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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Nov. 17, 1905)
Aautlosen Gummirädern hielten vor eine Spezialität besaß, die es be JW Zu end-»Hu Ende! Weit iiher die balde weht der Wind Zu Ende ist alles, zu Ende! Leh’ wohl nun, Du liebes herziges Kindl Ich küß Die vie wagen Ida-we So möcht’ ich Dich halten immerzu, Möcht’ nimmer und nimmer Dich lassen. Voll liebender Sehnsucht immer so Mit starkem Arm D ch umsassenl Und dennoch! Und dennoch! Zum led ten Mal · Reich’ mir nun die rosigen Hände — Weit über die Halde webt der Wind-— Zu Ende ist alles, zu Ende! Das Braun-users Novellette von Andree d’Albert Jn dem feenhast erleuchteten Blu menladen der Rue Rohale herrschte das gewohnte geschäftige Treiben. Glänzende Equipagen aus vornehm dem berühmten Pariser Geschäft, das riihmt gemacht und vor seinen übri gen Konlurrenten ausgezeichnet hatte. Nirgends nämlich in dem großen vor nehmen Paris, wurde das Brautkut lett so geschmackvoll gebunden wie bei Madame Lamm-. Es besteht innerhalb der vornehmen Kreise Frankreichs der Brauch, von dem Tage der ossiziellen Verlobung an bis zur Hochzeit daß der Bräutigam seiner Auserwählten an jedem Morgen ein aus weißen Blumen bestehendes Blumenarrangement zuschiat. Je nach der Länge des Brautstandes kann man sich also wohl vorstellen, nelche Fiille von Phantasie und Geschmack dazu ge hört, um nicht monoton zu werden und jeden Tag den dusienden Morgen grusj in immer neuen Formen nnd Arrangements der Braut zu senden und das Loh zu erzwingen, daß heute das Bukett noch schonet sei als gestern, schöner als alle die vorhergehenden Tage. Und dieses Wunder bewirkte Madame Lacour nun schon seit vie len Jahren: sie verstand es aber auch, ihre Gehilsinnen zu wählen, sie hatte ein ganz besonders scharses Auae siir die Fähigkeiten der jungen Mädchen, die sich um eine Anstellung bei ihr bewarben: sie las ordentlich in ihren Seelen. während sie einige ganz gleichgültige Fragen an sie zu richten pflegte. Und diese seine Psycholoaim die ihre Kenntniß des menschlichen Herzensso geschickt auszudeuten ver stand, hatte sich auch diesmal nicht ge irrt, als sie ohne jede Empfehlung das blasse, junge Wesen mit den grossen dunklen, tiefgeränderten Augen, das vor ungefähr drei Monaten an ihre Thiir getlopst, ohne weiteres ausge nommen hatte. Das stille Mädchen, das nur unter ihrem Vornatren Ma demoiselle Madeleine von ihren Ge sährtinnen gekannt trat-, hatte sich bald durch ihre hervorraaende Geschick sichteit, durch die tzlnmutb und Poe sie, die sie in das einfachste Sträub chen hinein,!.uzaubern verstand, eine ganz besondere Stellung in der Gunst der Prinzipalin errungen. So war sie schon nach kurzer Zeit in dem be rühmten Geschäft so weit avancirt, daß ihr ausschließlich das so schwer zu tomvonirende Brautbutett —- diese lange Symphonie in Weiß » anver traut wurde. Eines nur heiingstiate Madame Lacour, die ihre begabte junge Angestellte ost mit ihren Blicken musterte, wenn sie sich ganz unbeobach tet glaubte: diese zunehmende. beäng stigende Magerteit der schlanten, fast durchsichtigen Hände. Man sah es diesen graziösen Fingern mit den gleich Qpalen glänzenden Nägeln iiberdies an, dasz sie keinerlei schwere Arbeit im Leben verrichtet hatten: sie schienen