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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Nov. 10, 1905)
Yebraskia Staats-Zuzeigrr nnd TMer ff J. P. Wjüdosph, Herausgeber. Grund Island. Nebs« 1». November 1905 ( Zweiter TheiU « Jahrgang 26 No· Il. · ·« - Herbst-denn . Blaufahle DFÆEMung»z-«s Es streckt . sdas Land « l Sich herbstlich kahl bis an den Him melgrand, -—-— Die lelzie Gabe hai es hergegeben. Und leise frösielW durch der Bäume Laub, — Die welken Blätter langsam in den Staub, Gleich einem goldnen Regen, nieder schweben. Hier blinli ein Feuer auf, und dort eins glüht, Der weiße Rauch in schweren Wolken zieht. Weit übers Land. Die Ernte isi zu x Ende. Dem bliithensckiönen, früchiereichen ahr Bringt man zum Schluß das Todten opfer dar, — Jn Nebelflore hiilli sich das Gelände AdetheidStiek. ! f. O —-—-· Ehrenmann oder Verbrecher? Erzählung aus dem Französischen von A. Friedheim. Schweigen, das bereits eine ganze Weile zwischen ihm und seinen Freun den herrschte, während sie in seinem stunggesellenheim am Kaminfeuer zu ammensaszen und sagte: »Ihr habt euch schon des öfteren gefragt, warum ich, der ich in der Vvlltraft der Jahre und ohne petit niäre Sorgen bin, mich nie heiter und fröhlich gebe, sondern faft immer den Eindruck mache, als wenn ich von ei ner großen, auälenden Angst ver folgt wurde. Wißt ihr, was cs heißt-, mit Bedenken, — mit schweren Be denken im Kampfe liegen? »Nicht Be denken und Zweifel, die einem Ent schluß vorausgehen; die meine ich nicht! Jch spreche von Bedenken und Zweifel, über etwas, das geschehen ist, » das nicht mehr rückgängig gemacht werden lann. Da wird die Frage:1 haft du recht, hast du unrecht gehan- ? deltt zu einem wahrhaft körperlichen Schmerz, der einem das Herz zusam menvreßt. und wie mit eisernemj Griffel in das Hirn eingeschrieben» kann man dann nur immer wieder die Frage an fich richten: hast du bei i der oder der Gelegenheit als Ehren-s wann oder als Lumv gehandelt,i warst du tapfer oder ein Feiglinngz Nun denn! meine so auffallende Traurigkeit ist auf solchen Zweifel zurückzuführen, Noch nie habe ich mit jemanden gesprochen iiher das, was mich so entsetzlich martert; hört mich seht an, nicht als Freunde, die Nachsicht mit dem Freund haben, fon- - dern als meine Richter, die kaltbliitig das für und wider erwägen. »dies leicht werde ich nach eurem Urtheil: endlich wieder ruhiger. - Es war an einem Sonntag ——« fünf Jahre ist’s bereits her-— und in einem Vorortzug Auf der kleinen Station, in der er eingefahren war, drängte sich eine lärmende Menschen-« menge. Fast. alles Handwerker und kleine Bürgerleute, die der heißen Stadt entflohen waren und nun, müde von ihren Streisziigen durch Wald und Feld, dem Häusermeer wie der zufahren, in dem auf sie Arbeit, Sorgen und Mühe warteten, die sie für wenige Stunden vergessen hatten. Alle Wagen waren überfällt, und ich mußte froh sein, endlich noch in einem Abtheil dritter Klasse ein Plötzchen zu finden. Kommis mit der bren nenden Cigarre zwischen den Lippen, Arbeiter im Sonntags-roch Frauen in hellen Kleidern mit großen Feld dlumensträußen, iappelnde, schwatzen de, schreiende Kinder füllten den Wagenraum, in dem ich mich befand. Lachen und Gesang, die bei Ein fahrt des Zuges in die kleine Station verstummt waren, hoben von neuem an, als die Maschine sich stöhnend und vustend wieder in Bewegung setzte und wir langsam am Perron vorbeifuhren, wo unzählige von Sonntagsausfliiglern standen, die nicht Platz gesunden hatten, nun re signirt auf den nächsten Zug warte ten, und entweder mit einem derben Wort oder lustigem Lachen aus die Frufe der Davogfahrenden antwor een. ( Und Gerald