Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 08, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    f
I
i
nengluth des Hochsommers geraufcht
.- und geduftet haben! Sie gleitet in
Zu Haufe
iit’3 han« fei Alles, was Du sinneli. »
u deutsches Mädchen, deutsche Frau! i
Kein Thun sei Dir für’3 Haus zul
sauer,
Kein Weg zu schmal, lein Pfad zu
rauh!
Die erste Blume, die Du pflückeft,
Und auch des Herbstes leyten Strauß,
Die schönste Perle, die Dein eigen, I
Sie trage zum Altar für’s Haus!
Und wenn Du abends Deine Hände
Zu Gott erhebst in reinem Sinn,
So sende Deine erste Bitte
Fuss hauö zu Deinem Vater hin.
Dann wird, wenn Du nach Wochen
tagen
Zum ew’gen Sabbath ziehest aus,
Auf jene dunkle Straße fallen
Ein Strahl des Lichts aus Deinem
Hauss«
----— -----—
Glück im Walde
Novellette von Käthe L u b o tvs k i.
Herbst isl’·gl Goldige Klarheit
spannt ihre Flügel iiber den hohen
Wald aus-, dessen Blätter und Blu
men sich miide und well in der Son
goldenen Reflexen an den fchlanken
Stämmen der gräflichen Forli zu Eich
tvalde herunter und bleibt an der
schimmernden Flechtenkrone des schlan
ien Mädchens haften, die, ihren Arm
um einen epheuunrsponnenen Stamm
geschlungen, feuchten Auges in die
farbensatte hetrlichleit schaut·
Wie es sein wird —- wenn sie ihren
Wald nicht mehr hat . . . nicht mehr
tauschen kann. was sich die Vöglein an
stillen Abenden zu sagen haben, wenn
die Lüste schweigen nnd die silbernen
Mondensirahlen heimlich iiber den
Mooöteppich haschen . · .
Und nun erst der Vater . . . der im
Dienst erarauie Obersörster Hart
rnann — ob er'B lange ertragen wird
rhne sein Revier? — —-— Ohne die
frische. würzige Lust, die tein müßi
aes Träumen duldet? . . . Wenn sie
ietzt niedersenken könnte, in die weiche
Waldespraebt . . . um zu sterben .
nnd man bettete sie dann neben ihrem
Miltterlein in die kühle Erde . . . so
«« bliebe ihr das Fortgehen ersdari und
. . . das Heimweh. Denn Waldtinder
tanaen nichts fiir das Leben, das da
draußen flntlret und rauscht --— -——
auch sie lviirde sich das Herz wund
.. stosten an den tleinlirksen Gesetzen der
Höflichkeit und die Bitterkeit des Alt
werde-« würde über sie iommen —
— vielleicht auch die überivnndene
Kinderirantheii. die sie mit heimlichen
Thriinen in den Schlaf get-dient hatte.
Und pldtrlich gebt ein haliloses
Zittern durch den schlanlen Körper
. . . . sie war ausgemacht in dieser
Stunde, die Zeit der goldenen. siarlen
Jugendsiebe . . : und lam, um ihr
den Abschied zu ersparen . . . Wie
war’s denn damals eigentlich gelosns
men . . . ? Mit scheuen Blicken nnd
ehrlichen Kämper hatte es begonnen,
um am letzten Ende mit beißen Kiisi
sen nnd Treueickswiiren ru schließen!
—- Warum dufieten auch die Rosen
an der Her-le so schwül warum
hatte sie kein thrtterderz mehr, an
dem sie ihr Leid bearaben konnte. nnd
warum war er, den sie so lieb hatte,
nur ein einfacher, armer Forsigeliilse
gewesen? — —- Der Vater. der sich
im Lebenstamvs künstlich verhärtet
hatte, machte dem jauchzenden Gliick
.ein schnelleg Ende . . . es konnte dem
jungen Habenichtg wohl passen, die
siisze Waldrose zu vslücken . . . aber,
er, der Alte —-— hatte scharfe Anaen
und, wenn es sein müßte, eine harte
Hand . . . Um dieser willen hatte
man ihm auch zu verstehen geliehen,
daß er alt werde und das; es an der
Zeit siir ihn sei . . . zu neben. Da
mals hatte sie vor ihm aus den
Knien gelegen, um ein gutes Wort zu
erzwingen —- doch das Wort blieb
aus und der Seaen . . . nngesproclkem
Sie aber hatte sich nicht siigeuwollen
—- ant Grabe der Mutter dusteten
damals die Releden und Verbenen —
und sie hatte sich an des Geliebten
Brust geworfen und leise ges·leht:
·«Nimm mich mit!" ..... wie ein
Sturm hatte es die hochaewachscne
Gestalt ihres Heini geschüttelt . . . .