dazu bestimmt, nur Lilien und Rosen siir glückliche Menschentim der zu Kränzen zu winden· Heute war Mademoiselte Madeleine besonders gut inspirirt gewesen, sie hatte aber auch lange gesucht, bis sie unter dem Blüthenmeer, das sie um gab, eine glückliche Wahl getroffen: galt es doch. ein e r sie s Brautbutett abzuliefern, das der Bräutigam selbst am heutigen Morgen bestellt hatte, ganz zeitig, als Madame Lacour noch allein den Laden hütete. Und ihre Verwunderung hatte sich noch gestei gert, ats derselbe seingetleidete Herr in augenscheinlich überströmender Glückseligkeit ihr eingestanden, er habe die ganze Nacht tein Auge geschlossen und nur gewünscht. es möge Morgen werden, damit er hierher eilen und seiner anaebetew Braut. der er erst spat am Abend das beseligende Jsawort abgerunan, einen dustiaen Morgen arusz senden tönne. Und als er noch hinzugefügt, daß der Preis bei dieser Gabe gar nicht in Betracht tiirne. es müsse nur jeden Morgen das Schönste geliefert werden, was Madame La eour austreiben könne, da hatte die schlaue Geschöstssrau mit einem — freundlich überlegenensLiickeln nur ar ,· antwortet: »Sie können ganz ruhig -;»sein, mein Herr: ich werde die Anfer stiFietng dieser Butetts nur Moder-rosi ".s·«’« Madeleine anvertrauen. Sie sptvtrd ihrem Fräulein Braut iiialich die reizendte Ueberraschung bereiten, s sind wa e Blumenvreme, die un r ihren Händen hervorgehen.« " War es nur Täuschuna qewefen, .- v- r hatte bei der Nennuna des Na » ·«enö Madeleine etwas wie Unmuth »der die strahlend-n Züge des junan Mannes anuckh Madame Lacour " M die Bestellung für die Zeit des autstandes entgegengenommem und Yeöragåa Staats Zuzeiger nnd Yerold J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island. Nebr» 17. November 1905 (Zweitek Theil.) Jahrgang 26. No. 12. der verliebte Bräutigam — verliebt und freigebig,.ein Klient, wie sie im mer seltener werden — war ebenso eilig davongestiirzt, und Madame La cour sah ihm lächelnd nach. Welch’ ein Unterschied zwischen die em Frem den und der Mehrzahl ihrer Kunden, die sie in den langen Jahren an sich hatte vorbeidefiliren sehen! Wie kalt und gleichgültig, als ob es sich um den Anlauf des ersten besten Ge brauchsgeaenstandes handelte, hatten die meisten von ihnen ihre aalante Bestellung gemacht, um den Preis ge handelt und schließlich Name und Adresse des Mädchens hingeworfen, mit dem sie eben beschlossen, die lanae s Reise durchs Leben anzutreten »Es » thut einem ordentlich wohl, hier undi da einem Manne zu begenen«, der bis 1 -iiber die Ohren verliebt if ,« hattej Madame Lacour zu Mademoifelle Madeleine gefaat, die eben den Laden « betreten, um sich an ihre Arbeit zu be- « geben. »Das ist ’m-al fiir Sie, da können Sie Jhr Talent entfalten und ein recht ausdrucksvoll verliebtes Bu lett anfertigen. Sie sind ja eine kleine Meisterin in der Blumensprache ge worden nnd verstehen es, wie wenige, sich in ihr auszudriickrm Also dies mal heiszt es, erfte Liebe, fo tief und brennend, als ob es weder borherJ noch nachher eine Welt gebe ohne sie.