Senta Wolksbm«g. Roman von Hlsbetb Bokcbart LKapiteL 1 »Du willst das Kind also wirklich zu Dir aus die Wolfsburg nehmen, Maximiliaw?« . »Ja liebe Kinnla, Du weißt, daß es unseres Bruders letter Wunsch vor seinem Tode war.'« «Hm.« machte Gräsin Armberg und blickte nachdenklich vor sich hin, »Du hast Diethelm versprochen, für sein Kind zu sorgen; ich meine, damit wä reftDu nicht verpflichtet, es aus die Wolfsburg zu nehmen-« «Du irrst. Jch versprach nichts wei ter. als dem Kinde auf der Wolssburg eine Heimoth zu geben; es wäre sonst heimathlos." «Durch die Schuld des eigenen Va ters.'« Jn dem aristolratifchen Gesicht der Gräsin guckte es verächtlich auf. »Er sagte sich von seiner Familie los, um Kdmädiant zu werden. Damit hat er jedes Band zerrissen. jedes Recht an seine Familie MAX »Er hat es nie gefordert« —- Gras Mxismkilicm seufzte —- «er hat nur ge beten. Wir aber wiesen ihn kalt ab, nachdem wir vorher alles aufgeboten hatten,v ihn fiir die Familie zu retten. Seine Liede zusr Musik war stärker als die Bande des Blutes, seine Kunst stand ihm höher als sein stolzekName.« ,«Er want seines Namens niemals würd-ta;« schaltete die Gräsin mit her der Stimme ein. »Das hat er genug smn bewiesen, vor allem durch seine heirath mit der plebejischen Sängerin. Sekn Kin isi das Kind dieser Sän ger-rn. Das Blut der Mutter wird in fernen Adern fließen. Ich gebe Dir das zu jeden-few Maximilian wirst nicht viel lFreude mit Deiner Muth ernten-I Großmth?« fragte Maxi imilian nnd sah feine Schwester, deren stolzes, kaltes Gesicht wohl niemals eine wär mere Empfindung ausdrücken konnte, prüfend an. »Ich erfülle nichts weiter als eine Pflicht einem Todten gegen Ziele-ig« nnd Pflichten gegen Todte sind »Er weiß nichts von Deinem Ber sprechen, das Du ihm gabst, « erwiderte Gräfin Karla leise. »Mein —- warnm erinnerft Du mich gerade darun, was mir so schmerzlich ist: daß Dsiethelm meinen Brief,wot worin ich ihin das Versprechen gab, sein Kind zu mir zu nehmen, nicht mehr erhielt daß der Tod ihn vorher ! abgerufen hatte? —- Wber glaubst Du daß mir mein Versprechen darum we niger heilig sein wijrdh weil er es nicht mehr vernahm? Nein —- ich halte es. Ich habe meinen jüngeren und einzigen Bruder Diethelm geliebt und ; schwer unter dem Schlage gelitten, den i er gegen uns geführt hatte. Jch habe ; alle Bande brüderlicher Liebe zers schnitten, jeden Annäherungsversuch stolz imd kalt abgewiesen —- Dem Le benden konnte ich diese Härte zeigen —dem Todten gegenüber vermag ich es nicht« Gräfin Karla hatte während der Worte ihres Bruders angelegentlich ihre fein geschnittenen Fingernägel be trachtet. Jent hob sie den Blick. »Wie denkst Du Dir eigentlich die Erziehung dieses Kindes? Du stehst allein. bist Witwen kinderlos, hast Dich nie um Kinder gelümmert.« »Diese Frage ist berechtigt: ich stellte sie mir anfangs selbst.« »Nun —«und ieht?« «Mt« habe ich einen Ausweg ge- « »Und der wäre?« ·Ztenöchst werde ich eine altere er- » fahrene Dame zur Erzieherin derKlei- ! neu nnd Fugleich zur Repräsentation i meines Schlosses engagikenk »Mit Dn bereits eine solche im Amts« »Nein —- ich hoffte, Da würdest mir in der Wahl beistehen Eine Frau irisst darin viel eher und besser das Richti».« »An meinem Beistand sowie an mei ner Erfahrung in dieser Beziehung soll es Dir gewiß nicht fehlen, wenn Du wirklich bei der energischen Abwei sirng meines Rathschbaaes, das Mäd chen in Pension zu schicken, beharrst.« »Ich beharre dabei und nannte Dir bereits meine Gründe. Im übrigen traust Du mir hinsichtlich der Erzieh ung doch vielleicht zu wenig zu. Denke an hans Joachim.