er hatte ja starte Arme, um sie vor
dem bunaer zu schützen . . . . und
schließlich war’s sein auteg Recht, zu
nehmen« wag sein Gliirt und feinen
Frieden ausmachte . . . Und die Lei
denschast, die in jedem jungen, aes:1n
den Herzen wallt — —- tam über ihn
—- er neiate sich zu ihr. um ihr sein
»Komm« in’S Ohr zu sliistern. Da
hatte ein letzter Sonnenstrahl das
weiße Marmortreuz gestreift, und die
goldenen Lettern daraus schimmerten
zu ihm. »Selig sind —- — die reinen
Herzens bleiben . . .«
Da hatte er sich einen Ruck gegeben
- und sie aesragt: ,,Glaubst du an mich,
Mechthildii . . . .
-- Und sie hatte an ihn geglaubt . . .
wienmn an sein Heiligthum, an sei
nen Gott glaubt . . . »
» »Dann halt aug,« . . . flüsterte er «
mit schwerer, heiserer Stimme . .
«tvenn’s auch lange dauert . . . . ich
hole dich . . .« Und er hatte seinen
Kopf in ihren Schoß geleqt nnd durch
. den starken junaerk Körper ging ein
berzweiseltez Schluchxem »Selig sind,
die reinen Herzens bleiben . . .'«
Und sie hatte gewartet und aehosst
» . . . allmählich aber war sie schwan
Elend und müde geworden . -. . . zehn
Yeöraska
Itaatsgnzrjger Und Yerold
J. P. Wirtdolvh, Herausgeber. Grund Lkgland Nebr» 8. s Dezember 1905 ( Zweiter Theil. ) Jahrgang 26 No 1.).
Jahre lagen zwischen dem Abschied
und der Wirklichkeit —— — viel durch
weinte Nächte und miide geflattertes
Hofer . . . und jetzt . . . hoffte sie
nicht mehr. Jetzt fürchtete sie sich nur
vor dem »Morgen«, »das sie aus der
Waldesheimath treibt! —
Da legte sich plötzlich eine schwere
Hand auf ihre Schulter -«— —— der
Vater ist’s »- --— »Komm in’g Haus,
Kind,« sagte er mit feltsamer Rüh
rung in der Stimme —— . . »Du mußt
doch dem neuen Oberföriter ein Nacht
mahl schaffen . . . und ihm Antwort
geben —- was noch eingepackt werden
soll!«
Sie sieht mit«leeren Augen an ihm
vorüber und wirft sich dann an seinen
Hals. »Vater! ich hab’ dich zehn
Jahre lang nichts gebeten heute
thu ichs wieder . laß mich hier . . .
als Magd als Wirthschafterim
neinetwegen für den Neuen ich
half-Z nicht ans ohne meinenWald...«
Da legte er ihren Kon fest an seine
breite · . . Brust »Stil! — still —
Döchting — —-s unser Herrgott fchafft
schon einen Ausweg« Sie lacht bit
ter aus ,
»Ja, ja, Vater ich tenne den
Ausweg in dieser Scheidestunde,
heut muß es heraus . . .. was in mir
schlief die lange Zeit wenn dein
Herrgott dich einst fragt was du
für das Glück deines Kindes gethan
hast dann sag' ihm ,,Jch—hab’.
meinen Willen durchgesetzt und sie
vor Arbeit und Armuth bewahrt
s— aber ihr Glück ist darüber in
Stücke aebrochen ....«
Der Vater zuckte zusammen.
