsiapiteb Es Isct Ende Marz, drei Wochen nach dem Gespräch des Majoratsherrn Don Wolf-barg mit seiner Schwester. Conf- Litste weh-ten von Süden und titndeten die Antunft des s. Die Sonn-e schien hell und l· verheißend, sie küßte die schwel Kmspen wach- daß sie »auf prsngen und sich su frischen, grunen Rittern entsclteten Schneeglöckchen ihre Abscheu und die ersten chen Its-ten verstohlen unter ihren siiittern bevor. Ver Frühling war eingezogen und hatte Mit-er und Blüthen gebracht Der Wolsshurg brachte er diesmal eine time Minder-e Blüthe: die kleine, eertvatste Wolfngekin. den einzigen önmltng des alten, seit Jahr derten erhmgesessenen Geschlechtes und deckt-ein die mit Maximilian Kleid-. Mel III-r sur Ankunft dieses Kin des der-bereitet, sen-et helle, lustige imm. außer dem daneben liegen Ztsck hatte Gräsin Karla gegen die cian, die Wärderin m so unmittelbarer Nähe des Kindes einzu lssimn Protest erhoben. Sie meinte, We Person, die in der Fa lie Viethelnrt eine Art Vertrauen-S lluns entnenounnen hatte. würde sich M auf das Mädchen zu viel ausrechnen et verwöhnen und ver rteltu Doch der Bruder hatte diese nie-I let-gewiesen- Wenn eg such sittlich verhalten sollte, wie Karla httte, konnt-e man später noch » mer eine Umderung vor-nehmen« UND-fix leis sich das Kind an seine neue Umgebung und Verhältnisse ge sichtet hatte, sollte es jedenfalls bei seiner Bestin bleiben. Die Erzieherin und hauödame, die Itiifin Karla engagirt hatte, war Sestern eingetroffen und hatte sich dem rasen dargestellt Fräulein von Unpert stand am Ausgang der Drei Iiger und sah sehr stattlich und impo nirend aus. Jhr ernsteö, vornehrn erückhaltendes Wesen machte auf raf Maximilian einen durchaus gu ten Eindruck; sie schien ihm wie zur Vertretung seines Hauses geschaffen, und ihre bereitwillige, anerkennende stimmung zu seinen Plänen und verdung ließ ihn zu dieser Wahl Iegliicktviinschem Sie auf ihren in neren Werth näher zu prüfen, nahm er sich nicht erst die Mühe. Was er bis fest von der Dame gesehen und gehört hatte, genügte ihm vollkommen, unt sich die Last und Sorge getrost auf Ihre Schultern absuwälzern Nach sei ner Ansicht hatte er schon genug Zeit und Mühe für das Kind des Bruders verwendet Fräulein von Rupert hatte rnit« klugem Verständniß sofort die Art! ihrer Stellung hier ertannt und ver-; standen, was man von ihr hegehrteH und sie bemühte sich, dem Rechnungf eintragen Sie frohlockte innerlich,s ihre durch Gräfin Karla ge-t sähe-ten Erwartungen schienen ihr( noch unt vieles übertroffen zu sein. Ihre Stellung hier trug anscheinend einen noch viel selbstständigeren Cha rakter als die heim Grafen Harten ein, auch war das Honorar bedeu d höher. Jhrern herrschsüchtigen, ehrgeizigen Charakter erwuchs hier siso das richtige Feld. Sie verstand nicht allein, was in hohen häusern gefordert wurde, sondern war auch senkt allen Schwächen und Fehlern der Vornehmen vertraut und wußte sie ge Jchickt zu ihrem Bortheil auszunu sen. Die Erziehungsmaßregeln und Crundsätg die der Graf ihr in einem lurzen, ernsten Gespräch auseinander sesetzt hatte, hieß sie darum sämmtlich ut und zweckmäßig. Wie weit sie feinen Wünschen Rechnung tragen wollte, mußte sich bei ihr erst ins den näheren Verhältnissen, in die sie am ersten Tage noch nicht eingedrungen