« Um die tief herabgezoaenen Mund winlel des blassen Mädchens zuckt es wie verhaltener Schmerz, und eine Thräne gleitet langsam in den Kelchf der halbofsenen Rose, die sie zwischen I den Fingern hält, als sie sich an ihren aewohnien Platz begiebt, wo sie, ungesehen von den Käuferm still für sich schafft and unsagbar leidet· » Auch sie hatte einst geglaubt, dasi es . solche Liebe gebe, von der Madame La cour eben so beaeiftert zu ihr gespro chen. Auch sie hatte an einem lauen Frühlinasmorgen einen so stunk-ethis rend duftenden Strauß erhalten. wel- » cher erste, nie endende Liebe verkünden . sollte! Und doch, wie schnell war ihr Liebestraum zu Ende geträumt! Ihr Bräutiaani, der sie als reiche-A alltä liches Mädchen leunen aelernt. hatte zwar darauf bestanden, sein Heirath5 versprechen einzulöfem als sie ihm nach dem finanziellen Nan ihrer Fa milie und dem bald darauf erfolaten’ Tode ihres Vaters fein Wort zurück aeaeben, aber sie hatte nur zu sehr heraus-gefühlt. daf; er erleichtert auf- - gealksmcL als sle lym mll olurrnuruc Herzen ihren unabänderlichen Ent schluß anaeliindiat, sortan nur fiir ihre Mutter zu leben und siir deren llnterhalt arbeiten zu wollen« Und das hatte sie auch gethan, ohne Mur ren, unablässig bis auf den heutiaen Tan, und sich bemüht, ihre bearabene Liebe tief in der wunden Seel-e zu( verberaen, wo sie leiu menschliches Auge je entdecken durfte. Und nun dieles plötzliche Emporlodern all der verhaltenen Gluth unter dem Asche hausen der trüben, arauen Alltiiglich teit, diese berriitherische Thriine, die nicht ihrem Auge, sondern ihrem Herz blut entquoll, so daß sie sich gewundert hatte, als die weiße Rose, die sie in ihrer Hand ausgesungen, sich nicht roth gefärbt. . Warum hatte aber auch Madame Lacour gerade heute, gerade an dem Tage des Monats, wo sie seine Brieie immer wieder las, ihrem einstiaen Verlobunastaae, von diesem Bräuti gam zu ihr qesprochen, der so unne stiim uud zärtlich und treu zu lieben wüßte, während sie, die Verlasseue, traueru müßte, um ihren Geliebten, wie um einen Todten. Oh er wohl auch manchmal ihrer gedachte, in Reue und Schmerz? Ob der Zufall ihr ihn wohl noch einmal. unter all den Tausenden von gleichaiiltiaen Menschen, denen sie in der Riesenftadt täglich begeanete, in den Weg führen würde? Jhr war, als müßte ihr lranles Herz stille stehen iiir immer bei feinem plötzlichen Anblick, und ganz heimlich wünschte sie einen sol chen Fall herbei, wie schlaues ihr auch werden möchte, ihr Mütterchen allein zurück tu lassen unter den lal ten, harten Menschen. Aber lanae würde sie ja doch nicht mehr leben, das fühlte sie, das laate ihr auch der be lorate Blick des Arztes· Und während Todesaedanlen wie mit schwarzem Fliiaelschlaase ihre müde, junge Stirn umleeisten, wuchs der weiße Strauß in ihren Händen zu einem lichten Symbol der Freude und des blühen den Lebens. »So schön soll er wer den," fliilterte sie vor sich hin, »wir der erste. den »er« mir einst geschenkt, und dessen berauschenden Dust ich noch jetzt einzuathmen alaube.« — Eineu Monat später· Tag umTaa. sth Madeleine, derenAucgn fieberhaft gmnzten, oeten geromete wanan noyi aeworden waren, über den Myttben: strauß qebeugt, den sie soeben vollen det, und der die glückliche Braut an den Altar bei-leiten sollte. Seit vier Wochen hatte sie nun täglich ihr bestes Können eingelegt, hatte neidlos ihres einstigeu Geliebten zärtliches Liebes gefltister, feine leidenschaftliche Gluth, feine Schwiire ewiger Treue in die weißen Blüthen ihres Butetts mit ein geflochten. Da, auf einmal