« »Du meinst Deinen Neffen, den Majoratserbeni Lieder Bruder, Du hast allerdings bei der Erziehung Gans Joachims mitgeholfenz er war same-Ihr bei Dir auf der Wolfsburg ais daheim bei seinen Eli-ern Und anch das gebe ich zu, daß er des Majo raiis würdigisi. Ader Du weißt, daß in seinen Adern rein-es Aristokratem - blui fließt, daß ihm die Traditionen « ; feines Standes im Blut lagen« «.-. » »Bei einem Kinde macht die Erzieh : nna alles. Mag sie bei diesem Kinde, T M mit dem Erbe seiner Eltern aus iifiet i,fi immerhin eine schwierigere so hoffe ich doch, alle schädlichen rieb-e in ihm entfernen in können, » M Standesbewußtsein in ihm groß ziehen nnd ei zu lehren» nach nn Fee-Im Mist-MS «val«ksse Wie-« stimmt-U » - —- mdie Musik fragte die zlaef Zwei-ich m nebenher detrieben. wenn nicht ganz fortgelassen werden« » »Hm-ja, das ist in der Theorie ja so weit ganz annehmbar-« «N«un — und in der Praxis meinst Du nicht? Selbstverständlich rechne ich dabei auf denBeistand einer Dame, die mich in meinen Plänen unterstüßh genau nach meinen Jnftruitionen ver fährt.« »Maximilisan, mir kommt da plötz lich ein Gedanke. Merkwürdig, daß ich ’ nicht schon früher darauf verfiel « rief Karls-, während der Bruder sie fras arnd ansah. »Ich glaube, ich kann Dir j schon heute eine passende Dame in l Aussicht stellen-.« »Ah, das wäre mir in der That sehr angenehm Laß hören« » »Sie ist mir seit langen Jahren be kannt. Erinnerst Du Dich der Haus- » dame des Grafen Hartenstein auf Ru dinitz?« »Nein. — Graf Hartenftein ist mir eben-falls nur oberfliichlich bekanni.« »Nun, diese Dame vertritt die Stelle der Hausfrau auf Dudinitz seit unge fiiha fünfzehn Jahren und hat des Grafen Kinder zur höchst-en Zufrie denheit des Vaters erzogen. Jetzt, da die Kinder erwachsen, zum Theil ver heirathet send, fühlt sie sich dort etwas überflüssig und sehnt sich nach um fnaareicherer Thiitigkeii. Hier wäre das rechte-Feld fiitsr sie. Sie ist aus gutem, adliaem Hause und gilt fiir sehr ertlusiv und gewissenhaft. Wenn Du willst, werde ich ihr den Vorschlag unterbreiten« « »Ja, bitte, these das, liebe Karls-, ich werde Dir sehr dankbar sein, denn Du enthebft mich damit einer großen Sorge. Doch -—Du bift aufgestan den, willst Du schon soffs-« »Is. mein Mann und meine Kinder erwarten mich früh zurück. Jch kam auch nur hierher, um die Angelegen heit noch eian mit Dir zu bespre chen. Apropos -— wann wird die Kleine eintreffen?« YJn einsam Wochen denke ich; sie besskndet sich bereits auf der Heim reie.« «Rrist sie allein?« »Nein, ihre Meterin bealeitet sie; zudem befindet sie fich im Schuhe eines Ehepaares, das mit Dietbelrn befrei-n det war und wie er eine Gastspielreise nach Amerika unternommen hatte-. Dem Bruder brachte diese Reise den Tod. Durch eine heftiae Eriiiltuna zoa er sich eine Lunaenentziinduna zu und starb daran in der Blüthe seiner Kraft und Jahre. Er war erst 39 Jahre alt.« «Dsieses Ehepaar gehört also auch dem Schauspieierstande an?« fragte die Gräfin, ohne von ihres Bruders letzten Worten Notiz zu nehmen· »Sie sind Opernsiinaer, wie Piet helm es war.« »Und in dieser Gesellschaft ließest Du das Kind noch volle sechs Mo miet« »Was blieb mir denn anderes übrig? Diethelin hatte es so vor seinem Tode bestimmt. Er wollte seine Tochter be areiflichermeise nicht allein sdie weite Rise iiber den Ozean machen lassen und ftllte sie daher in den Schuß fei ner Freunde. Da diese bis jetzt in Amerika verpflichtet waren, so mußte sie so lanae in der Familie bleiben. heute erhielt ich von Rodenbach —- so beißt der Freund —- die Nachricht, daß sie sich in drei Wochen in New York ein-schifer wollten, und daß er die Tochter Dietbelms sicher nach der Wolfsbura befördern würde. Nach dem Poststrnwel des Briefes zu urtheilen, müßten sie sich demnach unterwegs be finden, und ich denke, wir können sie in ungefähr drei Wochen erwarten.