war, ergeben. auch mußte sie zuerst den Charakter des ihr anvertrauten Kindes kennen lernen. Gräsin Karla hatte ihr das Wissenswertheste bereits stitgetheilt Das kleine «Komödiani tennriidchen«, wie die Grösin sich aus Iedeiickt hatte, sollte zu einer Gtäfin skn und der schädlichen Einwir kan ver Musik so viel wie möglich gehalten werden. Die Ausgabe Iomm unter Umständen leicht oder schwer sein, je nachdem. Das sie ihr »Auf irgend eine Mr ihre eigene Per Isn mtheilhafte Weis-e gerecht wer »Hu enges-. daran zweifelte sie keinen im käute ums m Mädchen eis M Matt-tun woute selbst zur sBahn fahren, um das Kind abzuha len, spät-end Fräulein von Rupett es an der« Schwelle der Wolfsburg in Empfang nehmen sollte. » Ehe der Graf zur Abholung nach :det Bahn subt, ging er noch einmal musternd durch die für das, Kind be-" stimmten Räume. Es Mr alles in Ordnung. Auf einem Stuhle saßs gravitätisch die schöne, große Puppe« die er von seiner Schwester hatte be-! sorgen lassen. Dieses Spielzeug sollte das Kind über das etsie hellem mende Gefühl des Neuen, Ungewohn ten hinweattösten. Eine Viertelstunde später — est war am Spätnachrnittage — trug ihn der Wagen nach der eine halbe1 Stunde entfernten Bahnstation. »Jetzt fährt der gnädige Herr Graf das Kind holen«, sagten die Mägde und Diener des Schlosses, die der Ab fahrt ihres Herrn verstohlen aus den Fenstern des Souterrains« darin die Wirthschaftsräume lagen, nachsahen. Alle befanden sich in begreiflicher Auf regung und tauschten lebhaft ihre Gedanken über den neuen Zuwachs und die bevorstehende Veränderung aus. »Os wohl das alten lustige Trei ben, wie es zu Zeiten der verstorbenen Gnädigen geherrscht hatte, wieder in die seit den letzten zwei Jahren so stillen Räume der Wolssburg einzie hen würdet Ob das Kind Leben und Freude oder Sorge und Unruhe idringen würde? Wer lonnte es wis ent-m Diese Frage, die seine Dienerschaft eingehend erörterte, beschäftigten auch den Grrafen während seiner Fahrt. Er hatte sie sich bis ietzt noch nie ein gehend vorgelegt, er hatte weder ge fragt, ob das Kind hübsch oder häß lich, gut oder böse, wohl oder schlecht erzogen wäre. Jetzt, so kurz vor der Ankunft der Kleinen drängten sie sich ihm förmlich aus« und der sonst so ruhig und tiihl empfindende Mann konnte sich einer gewissen Nerven spannung nicht erwehren. Was wür de er finden? Doch gleichviel, wag, er wollte stets seiner Aufgabe und seines Versprechens eingedenk bleiben, dem Kinde ein gewissenhafter Vor mund und Beschüher zu sein. Das Bahnhofsgebäude war er reicht. Graf Wolfåburg betrat, von seinem Diener gefolgt, den Bahnsieig, und wenige Minuten später fuhr der Zug ein. Musternd ließ er die Wagen an sich vorübersahren. An keinem der Fen ster zeigte sich ein Kindergesicht. Jeht hielt der Zug. Die Thüren wurden geöffnet, und eine Anzahl von Fahr gäsien stieg aus. Es waren nur Er wachsene. tein Kind darunter· Sollte es mit diesem Zuge nicht mitgetornmen sein? Das wäre sehr ärgerlich, denn der nächste Zug traf erst in der Nacht um zwölf Uhr ein· Oder sollte etwas dazwischen getreten sein. das die Abreise von Berlin ver zögert hattet Der Freund Diet heims, jener Rodenbach, hatte ihm doch genau Tag und Stunde ange geben und hinzugefügt, daß er selbst bisllzur Hälfte des Weges mitfuhren wo e. Schon wollte Maximilian sich ent täuscht und ärgerlich dem Ausgang zuwenden, als der Stationgvorsteher ihm in den Weg trat. »Verzeihung, Herr Gras, eine Dame wünscht Sie zu sprechen.