hörte fie, aus dem Laden kommend, eine Stim me, bei deren wohlbekanntem Klange die Gegenwart plötzlich zu versinten schien, als ob es nichts Häßliches mehr für sie auf Erden gäbe, keine Treulo sigteit und keinen Schmerz! Hochzeits märsche tönten in ihrer Phantasie, sie drückte den Myrthenstrauß an ihre brennenden Lippen —- ihr treuloser Bräutigam stand vor ihr! Und tvie im Traume hörte sie noch Madame Lacour sagen: »Der Herr wollte sich nur bei Ihnen bedanken für all die Mühe, die Sie sich gegeben, da es heute das letzte Butett ist, das sie für feine Braut gebunden; morgen feiert er seine Hochzeit.« Dann vergingen ihr die Sinne, der Myrthenftrausz ent glitt ihren Händen und sie fiel schwer zu Boden. » ,,Todt!« schrie geltend Madame La cour, die sich über den Körper des jun qen Mädchens beugte. »Todt!« wie derholte fast tonlos auch er, und das Brautbutett in den Schooß der Ent seelten legend, kniete er fchluchzrnd an Madeleines Seite nieder. -—-x-—— Das Gericht. Nach dem Leben von A. E. H e t t e r mann Der Winter war vorüber. Von gol dener Glorie umgeben, stieg die Kö nigin des Lichts majesiätisch am Hinr mel auf, das neue Herrscherjahr mildleuchtend und wärmend anzutre ten. Frisch belebt von dem Früh jabrswehen, regte sich Mensch und Thier-. · Der große, wohlgeordnete Gutshof machte im Morgenlicht einen wohl thuenden Eindruck. Die hohen Flügel der Thore der stattlichen Scheune und Ställe waren weit geöffnet-Ueber all war reges Leben. Jm Schafstall blötten munter die jungen Lämmer, im Kuhfiall brummte gemiithlich die Kuh, aus dem Pferdeftall tönte freu diges Wiehern, oben arn Taubenfchlag airrten zärtlich die Täubchen, und unten stolzirte der eitle Pfort,- zur i Feier teme Schonyen leuchten lassean Auf der Terrasse des Herrenhauses ordnete man zum Frühmahl. Die Tassen und Teller klapperten. Der Kessel brodelte und dampste, mit Motladuft die Luft erfüllend. Jetzt wurde die Thür des Hauses geöffnet. Zwei kräftige Gestalten mittleren Al ters, Mann und Frau, erschienen aus der Schwelle. »Ach«, sagte die Dame tiesathmend, »wie köstlich ist die Luft. Der erste wirklich durchwärmte Frühjahrstag. Nach so stürmischer Nacht hätte man dies nicht erwartet.« »Hm!« nickte der Herr des Hauses. Sein Falkenauge streifte prüfend die große Fläche des Hauses. ,,-Ord nung« war sein Wahlfpruch, und diese verlangte er auf Hof und Feld. ,,Kiihne! Kiihne!« erscholl plötzlich seine Stentorstimme. Schon von fern rief er dem Herbeieilenden im barschen Ton entgegen: »Was ist mit dem Storchnest? Das hängt ja nur noch und droht jeden Augenblick herunter-zufallen Daß ihr Leute so etwas nie selbst seht!« setzte er ärgerlich hinzu. Aller Augen wandten sich dem Schafstall zu, auf dessen einer Spitze des Giebels am Dach in der That kaum noch das Storchennest hing. »Der Sturm in der Nachtl« wagte der Befragte zu bemerken. »O, das Storchennest!« rief seuf zend die Dame. »Das bringt Un glück«. »Was, Unglück?« wiederholte der Gutsherr. ,,Unsinn, es wackelt nur.« Aber auch ihm schien der Vorfall Preis Nestes nicht ganz gleichgiltig zu e n. »Sogleich soll es wieder aufgerichtet werden, versteht Jhr?« sagte er zu Kühne gewendet. »Jeden Augenblick können die Störche wiederkehren.