« »Bis der-Un werde ich die Sache mit Fräulein Rudert —ich vergaß vor hin, Dir ihrenRamen zu nennen — erkediat baben.« Das Geschwisterpaar war während des letzten Gesprächs die Freitreppe hinunter gestiegen und ftand nun an dem vor dem Portal haltenden Wagen der Arenbera Der Diener hielt mit aezogenem hat den Schlag offen. Ein iurzes Abschiedswort an den Bruder, nnd Gräfin Arenberg stieg ein-. Der Diener sprang auf den Bock, und der Wagen rollte davon. Graf vaimilian begab sich in sein Zimmer zurück. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und stützte den Kon in die Hand. So saß er geraume Zeit in tieer Nachdenken versunken. Er war sonst nicht grüblerisch veranlagt; H feine Natur neigte vielmehr zu frischer s That, doch die Umwälzung, die seinem Hause bevorstand, der neue Zuwachs für die Familie, die damit verbunde nen Aufgaben und Pflichten beschäf tigten seine Gedanken, boten ihm zu mancher Sorge, zu manchem Bedenken Anlaß. Heute hatte das Gespräch mit seiner Schwester Katla Erinnerunan an- liinait vergangene Zeiten in ihm l wachgerufen, nnd er ging ihnen fasij wider Willen nach· l Er sah sich als Knabe mit seinem« um ein Jahr itingeren Bruder Dieb i beim zusammen ihre kindlichen Spiele J ausführen er fah sich später mit ihm im Kadetteniorps und darauf als frisch gebadene Monats in ein und Ring-lösen Beginnend So verschieden die der auch geartet waren, hatte sie eine herzliche beideer Zutri sung verbunden« die aber bald eirsen unheilbaren Riß erhielt. . Schon von trübesterjtmdheit an zeig-te der weichderzige Dutbelm einen schwör-tierischen Hang zur Musik. Er konnte über der Ausübung derselben seine Schulaufgaben, ja die Unter richtssiunden vergessen und zog sieh deshalb manche Strafe oder Rüge fes nes Vaters und seiner Lehrer zu. Spa tser wurde die Musik zur Leidenschaft bei ihm. Man sagte, daß sie den Wolfsburgern im Blute läge; sie hat ten ihr fast alle mehr oder minder ge buldiat. Ein Mitglied sollte foaat die Absicht aedabt haben, sich der Bühnen laufbahn zu wsidmen, was von den Verwanan aber noch rechtzeitig der hindert worden war. Vielleicht mochte die Kenntniß dieser— T.wt«ik1M-soyie -«ore verrenenoe Person« die noch Ieore. auf ihn einaetvirkt haben, kurz und gut, er trug sich mit ähnlichen Plänen und traf in aller Heimlichleit seine Vorbereitungen. Berlin. darin die Brüder in einem Gardereaiment stan den, bot ja in dieser Beziehung An regung und Versuchung genug; dazu kam noch, daß ihm nach seiner Ansicht als zweitgeborener Sohn ein sehr zweckloses Leben bevorstand. Verdi sizrieskstand mit seiner strengen Diszi plin war ohnehin nicht nach seinem Geschmack, und ersehnte sich nach einem freien Beruf, der ihn ganz und gar erfüllte. Natürlich stieß er bei seiner Familie aus den heftiqsten Widerstand Man liess kein Mittel unversucht, ihn von seiner Idee abzulenken. Er wurde in :eine kleine Garnison versetzt, tvo er keine Nahrung an Ober und Konzer Tien finden konnte. Aber aerade diese FEntziehung jeglicher Musik trieb ihn. fallen Vorstellungen und Warnung-n I seines Bruders zum Trotz, ohne Wis sen und Willen des Vaters den Ab schied zu fordern. Er kehrte in die bauvtstadt zurück, setzte seine Gesang fiudien fort, und da er mit einer herrlichen Tenosrstimme benabt war. erhielt er bald ein Enaaaement als Opernsänger an der Königlichen Oper in Berlin. Diese Extravaganzen seines zweiten Sohnes empörten und erziirnten den adelsiolzen Vater bis aus das Maßre sie. Diethrlm war soeben majorenn ge worden, und er konnte ihn nicht zur Umkehr zwingen, aber er enterbte den ungerathenen Sohn und sagte ich gänzlich von ihm los. Desgleichent t dr