unterbrach das Vethältnijzmamg runig Yuyren rorr nun zwischen dem hoch aniragenden Bahndamme hin, der die Schienen zu beiden Seiten begrenzte. Jch schaute mir meine Reisegefähr ten an und mein Blick blieb auf mei ner Nachbarin zur Linken hatten, ei nem vielleicht elf oder zwölfiäheigen Mädchen, das artig zur Seite gerückt war, um mir Platz zu machen. Das Kind hielt den Strohbut in der Hand und wandte das Köpfchen bald nach rechts, bald nach links. Eine Fülle ganz feinen, blonden Haares um rahnite die weiße Stirne und die Au gen hatten einen ernsten, irühreiien Blick, wie man ilnn wohl bei Kindern des Arbeiterstandes trifft. Neben dem lleinen Mädchen saß die Mutter« eine noch junge, magere, blasse Frau, und der gegenüber der Vater, ein kräftiger, strammer Mann mit gutmiitdigem, zufriedeneni Ge sichtiausdrucb Alle drei waren schweigsam; sie schienen müde von dem genossenen Vergnügen und dachten wohl auch daran, das sechs schwere Arbeitstage vor ihnen lagen, bevor ihnen die Möglichkeit gegeben war, wieder einen Tag im Freien zuzubrim gen. " Ab und zu, wenn die Kleine gar zu unruhig hin und her rutschte, kam ein etmahnendes Wort von der Mutter: « »Sitz still, Lilli; mach dich doch nicht so müde, Kind.« »Ja Mutter . . . o Mutter, wie rasch wir jetzt’fahren!« Und der Vater meinte mit behäbi gern Lachen: »Das wollt’ ich meinen!...Wenn jetzt so eine kleine Entgleisung käme! wäre Yne seine Marmelade, die aus Ins entstände!« Ich weiß nicht, warum mir dieser triviale Scherz ein seltsames Unbe baaen erzeuaie, das sich noch steigerte, als ich sah, wie die junge Frau, die aani blaß geworden war, ihr kleines Mädchen dicht an sich zog und es zärtlich tüsztex in dem angstvollen Ausdruck ihrer Augen las ich deutlich den Gedanken: O. du mein Liebling, wenn je einer von uns dreien den zwei andern genommen werden sollte. Ich schloß die Augen und sann siir mich. Welch gebrechlich Ding ist doch das Leben! Ein Unfall, eine Krani heit, ein Nichts —- und das Glück von drei Menschen, die eben noch so zu Dreien ihre kleine Welt silr sich bilden, ist aus ewig zerstört. Wie kamen mir aerade solche Ge danken?« Gerald starrte einen Augenblick schweiaend vor sich bin, dann sprach er weiter: »Das klare, muntere Stimmchen des kleinen Mädchens-, das an das aleichmäfzia belle Plötschern ein-es Waldbaches erinnerte, ließ mich wie der um mich schauen. Wir hatten den Babndamm hinter uns gelassen, und bis zu dem fernen, fernen Horizont laa vor uns die Ebene, mit dem ver trockneten, kurzen Gras, und alles schien durch die Strahlen der unter gehenden Sonne in aoldigen Purvur aetaucht. Im Takt tanzten die Tele arapheiidräbte an uns vorbei, neigten sich scheinbar bis an den Fuß der Stangen und schnellt-en dann wieder in die Höhe. Lilli batte an allem, was sie sah, ihre helle Freude, und das kleine Plan perrniindchen stand nicht still. Sie nahm den verflossenen Tag mit all sei nen Erlebnissen durch und schmiedete Pläne siir den nächsten Sonntag, an dem es noch viel schöner werden sollte. Lillis Vater hatte eine kurze Pfeife aus der Tasche gezogen und stopfte sie bedächtia und gleichsam andiichtig, um dann mit wahrem Genuß die er sten Ziiae daraus zu thun, die blasse blonde Frau hatte den Hut abgenom men und fubr sich mit den schmalen Händen glöttend über den Scheitel. Und beide, Mann und Frau, hörten lächelnd und aliicklich dem Plaudern ibrer kleinen Tochter zu. Ich saa euch, es war ein dell, die drei: ein dell absoluten Glücks, des Glücks, das seinen Ursprung in allen auten Empfindunan bat, welche Herz und Seele des Menschen bergen. Und neben dieser Herzensfrqu war es auch eine Auaenweide, diese drei glück lichen Menschen zu sehen. Ich tonnte auch nicht umbin, das ganz laut zum Ausdruck zu brinaen, neiate mich zu dem Kind und saate lächelnd: »Die Eltern scheinen das kleine Fräulein alser aar sehr lieb zu haben!