»Und wenn der da oben trotzdem
sagte: ,,Alter Mann, ich will ein Ein
sehen haben mit deiner Thorheit und
will’S zum guten Ende führen
um ihrer Treue halber ....«
Sie richtete sich hoch auf und schilt
telte den Kopf. .. . »Das sagt er nicht
—- er hat geschwiegen in den langen
Nächten, wo ich vor ihm auf den
Finieen lag, und er wird weiter schwei
gen!«-—
Fast scl,ien’s als ginge bei diesen
Reden ein Sonnenlenchten durch die
tiefen Augen des alten Mannes, der
heut’ »zum letzten Mal ----— den
grauen Noct mit den silbernen Tressen
Und grünen Kotarden trägt . . . .
aber sein Mund bleibt geschlossen. Er
folgt langsam der hohen Gestalt sei
nes Kindes, die vor ihm her den
schmalen Waldtocg gleitet, und als sie
im Haus verschwunden iit — nimmt
er den Hut vom Kopf und faltet die
Hände... es ist, als ob er betet...
Mechthild geht in des Vaters Ar
beitszimmer. wo der ,,Neue« sie er
wartet -— —
Graue Dämmerschatten liegen über
der Einrichtung des hohen Raumes
nnd hüllen die Männergestalt am
Fenster dicht ein. Jshr ist plötzlich so
müde und wunschlos zur Muth...
es ist ganz aleich . .. ob noch dies oder
jenes Geweih mit in ihr neues Heim
wandert —
»Der Vater sagt mir, daß Sie mich
zu sprechen wünschen, wegen der Sa
chen, die wir mitnehmen wollen,« sagt
sie nach einer Weile lanaen Wartens
der Mann am Fenster entgegnete
nichts... Sie tritt ungeduldig näher
da tonimt ihr auch der Fremde
entaegen...aanz langsam und feier
lich . · . und bleibt dicht vor ihr stehen.
Sie sieht in sein schönes, sonnenae
bräuntes Gesicht und schreit aus...
Nun ist wieder auferstanden —- jene
Glückes-seit -—-—— wo die Rosen
blühen und sie sich Treue schwiiren———
—- oder träumt sie?. . . — —
Der Mann vor ihr ist nicht länger
im Stande, seine Ruhe zu bewahren
—- —— er reißt sie an sich und bedeckt
ihrGesicht mit beißen Fiiissen... —
»Mechtbild«, raunt er ihr ins Ohr . »
Jetzt endlich bin ich sotveit... ist sie
noch so lebendig und heiß in dir, die
alte Liebe — wie in mir?«
Sie schmiegt sich fest an ihn und
nickt mit dem Kopf... zu sprechen
vermag sie nicht . . .
Da hebt er sie mit starken Armen
—-— jauchzend vor Seligkeit -—· hoch
empor --—— »Nun wird wieder ausge
ldactt, mein Lieb . .. ein paar Wochen,
dann bist du meine herzliebe Haus
sraii... und dem Vater richten wir
das Stiiblein niiit dem Ausblick aus
den Schieszstand ein . . ."
Da findet sie endlich Worte —
,,Heinz, warum ließest du mich so
lange warten?« sragte sie mit
scheuer Stimme, als sit-echte sie, ihr
Glück könne wieder davonsliegen...
»Weil ich nicht früher kommen
wollte —— als bis ich mich emporge
rungen hatte —— --— nicht um deinet
willen —- nein. um des Mißirauens
deines Vaters halber-, das meinem
Phannesstolz damals weh gethan hat
e...«
»Und nun willst du ihn in deinem
Haus bebalten... den alten Mann
---— der uns zehn Glücksiabee nahm?«
i Er fah ihr weich in die Augen . ..
»Er ist doch dein Vater, Mechtshild . ..
und wir haben uns vorher schon aus
gesprochen.«
Da neigt sie sich zu ihm und küßt
—- ehe er es zu verhindern vermag-—
seine Hand. »Du Guter... Ein
ziget . .!«
»Und nun frag mich heute nichts
jreiter... Liebling," sagte er und
führt sie zur Thür, »was noch zu er
zählen ist, sag ich dir, wenn du mein
Weib bist —- an stillen Winter-aben
den, wenn die Flocken fallen und die
Tannenäpsel im Kamin sprühen —
ietzt komm hinaus ans Grab der
Mutter — wo wir einst Abschied
nahmen . . .« -
Und sie gehen eng Meinem-derge
schmiegt durch die stille Waldespracht
. weiße Fäden spinnen sie heimlich
ein, und Mondstrahlen gleiten an
ihrer Seite . . .
