Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 27, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    Yebraska
StaatI-3n2riger nnd Yerolln
J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island-. Nebr» :.7. Oktober 1905 (Zweitcr TheileW WEfksihkganthwåftkMNQ 9.
Ver sterbende Baum.
Der Sturm zerbrach im Waldesraum
Einen jungen unbeluubten Baum,
Mit zuckender Fafer hält er sich fest
Arn Wurzelftnmm, elf die Kraft ihn
verläßt.
So müd’ ift er, so sterbensknatt,
Er sorgt um kein einziges grünes
latt,
Doch weiße Blüthen jagt er an’s Licht,
Daß ein Leuchten aus feinen Zweigen
bricht.
Und durch die athemlvs laufchende
Luft
Sein letztes Sehnen in Düften ruft . . .
Er weiß, wenn die Blüthen zerflattert
sind,
Säufelt durch todte Zweige der Wind.
fVer Dortschulicelzren
Stikozik aus dem Schwarzwald von
iriam Bin Runyan
Die Mittagssonne steht hoch über
dem Schwarzwald Große Rinder
herden weiden friedlich am Fuße des
Feldberges, welcher den mächtigen’
Gipfel zu den Wollen emporreckt.
Schwiile Hitze liegt iiber dem
Derse. Nur ein paar vereinzelte
Menschen lassen sich aus den schalten
losen, staubigen Gäßchen blicken.
Aus allen Hügeln rings herum
wuchert die blaue Erila in Hülle und
Fülle. Aber die seltene weiße
Ertla ist nur hoch oben auf dem Feld
berg zu sindenz und wenn man die
Augen empor-schlägt zu dem endlosen
schneeiaen Blüthenselde, so ist es Ei
nem schier als ob der Feldberg eine
Schneelappe triig’.
Droben am Bergeshang wo das
Gras am frischesten und grünsten
hervorsprießt, sitzt ein Bauernmiid
chen mit der Sichel in der Hand und
schneidet Futter siir die Zieaen
»Grüß Gott, Dimle sagt eine
Stimme neben ihr.
Die Erila, oder vielmehr »das
Rtterl«, wie sie überall im Dorfe ge
nannt wird, schreclt empor·
»Schaut Der Marti!« meint sie
spöttisch. »Herrjeh, das ist aber was
Reit’s. Seitwann steigt denn der
saule Thal:-Martl im Gebirg her
um?"
«D’ weißt ganz guat, daß i Dir
nachg’stiegen bin«, tnurrt der Ange
redete. Als er aber tecl den Arm um
sie legen will, hebt sie blitzschnell zur
Abwehr die Sichel gegen ihn empor.
»Lasz« mi aus!«« tust sie ärgerlich.
Der Martl weicht im ersten Augcn
blick erschrocken zurück.
»Sei nit so aistia. Rilerl,« lacht
er dann. »J will mich bloß a Weil
chen zu Dir setzen. Komm, laß uns
g’scheit miteinander reden.«
»Du und g’scheit!" versucht sie
lustig zu spotten, aber die Stimme
zittert ihr, und sie ist roth und verle
gen geworden.
«Sieh’ast!« fängt der Marlt an
und wirft sich neben ihr in’s Gras.
»Daß i Di gern hab’, hast ja längst
g’wußt. J hat« in der Welt zu was
’bracht. Reiche Bauern aiebt’g g'nug
im Schwarzwald, aber der Martl ist
halt doch noch der Reichst’ von Allen.
Sag, was meinst, RiterlT Hött’st
was dawider wenn sie uns nächsten
Sunntag in der Dorstirch’ ausbieten
thiiten?«
Das Nile-l ist ganz still und halt
das Köpschen gesenkt.
Als die Antwort gar zu lang aus
bleibt, wird der Mattl unaedulbig.
»3’wegen was schweigst dann? So
ked’ doch. J weed’ Di nit heißen«
Da hebt das Ritetl den Kopf und
schlägt die Augen furchtsam zu ihm
aus.
»F bin dem Lehrer guat«, sagt sie
cheu.
Heil auslachen muß der MattL
»Dein Dorsschul’-Lehtet?" ruft er
belustigt.
»Jessag, und in so a bleichen, stillen
Stubenbodet hast Di vetaasst? Laß
Di nit auslachen« Dikndl!«
Der Bursch’ ist ausgesptunaen und
hat sich mit dem Rücken an einen
Baumstamm gelehnt. Itapsschiittelnd
und erstaunt sieht er aus das Mäd
chen nieder.