« — Am andern Morgen jauchzte eine fröhliche Kinderschaan »Die Störche sind wieder da! Die Störche find wieder dat« Richtig, da standen sie. Lebhaft be gannen sie mit den Schnäbeln «zu tlavpem — Verstanden sie die Be grüszung der fröhlichen Kinderschaar? — Jetzt wandten sie-ihre Aufmerksam ten oem veene zu. mnsi prusenv um sianden sie dieses. Hin und her neig ten sie bedenklich ihre langen Schna bel, dann flogen sie davon. Fanden sie nicht alles so geordnet, wie sie es verlassen? — Doch nach kurzer Zeit kehrte der eine, bald auch der andere wieder. , Das Bedenken war überwunden, I man richtete sich häuslich ein. Es grünten die Felder und blühten sdie Bäume, und oben im Storchnest Eging es fleißig her. Emsig flog der zStorch ab und zu, dem brütenden ; Weibchen Nahrung zu schaffen. ! Nach Wochen des fleißigen Hin und jHer ertönten Stimmchen. Man sah ! das glückliche Elternpaar stolz die i junge Brut beiiugeln. i Wieder vergingen Wochen. Die Felder keiften der Ernte entge s gen, als eines Tages auf der Terrasse s die Familie im Abendsonnenschein scherzend und plaudernd versammelt war. Da rief auf einmal der Gutsherr, von seinem Sitze springend: »Seht, was ist mit den Störchen?« Ja, merkwürdig war es. Das ganze Dach des Schafstalls war dicht mit sStörchen besetzt, die, dem Nest zuge wandt, mit gravitätischer Miene un beweglich dastanden. Das Nest selbst war eng von einer Anzahl umstanden, die alle ernsthaft hinein starrten. Plötzlich begann einer von diesen heftig zu ilappern. Es klang wie Zorn, und von der Schaar wurde mit demselben Ton die Bewegung einstimmig erwidert. — Dann erhoben sie die Flügel, und der ganze Schwarm zog in langem Zuge f dem Walde zu, Nest und Dach ver · I ödet zurücklassend. »Unsere sind auch mitgezogen«, rief betrübt der elfjährige Sohn des Hauses-. »Sie werden wiederkommen!« sagte begütigend die Mutter. »Noch ist die Zeit des Fortziehens nicht da. Die jungen Störche müssen erst die Ge wandtheit des Fliegen-?- innehaben, um die weite Reise unternehmen zu können.« Aber der Abend neigte sich, man rüstete sich zur Ruh’, und noch war l kein Storch zurückgekehrt. Da kam ein heimkehrender Jäger bursche über den Hof geschritten. · »Hör, Gottlieb!« rief der kleine E Kuri ihm entgegen. »Hast du unsere »Mrche nicht aefeben?« Der Angeredete streifte das leere Nest mit seinen Blicken. t »Waren auch unfere dabei?« fragte er. »Ich sah eine große Schaar auf der Waldwiese am Teiche. Sie wer den wiederkehren«, tröstete,er. Die erste Frage galt am andern Morgen dem Neste. Die Störche fehl ten, es war leer wie zuvor. »Es soll jemand aus das Dach stei gen, das Nest untersuchen!« befahl nun der Gutsherr. Was entdeckte man da! — Bier abgemagerte, verlassene Gän selein. Eine ruchlose Hand hatte dem ver trauenden Weibchen die Eier ver tauscht. Das war also die Ursache des Zor nes der Versammlung. Man hatte vie Schnäbel und die Beine der Nach kommenschaft zu kurz befunden. Die Ausführung des Rechtsprnchs fand man auf der Waldwiese am Teiche. Da lag die Leiche des unschuldigen Weibchens in ihrem Blut, von dem spitzen Schnabel eines Storches durch bohrt. Der verzweifelte Storchvater flüch tete in die Einsamkeit. Denn die Störche haben nnr ein Weibchen. Wenn sie es verlieren, bleiben sie al lein. Jetzt war es aufgeklärt --— Gerichts sitzung war gewesen! Ritwelt und Nachwelt. ,,The Critic« erzählt: Edgar Allen