« Die Mutter antwortete mit wohl tlinaender Altstimmet »Ach, tvertlier Herr, das Kind hat ia nur uns, und wir haben nur das Kind! Wie sollten wir uns da nicht ; aeaenseitia lieb haben« ; Und Lilli schlana die Arme urn die ischlante Taille der Mutter-, schmieate fsrch so recht wie ein Schmeicheltätzchen ; an, und zärtlich fanden sich die Lippen szu lanaem Kuß. »Wiszt ilir wann das war?« fragte Gerald, —und erregt antwortete er selbst: »Am Taae der entsetzlichen Eifenbahnlataftrophe von Bel-Air war es.———und der Zug, in dem wir uns befanden, war der, von dem zwei Maaen mit fast all den ungliicklichen Menschen zernialmt wurden, die da« rin waren... Aber warum soll ich euch das schreckliche Unaliick schildern? Ihr werdet euch sicherlich noch daran erinnern... O, dies Getöse der ser triimmerten Maaenl das entfetiliche Schreien! das Jammern und Stöhnen der Verwundetenl und dieser wilde Kampf Um das Leben, bei dem, rück sielstsloä, gleich wilden Thieren. jeder mit aller ilini m Gebote stehenden Kraft versucht. sich dem drohenden Schreckgespenlt des Todes zu ent Iiebenl . .. eMitte sind seit dein furcht baren Unaliick veraanaen und der areifbar deutlich vor Atmen als hätte sich das erst aestern ereianet. An das Greianiß als solches erinnert ihr euch, die Einzelheiten thut ihr nur i arassenhafte Anblick steht mir noch sos l wissen, wenn ihr das Furchtbare mit eigenen Augen geschaut habt, aber was ihr auch dann noch nicht wißt, ist« etwas, das ich bisher Niemand ge sagt habe, weil es so grauenhaft, so entsetzlich ist . . . .« Fast keuchend hob sich Gerald’s Brust, und ganz heiser klang seine Stimme, als er nun, sast flüsternd, fortfuhr: »Ich bin einer der wenigen, die wie » durch ein Wunder mit dein Leben da vongetommen sind Als ich nach » dem furchtbaren Stoß und Zusam mensturz von Menschen und Dingen soweit wieder zum Bewußtsein kam, um mir klar zu werden, was eigent lich geschehen war, da sah ich um mich herum nur — wie eine unförmliche Masse —— verstümmelte, zerquetschte Menschen, die von den Flammen er griffen- wurden; und auf diesem Knäuel, diesem Berg regloser, sormlo ser Körper, die noch vor kurzem ein kräftiger, lebenssroher Mann, ein sanfteH, gutes Weib gewesen waren, sah ich ein Etwas, eine namenlose Form, die weinte und jammerte und schrie Die lleine Lilli war es, die versuchte, sich auf ihren zerschmet terten Beinen aufzurichten, der die blonden Haare abgesengt, deren Au gen geschlossen waren und die tastendl und instinktiv sich an meine Hand festklammertU Und was that ich da? ..... Ah, Freunde, liebe Freunde, kann das menschliche Gehirn in solchen Mo menten sunltioniren, lann es logisch denlen und Schlüsse ziehen? . Doch nein, nicht das Gehirn, nicht der Verstand war es, ich weiß es genau und ich schwöre es euch, der Verstand hatte mit dem, was ich da gethan, gar nichts zu schaffen; einzig und allein das Herz war es das den Ausschlag gab!. Vielleicht sah ich auch in der fürchterlichen Minute ganz deut lich die Seele des Vaters, die Seele der Mutter, die über ihrem Kind schwebten und verzweifelnd nach ihm verlangten, es zu sich riefen . . . ich weiß es nicht . . . aber ich versichere euch, es war eine unüberwindliche Kraft, die mich trieb, die mich beein flußte; höchstes, allerhöchstes Mitleid erfüllte mich, ich sah klar und deutlich, « daß ich ein Verbrechen beging, wenn ich den Todten das Kind entriß . . das arme, verwaiste Kind, das ein Krüppel, vielleicht blind,saanz, ganz allein aus der Welt zurückblieb. ich wollte es vor dem Leben retten. vor dem Leben, das ihm sosurchtbar werden mußte! . . . und schroff, ge waltsam befreite ich mich von den Händen, die sich an mich llammerten, ließ das Kind, des Halts beraubt, in die Gluth zurücksinlen und floh, floh wie ein Wahnsinniaer . . .