»Madekl«, scagt er ungläubig,
»bist denn witlli von Sinnen, daß D’
mi nit habenwillsw Weißt D’ nit,
daß sie mi Alt« den «Schluchsel
Bauern« nennen? All' das Land um
den See herum ist mein. Was?
Magst immer noch nit2 Gel)’, sag
»Ja«, RitekL sollst’s auch gut bei mir
haben. Deinen Bruder, den atmen
holzhaaer, that i als meinen Groß
tnecht nehmen. Deinem Mutteel thät’
i gar das Häuschen am Berge schen
ten und aus a paar gute Milchtiih'
wird's mir auch nit antommen.«
« bin halt dem Lehrer guat«,
wiederholt das Riterl leis:
»Natürli, wann Du »Nein« sagst«,
meint der Martl langsam und sieht
sie tauetnv an, »dann iniißt Jhk eaus
aus dem Däuslr. D' weißt wohl, der
Grund und Baden g'l)ört mein. J
hat« Euch nur zu dem Spottpreis
geben· weil i Di allzeit schon lieb
hatt’. Und die G’schicht’ mit dem
Schalmeistet tannst Die auch gleich
aus dem Kopf schlagen. So a Jam
uiekisLappent So a verhungntee Ge
sell’! Das, —- Deine Mutter thät’s
noch nimmer verlauben!«
Das Rikerl schweigt noch immer.
Da hält ihr der Bub’ die breite
braune Hand hin.
»Schlag’ ein«, spricht er treuher
zig. »Komm, sei g'scheidt. J srag’ Di
jetzt zum letzten Mal. Hättst nit d o ch
Lust, die Bäuerin vom Schluch-Hos
z’ werden? «
»Hast Recht, i bin a dumme Dirn’
g’wesen«, sagt'ö Riterl und legt die
zitternden Finger in seine große
Hcknd. »Ja, hast Recht, MartL Wohl«
alsdann will r Deine Bäucrin wer
den.« .
»Juch!« schreit da der Busrsch’,
wirst das schlanke Mädel hoch in die
Lust und fängt sie wieder aus mit den
starken Armen. —- So ist das Verlöb
nisz vom Berg-Riterl und vom
Schluchsen-Bauern zu Sand’ gekom
men!
Daheim in seinem Stübchen sitzt
der junge Dorfschul-Lehrer und sieht
die Hefte der Bchulbuben durch. Da
tlopft’s und der Martl schiebt sich
zur Tbür herein.
,.Grüsz’ Di Gott, Schulmeister·«
»Gott zum Gruße, Schluchsel
Bauer. Was führt Euch her zu mitti«
Dann blickt er ihm aufmerksamer
in’s erregte Gesicht.
,,Euch ist wohl heut’ was Gutes
widerfahren, Bauer, daß Jhr gar so
verklärt dreinschaut?«
»Hiachzeit mach’ i!« jauchzt der
Bursche· »Hiachzeit! Und weißt auch,
mit wem, Schulmeister? «
Verneinend schüttelt der Anaeredete
den Kopf.
»Mit dem Rilerll Mit dem Berg
Rilerl!« ruft der Martl laut in sei
nem Glück und schlägt sich mit der
flachen Hand dröhnend aufs Knie.
»Mit der Ersta-« fragt der Leh
rer tonlos, und es ist dein Marti, als
ob das schmale Gesicht noch bleicher
geworden ist.
»Gelt, da reisz die Anaen aus?
Ja, mit dem Niierll Und z’we»aen
dessen bin i g’rad’ zu Dir kommen.
Schau, .i bin reich; mir lonnnt’s nit
»aqu Geld an. J will Dir gern a
paar Groschen z’verdienen geben, und
da hab’ i mir halt denlt: Der Herr
Lehrer tönnt' uns das Hochzeits
Lied dichten!'«
»Aber nit nur die brave, tugend
same Braut sollst D’ beschreiben«,
fährt er eindringlich fort, »m ei Vor
zücc mu t D, auch in’s beste Licht
rucken. erzähl’ drin, wasi fiir a
starler, brauner Bursch bin und daß
i auf der Kirrneß und auf a jeglicher
Rauferei die andern Buab’n stets turz
und tlein verhau’n hab’.«
Der junge Lehrer hat ihm kaum
zugehört. Jn sich zusammengesunten
sitzt er da und träumt vor sich hin.