« Er wandte sich erstaunt urn und sah vor sich ein schlantes, junges Mädchen in Trauertleidung, dem eine ältere, gleichfalls schwarz, aber einfacher gekleidete Frau folgte, ste hen. Eine Sekunde tauchten beider Blicke ineinander. »Mein Himmel, i es möglich!« rief er plötzlich von einer Ahnung ge packt, und: »Sie muß es sein das sind ja Diethelms Augen!« fügte er feine Ahnung bestätigend, bei sich sel ber zu. Währenddessen war er näher auf das junge Mädchen zugeschritten und wielt ihr die hand hin. »Bist Du es denn wirklich — das Kind Diethelins?« Ein Blick aus den großen, dunklen Augen des Mädchens tras ihn, zuerst scheu, dann frei und affen »Ja ich bins —- ich hin Senta Wolssdutg.« «Senta Walfsburg«, wiederholte er langsam und rückte leicht die feine, schmale, ihm nur zögernd gereichte Hand. »So sei willkommen, mein Kind.« Er hielt es siir nöthig, irgend et was zu sagen, das seine Enttäus gis verbergen sollte. hrmd er ließ er seine Dli voll aus printttelgtoßem jugendlich schlan Ieu Gestalt, die noch etwas unsertiz aber durchaus nicht iiniisch wirkte, ruhen Ein fehl-Ums FUMW fah teil aus krauses-, standen saurem die tin Itiielen in einem langen, vi gnug-M Kisten-end soff hist-M CI DMI saadeudie groben, dunklen M tnit den schwitzen Brauen darin-et in feltfarnem Gegenleis. Die Nase war schmal und leicht, kaum merklich edogen, der Mund klein und rosig; se gehörten beide nicht in die Fami lie der Aufsan Nur die Augen und das runde, eigenwillige Kinn ver rieihen die Abstammung Diefe Musterung vollzog fich in einer Selunde.- Dann sprach der Graf weiter: »Ich erwartete ein Kind und finde zu meiner Ueberraschung, daß Du be reits erwachsen bist. Du wundeefi Dich über meine Annahme? — Wie konnte jener Herr, der Dich von Ame rila hierher brachte, mich auch in dem Jerthurn lassen?« Senta fah ihn mit eigenthümlichem Blick an. »Schriebst Du ihm denn jemals, daß Du in mir ein Kind vermuthe tesii Jch las Deine —— kurzen An ordnungen, und soviel ich mich er innere, nannteft Du mich darin nie anders als die Tochter oder das Kind Deines Bruders. Das »Ki11d« fiel weder Onkel Rodenbach noch mir anf, da wir glaubten, daß Du über mein Alter — ungefähr unterrichtet wä reft." Sie hatte es langsam, ohne Erre gung gesprochen. Maximilian aber empfand ein inftinltives Unbehagem ohne sich den Grund im ersten Augen blick kalt zu machen. Zunächst berührte es ihn unange nehm, daß Senta jenen Freund Piet helrns «Ontel" genannt hatte. Absie alt bist Du eigentlich?« lenkte ck a . »Ich werde im Juni siebzehn Jahre.« »Also bist Du schon sechzehn Jahre alt. Das hatte ich allerdings nicht erwartet. Jch schätzte das Kind mei nes Bruders auf höchstens zehn bis zwölf Jahre.« · »Hast Du denn nicht die Papiere meines Vaters?