Bruder, dessen Stolz wie der des Vaters aus das empfindlichste verleßt war. Marimilian sorderte ebenfalls seinen Abschied aus dem Garderegi nsent, da er es nicht ertrug. den Na men seines Bruders als Opernsiinger an den Anschlaasiiulen derselben Stadt, darin er als Ossizier stand, zu lesn. und er seinen Kameraden ge aeniiber den Bruder nicht verleugnen konnte. Dieihelm von Wolssburg, der ehemalige Kamerad, bildete ohnedies vorläufig das Tagesqespräch unter den Offizieren. H Maximilian kehrte aus die Wokss ) burg zurück —— die Mutter lebte längst jnicht mehr — und widmete sich der Landwirthschast und dem Studium seiner Lieblngswissenschasten Ter Ofsizierstand war ihm bekleidet wor den, zumal ihm durch Diethelm, der in Berlin blieb, das Garderegimeni verschlossen blieb. Doch zweiundiwaw zia Jahre sind bei einem jungenManne kein Alter, um schon an der Schalle festzutleben Es trieb ihn wieder sort aus Reisen. Er studirte in Jena und in Heidelberg und kehrte erst nach zwei Jahren auf die Wolssbura zu rück, ums bald daraus in den Hasen , i der Ehe einzulausen ! Von Diethelin drana ab und zu eine J Kunde zu den beiden Männern. Zwar .ginqen alle Briefe uneröffnet zurück, ) aber gegen Rad-richten die die Zeitung snach der Woligbura trua. lonnten : Vater und Bruder sich nicht verschlie »ßen. So erfuhr man, dasz Dietbelm jsich einen bedeutenden Namen durch ; seine Kunst gemacht hatte, daß er vom ;Vublitum wie von den Msajestäten « ausgezeichnet wurde. Diese Kunde Estimmte sie jedoch nickst versönblicher, denn der Umstand, dasz er sich mit Einer bürgerlichen Sängerin vertobt « hatte und selbst ein einfacher Bürger, der sich Diethelm Wolssburg nannte, geworden mar, trennte ibn für immer von der in ihrem Stolze schwer ge trosfenen und verwundeten Familie. So hatt und unbeugsam sich Maxi milian dem entarteten Bruder gegen über gezeigt, so konsequent er jeden Annäbernnasversuch abgelehnt hatte, so war doch noch ein Rest von Zunä auna geblieben, der sich weder durch Stolz noch Vorurtbeile übertünchen ließ. Freilich, den Opernsänger und dessen Familie als Verwandte zu be trachten und anzuerterrnem das ließ sein Stolz nicht zu. Darum mußte der Bruch bestehen bleiben, und es schien teine Brücke über den trennen den Abgrund zu geben. Der alte Gras Wolssburg war un terdes im Groll genen seinen· Sohn Dietbelm gestorben, und Maxtmilian wurde Maioratöherr von Wolssburg. Er war bereits vermählt und lebte mit seiner Gattin, einer geboren-en Griisin Jauche-in in tinderloser,·wemg gleic licher Ebe. Nicht die Liebe, sondern äußere Bortbette hatten sie zusammen gew. und demgemaß geitaltete sich ihre Ebe. Jeder Fing seinen eigenen Neigungen nach.- nnd ob diese sich guch dirett zuwiderliesem so Jegte temkk dem anderen ein Hindernis entgegen. Das war das einzige Erteazltche die Bunde-. Ein indem rbe «tte wcatten vieiieicht einander n bee gebracht, aber schon mich DOMAIN sen mä einer schweren Vom ist-. eintrete- vte umt- tede Dein-m mit . ein Kind siir autgeschlo en. Ob die Msin unter dieser Gewi beit litt und ob ihre Sucht nach Geselliateii nur eine Uebertäubuna ihrer Gefühle war, vermochte niemand zu ergründen Sie war immer strahlend uatd voll über sprubeinben Geistes in Gesellschaft anderer und lehrte ihre iible Laune nur zuweilen dem Gatten gegenüber braus. Doch Gras Maximilian ver schanzte sich hinter seine Arbeit und vergaß bieOede nnd Leere seiner Ehe ! über seinen Büchern und der Bewirtlp » schastung seines Gutes-. Kein Zu ? seines ernsten Gesichies verrieth, o ? und daß er litt, ja, als er den rechten ; Erben für das Maiorat gesunden hatte, schien er sich mit der Thaisacht, - keinen leibliche-i Erben zu besitzen, ab- . gesunden zu Well, Uns