Vom Grabe erhebt sich. —- als sie
nahen —- die Gestalt des Vaters und
ikommt ihnen entgegen... Eine stille
Weihe liegt auf feinen harten Zügen,
und in »den Augen schimmert was
Feuchtes . . .
Sie knieen in die duftende Pracht
der Reseden und Verbenen —- — just
wie damals . .. und legen die zittern
den Hände auf die goldenen Lettern
des weißen Kreuzes . . .
,,S-elig find, die reinen Herzens
bleiben...« und ringsumher jubeln
die Vöglein ihr Amen.
--
Jm Kreis herum.
Humoreste von A le r i s K o l b.
Der Geineindevorsteher Von Grillen
berq war in einer recht verdrießlichen
Stimmuna. Der Michl, der Dorfbot’,
hatt« im Ort einen alten, tanbstunnnen
nnd ausweietosen Fechtbrnder ausar
bracht, der gutwillia nicht mehr weiter i
zu brinaen war. Das war eine heitle
Geschichte das wußte der Vorsteher am
allerbesten. Da aab es weder Schreibe
reien nnd Scherereien und Lausereien
zum Gericht, und der fremde Mensch ?
mußte derweil verpflegt und beher- «
berat werden und fiel der Gemeinde
zur Last. » -
Darum kratzte sich der Vorsteher
auch nachdenklich hinter dein Ohre und .
fretulirte hin nnd her nnd ruhte nicht T
eher, bis ihm was einaesallen ist, denn
er war ein qar pfiffiger Mann
Dann hat er dem tanben Landstrei- «
eher eine warme Suvpe und ein Stiick
Brot geben lassen und hat um den
Michi aeschictt. «
»Michl!« hat er aefaat, ,,paß einmal
gut ans und itell’s sein an, wag ich dir
anstrag’. Jetzt läßt du deinen Säbel
in Haus-, nimmst einen recht qrosxen
Henkeltorb und den Stromer da und
führst ihn hinüber nach Nendorf zum
Vorsteher. Sagit ihm, daß dich deine
nllte hinaesrhickt hat um junaeGanseim
weil die in Neudorf halt aar so schön
und hillia sein sollen. Gerad« wie du
ins Dorf hinein wolltest, hist du aus
den armen Teufel gestoßen, der nicht
ein noch ans weiß und aug Mitleiden
hast dn ihn sum Vorsteher qefiihrt. --—
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Alls Ockck Weis chkOcll Wlk DcllLUlAIIll
los. und die Neudörsler sollen sieh
nieiter tiimmern.«
Der Mielil hat’s geschickt angestellt
nnd alles ausgeführt, wiss ihm ausge
traaen worden war.
Der Vorsteher von Neudorf ist griin
nnd gelb worden vor Aerger nnd hat
ansanaen zu schimvsen wegen den
Schreibereien, Scherereien nnd Laufe-s
reien nun Gericht.
,,Micht!« hat er gesagt ,d-eine Alte
häit’ dich auch können irgend wo an
ders hinsehieteu um haudeln.« Aber der
Michl hat schon nichts mehr gehört von
dieser Ned’, der toar schon ans und da
von. «
So hat sich der Vorsteher hingesetzt ;
zum Tisch, hat wiithend in seine Pseis ;
sensnitz’ hineingebissen und hat sinnirt
Dann hat er den tanben Landstrei
eher einen stassee und eine Semmel
geben lassen nnd hat um den Gemeini
dediener geschickt.
,,Willibald!« hat er gesagt, Jetzt
schnallst deinen Säbel ab, nimmst ei
nen Henkeltorb nnd führst den Fecht
brnder da hiniitser nach Griinan zum
Vorsteher. Sagst ihm, das-, dich deine
Alte geschickt hat um junge Ganseln,
weihe in Grünau halt aar so schön
und billig sein sollen. «Grad’ wie du
zum Dorf rein willst, stößt du aus den
armen, tauben Menschen, der nicht ein
noch aus weiß, und ans Barmherzig
keit hast ihn heraesiihrt zum Vor
steherz dann schaust, daß« du bei guten
Wind wieder sorttommst. Mach deine
Sach’ gut und verpatz nicht«
Der Willibald hat nichts verpaszt,
und schön hat er sein Sach" gemacht
und doch hätt’ ihn der Vorsteher von.