« Gerald schwieg Als wäre die An- . strenauna des Sprechens eine zu große acwescn, rang er nach Luft, und seine Augen glitten angstvoll fragend von einem Freund zum andern. Es war als wenn der Blick sagen wollte: ».1ntwortet mir. Jhr wißt jetzt, i um was es sich handelt; nun sagt mir, ob ich ein Ehrenmann oder ein Ver brecher bin? Hatte ich das Recht, so. zu handeln, wie ich es gethan habest-; War es meine Pflicht?« Zwei der Freunde, die ihm zuae hört hatten, streckten ihm die Hand hin? und sagten: »Du hast recht gethan!« » Gerald schienen die Worte ein i Trost. Aber der Dritte im Kreis schwiea und schüttelte den Kopf, und damit war siir Gerald die peinigende, quä- j lende Frage: »That ich recht? that! ich unrecht?« siir ewia unbeantwortet, » und dieser Zweifel blieb die Pein sei- ; nes Lebens. ( W—.-——— Gebannten-litten Vom Adern wird die Hand rauher als vom Vlumenpflüclen. Die Jahreszeiten sind Geschwister; deshalb vertragen sie sich so schlecht miteinander. Der Fächer ist so ein zierlich Ding, und doch geeignet für Winke mit dem Zaunpfath Wenn das Hahn nicht mehr learn will, ist das Messer nicht weit. Prov. Reisender: »Unsere Waaren sind ohne Surrogate hergestellt und stellen sich daher im Gebrauch am billigsten.« Bauer: »Am billigsten? Hä! J wer’ wohl die lumpigen Surrogat’ auch bezahl’n lönn’ -— mein il« Maßstab. Tourist: ,,Sagen Sie mal, Frau Wirthin, kann ich vielleicht zwei Hand tücher bekommen?« , Wirtbim »Ja, wollen Sie denn den ganzen Sommer hier bleiben?« Die erste Weinfälfchung. Eine Erinnerung von F r iß J ü pi n e r. Begebenheiten aus der frühesten Jugend, wie klar sie uns doch zu Zei ten im Alter vor’s Auge treten. Da sehe ich noch so deutlich die überfpitze Nase unserer Hauswirthin, die nie anders als in Begleitung von Schimpfwörtern aus ihrem Parterre senster herausfuhr, und zwar immer, wenn wir Jungen etwas laut auf dem Hofe spielten. Zum Glück konnte die Inhaberin des Hauses mit der spitzen Nase keine Zugluft vertragen. Das Fenster flog bald wieder mit lautem Krach zu und —- unsere Sache ging weiter. Da sehe ich ferner den gro ßen Peter auf dem Holzplatze neben unserem Hause. O, wie oft hat uns der lange Kerl mit derbem Griff von i den Holzftößen heruntergeholt und vom Platze, unserem besten Spiel orte, mit Nachdruck befördert, wenn wir, mit Benutzung der Kloben, Räu ber und Gendarmen und sonstige schöne Spiele spielten. Weiter sehe ich mich selbst im grauen Kittel, mit beiden Daumen im blan len Ledergürtel und auf dem Flachs topfe die damals beliebte gestrictte Pudelmütze, vor Kaufmann Maiers Schausenfter stehen. Nicht waren es die Gläser mit den großen Mohrrii benbonbonZ, das Stück einen Pfen nig, auch« nicht die ebensogern genasch ten Nautentafeln, das Stück einen Dreier, die mich reizten. Kalt ließen mich sogar die Bilderbogen von Gu stav Kühn in Neu-Ruppin und der Drachen u. s. w. Gustav Maier führte Alles. Was mich am meisten interefsirte, war das Brett mit den Weinflaschen, die so schöne Etitetten hatten. Haupt sächlich die in der Mitte hatte es mir angethan. Das Bild darauf steht mir noch heut lebhaft vor Augen, so oft hatte ich es angestaunt und nachzu zeichnen versucht. Zwei dicte nactte Jungen tragen an einem Stabe über den Schultern eine Riesentraube. Stundenlang konnte ich mich mit Betrachtungen über den Weingenuß beschäftigen, trotzdem noch kein Tro pfen über meine Lippen gekommen war. Oder vielleicht gerade deswe gen, denn die schönsten Weinlieder sollen ja auch beim Wasser gedichtet worden sein. Was ich darüber gehört hatte, war schon großartig genug: Der Wein macht beredt. Wie würde ich mich da vor die alte Demmlern hinstellen. ,,Sind Sie denn nie jung gewesen?