Poe, der berühmte amerikanische Dich ter, hatte bei Lebzeiten mit steten Nah rungssorgen zu kämpfen. Er war glücklich. wenn fein jährliches Einkom men auf 500 Doll. kam: seine Frau starb an einer durch Mangel und Entkriistung verschlimmerten Krank heit. Und jetzt wurde ein kleines Antograph des Dichters, ein Gedicht von 104 Zeilen, um 1000 Doll. ver kauft. Es handelt sich um »Matume«, das der Dichter vor 50 Jahren auf der Veranda des alten Hygieia-Hotels zu Old Point Comfort einigen Freun den vorgelesen hat. Darunter war auch eine Miß Susan Jngram, die das Manuskript von Poe zum Ge schenk erhielt. Die Dame lebt noch und hat jüngst in New York iiir die fes Andenken an den bei Lebzeiten doch auch schon anerkannten Dichter das Doppelte erhalten, was dieser glücklich war, in einem Jahre einzu nehmen« sos — Das Herz urtheilt oft richtiger als der Kopf. Feierabend. (Ein Bild aus Mecklenburg, von Heinrich Lee.) Auf dem Lande Mecklenburg glänzt die Abendsonne des Oktobers. Nicht nur der Tag, auch der Sommer geht zur Rüste. Es wird Feierabend. Weite Ebene, sanfte Hügelzüge, an steigende Kuppen mit gelben Stoppel feldern, grünen Weidefluren, schwarz umrandeten Torfstichen, wildliegenden Brachen, fettbraunem frischgepslügten 1Erdreich —- die Höhen des uralisch baltischen Landrückens. Kein dunkler von riesigen grauschwarzen Stämmen umstandener Sumpf oder weite blau ende, schilfumrahmte Seen. Und überall in Busch, in Wald, in schmalen · Ackerscheiden das die Fruchtbarkeit des Bodens verkündende, urkräftige, vom Herbst noch kaum gefärbte Laubholz, auf Meilen weit nur hier und dort durch einen plötzlich auftauchenden und ebenso schnell wieder verschwindenden Strich Fichten unterbrochen — und in dem satten Grün funkeln weithin die rothen Beeren der Eberesche, der wil den Rose und des Weißdorns, ver mischt mit den großen blauen des Schlehdorns, einer Kette von Korallen und Saphiren vergleichbar, mit der sich Mutter Natur noch rasch zu jenem Feierabend, dem ganz großen, dem sie entgegengeht, schmückt. Auf den Wiesen liegt das gemähte Grummet. Jn den Stoppelfeldern, auf denen hohe Getreideschober stehen, wei den in langen schnatternden Heerden die magerenStoppelgänse, bald für die Mast reif. Hier und dort auf einem alten Kleeselde grasen braune Schafe und aus grünen, umzäunten Koppeln muntere Füllen und buntes Jungvieh, als wäre es gar nicht wahr, daß Mecklenburg ein Land der Stallfütte- - rung ist. Hoch, hoch oben durch die verblassenden Lüste aber segelt in dunklem dreieckigen Zuge ein Schwarm Kraniche Noch haben sie vom Norden nicht Abschied genommen, als können sie sich von den gastlichen Seen und Sümpsen dieses Landes nicht trennen. . Auf den Kattoffelfeldetn, Verent Kraut schon schwarz und faul gewor den ist, wird Ernte abgehalten und Iblau gualmende Feuer steigen auf. Durch die braunen, lehmigen Acker schollen gleiten die Pflugscharen, oft zehn und zwölf hinter einander, jede von zwei Pferden gezogen, auf deren einein der in eine blaue Jacke gekleidete Knecht sitzt. Oder die Egge zieht hin- l durch, mit Vieren bespannt. Mit Vieren bespannt, der schwierigen Landwege halber, und vom Kutscher aus dem Sattel gelenkt, ziehen nun auch die ersten Wagen heimwärts. Weithin hörbar dxirch die stille Luft klingt aus dem einen, zur Mundhar monika