« »Doch — ich habe sie«, erwiderte er, und seine Brauen zogen sich bei dieser zweiten Frage, die wieder wie ein Vorwurf klang, zusammen. »Ich habe sie bisher nicht eingehend ge prüft. Doch gleichviel —- rechnen wir mit der Thatsache. Du bist und bleibst Diethelms Tochter. und das genügt." Obgleich Maximilian seine Ent täuschung vor dem jungen Mädchen zu verbergen suchte, so war fein Ton doch Iiihler und fremder, als er wohl beabsichtigt hatte. Senta freilich hatte keinen anderen Empfang erwartet, nach dem, was sie aus der Geschichte ihres Vaters wußte; aber des Oheims gänzliche Untenntniß ihres Alters hatte sie immerhin verletzt; denn sie zeigte ihr, wie wenig Jnterefse er ihr entgegenbrachte, da er sich nicht ein mal die Mühe genommen hatte, die. Papiere zu prüfen. die Onkel Roderi- ’ bach ihm gesandt hatte. Seine Be-; reitwilligieit, ihr aus der Wolfsburg einen Zufluchtsort zu bieten, war da- ; turn auch nichts weiter als Pflichtge- » fühl einem Todten gegenüber. Dis Wolssburger nahmen es ja so genaui mit der Erfüllung starrer Formen. — · Und in der Nähe dieses ernsten, lith len Mannes sollte sie nun leben, sich ihm wohl gar fiigen und ihm gehor chen müssen! Das Blut stieg ihr heiß zum Versen bei dieser Vorstellung. Am liebsten wäre sie sogleich wieder umgekehrt und zu ihren Freunden Rodenbach nach Berlin zurückgegan gen. Die waren die einzigen, die sie verstanden« ihr Herzlichteit und iLebe entgegenbrachten und ihre Absichten und Pläne theilten. Doch vorläu fig gab es tein Zurück fiir sie, das sah sie wohl ein. Sie war trotz ihrer sech zehn Jahre, wohl durch den steten, in nigen Verkehr mit dem Vater, gereif tet, als es sonst in ihrem Alter der Fall zu sein pflegt. Darum ließ sie sich nicht entmuthigen und durch erste Eindrücke niederdrllcken. Sie besaß ja noch ihre alte, treue Kindheitwiirs terin, die, solange sie lebte, im hause ihrer Eltern gewesen war und nach dein Tode der Mutter dem haushalt vorgestanden hatte. Sie blieb also1 nicht aanz verlassen und oeretniamt. Sie wandte sich nach der einfachen Frau, die hinter ihr stand und schon wiederholt respektvoll vor dem »Hei-m Grafen« getnickst hatte, ohne jedoch beachtet worden zu sein, um. »Brigitte.« Jeyt schien sie endlich auch der Graf zu bemerken. »Sie sind die Begleiterin und ehe malige Wäterin der Komtesse?« fragte er. »Ja dienen, here Graf-Hin aber maliges Knicksen — »mein Name ist Brigitte« — ,,Schön —- habm Sie den Gepiich schein bei sichs« »Nein, den verwahrt Sentachen — wollte sagen« — WKomtesse von jetzt an, bitte«, schaltete der Graf kurz ein und wandte sich wieder seiner Nichte zu. Diese war flammend-roth gewor den, aberfie unterdrückte eine Ent gegnwglundtM zog den verlangten Ge psckf Graf Maximilian winkte feinem Dienen befa l ihm, das Geväck zuj besorgen, un forderte Senta aufJ ihm zus- Mmeus zu folg-I H WH, dich U speist-see Meinung folgen wollte, M ims »Man BrigitteP J« « Ohne weiteres faßte sie nach ihrer Hand und hielt die Wiedeeftrebende mit Gewalt an ihrer Seite fesi. Maxirnilian runzelte die Stirn, doch monirte er diese oftentattve Ber troulichteit seiner Nichte mit der Die nerin nicht. Dafür blieb noch Zeit genug. Bis zum Wagen waren ohne hin »nur wenige Schritte. Hier nahm er mit Senia den Fond ein, während Brigitte sich fcheu und ängstlich auf den Rücksiß schic, und fort rollte der Wagen nach der Wolfsbnrg zu. Die Fahrt wurde ziemlich schweig sam zurückgelegt Der Gras fragte hin und wieder nach irgend einer Ne bensächlichteit, da er aber von dein jungen Mädchen, das angelegentlich die Gegend zu betrachten schien, nur kurze, einsilbige Antworten erhielt,· schwieg er und