hemman seine Sorgfalt und seine Gedanken . aus die Erziehung dieses Erden. Hans Joachim von Wolssbutg, deri Sohn eines Vetters, war als letzter seines Stammes zum Majoratsherrn ausersehen worden. Er war ein sti- s scher, lustiger und kräftiger Junge, den » Gras Maxiinilian mit der Zeit immer « lieber gewann. Hans Joachim ver brachte seine Kindheit und Jünglinas- r zeit zum arösiten Theil aus dest Wolfs- ; burg. Maximilian wünschte. daß der » Knabe schon srtih sein einstiaes Erbe tennen und lieben lernen sollte, und vielleicht leitete ihn auch der Wunsch. seinem öden Leben in der Ehe durch; die Anweinbeit eines frischen Kindes; einen Ableiter zu geben. Die Eltern Hans Joachims ließen es willia qu dasi derSohn mehr aus der Wolfs-; bura als daheim bei ihnen war. Der : Vater wasr ein lriintlicher, nöraelnders Mann und wußte mit dem wilden Knaben ohnedies nichts anzufangen, ! und die Mutter brachte aern das-Dosen ! da ihrem Kinde so bedeutende Vor- i theile daraus erwuchseir. » So wurde Hans Joachim auf der l Wolisburq erzogen, und später, als er im Kadettentorvs und im Reaiment stand, verbrachte er seine Ferien und seinen Urlaub stets auf der Wolfs burn. In Gras Maximiliam den er Onkel nannte, sah er bald seinen zweiten Vater und gewohnte sich über raschend schnell an den Gedanken, einst selbst der herr über das reiche Majo rat zu werden. Niemand tonnte es ihm streitig machen. Maximilians jün gerer Bruder Diethelm und dessen Nachkommen tamen für die Erbsolqe nicht in Betracht, einmal, weil Piet helm einen Stand gewählt hatte, der für denMaioratsbesitz unzulässig war, und zweitens, weil er den Adel, wenn auch nicht urkundlich, so doch injder Führung abgelegt hatte. Wenn Gras Maxtmilian jedoch ge- » hofft hatte, Hans Joachim würde ein ’ bindendes Glied zwischen sich und der Gattin werden, so hatte et sich ge täuscht. Die Gräsin brachte dein Kna ben taum mehr als die nöthige An theilnahme entgegen und tiinimerte sich garnicht um ihn. Nach wie var ging fie»ihrer Geselliateit und ihren Ver-» anuaunaen nach und schien stir nichts anderes Interesse zu haben. So blieb das Leben in der alten Weise bestehen. » Da, eines Tages ——vor zwei Jah ren war es —- trua man ihm seine Gattin todt ins Haus«-. Ihr Pferd-— sie ritt«strts die wildesten Thiere — war mit ihr durchaeaanaen. hatte sich uberschlaaen und die Reiterin abge worfen. Diese war so unglücklich ge stutzt, daß insolae eines Schädel bruchs der sofortige Tod eingetreten Mk. Marimilian war achtunddreißig Jahre alt, als das aeschah Er sind im besten Mannesalter, in der Blüthe seiner Kraft. Sei es aber, daß seine Erfahrungen in seiner vierzehn Jahre währendenEhe ihm eine Wiederholung nicht erwünscht erscheinen ließen, oder wollte er Hans Joachim, den er herz lich lieb gewonnen und der sich bereits in die Rolle des tiinstiaen Maiorats herrn einglebt hatte, nicht enttäuschen, ihm nicht die Zukunft rauhen, turzum, er heirathete nicht zum zweiten Male. Von seinen Freunden und Bekannten scherzlfaft hinaeworsene Bemerkungen und Anspieiunaerr lehnte er damit ab, daß er jetzt mit seinen vierzig Jahren zu alt zum Heirathen sei. Keiner he stiirtte ihn mehr in dieser Ansicht als seine Schwester Karla. Sie ,die es als maßlose Unaerechtiateit ansah, daß die Töchter eines MaioratSherrn nur mit einer geringfügigen Summe aus dem Privatvermögen abgefunden wur den, während aller Reichthurn allein dein ältesten Sohn zufiel, hatte bereits ihre Pläne gemacht, auch indirelt, zum Majoratshesitz zu gelangen. Und zwar hatte sie den zu künftigen Maioratsherrn Joachim als Gatten siir ihre ietzt siebzebniiihrige Tochter Asta ausersehen. Mit stau nenswerther Energie aina sie diesem Ziele nach und scheute