gesungen, ein eintöniges, pol nisches Lied —- von den fremden Schnittern, die znr Ernte gekommen sind. An Arbeitern, so wird in dem vorbeirollenden Vahnzug erzählt, ha ben nur diejenigen Herren Noth, die sie nicht gut behandeln. Namen wer den genannt — alte mecklenburgische Adelsnamen, die jeder Einzelne in den Wagen kennt, und mit dem Namen auch ganz genau die persönlichen und wirthschastlichen Verhältnisse des Ge nannten, die gleichfalls wieder Jeder kennt. Denn das Ländchen ist klein, und weil es sonst nichts Großes darin giebt, nicht einmal eine Industrie — abgesehen von den paar Zuckerfabri ken, die ja gleichfalls den Grundbe sitzern und den Ritterschaftlichen ge hören ——, so kehrt die Unterhaltung immer wieder zu diesem einen Stoff zurück. Nur ganz selten, daß der Zug ein mal an einein Bauerndorf vorüber rollt, wohl aber an fernen, durch die weite Einsamkeit herüberschimmern den, parkumschlossenen stattlichen Her renhäusern, von denen die Fahne weht, zum Zeichen, daß der Herr zu Hause ist —- und um das Hurenhaus-, wie die Kiichlein um die Klucke, schmiegen sich kleine rothe Ziegelhäuschen, die Kathen der Hofegänger, und riesen hafte, strotzende Wirthschaftsgebäude. Auch in den Kathen ist nun der Feier abend eingekehrt. und wir, die mit ihm » darin einkehren, wir können sehen, daß sie einem guten Herrn gehören. Alles darin ist gut und fest gebaut, in dem kleinen Hofe stehenGänse undSchweine und im Stall eine Kuh. Seit mehr als zwanzig Jahren ist kein Hofegän ger von mer fortgezogen Dag eren ist mühsam, und die Freude des Feier abends besteht darin, so schnell wie möalich in die dicken Betten zu kriechen, . dafür aber kennt man hier auch nicht die Noth und den Hunger, wie ihn mit Weib und-Kind so Mancher kennen I lernt, yet in die Stadt oder in die be W nachbarten Jndustriebezirke Wogen ist. Jm Pakt auf dem Weiher, auf den die Buchen schon gelbe Blätter ge streut haben, schwimmen stille Schwö ne, und in dem verschwiegen daliegen den Schlosse flammen hinter verhüll ten Fenstern über bunten Asterbeeten die ersten Lichter auf. Anders der einsam in den Feldern stehende, von der grauen Feldsteinmauer umfriedete Bauernhof. Auf der den Feldern zu gekehrten Strohdachspitze, aus der in schon dunkelnden Umrissen ein hölzer ner Pferdekopf hervorraqt, lagert auss fchwärzlichem zerzausten Stroh ein verlassenes Storchnest. Ueber den ge pflasterten Weg, der mitten durch den ; Hof geht, auf der einen Seite an der T großen Dunggrube vorbei, auf der anderen an dem Brunnen, aus dem der Hebebalken ragt, poltert der letzte, hoch mit Korn beladene Wagen herein. Draußen aver über den Wiesen schwe ben, nun die Sonne untergegangen ist, weiße Nebel, wie geisterhafte Heere, die . aus dem Boden, in dem sie begraben lagen, nächtlich auferstehen. Heere, die diesen Boden, um ihn noch frucht barer zu machen, mit ihrem Blute düngten —- die Heere Wallensteins und Tillhs, Napoleons und Blüchers. Auch fie, Sieger und Besiegte, sind nun schon längst zum großen Feierabend einge «gangen. Auch durch die kleinen Städtchen zieht der Abendfrieden. Die Häuser darin sind oft nur so hoch, daß, wie der Mecklenburger davon selber sagt, der, der den Hausschliissel abzieht, ihn oben in die Dachraufe legen kann. Mit Glockengeläute kommen von der Weide draußen durch