dachte iiber die soeben gehabte seltsame Ueberraschung nach. Sie war ihm durchaus nicht ange nehm, denn alle seine Pläne und Er ziehungsmaszregeln wurden dadurch über den hausen geworfen. Die ju gendlich lriiftige Gestalt neben ihm war, ihrem ganzen, sicheren Auftreten nach zu urtheilen, bereits fertig und sah nicht aus, als ob sie sich jetzt noch andere Ansichten nnd Gewohnheiten einimpfen lassen werde. — Er sah Mißhelligteiten und Unannehmlich teiten aller Art voraus und tadelte sich. daß er die Papiere seines Bru ders nicht einer eingehenden Prüfung unterzogen hatte. Dann wäre ihm die Ueberraschung erspart geblieben, und er hätte ganz andere Vorberei tungen getroffen und sich vielleicht doch entschlossen, dem Ansuchen seiner Schwester nachzugehen und das Mäd chen vorläufig in Pension zu geben. Das würde freilich nicht dem Wun sche feines Bruders, seinem Kinde aus der Wolfsburg eine Heimath zu geben, entsprochen haben, und darum war es I das beste, es blieb bei seiner Bestim-? mang« mochten nun daraus Konse quenzen erwachsen oder nicht· ! Jedenfalls begriff er nicht, wie er, jder stets gründlich und genau alles Hprijfih Diethelms Trauschein hatte Iachtlos sortlegen können. Er hatte wohl damals von Diethelms Vermah Tlung gehört, aber das mußte. seiner Berechnung nach, mehrere Jahre nach Tderselben zu seinen Ohren gelommen lsein. Diethelms Briefe, die wahr Hscheinlich dessen nähere Familienha Thältnisse enthielten, waren stets uner brochen zurückgegangen, und was man Jersahren hatte, war auf Umwegen ge schehen. Sow uszte er. daß dem Bru der mehrere Kinder gestorben waren. ;ob dieses letzte übriggebliebene das äl teste oder jüngste war, konnte er nicht wissen. Er ärgerte sich, daß er Senta gegenüber seine gänzliche Interesse losigkeit an ihres Vaters skiiherem Ge schick verrathen hatte. Jhre harmless voll erstaunten Fragen zeigten ihm ge nugsam, was sie dabei empfunden hatte. Auch ihr jetziges hartnäckiges Schweigen schien ein Ausfluß dieser Stimmung zu sein. Er wollte sie aus ihren Betrachtungen wecken. »Sieh, dort liegt die Wolssburg Senta.« Senta fuhr ein wenig zusammen und blickte aus. »Die Wolssburg«, wiederholte sie leise, und ihre Blicke hingen an· dem Bilde, dai so urplötzlich durch die Biegung des Weges vor ihren Augen ausgetaucht war. Sie waren bisher immer durch dichten Tannenwald, der die Aussicht versperrte, gefahren. Jeht erst wurde Senta gewahr, welche mächtige höhe sie erklommen hatten; denn zu beiden Seiten des Weges siel der Berg steil bis ins Thal ab. Und das Schloß lag in seiner ganzen stolzen Ausdehnung vor ihr, würdig, seudal und alterthümlich der Ge sammteindruck und adch der Neuzeit entsprechend wohnlich anzusehen rntt den hohen Fenstern in der Front, in welchen die Spiegelscheiben glänzten Es war schon etwas Dämmerung, darum erschienen tht die alten, grauen» verwitterten Mauern düster, und ein betlennnendes Gefühl, legte sich um ihr herz. Das also war die Wolssdurg dort war ihr Vater ge boren worden, dort .hatte er als Knabe gespielt, dort hatte er gelebt und gelitten und war schließlich aus ihren Mauern verbannt und versto ßen worden. " »Mir noch wenige Minuten, nnd wir sind da«, sagte der Gras, nachdem er seine Nichte eine Wiele schweigend beobachtet hatte l l i ! s l s l Senta holte