Hochzeit —- Und mit der Erilal
—— Wie ein Messerstich geht Es ihm
durch die Brust. Alle Anderen inr
Dorfe haben stets auf ihm herunterae
sehen, haben ihn spöttisch oder herab
lassend behandelt, ——— nur die Erita
nicht! Wie oft hat er sich ausgemalt,
wie herrlich es sein niiißt', wenn die
sanfte Erita seine Frau tvär’ und
mit ihren sleißigen Händen das arm
selige Schulhäuschen bliyblant und
sauber hielte. Jrntner schon hat er sie
lieb gehabt, ——— vom ersten Augenblick
an, wo sie mit dem Milchgeschirr in
seine Stube trat.
»Die Mutter schickt Euch a Mitch'«,
hatte sie schüchtern gesagt; »’s ist
zwar nur Gaisen«Milch, aberihab’5
selber srisch g’rnolten, und wenn die
Gab’ auch klein ist, sie kommt von
her-sein«
Und blutroth war sie dabei gewor
den und hatte sich schier geschämt, daß
ihre Mutter so arm sei und sich nicht,
wie die Nachbarn, Kühe halten konnte.
Und jetzt ist es vorbei, ---— alles
vorbei, —- und er soll ihr gar das
Hochzeitö-Carmen dichten! »
Abwehrend streckt er die Hände aus.
Ich kann nicht,« saat er heftig
,,Sucht Euch einen Anderen, der Euch
das Lied macht-«
Der Bursche stemmt die Fäuste in
die Seite und sieht den Lehrer her
aussordernd an.
»Geh·, sei nit g’spaszig, Schalmei
ster«, meint er zornig.
Dann sent er schnell begütiaend
hinzu: ,,J schick Dir auch von der
Meyelsuppem Und wann D’ Dei
Such guat machst, leg i a paar schöne
Btuatwiirscht’ bei.«
»Ich kann nicht Schluchsel-Bauert
Ich tann nicht!« stößt der Lehrer hei
ser hervor.
»D« sollst sek;’n, daß i kein Geiz
tragen nit bin. Aus an’ großen, safti
aen Schinken soll mir’s auch nit an
kommen. Gelt, den kriegst nit alle
Tög’ angeboten?«
Der Dorfschul-Lehrer denlt an feine
leere Speifelammer in welcher selten
genug Wurst und Speck hängen. Wie
oft hat ihm der Magen getnurrtt Wie
oft ift er hungrig zu Bett gegangen!
Aber alle Tafelfreuden der Welt
würden ihn jetzt nicht locken.
»Laß mich in Ruh’, Schluchsel
Bauer«, fchreit er wild. »Ich kann
nicht« ich tann’s wahrhaftig nicht«
Um Gottes Barmherzigkeit willen,
Bauer, geht heim und laßt mich in
Ruh-P
Der Martl pfeift ärgerlich durch
die Zähne.
,,Dalteter Kerl!« murmelt er ver
drießlich und schlägt die Thür hinter
sich zu·
—.-..—-—.-—-——--—-———--—
Die Sonne ist längst untergegan
gen. Lange graue Schatten senken
sich über das Thal. Rings irn Dorfe
werden die Oellömpchen angezünd-t,
nur im Schulhanse brennt noch kein
Licht.
Der Lehrer steht am Fenster und
hat die heiße Stirn gegen dieScheiben
gepreßt.
Er blickt in die Höhe nach dem
weißen Häuschen, wo das Berg-Riterl
mit der alten Mutter wohnt.
Da oben ist auch Alles dunkel und
"still. Ob wohl die blonde Erita an
ihn denkt? —- —— —
Aber jetzt wird es hell am Abhang.
Mit Musik und Fackeln zieht der
Schluchsel-Bauer den Berg hinaus.
Große Freudenfeuer werden droben
, anaeziindeh die Burschen sckießen ihre
t Stutzen ab und das gellende Jauchzen
der SchuhplattLTänzer drinat zu ihm
herab· -
Der Dorfschul-Lehrer tritt vorn
. Fenster zurück. Er wirst sich auf den
sp Stuhl und stützt die Ellbogen auf den
Tisch.
,,Erita! Erita!« stöhnt er vor sich
hin.
Er irallt dieyIinner in die Ohren,
um die lustige usit nicht zu hören;
den Kopf läßt er aus die Tischnlatie
sinken und sein schmächtiger Körper
erschüttert
Die Hühner-tappt ;
Humoresle von Heinrich Hart-!