Grünau am liebsten zur Thiir hin-·
ausgeworfen, vor lauter Gall’, aber
der Willibald war schon draußen.
Der Vorsteher von Grünau hat tei
ne großen Umständ’ gemacht mit dem
Landstreicher und ist dirett zum Ge
meindediener gangen mit ihm.
,,Thoinas!« hat er gesagt, ,,jetzt legst
dein Säbel ab, nimmst einen Henkel
korb und führst den Alten da hinüber
nach Lan wies zum Vorsteher. Sagst
ihm, diaä dich« deine Alte hergeschickt
hat, um junge G-anseln, weils in
Langwiies halt gsak so schön und billi«
sein sollen. Grad’ wie du in’s Dor?
rein willst, stößt du aus den alten
Lendstreichser du, der nicht ein noch
aus weiß. Aus lauter Mitleiden hast’
ihn hergeführt zum Vorsteher. Gib
schön oöacht und verdikb nichts-·
Dem Vorsteher von Langwsies ist
vor lauter Schreck die Pfeife aus dem
Mund gefallen, wie der Thomas mit
sein Schüßling Vor ihm ausgetre
ten Rund sein Sprüchl hergesagt hat.
»Du mei!« hat er lamentirt, »das
ist eine schöne Bescheerung unsern
armen Ort trifft doch Schlag auf
Schlag; jetzt haben wir schon seit«einer
Fuzen Woche einen kleinen-, fremden
agabunden auf dem Hals-, aus dem
nichts raus zu bekommen ist, wo er
herstammt, und wohin er will und
jetzt bekommen wir auch noch diesen
Taubstummen in Kost und Quartier,
rein aus der Haut fahren könnt’
man.«
Aber er ist nicht aus der Haut ge
fahren, nur hingesetzt hat er sich und
hat angefangen zu speku-lisren, und
wenn der einmal spekulirt hat, dann
warcs auch nie umsonst.
An demselben Tag Abends sitzt der
Vorsteher von Grillenberg mit den
Bauern und dem Michl vor dein Ge
meindewirthshaus und erzählt, auf
welch’ schlaue Weis’ er heut den Land
streicher losgeworden ist. Die Bauern
haben sich müssen den Bauch halten
vor lauter Lachen iiber den klugen Ein
fall. Am meisten gelacht hat jedoch
der Vorsteher und der Michi.
Aber auf einmal reißt der Vorsteher
ganz entsetzt die Aug-en aus, als wenn
et ein Gespenst vor sich sehen that, und
das Larhen bleibt ihm in der Kehle
stecken. .
Steht da Plötzlich der hintendesileo:
sag, der Dorfbot’ von Langwie5, mit
einem mächtigen Henkeltorb am Arm,
Vor ihm und präsentirt ihm mit
»freundlickfem Grinsen den taubstum
snten Fechtbruder von heute früh und
dann extra noch ein-en kleinem zer
lumpten, schieläugigen Vagabundem
»Herr Vorsteher,« hebt der Kleofas
an, »meine Alt-e hatt’ mich l)e11t’ her
iitergesehictt um junge Gansetn, toeil’»:
in Grillenberg halt gar so schöne und
billige geben soll. Grad’ wie ich in’s
Dorf herein will, stoß’ ich da aus die
zwei armen Hasclreri. die nicht ein noch
aus wissen. Aus Barmherzigkeit hab’
ich sie hierher zu Euch gesiihrt.«
Der verwirrte Vorsteher wollt’ dem
listgenKteosas etwas antworten, aber
elf er sich von seinem Schrecken erholt
und seine Stimm’ wieder gefunden
hatte, war der Kleofas, trotz seines
lahmen Betrug-, schon wieder zum
Dorf hinaus-.
A
Der alte Regenschirui.
Eine Großstadtstizze von W i l he l in
H e r b e r t.
Jud fünften Stock einer Mieth5
iaserne in einem elenden Kämmerchen
wohnt-e eine verkriippelte Frauensper
sou. Jhr Mann war Bautaaelöhner
qetreseu Dort hatte ihsn bei einein
lisrdaugshub vor einem Jahre etwa
eine einstiirzende Kiesmasse erdrückt.