tief Athem. »Ja«, sagte sie kurz, und es klang wie ein Seufzen. Der Wagen fuhr in den Schloß hof ein und hielt vor dem Portai. Noch ehe der Diener cis-gesprungen war, hatte Graf Maximilian den Schlag geöffnet, stieg aus und reichte Senta die Hand. Leichtfüßig sprang sie herb. Er nhm ihre Hand und führte sie hinein. «Willtornmen auf der Wolfsbnrg, mein Mad; sie sei Dir fortan het math« Sentas band zuckte ein wenig tn der feinen, aber er hielt sie fest und führte sie einer Dame zu, die soeben ans dem obersten Abian der Treppe erschien nnd sich anfchtckte. ihnen ent Cosenzas-named ; Senta glaubte tm ersten Angen itts Lunte Karten ihres Vaters W sechmney m vek dies-: ihr ersehn hatte, zu sehen, doch wurde sie bald eines anderm belehrt «,Frlinlein von Rupert«, rief Graf «"-Maximilian der Dame zu, «hier bringe ich Ihnen eine Ueberraschung auf die Sie sowohl wie ich nicht vor bereitet waren. Komiesse Wolfsdurg ist eine erwachsene junge Dame und kein Kind mehr. Aber ich empfehle sie trohdem vder vielmehr gerade des halb besonders Jbrer Obhut.« Aus den steifen Zügen des Fräu leins, das sich in ihrer vornehtn stol zenArt genährt hatte, spiegelte sich allerdings selundenlang eine Ueber raschung, die auch Enttäuschung sein konnte. Doch sie war an Selbstbe herrschuna gewöhnt und zwang ein verbindliches Lächeln auf ihre schma len Lippen, während sie die Hand nach der des jungen Mädchen aus streckte. »Das ist in der That eine Ueber raschung, die Sie uns bereiten, liebe Komteß, aber eine angenehme, denn ich hoffe, daß wir recht gute Freunde werden« So freundlich diese Worte klan gen, so war ec- Senta, als wenn da bei ein Eisessckauer durch ihre Glie der ränne. Der mochte vielleicht von sdek schmalen, kalten Hand der Dame sausgeaangen sein. Oder beeinträch Itigie das hochmiithig lalte Gesicht die isrenndlichen Worten? Senta fand ;leine Erwidernng, auch hatte sie noch teine Ahnung, wer die fremde Dante war, und wag sie wollte. - »Das ist Fräulein von Rupert, die Repräsentantin meines Schlosses Dir zur Erzieherin und Gesellschaf terin bestimmt, Senta«, stellte der Gras vor. »Ich hasse, daß Du Dir die Zufriedenheit und das Wohlwol len der aDmer erwerben wirst.« Jetzt wurde Senta ein wenig blaß. Sie verneigte sieh leicht, ohne ein Wort zu sprechen. »Du bist miide von der Reise und möchtest Dich ausruhem nicht wahr, mein Kind?« sagte der Gras freund licher als bisher. Das hartnäckige Schweigen des Kindes sing an, ihn zu bei-rücken und er wollte der Szene schnell ein Ende machen. »Ja —- wenn ich in mein Zimmer gehen dürfte«, antwortete sie. Es waren die ersten Worte, die Senta iiber ihre Lippen brachte, seit sie ihren Fuß über die Schwelle der Woissdurg gesetzt hatte. ,,Gewiß«, erwiderte der Gras schnell. »Friiulein von Rupert wird die Gewogenheit haben, Dich in Deine Zimmer zu führen. Dort magst Du heute Abend ungestört bleiben. Mor gen besprechen wir das Nähere. Und nun —- gute Nacht, mein Kind. Gott segne Deinen Einzug aus der Wolfs butg.