« würde ich ihr sa gen. »Haben Sie denn nie gespielt? Glaubens Sie denn, meine Eltern be zahlen Ihnen blos die Miethe, damit Sie uns in den Keller sperren und Ihren dummen Hühnern den Hof überlassen? Schämen Sie ficht Sie!!« Der Wein erzeugt kecke Sangeslust Nicht leise an der Thür werde ich horchen, wenn Maurermeisterg Lies chen auf dein Klavier die schönen Lie der spielt und singt. Eintreten wür de ich und mit einer eleganten Ver-· beugnng sagen: »Schönes Fräulein, dürfte ich wagen, meine Begleitung anzutragen?« Und wir würden sin gen, singen! Der Wein giebt Muth und Kraft Die »Kraft« habe ich zwar später im neaativen Sinne tennen aelerntJ damals aber gal) ich dem edlen Stoffe « auch diese Einenschaft im größten Maße. Eing, zwei, drei Gläser und ich würde vor den langen Peter tre ten: ,,Elender! Du hast es aewaat mich attzttsassen?! Hier hast Du es zuriictl Alleg.« Schwabbl schwabbsl« Eines Tages stand eine wirkliche Flasche Wein in unserem Küchen schranle. Sie tvar zwar nicht sür uns, meinVater hatte sie für einen kranken Kollegen bestimmt. Aber ich konnte sie doch zwei Tage besühlen, beriechen. Der Sieaellackgeruch schien mir das schönste Parsiim. Jch konnte das Ett kettenbild abzeichnen und abmalen. Was mir auch nach vieler Mühe ziem lich täuschend gelang. Wenn ich nur noch herausbetommen konnte, wie Wein schmeckt. Das mußte meine Mutter wissen, denn sie hatte in einem großen Hause gedient. Und meine Mutter wußte es auch, »Junge, wie soll’s denn schmecken? Was die reichen Leute trin ken, schmeckt nicht immer so sein. ’n bischen sauer, ’n bischen bitter, ’n bis chen süß und, wenn er gut ist« ’n bis chen nach Gewürz.« Das war ja ein ganz schönes Re zept, daraus mußte sich doch etwas machen lassen and —— der Weinfälscher war fertig. Essig war da. Ein Hä » morrhoidalschnaps auch, ein Ideal von Bitterkeit. Dem Zucker war auch bei izukommen und am Gewürz sollte es nicht liegen. Was fehlte da noch? Eine leere Weinslasche war bald aufgetrie ben und ein Panscher versuchte sich an ) seinem ersten Produkte. Jch will gleich ibemerken, es war auch das letzte. Nun stand wieder eine Flasche Wein im Hause, allerdings nicht im Küchen spinde, sondern im verborgenen Win kel, versiegelt und etikettirt. Meine Kunst. Den Geschmack kannte ich im mer noch nicht. Vom Kosten hielt mich ein Etwas, das vielleicht in jedem Fälscher liegt, zurück. Dazu sind ja die anderen da. Eines Tages, als wir Jungen wie der aus unserem Spielplatze versam melt waren, überraschte ich meine Freunde damit, daß ich- eine Weinsla sche unter dem Kittel hervorzog. »Seht mal, was ich uns heut spendiren wer de! Eine Flasche Wein.« »Au, Wein! richtigen Wein? Wo hast Du denn den her? « »Das ist meine Sache. Jch gebe ihn zum oesten. Der Größte kann zuerst trinken.« Der Pfropfen sprang. Der Größte war Schulzens Albert. Geschmeichelt setzte er an und nahm einen Zug. Das Gesicht war nicht schön, das Albert machte, als er schluckte, aber er ließ weiter nichts merken und gab die Fla sche dem Zweitgrößten mit den Wor ten: ,,’n bischen gewöhnen muß man sich erst daran.« Beim Zweiten und Dritten wurden die Gesichter schon bedeutend berzerrter und der Vierte spuclte es schlankweg wieder aus, der glaubte sich nichst da ran gewöhnen zu können. Jetzt mußte ich schon meine Ehre retten. Umgefal len war ja keiner. — Daß ich es fertig gebracht habe, lächelnden Mundes das Wiirgen zu überwinden und gelassen den kühnen Ausspruch zu thun: »Ja, wenn man daran gewöhnt ist, dann schmeckt der Wein auch großartig!