die Gassen die Rinder heim, und jedes findet von sel ber seinen Stall. Jn stämmiger, kar ger, von den Jahrhunderten ungebra chener Pracht ragen röthliche zieaelae mauerte alte Stadtthore auf, die fei ne gothischen Spitzbögen oben von ei nem letzten Schimmer durchleuchtet, als hätte die versunkene Sonne in dem rothen Stein noch ihre Gsluths zurück gelassen. Ein Obstgarten und ein Häuschen daran, mit dem Bliit auf zahllose an dere Gärtchen, die sich zu einem See hinabsenken, und am anderen Ufer ein trauliches Gewirr von alten Dächern und dem Kirchthurm darüber. Jn dem Obstgarten spazieren alte Damen her um, die aus dem Häuschen kommen. Es heißt das »Feierabendhaus« und ist für ausgediente Lehrerinnen be stimmt. Eine von den alten Damen sitzt in dem Schatten eines Baumes auf einem Bänkchen, miide den Blick herunter auf den Frieden gerichtet, und köstliche Herbstfriichte neigen sich her ab, goldene Gravensteiner Aepfel . . . . Feierabend, wer kann dich mehr em pfinden, als wer von dorther kommt, wo man dich kaum noch kennt, nicht deinen kühlen Schatten und nicht deine goldenen Früchte . . . . Der wunderbare Fahrgast. Die Londoner Polizei hat zwar ein vorzügliches Renomme, aber von Zeit zu Zeit passiren ihr doch tleineMensch lichteiten und Mißgriffe. Einer ihrer jüngsten Jrrthümer wird augenblick lich viel belacht. Jn Londons berühm tem Theaterviertel, dem Strand, war ein Droschenpserd zu Fall gekommen. Sosort sprang der Fahrgast aus dem Cab und half dem Kutscher beim Wiederaufrichten des Gauls. Allein, wer war dieser Fahrgast nun, Und wie sah er aus? Halbxwar es ein Mann, halb eine Frauensperson. Das seltsame Wesen trug Weiberröcke, aber sein Gesicht, das obenein spaßhaft be malt war, schien doch das eines Herrn der Schöpfung zu sein. Ein schnell herbeigeeilter Wächter der Ordnung betrachtete sich kopfschüttelnd die ku riose Erscheinung, fühlte sich aufs höchste chokirt über den gröblichen Un fug, der hier ohne Zweifel vorlag, und nahm das Zwittergeschöpf trotz aller Proteste in Haft. Auf der Polizei wache klärte sich das Räthsel aus. Es stellte sich heraus, daß der Berhaftete ein bekannter Brettlsänger der engli schen Metropole war. Er pflegte Abends von einem Variete zum an dern zu fahren, um an jedem eine Programmnummer zu absolviren. Da ihm dabei oft die Zeit sehr knapp be messen war, so hatte er vielfach schon unterwegs in der Droschle sich daran gemacht, seine Toilette undCharakter masle zu wechseln. Das war auch vok dem verhängnißvollen Sturz des Pserdes geschehen. So verändert er schien er plötzlich dem Kutscher, der ihn gefahren, daß dieser ihn nicht wiedererlannte. Kein Wunder! Denn er war in sein Cab als perfekte——— junge Lady eingestiegen. Der über eisrige Polizist mußte sich zu den un terthänigsten Entschuldigungen beque men. Außerdem wird der Künstler die Behörde auch noch aus Schadener s atz verklagen, da er verschiedene Num mern hat versäumen müssen. ..—.-—-—— Scibstvcrkath. Unter sechs Kostgängern, die zu sammen ans einem Zimmer logiren, ist dem einen des Nachts das Portemon naie mit 12 Mark 90 Pfg. gestohlen worden, welches er seinen Stubenge nossen mit thränenden Augen mit theilt. Da erhebt sich der eine vom Lager und spricht: »Nein, Hans, Du mußt aber nicht lügen, es waren bloß 12 Mark 80 Pfg. darinnen.«