Seitdem kam die Krüppelhaste im
mer mehr und mehr herunter. Sie ver
diente sich allerdinag ein paarGroschen
mit leichten Auehilsearbeiten bei den
Leuten herum. Aber ihr Fluch wurde
der Schmaus-, dem sie theils um
Gram, Noth und Hunger zu vergess
ieu, theils um deswillen zusprach,
weil sie die Qual eines oraanischen
.sferzleidens, das ihr anhaftete, im
Fuseltauniel am meniasteu spürte.
Ihre Nachbarn, ihre Arbeitgeber
sitt-alten sie wohl darum. Aber sie
tonnte sich nicht mehr helfen —- sie
sand sich nicht mehr heraus zu einem
festen, energischen Entschluß, ,u einer
Flucht vor dein Dämon, der sieersaßt
Hüttc.
Wer den gutmiithiaen Menschen am
meisten leid that, das war nicht sie.
sondern ihr kleiner, vierjähriaer Bub’
-- der Tonerl.
Verkrüppelt wie seine Mutter, klein,
zart und aschsahlen GesichteT hum
pelte er den aunien Tag aus den Trep
pen, in den bösen herum Nie ohne
irgend ein Leid Denn bald purzelte
er mit seinen schwachen Gliedern selbst
an ein Hausen bald auch uiißhandelte
ihn im Rausche seine Mutter. Aber
man sah ihn nie weinen, klagen oder
vergrämt sein. Aus seinen großen,
hellen Aeugleiu schimmerte zu jeder
Ziet eine unschuldig-reine Ixjöhlichteih
eiu still-inneres Genießen, daß ihn je
der liebgewinuen mußte. So steckte
ihm den-: auch jedes im Hause etwas
zu und erheiterte ihm eine Minute sei
nes sonnenarmen Lebens, wo man
konnte.
Tonerl hatte einen steten Begleiter.
Einen alten Schirm.
Der Schirm war einmal vor ir
gend einer Thsiir stehen geblieben.
Niemand hatte sich desselben ange
nommen. Da hatte ihn der Kleine an
sich genommen.
Seitdem war der Schirm sein
liebster Geselle gweivorden Man sah
ihn nie ohne denselben, ob es regnete,
ob die Sonne schien Wenn er früh
Morgens die Treppe hinuntergestapft
kam ——- Stufe um Sstuse — und um
tlammerten die gelben Wachssinger
chen seiner rechten Hand den treuen
U
Gesahtten, der großer war als ck iet
ber, und wenn ihn spät Abends seine
heimkehrende Mutter mit rohen Ge
bärden zur Dachkammer emporzerrte,
schmiegte er sich eng an seinen Schirm
und dieser fing in zärtlicher Gegen
liebe manchen Pusf auf, der dem schma
len gekrümmten Rücken des armen
Kleinen zu edacht war.
Da plätz ich eines Abends, als die
Bucklige mit hochrothem Kopfe heimge
kommen war und schon die ganze
Treppe herauf den Knaben gescholten
und maltraitirt hatte, hörten die Nach
barn einen dumpfen Fall.
Sie eilten in das Kämmerchen her
über und sahen die Wittwe mit glä
sernen Augen auf dem Boden liegen.
Man lief nach einem Arzte.
Bis man einen fand, war die
Kranke auf dem dürftigen Lager, wo
hin man ste gebracht hatte, gestorben.
An einer Herzlähmung, sagte der
Arzt.
Guter das Kind, meinten die
Nachbarn und nahmen sich des Klei
nen mit jener Liebe an, die gerade
solche Leute, die selber schon des Häu
sigen erfahren haben, was wohl und
wehe thut, in bitteren Stunden zu
sammenhalten läßt.
Aber Tonerl, sonst so ein gutes,
solasames Kind, wollte nicht wanlen
und weichen. Sein unschuldiges, bra
ves Kinderherz war der ungetreuen
Mutter treu itn Tode.
So kanerie er ans seinem Schenkel
vor ihrem Bette und hielt bei der Mut
ter die Todten.oache, fest an seinen
treuen Schirm geklammert.
Mit dem Friihesten kamen die Nach
barn nach ihm zu sehen.
»Hast dich nicht recht gefürchtet, To
nerl?« fragten sie mitleidig und mach
ten sich nun doch Vorwürfe, das arme
Kind so allein gelassen zu haben.