M ct U li. ’
Jch hatte nichts mehr zu thun, und -
schlenderte gemüthlich iiber den Wo
i cheninartt Mein Zug aina erst in ei
f ner Stunde. Jch lonnte also noch ge- z
I mächlich ein bischen die Stadt ansehen. I
i Plötzlich kam mir ein Gedanke. Wie l
wäre es, wenn du deiner Frau etwas
i
von der Reise Iniibrächtestl Jch dachte
nach, etwas Vernünstigcs mußte es
schon sein. Plötzlich stand ich vok ei- l
nein Geflügelhändler Und in demsel- ;
ben Moment hatte ich auch entdeckts
was ich meiner Frau mitbringeni
wollte. . ·
s Ein Paar Huhner. Das war pral- -
; tisch, und außerdem hatte ich mir schon ;
: lange eine rechte- fette Hühnersnppe ge- ;
L wünscht. H
s Ich trat auf den Händier zu. »Sa- .
gen Sie mal, was kostet denn ein
« Huhn?« T
! »Oh, das ist verschieden. Drei
Mart, zwei Mart und noch billiger.« »
i »Ein gutes muß es schon sein.«
Wir einigten uns aus ein seisteg
IL Exemplar der Gattung, das drei Mart .
, tosten sollte. »
! »Ja, und wie transportire ich das
j Thier?«
»Na, ich schlachte es gleich und tviclle
es Ihnen aut ein.
Aber da lam der Mann schön an.
»Nein, denHahn muß ich lebendig mit:
brinaen, sonst hat die ganze Geschichte
« teinen Zweck.«
Wir dachten hin und her, schließlich
s meinte der Mann: »Ich gebe Jhnen ei
i nen lleinenBeutel siir fünsundzwanzig
Pfennia, da thun wir den Hahn hin-—
4ein, das aeht aanz aut.«
s Jch war einverstanden. Jch bezahlte
und gab ihm, da ich lein kleines Geld
l besaß, ein Zwanzigmartstiicl. Der
sMann wollte los gehen, und von sei
nem Bruder, der auch aus dem Markte
sei, einen Sack holen. Jn demselben
Moment traten verschiedene Leute, da
runter ein Gerichtsvollzieher, aus den
Händler zu und... vsändeten sein
Geflügel. Nach vielem Lamentiten er
klärte sich der Gerichtövollziehee bereit,
den von mir getausten Hahn heraus
zugeben. Der Händler ging daraus hin
einen Sack zu holen. Da er eine lange
Zeit wegblieb, sprach ich init dem Ge
richts-vollziehen und sprach auch von
den zwanzig Mart. Kaum hatte ich
das gesagt, so fing der Gerichtsvolb
ziehet an zu lachen.
«Nanu, warum lachen Sie denn?«
Der war sogleich wieder ernst.
»Mein verehrter Herr«, sagte er, »ich
glaube, der kommt mit den zwanzig
Marl nicht wieder.«
Das war eine schöne Geschichte. Jch
wartete noch ein bischen und ging
dann los. Aber schon bei dem nächsten
Geflügelhändler iam mir der Ge
danke: Nun gerade. Sollte ich schließ
lich nicht einmal mehr eine Hühner
suppe essen können! Also frisch darauf
los. l
»Mein Herr, was kosten die Hüh
nq?" l
k;,Das ist verschieden, je nach Quali- !
tä
Bald hatte ich zwei Hühner l»-?« 1.75
Mart erstanden. Leider hatte auch die
ser Mann kein geeignetesBerpackungs
material für lebende Hühner. Aber er
hatte eine Jdee.
,,Fiaufen Sie sich drüben beim Sei
lser ein Netz!« .
Das ging. Jch erstand für eine
Mart ein tadelloses Netz, und meine
Hühner wurden hinein gesteckt.
Kaum hatte ich das Netz in der
Hand, als es mir auch schon entfallen
war. Die ängstlichen Hühner flatter- «
ten und blufterten, und da das Netz
Yicht zugezogen war, gelang es einem
Seiner Hühner zu entwischen. Nach
dem man mich gehörig ausgelacht,
jnnchte sich der halbe Wochenmarkt auf
die Jagd. Endlich glückte es. Man»
hAtte meinen Ausreißer wieder. Nach
dem ich dem glücklichen Fänger fünfzig
Pfennig Trinkgeld gegeben und die
Schlinge fest zugezogen hatte, machte
ich mich auf den Weg. I
Nach Lofung der Fayrrarte pamrre
ich glatt die Bahnsteigiontrolle mit
meinen Hühnerm die sich immerfort
hin und her bewegten und schlecht zu
traIpottiren waren. Jch setzte mich
gemiithlich in den Zug und schob mein
Netz unter die Bank.