« «Gute Macht« Seiundenlang ruhte ihre Hand in der seinen, und ihr Blick slog zum er stenmal zu ihm aus« Sie mußte hoch sehen; denn er überragte sie um ein Bedeutendes. Die Aehnlichteit ihres Oheims mit ihrem ther, die ihr jetzt erst aussiel, wirkte einen Moment verblüssend aus sie. Das waren des Vaters Augen, das seine edel gebogene Nase — sein? Kinn und doch —- aus des Vaters ganzem Gesicht hatte Weichheit und Güte gestrahlt —- hier meinte sie nur Gleichgültigteii, Stolz und Strenge» zu sehen. ; Jetzt ließ er ihre Hand Los undH entfernte sich mit kurzem Gruß. s Ein Gefahr des Betten-nichts kam über Senta. Sie wandte sichs nach Brigitte um, der niemand wäh rend dieser kurzen Unterredung BeH achtung geschenkt hatte, und die ihr doch das Liebste und Theuerste war, Eos sie nach ihres Vaters Tode be-; a . Sie schlang, ungeachtet des spötti schen Lächelns der anwesenden Da me, die Arme um die Schuttern der Alten und driiette sie an sich. «Korntesse. ich bitte Sie, mir jest zu solgen.« Wieder war es ihr, als oh man sie mit Eiswasser til-ergösse. Der Klang der harten Stimme that ihrem mu sikalischern Ohr weh, und es war eine Eigenthümiichieit von ihr, ihre Sym pathien und Antipathien nach dem Klang der Stimme zu verschenken. Ohne Brigitte ioszulasiem ging sie der voranschreitenden Dame nach, durch mehrere ihr schier endlos er scheinende Gänge, bis endlich vor einer Thür halt gemesht wurde. Die Da me öffnete, trat ein und hieß das Mädchen, ihr zu folgen. »Hier sind Jhre Zimmer, Kom tesse, machen Sie es sich darin be quem, und hier nebenan liegt das Zimmer Ihrer Dienerin.« «Dienerin? Sie irren. Brigitte isit meine liebe Vertraue tund Freun d n.« Sentas Blick flammte förmlich. Fräulein von Rupert guckte leicht die Achseln mit jenem nachsichtigen Lächeln, das man zuweilen der Unart eines Kindes gegenüber aufsteckL »Das-über zu entscheiden, überlasse ich dem Herrn Grasen, liebe Komleß.« «Darübet giebt es leine andere Entscheidung als die meine«, ent fuht es ihr unbedacht und schroff; denn die ganze Art der Dame brachte ihr Blut in Wallung; sie wußte selbst nicht, warum. Fräulein von Nupert zog die Au gendrauen ein wenis Erfr- lies sich nicht merken, ’ crnp nduni gen sie bei der Hist ein wenig friert-se lig klingenden ri des junge-»W rheng beherrschten, eden oweni wie sie vorhin ihre herbe ttsu Gang verrathen hatte. hier hieß es gute Miene zum bösen-Spiel machen- Das Zepter würde sie sich von einer .her gelaufenen Betteldirne« nicht entwin den lassen, sie hötie sen nicht Wallh von Rupert heißen mtl en. Daß sie einen schweren Stand haben würde. hatte sie auf den ersten Blick gesehen doch mit einem Streiche fällt man keine Eiche. Und Fräulein von Ru pert war außerordentlich klug. »Sie sind müde«, sagte sie ablen tend und ohne die Erwiederung zu beachten. »Ich will Sie darum allein lassen. Schlafen Sie wohl, und seien Sie morgen recht gesund und frisch. Gute Nachts« Die Worte klangen so freundlich nnd liebenswürdig, sie veriethen nicht das bgeringste Geiränttsein noch den leisesten llnwillen, daß Senta im er sten Augenblick gang verdth die dar gebotene Hand ergr ss. Als sie zur Besinnung lam, hatte sich die Dame bereits mit aalglaiter Geschwindigkeit durch die Thür zu rückgezogen. Senta sah Brigitte sprachlos und ipofschiittrlnd an. Diese aber rana die Hände: ,,Sentachen, —- Sentachen, wie konntest Du nür so zu der feinen Da me, die der gnäidge Herr Graf Dir doch zur Repräsentante —« »Zu —- zu —- was siir eine Tan te? ——— Hahaba -—— Brigitte, Du bist gui.