Aber er sah sie freundlich an nnd
schüttelte den Kopf.
»« n dem Buben steckt was!« flü
sterten sie und nahmen sich vor, alles
zu thun, das; er in die rechten Hände
käme·
Dann tam der schlichte Sarg, in
den man die Verschiedene legte, und
jeder im Hause hängte einen Kranz
an die Sargpfofien, daß sie in einem
Blumendufte laa und nun in der
Sonnenhelle des Tages, von der
Milde des allfühnenden Todes »ver
schönt, fast verklärt auf dem weißen
Kissen aussah.
Ein Thränlein schlich sich- in die
qrofzen Augen des Kindes, und er
legte die Stirn aus die kalte, schlafse
Hand der Todten —- diese Hand, die
Zum ersten Mal im Leben gut und
willig siir ihn war und seine Liebko
sung duldete.
Inzwischen war ein älterer Mann
die Treppe heraufgestiegen und hatte
die Klingel an einer der Nachbarthii
ren gezogen.
Dort wohnte ecn Schreiber, der sich
mit dem Kopiren von Manuskripten
kümmerlich durchs Leben schlug.
»Ach, Herr Professor,« rief dieser
beim Osfnen bestürzt, »Sie bemühen
sich selbst —«— ich wollte mir heute er
lauben, bei Jhnen vorzusprechen -——
ich war einige Tage durch einen hef
tiaen Jnfluenza Anfall am Arbeiten
verhindert —- jetzt aber bin ich fertigt«
«Sagen Sie einmal « meinte der
etwas zerstreute Gelehrte, »h-abe ich
nicht bei Jhnen vor einiaer Zeit mei
nen Schirm stehen lassen?«
»Jhren Schirm? Einen älteren
gebrauchten Schirm?«
»Ja, ja, ganz richtig!«
»Ach das ist Jhr Schirm, welchen
der arme kleine Tonerl immer her-s
nmschleppt, dem aeftern Abend seine
Mutter gestorben ist «
Er erzählte mit weniqen schlichten
Worten die Geschichte des kleinen
Krüppels.
Der Professor war sehr ernst ge
worden nnd blickte sinnend vor sich
nieder.
,,Fithren Sie mich doch einmal zu
dem Kleinen,« sagte er dann.
" Als Beide in die Sterbekammer
traten, hatte der Junge seine Stel
lung noch nicht verändert. Nur ein
Frühsonnenstrahl fiel auf skin Köpf
chen nnd auf das Gesicht der Todten.
Ein feuchter Schimmer trat in das
W dss Wissen rissen-H
still heitere Duldttgesicht des Hinde
sclh. o
»Fürchte dich nichi,« slitsierte er,
»ich nehme dir deinenSchirm nicht —«
»Aber,« fügte er mit einem raschen
warmen Entschlusse hinzu, »Ach
selbst möchte ich mit mir nehmen!«
»Meine Schwester und ich hätten
viele Freude, ein junges Wesen wie
ein eigenes Kind erziehen zu können!«
setzte er bei.
»Ach,« lächelte der Schreiber, »Man
Sie das, thun Sie das — der Kleine
würde solch ein Glück verdienen!«
»Möchtest du denn mit mir gehen,
Tomer fragte der Gelehrte.
Er nickte und reichte dem Professor
sein kleines Händchen.
»Dann will ich dich gleich mitneh
men!« sagte dieser. »Nun mußt du
Lebewohl zu deiner Mutter sagen —
nvir wollen sie nicht aufwecken, son
dern schlummern lassen — sie schläft
so quil«
Er hob den Kleinen empor, der
seine Lippen aus das Gesicht seiner
Mutter drückte.
Dann legten seine dünnen Aerms
chen sorgsam den Schirm neben sie in
den Sarg. Er gab ihr das einzige
gliick mit, das er bis dahin besessen
te.
Wunderhare Geist-Wesen
wart.
Urbehaglich saßen die Stammgäste
des ,,Goldenen Stern« um ihren ge
müthlichen Ecktisch, und wohlige Wär
me, gespendet von dem grünen Kachel
ofen, durchströmte das getäfelte Zim
mer —- draußen aber war eine Kälte, ,
Daß der Hauch am Munde erstarrte.