teine hindr dennoch, wenn » niss. Boten sich welche. so wurden sie J mit kalter Hand aus dem Wege ge räumt. Sie wußte, das; Maximilian seinem Neffen sehr zugethan war. und sie hoffte, dann auch stät-er auf ihre Tochter übertragen und das; aderhand Vor theile fiir sie daraus erwachsen wür den. Bis jetzt waren außer Hans Joa chim sie und ihre Familie die einzigen, die ihm nahe standen. Da mit einem Male drängte sich etwas dazwischen, an das sie nicht gedacht hatte. . Ihr Bruder Diethelm war schon von der Stunde an todt site sie gewe sen, als er den gewaaten Schritt, zur Bühne zu gehen, unternahm Als die Nachricht von seinem wirllichen Tode sie erreichte, war sie darum auch nur wenig davon berührt« worden: der weiche, warmherzige Dicethelni unddie kalte. Witthiae Karla hatten sich nie verstanden Crit alt sie erfuhr. daß Martmilian einst me« Met dasr sich diese Zuneigung I httms Kind zu sich aus die Wolfgburg zu nehmen, gerieth sie in Aufregung und versuchte alles, ihren Bruder du von abzubringem Sie witterte in stinktiv darin eine Gefahr fiir sich, und sei es auch nur die, daß ihres Bru Mznteresse dadurch getheilt werden e. Maximilian begegnete ihren Vor stellungen mit ruhiger, energischer Ab wehr-. Wie hart er selbst mit sich ge tcimpft, ehe er diesen Entschluß gefaßt hatte, davon erfuhr Karls nichts. Es schien ihm ebenfalls gewagt, das Kind n seine unmittelbare Nähe zu bringen. Er wußte von Diethelms Ehe und Fa milienverhältnissen so gut wie gar nichts. Nur, daß er sich im— Alter von zweiundzwanzig Jahren verwbt hatte und noch einige Jahre mit der Heirath hatte warten wollen, war zu seinen Ohren gekomm. Ob und wann die Ehe aeschlossen und ob ihr Kinder ent sprossen waren, hatte er nicht gewußt, bis er eines Tages einen Brief erhielt, der ihn von dein Vorhandenan einer Tochter Dietheims unterrichtete. Er hatte diesen Brief, der aus Ame riia bam und dessen Absender er nicht ahnte, erbrochen Er lautete also: »Ich liege im Sterben und beane meine letzten Kräfte, um an Dich zu schreiben. Wenn Dich meine Zeilen er reichen, weile ich wohl schon unter den Todten. Denn es steht schlimm mit mir, ich fühle mein Ende herannahen. Die Hitze steigt mir zum Herzen — der hustenansallckommt wieder — ich habe keinen Athem mehr ———- lebe wo l, mein Bruder.« « diesen Zeilen laa ein längerer Brief, der schon srüher einmal ge schrieben sein mußte. Er war ebenfale von Diethelm, aber noch in seiner schö nen, klaren Handschrift. Die Hand hatte noch nicht gezittert vor Fieber frost, die Sätze waren nicht abgerissen die Worte deutlich und nicht wie im ersten Schreiben halb unleserlich. Maximilian las auch diesen Brief« «Geliebter, theurer Bruder! Ehe ich weine Gastspielreise nach Nordamerika antrete, treibt es mich, Dir zu schreiben aus ganz seltsamen, duntlen Ahnungen heraus. Du weißt, daß ich stets eine sehr senstble Natur hatü und manche-, das noch in weiter Zukunft lag« vorausempsand So er geht es mir auch ietzt. Obgleich ich mich gesund und trästia fühle, ist es mir zuweilen, als sollte ich nicht lebend nach Deutschland zurückkehren Für den Fall. daß diese meine Ahnung sich erfüllt. schreibe ich heute. Wer weiß, ob mir im entscheidenden Moment noch Kraft und Besinnung dafür bliebe. Und meine erste Bie: ist: hast Diu dem Lebenden nie verae n können, so ver aieb dem Todten. Die Bahn, die ich ainq, war mir voraezeichnet, ich mußte sie aehen auch um den theuren Preis, J Euch zu verlieren. Fiir meine Person begehre ich nichts, nur sür mein ein ziges Kind, meine Tochter. Wenn ich nich-i mehr bin, steht sie allein und ver lassen in der Welt. Jhre Mutter so wie deren Verwandten sind todt, der Vater raubte ihr die seinigen. -—— Marimilian, ich appellire an Deine Bruderliebe: nimm Dich meines ver waisten Kindes an, laß es nicht ohne Schuß draußen in der Welt, gieb ihm aus der Wolssbura eine Heimath Ein kleines Vermöaen, das ich mir in meinem Berus ersparte, sichert meiner Tochter ein in dieser Hinsicht sorgen sreies Leben, aber das Beste sehlt ihr: die Heimath Jch lege darum mein Wind in den Schoß meiner Familie zurück in herzlichem Vertrauen« aus Dich und Deine Zustimmung. In nie erloschener Liebe Dein Bruder Diethelm.