« I Senta brach in ein helles. melodi , sches Lachen aus, faßte die alte, rund J liche Brigitte um die Taille und drehte ! sie mit sich herum, daß ihr hören und ’ Sehen verging. »Sentachen —- Liebling halt ein .-«- ich ——- ich werde ja — ganz — schtvin —-—-«-delig« — (Forisetzung folgt.) — Dad Jndikaum der Gabel. Die Gabel, dieses nützliche Instru ment, dessen sich bei uns Arm und Reich, Hoch und Niedrig bedient und das uns alken zum Essen unentbehrlich erscheint, könnte in diesem Jahremit Fug und Recht auch ihren Theil an den vielen Jubiläen beanspruchen, die unsere Zeit sich zu feiern gewöhnt hat. Denn trenn sich hier auch naturgemäß ein ganz bestimmtes Datum auf Tag und Stunde nicht angeben laßt, so darf man doch sagen, daß jetzt ziemlich genau zweihundert Jahre vergangen sind, seitdem die Gabel, d. h- die Eß »gabel, in Europa allgemein zur Ein führung gelangte. Als Werkzeug zum Aufspießen und Vorlegen der Speisen war die Gabel freilich wohl den mei sten Kulturvöltern schon im Alter thume bekannt. Aber zum Essen be dienten sich unsere Vorfahren bis and Ende des Mittelalters fafi ausschließ lich jener fünfzinkigen Naturgabeh rnii der jeder Mensch doppelt begabt ist« — weniger bildlich gesprochen: sre aßen mit den Fingern. Eine vornehme Griechin, die Gemahlin des venetiants schen Dogen Domenico Silvio soll im 11. Jahrhundert als erste, wie die Chronisten berichten, die Speisen nicht mit der Hand, sondern mit kleinen zweizinkigen goldenen Gabeln zum Munde geführt haben, aber zur Strafe fiir dieses ungeheuerliche und wider natiirkiche Raffinement ward sie, tvie man versichert, von einer schrecklichen Krankheit befallen, die ihren Körper langsam zerstörte. hier und da begeg net man später in Jnventaren, so 1379 in dem Karls V. von Frankreich, der Aufzählung von gobelähnlichen Ge genständen, aber diese wurden entwe der zum Vorlegen oder doch nur fiir wenige bestimmte Gerichte, so z. B. heiße geröstete Käseschnitte —- Vorläu fer der heutigen «Welsh Rarebits« — gebraucht, bei denen man sich sonst die Finger verbrannt hätte. Erst 1518 hörte man wieder von der Eßgabeh und zwar abermals von Venedig aus. Damals erzählte ein französischer Ret sender, Jaraues Le Saige, der an ei nem Male beim Degen theilgenom men hatte, als eine Merkwürdigkeit. daß die vornehmen Venetianer das Fleisch mit silbernen Gabeln ausspieß ten, um ed zu essen. Und man ver stand daher unter «venetianischer Eß weise« das« Essen mit Gabeln. n Venedig machte dann Heinrich l l. von Frankreich 41574A auf der »Rück reyr von Polen oie Bekanntschaft vie ser neuen Mode und verpflanzte sie an seinen Hos. Vielen galt sie hier noch als eine stembländiscbe Extrabe ganz, ja direlt als ein Syrntorn der Entartung und Verweichlichung, und ein Zeitgenosse beschreibt voll Spott, wie ungeschickt die edlen herren und Damen des Hofes sich anfangs anstell ten, namentlich wenn sie so schwierige Speisen, wie Schoten oder Arlischos den, mit der ungewohnten Gabel mel stern wollten. Lange dauerte eg, bit die Gabel, die zuerst ein Prioileg der Vornehmen bleiben zu sollen schlen, sich auch in den niederen Ständen ein bürgerte. Aber es sind Zeugnisse vor handen, daß dies um das Jahr 1605 zu geschehen begann. Von Frankreich aus unternahm die Gabel dann demselben Zeitpunlte ihren Sieneszss nach England und Deutschland hascnbruch