Plötzlich öffnete sich die Thüre und
mit einem im tiefsten Basse gerufenen
,,Guten Abend!« betrat der alte För
ster Kronbichler das Lokal. Ein eisi
ger Hauch ging von ihm aus, er mußte
sich lange der großen Kälte ausgesetzt
haben; als er sich aber zwischen dem
Assessor und dem Apotheker niederließ,
stießen diese beiden einen förmlichen
Schrei der Verwunderung aus: Der
alte Weidmann hatte an seinem lan
gen, weißen Barte einen förmlichen
vexgletscherten Wasserfall! »Das bis
sel Eis meinen S’?« lächelte er sie an.
»Das ist ja gar nichts!« Und als die
Zimmerwärme allmählich mit dem Eis
den Thanprozeß vornahm, nahm er ein
Stück heraus ließ es zu Boden fallen,
bei seinem Zerbersten leise lachend,
und sagte:
»Ja, meine Herren, das ist noch gar
nichts-! Wie ich noch bei meinem Gra
sen in Nordostrußland diente, da hät
ten Sie mich Winters auf einem mei
ner Jnspektionsgänge in den dortigen
Urtväldern sehen sollen! Wenn ich da
nicht meine Riesentabalspfeise gehabt
hätte, ich glaube, ich wäre manchmal
überhaupt nur noch als Eisberg heim- «
gekommen . . . Prosit, meine Herren!
. . . Aber es hat diese Vereisung auch
ihr Gutes gehabt; ;sie hat mir einmal
wirklich und wahrhaftig das Leben ge
rettet. Das kam so: Einmal·im Win
ter ael)’ ich wieder mit meiner Pfeife,
dem bereisten Bart und meiner Büchse .
durch meinen Urwald. Auf einmal
nimmt die Kälte so überhand, daß ich
trotz meiner Fuchspelzhandschuhe
alaubte, mir die Hände zu erfrieren.
Ich stell’ also meinen Drilling an ei
nen Baumstämm, schlag’ mir die Hän
de nach Leibeskräften um die Brust
und lauf’ dazu hin und her —- — da
steht auf einmal, keine zwölf Gäng’
weit, ein Bär vor mir!« — O- — o!«
»Ja, ’s war eine z’widere G’schicht’!
Das Gewehr konnt’ ich nicht sofort er
reichen — was thun? Da kommt mir
cin origineller Gedanke: Jchs zieh’ wie
verrückt an meiner Pfeif’, blas’ dem
Bären ein paar Tabaswolken zu, die
ihn fast uinwarfen — und fahr’ dann
mit der glühenden Pfeif’ hinter meinen
Bart. Die Gluth thut natürlich ihre
Wirkung ——-— bald darauf hab’ ich ein
Riesenstiick Eis in der Hand und das
werf’ ich der Bestie sofort direkt auf
die Schnauze! Das hätten S’ sehen
sollen, ioie die geniest hat! Jch hab'
mich aber mit dem Schau’n nicht lang’
aufa’halten, sondern bin um meine
Vitchse aesptunaen. Schrums ——-«
schrumsl Da ist sie schon gelegen auch!
—- Wie groß der Eisbrocken ungefähr
war, meinen S’? Nun, so bei süns
Pfund mag er schon g’habt haben —
viel größer aber war meine Geiste-sae
aenwart, das müssen S’ sicher zuge
ben! --— Röserl. noch einen Grog und
dann eine Mc1ß!«
Vereiiifatiiusm.
»...Bei Jhnen wird jedenfalls
wohl auch schriftlich um die Hand Jhs
res Töchterchens angehalten, Herr
Koinmerzienrath?«
,,Sehr viel; habe mir extra einen
Stempel: »Töchter verweigert!« mas
chen lassen.«
Böse Erfahrung
Spaziergänger: »Da können Sie
lange warten, bis Jhr Automobil von
sekkbst wieder läuft; steigen Sie doch
a .«
Herr: ,,Werd’ mich schönen hüten;
neulich bin ich auch abgestiegen» . .
und g’rad in dem Augenblick ist’s mir
durchgebrannt.«
Vorschnelles Urtheil.
Gast (in einem Strandhotel): »Hö
ren Sie» Herr Wirth, Jhr Essen ist
aber viel schlechter, als es letztes Jahr
war»
Wirth:: »Unmöglich, mein Herri«