« ist mir noch heut ein RäthseL Das war ja Hämorrhoidalschnaps in noch fürch terlicherer Auflage. Was feine Leute trinken, schmeckt wirklich nicht immer schön. Wir blieben noch eine Weile zufammen, erzählten und spuckten wie die echten Hinterwäldler, aber die an gebrochene Weinflasche schien nicht mehr da zu fein. Vielleicht wäre es mir auch getungen, den »Wein« urk auffällig beiseite zu br ingen, wenn das Schicksal es nicht anders gewollte hätte. Schriia über den Damm kam der alte Brülich bedachtsam dahergeschrit ten. Brülich war ein pensionirter Schutzmann, exn alter Herr, dem man auf fünfzig Schritt ansah, daß er sich nur noch mit der Bestonsumirung gei stiger Fliissigieiten beschäftigte »Der alte Brülich muß mal den Wein probiren. Der is Kenner aus ’n ff.« Das Wort war gefallen. Ehe ich es verhindern konnte, ergriff Albert die llngliicksflasche und schoß damit auf Herrn Brülich los Wie an allen Gliedern erstarrt stand ich da, sah, wie der alte Herr den Pfro Pfen behutsam abzog, sah, wie seine Nase herumschnüffelte, sah —— Ja, was war denn das? Der, alte Kenner roch den Braten nicht sofort. —— MeineFäl schung mußte wol;l geruchweise dem Echten nicht nachstehen. Oder sollte die gewaltige Nase nicht mehr funktioni ren? ---— Nun setzte Vater Brülich an. Jetzt mußte ich entlarvt werden. Es geschah weiter nichts, als daß der ziemliche Probeschluct nur ein Schüt teln hervorrief. Sollte der alte Kenner den Wein wirklich fiir echt halten? — Wieder setzte Brülich an. — Ein ge waltiger Zug. —--— Nun mußte aber das Gemisch die ausgepichte Schicht im Halse durchdrungen haben. Er wurde plötzlich blau, schnappte nach Luft und schrie: »Juna — Junge! Du Lüm mel willst mich vergiften! Watte man! Jm Namen des Gesetzes — —« Wei ter hörten wir nichts, wie der Wind liefen wir vor den rollenden Augen des Alten davon. » Aber der hatte etwas anderes zu thun. Der lief auch, so schnell ihn sei .ne Beine tragen konnten, zum nächsten Gafiwirth Wer weiß, mit wievielen Nordhäusern er den ,,Wein« herunter aespiilt hat. Gestorben ist der alte Brülich erst fünf Jahre später, und daran war ich nicht schuld, denn der gute Mann iit leider die Treppe her untergefallen Aber ich bin doch froh, daß die Geschichte damals fiir mich noch glimpflich ablief. —,.s—-- — Phlcnmatisch. Radfahrer (an einen Kollegen zei gend, der gestürzt ift): »Der Maier scheint sich verletzt zu haben; er bleibt regungslos liegen!« Freund: »Ach was; wenn der ein mal bequem liegt, steht er nicht gleicht wieder auf!« · , .. Reich unwer in In Dieses-. Die zwölf Millionen Franken, die der kürzlich verstorbene, alte Pariser Maler Bouguereau hinterlassen hat, geben einem Pariser Kunstlritiker Ge legenheit, sehr interessante Betrachtun gen darüber anzustellen, wie ungleich« im Kunstleben die Güter vertheilt sind und wie ungerecht zugleich. Vom-gu reau, mit seinen kühlen Amoretten, Faunen und Bacchantinnen, verdiente Millionen mit dem, was er ins Dol larland verkaufte. Und nun lese man, was der wahre Meister der Palette Millet mit feiner eigenen Hand schrieb: »Ich kam nach Paris, Um für dreißig Franken eine Anzahl Zeich nungen los zu werdens unverrichteter Dinge kehrte ich heim, und als an der Schwelle erwartungsvoll die Kinder meiner harrten, mußte ich ihnen, den Hungernden, vorlägen, daß ich zu spät kam nach Paris — die Kauflä den waren gelschlossen ·« Jm Jahre 1846 refiisirte man diesem Manne im Salon die ,,Verfuchung des heiligen Gerome«, — da zerstörte er