« Diesem Brief waren von sremder Band wenige Zeilen zugefügt: ’ »Diethelni lieat an einer schweren Lunaenentziinduna darnieder. Die Ge nesuna ist nach Ausspruch der Aerzte ausaeichloisem das Schlimmste steht zu befürchten Rodenbach.« Tief erichiittert ieate Maximilian das Schreiben aus der Hand. Armee Bruder! So jung, erftneun unddreiszia Jahre alt, in der Vollirafi Deines Lebens sterben und ein Kind ohne Schutz- Heimatb und Familie Zurücklassen zu müssen! Das ift ein derbes Geschick. Aller Groll gegen den Bruder schwand. Nach darinn, aber kurzem Kampfe schrieb er zurück: »Es ift alles ver ziehen, Diethelrn, Dein Kind soll auf der Wolfsbura eine Heimath, in mir einen Beschützer finden.« I Umaebend ging dieses Schreiben ab, doch die Reife ist lang. Diethelm las nicht mehr die veriöhnenden Worte des Bruders, er konnte das Bewußtsein, lein Kind aeboraen zu wissen, nicht mehr mit inübernehmenx denn der Tod rief i n in der Zwischenzeit ab Die Todesnachricht traf zu gleicher Zeit, da Maximilians Schreiben in Amerika antanr., auf der Wolisburg ein« Mit Schmerz erfuhr Max-inu lian, daß iein Brief zu spät gekommen war. Ein Freund und Kollege Piet beim3, derselbe, der die Nachricht von seiner Eritaniuna an Diethelmö Brief gefügt und auch die Todesnachricht gesandt, hatte den Brief jedoch erbro chen und aelesen. Er befand sich mit feiner Gattin ebenfalls auf einer Gast ivielreise und hatte sich des verwaisten Kindes angenommen Der schrieb nun, daß er das Mädchen sicher nach der Wolföbura geleiten würde, allerdings erii in sechs Monaten, da er so lanae in Amerika verpflichtet iet. Er habe ei seinem Freunde Dietbelm verspro chen, sein Kind aus der Rückreiie nach Europa in seinen Schuh zu nehmen, und er hoffe, daß der Herr Graf rnit der Verwertung einverstanden ein würde. Gleichzeitig schickte er die - viere des Verimbenen ioioie das su rückaeiassene Testament Dieihelm be stimmte darin feinen Bruder Max.imi- . lian, Grafen von nnd zu Wolfsburg, , zum Vormund seines Kindes und zum Verwalter ihres Verknöaens. « Maximilian hatte die Papiere in Empfang genommen und sie sorgfaltig - in seinen Schreibiisch verschlossen, ebne ste, mit Ausnahme des Tefiamess einer genauere Prüfung zu unierziah Die Berzöaeruna der Ankunft de Kindes kam ihm in einer Hinsicht sehr erwünscht. Er hatte sich an sein einias mes, zurückaezoaenes Leben auf der Wolfsbura zu sehr aewöhni, als daß ihm eine Aenderuna in feiner Lebens weise, die Unruhe, welche die Anwe senheit eines Kindes mit sich brin en mußte, besonders erwünscht ge en wäre. Schon der Gedanke daran hatte ihm Unbehaaen vernrfachi. Erfi die hertiae Aussprache mii feiner Schwe ster, die ihm durch das Jnaussichisiel len einer passenden Dame eine fchwkte Sorge vom Herzen genommen hatte, lies; ihn der Ankunft der Kleinen aleichmiithiaen, ja mii einer gewissen frohen Erwartuna entgegensehem Wenn die einsamen Räume von frohem Lachen und Kinderiubeln widerklin gen, wenn kleine Füße über den Par ieiifußboden oder den fammiweichen Nasen des Bartes eilen wiirdeni Ueber das bis dahin ernsieGe cht des Grafen floa es bei solcher Vor l luna wie ein warmer, ionniaer Schein, der freilich nur zu bald wieder der schwand. Mit energischeni Ruck