Jch dachte an die Freude meiner
Frau und an die meine, wenn die
Hühner erst aus dem Tische stehen wür
den. Schon spürte ich den Duft der
Suppe in meiner Nase und sog mit
Wohlgefühl denselben ein. Da, mit
einem Male trat der Konduiteur auf
mich zu, verlangte meine Fahrsam
und . . . entdeckte meine Hühner. Ob
wohl ich der einzige Fahrgaft im Ad
theil war, fragte er doch:
Wem gehören die Hühner.«
Jch war sehr höflich: »Mir, mein
Herrl«
»Ja, das giebt’s nicht. Lebendes
Geflügel darf nicht mit in’g Coupe ge
nommen werden, die müssen raus.«
Jch war ganz perplex. Da der Kon
duiteur aber iort ging, dachte ich, es
würde klappen. Aber schon nach weni
gen Minuten war er wieder da.
»Na, die Hühner sind ja noch da.«
»Allerdings, ich weiß nicht, was ich
mit denselben machen soll.«
»Ja, das geht mich nichts an, die
Thiere (Tl)iere sagte er) müssen raus.«
,,Könnte ich denn kein Hundebillets
dafür iaufen·«
»Nein, das geht nicht, die müssen
raus.«
Was thun. Jn fünf Minuten ging
mein Zug. Jhn zu versäumen, hättef
großen Schaden gebracht· Jch mußte;
also versuchen, den Mann zu gewinig
nen. Ein Fünfziger Trinkgeld, den ich i
ihm anbot, fruchtete nichts. Nun wur
de ich grob. « i
»Herr! Ich werde die Vuyner mirs
nehnun Man hätte mir früher BE
scheid sagen können, schon als ich den
Bahnsteig betrat, hätte man mich dar
auf aufmerksam machen müssen.«
Der Konduiteur holte jetzt den Sta- »
tionsvorsteher, verschiedene andere Bes- «
amte kamen auch noch. Es gab einen
Auflauf, und das Ende war, daß man
dir Hühner mit Gewalt aus d(’mCoupe
entfernen wollte. Jch kam dem zu
vor, nahm meinNetz und gab es sammt
den Hühnern einem Gepackträger. s
»Hier haben Sie ein paar Hühner
»zum Sonntagsbraten.« .
Zu dem ganz erstaunt zusehenden
Beamten sagte ich: »Meine Herren, ich
wcrde mein Rscht schon kriegen. Jch
werde an die Bahnverwaltuna schrei
ben und Schadenersatz verlangen, da
ich durch die Fahrlässigteit des Beam
ten, der die Bahnsteigetontrolle aus
übt, geschädigt worden bin.«
Die lachten. Der Zug fuhr ab.
Meineg ute Laune war dahin. Erst
am Ende der Ncise dachte ich darüber
nach, daß es doch Unsinn sei, sich des
wegen zu ärgern. Jn Berlin ange
langt, war ich schon wieder so weit,
daß ich mich mit dem Gedanken trug,
tßrotz allem eine Hühnersuppe zu genie
cn.
Nach einigem Schwanken entschloß
ich mich, ein Huhn zu laufen. Schon
war ich in der Marlthalle, als es mir
nach meinen bisherigen'Erfahrungen
räthlich schien, lieber ein todtes Hahn
zu tausen. Mir gefiel keins. Jch ent
schloß mich, nach Tietz zu fahren.
Schon nach kurzer Auswahl hatte
ich ein großartiges Exemplar für nur
zwei Mark erworben und ging stolz
den heimischen Penaten zu.
Meine Frau empfing mich herzlich.
Jhr Gesicht wurde aber merklich lan- -
ger, als das Huhn zum Vorschein kam.
»Aber Heinrich, jetzt ein Hahn, wo
du doch weißt, daß mein großer Topf
letzthin entzwei gegangen ist.«
Auch das noch. Ich aber beschloß,
alle Hindernisse zu überwinden, und
ging einen Topf kaufen. Den ent-»
zückendsten aller Töpfe erwarb ich.
Damit er nicht etwa auch wieder ent
zwei gehen könne, nahm ich vorsorgli
cher Weise einen aus Ematlle.