das Bild, das ihm so viel Mühe ge kostet, um Leinwand für ein neues zu gewinnen. Jn einer elenden Hütte, im Schat ten der Kirche von Moret, mußte Al sred Sisler dem sie jetzt ein Denkmal « errichten wollen, vierzig Jahre lang unverstanden ein kärgliches Leben fristen. Rembrandt mußte an seinem Lebensabend von den Almosen ande rer leben, und sein Selbstporträt, die Perle des Louvre, ward einst für — zwölf Franken verkauft. Lucas de Kock mußte, um nicht Hungers zu sterben, —- Koch werden, Salvator Rosa Lazzarone und Claude Audran Portier. Annibal Carache verkaufte feine »Auferstehung«, die jetzt im Louvre hängt, für ein Maß Wein und Korn, und Watteau gab zwei seiner besten Bilder für eine — Perrüeke her. Männer wie van Dyck, wie RU bens, der die größten Ehrenämter be kleidete, kostbare Sammlungen sich zulegte und mehrfacher Schloßherr wurde, sind nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigen, daß das Glück der wahren Künstler meist nur der — Nachruhm war. Für 198,000 Fran ken ward Meissoniers »1805« von dem Herzog von Aumale erworben. Was Munkacsy, Bonnat, Benjamin Constant,·c)erkomer, Millais für Gold zusammenmalten, grenzt an’s Wun derbare. Millais kam jährlich bis auf dreißig Portraits, die ihm jedes bis zu 30,000 Franken einbrachten. Und viele, viele andere verdienen noch heute Unsummen. Aber nur Geduld. Die Kunstgeschichte, die erst viel spä ter geschrieben wird, rückt alle doch an den rechten Platz, in das rechte Licht. Das ist die ausgleichende Gerechtig keit, — die moralische zwar nur, und daher auch kaum ein Trost für — »die anderen« ..... — »Ich bring Cholera.« Ein komisches Mißverständniß an läszlich einer ernsten Veranlassung rief jüngst in einem durch mehrere Cholera fälle heimgesuchten Ort der Weichsel Itiederung allgemeine Heiterkeit hervor: Ein allem Anscheine nach dem Arbei terstande angehöriger Mann wurde des Nachts in bewußtlosem Zustande im Rinnstein liegend vorgefunden. »Was machen Sie hier?« donnerte ihn der Stadtpolizist an, nachdem er ihn lange hin und her geschüttelt hatte. »Ich bring’ Cholera,« lautete die in lallen dem Tone hervorgebrachte Antwort. Raum war das ominöse Wort dem Ge hege seiner Zähne entfahren, als der Diener der Ortsobrigkeit, den natür lich wegen der allzu nahen Berührung ein punischer Schreck ergriff, voller Pflichtbewußtsein den Wächter der Nacht heranrief und gemeinschaftlich mit diesem den vermeintlich schwer serauten in das nahe gelegene Kran kenhaus schaffte. Hier wurde er sofort von den Zirankenchirtern in nasse La ken gehüllt, worauf er binnen wenigen Minuten in erquickenden Schlaf verfiel und alsbald in den schönsten Tönen zu schnarchen anfing. Am nächsten Mor gen fand der Arzt, als er den eingelie ferten Patienten untersuchen wollte, einen kerugesunden Menschen vor, des sen Verwunderung über die Umge bung, in der er sich befand, ganz deut lich zeigte, das-, man es hier durchaus nicht etwa mit einem Simulanten zu thun habe, vielmehr klärte sich nach kur zem Kreuzverhör die Situation fol gendermaßen auf: Der Choleraver dächtige war ein Arbeiter, der auf ei nem Floß Kohlen hereingebracht und sich einen Rausch angetrunken hatte, woraus sich ohne weiteres die von dem sinnlos Betrunkenen aus die Frage: »Was machen Sie hier?« ganz korrekt -—-- wenn auch in mundartiger Form gegebene Antwort erklärte: »Ich bring Kohle ra«, das heißt »Ich bringe Kohlen herein«. Tableau! --—-.—..--—— Nie verlegen. Kunstmaler: »Was, die Uhr soll hundert Jahre alt sein, die ist höch stens fünfzig alt.« Antiquitätenhändler: »Ja, wissen’s, die is halt a wenig’ »schnell« geol tert!« Um unsterblich zu werden, muß vor allen Dingen gestorben sein«