stand er aus« schüttelte die Zulunstsbilder und die alten Erinnerungen ab und lehrte in die Gegenwart zurück. Für den Be sitzer eines so weit ausgedehnt-en ret ckien Maiorats giebt es mancherlei Sorgen und Geschäfte. die einen gan zen Mann erfordern. Gras Wolfsburg erinnerte sich ietzt, daß er mit seinem Obersörster iiber neue Forstanlagem die isan sehr am Herzen lagen, hatte beratben wollen« Darunt- nahm er eilig Hut und Reitpeiiscbe und ging mit sesten Schritten zur Tbiir keinen-L Er war sehr groß und kräftig ge baut, und die Bewegungen waren lraftvoll und energisch· Der Sismun bart über den Livven ließ ibn aufden ersten Blick iiinaer erscheinen, als er eigentlich war, doch seine Züge spru cben von männlicker Reife, festem Willen nnd Charakter. Das Kovsdaar, das er lurz geschoren trug, liesin ei ner sogenannten Lansdzunge in die hohe Stirn aus« die von dunklen Brauen besebateten Augen lagen tief in ibren Höhlen und hatten eine un erariindlickre tveckiselvolle.Farbe; sie blickten meist streng und ernst. « lFortsetzung solgi.) « —.-—-- « Uetkivttrdtge alte seltenen-n Einige der ältesten und primitiv sten Einrichtungen siir die Zeitin - sung haben sich inertiviirdigertveie noch bis in unsere Zeit erhalten. Jn vielen Kirchen, Mönch-Dis und Nonnen tlöstern werden noch heute die abge tbeilten Lichter gebraucht, um die Dauer der Gebete zu messen: ebenso verwenden noch viele Köche und Köchinnen des zwanzigsten Jahrhun derts Sanduhren zum Eierlochen. Von allen Erfindungen zur Zeitbe stimmung ist wohl die Sonnenubr die älteste. Sie war schon den Bewoh nern Babylons belannt. Alte Sanduhren, von denen einige aus deni frühen Mittelalter stammen, sind von dem Sniithsonian - Insti tut in Washington gesammelt wor den: bei einer Prüfung dieser Sand gliiser haben die Gelehrten des Jn stiiuls gefunden, daß sie sehr unge nau sind, da einige eine Differenz bis zu sieben oder acht Minuten in der Stunde aufwiesen. Das läßt sich nur so erlliirem dgß sie nach einer Kerze geregelt wurden, da Uhren noch nicht erfunden waren und inan keinen besseren Maßstab hatte. Da nun aver Kerzen anfangs langsamer bren nen als später, ist dieser Mangel an Zuverlässigkeit erllärlich. Kerzen die ser Art wurden durch einen Schirm von Horn geschützt vor dem Winde. Noch heute kann man sie in Europa laufen. Die Wildrn des Stillen Ozeans bedienen sich zu demselben Zweck einer sehr ähnlichen Erfindung. Sie be stebt nämlich aus einer Anzahl öligee Nüsse, vom Gummilackbaum, die dicht aus der Mittelrippe eines Palm blattes aufgereibt werden. Dann werden sie aufgehängt, und nun wird die oberste Frucht angesteckt. die lang sam nach unten brennt. Da fast alle gleich grosz sind und jede etwa zehn Minuten brennt, wobei sich eine an der anderen entzündet, werden gerade etwa sechs in einer Stunde aufge zehrt. Wahrscheinlich ist diese pri mitive Methode der Zeitbestimmung ebenso genau wie die abgestuste Kerze oder die mittelalterliche Sanduhr. Die Zeitbestimmung ziemlich genau regeln zu können, musz eines der ersten Bedürfnisse der Menschen gewesen sein. -Daraus erklärt es sich, dafz so viele primitive Erfinder ibren Scharf smn für diesen Zweck aufgeboten ba ben. Die Nutzbarmachung des Schat tens —- eine chec, die ihre endgültige Entwicklung in der Sonnenubr fand — war wahrscheinlich die erste. Die erste Sonnenuhr mag ein Baum ge wesen sein; stand er am Anfange des Weges, den die Entwicklung von Ap paraten zusr Zeitbestimmung nahm, so bezeichnet der moderne Chiana meter das andere Ende. die bisher - volllommenste Form solcher Erfin dannen -Die Smithc haben heute Usend ein Jubiläurn.« —- ,,Wai wäre dass« ' — «Der hundertste Tag, daß ihr Dienstmädchen noch bei ihnen ist.« —