Meine Frau war entsetzt. »Aber ich
soll doch nur ein Huhn kochen, du hast
ja einen Ton gebracht, in dem sieben
Hühner Platz hätten.«
»Liebe Lotte, es ist der schönsteTops
im ganzen Laden, wiegt neun Pfund
und kostet drei Mark fünfundvierzig.«
Meint- Frau hörte garnicht zu.
»Und der Deckel? Wo ist der J
Deckel?«
Ja, wo war der Decken Die me
derträchtige Verkauferin hatte mir ei
nen Topf ohne Deckel verkauft.
»Ich werdc einen Deckel holen.«
Der Deckel paßte nicht. Jch ging ein
zweites Mal, belud mich aber diesmal
vorsichtiger Weise mit dem neunpsiin
digen Topf, damit ich einen passenden
Deckel kriegte und lenkte meineSchritte
abermals nach dem Emaillegeschiist.
»Ja, Kuchen! Der heimtiiciische
Mensch hattt seinen Laden zugemacht,
und eg war doch erst anderthalb Mi
nuten iibvr neun Jch war aanz zer
schmettert. Erst nachdem ich zwei
halbe Liter Kulmbacher getrunken,
traute ich mich zaghast nach Hause.
Meine Frau wetterte nicht schlecht.
»Natürlich, nun sitze ich da, habe kei
nen Braten zum Jesttag gekauft, we
gen deines dummen Huhnes (als wenn
das Huhn was dazu tonnte). Morgen
am Ersten Festtag sind die Läden zu,
da kannst du ja sehen, was du ißt.«
Jch war ernstlich böse.
»Liebe Lotte. wenn du mich um
meine ersehnte Hühnersuppe bringst,
bin ich mindestens drei Monat und
si(’benunddreißia Tage böse.«
Das half. Wenigstens dachte meine
Frau angestrengt nach. Dann sagte
sie:
»Liebe: Heinrich, weil du dich denn
so sehr nach einer Hühnersuppe sehnst,
will ich mal sehen, was sich da machen
läßt. Jch werde zur Frau Keibel ge
hen, die pumpt n«.ir vielleicht einen
Topf-«
Fast war Es mir leid. Frau Keibel
die Klatschbase, und meine Frau, das
würde ja nett merkten. Wirklich kam
meine Frau um halb zwölf mitten in
der Nacht wieder. Da sit einen Koch-«
tops hatte, so beruhigte ich mich.
»Frau Keibel mußte ihn erst hersu
chen, daher hat es so lange gedauert.
COEZ diesc Weiber). Jst aber ein schö
ner Topf, echt französisches Steingut,
innen glasirt, auizen nicht. Das ist
jetzt das Neueste. Er soll von wunder
barsr Wirkung sein. Da wird dir deine
Hithnersuppe noch schöner schmecken.
Jch war selig, meine Träume waren
entzückend. Der Mittelpunkt dersel
ben war ein wunderschönes Huhn und
eine Hiihnersuppe, wie es noch keine
schönste gegeben.
Am anderen Morgen war ich schon
sriih auf. Mit hochgekrempclten blo
ßen Armen stand ich neben meiner
Frau am Kochtops und war emsig be
müht, die Hühnersuppe recht schön zu
machen. Meiner Frau schien das nicht
recht zu gefallen, sie meinte, ich habe
den «Hiihnersnppenklapps«. Jch ließ
mich indessen nicht stören, sondern
riihrte und kochte, daß Vs einv Art
hatte.
Meine Frau wollte etwas-Holz nach- -
legit. Jch sollte den Topf abnehmen,
damit es schneller ginge. Jch nahm voll
Stolz den Topf, nnd . . . . vardautz
lag der Topf; dessen .Henk("l heiß war,
am Boden. Zerbrochen. Mein Huhn
im Schmutz — -—— —— — —
Jch setzte meinen Hut auf und ver
lisß schweigend meine Wohnung. Erst
in meiner Stammkneipe — Hühner
suppe war natürlich alle geworden —
kam ich wieder zur Ruhe. Mit Ueber
legenheit holte ich ein Blatt aus der
Tasche und noiirte:
Für einen qepfändeienHahn 20 00 Mk
für ein Netz. . . 1,00 »
siir zwei Hühner . ,. . . 8,50 »
Trinkgeld. . . . 0,50 »
Fahtkarte zu Tietz . . 0,10 «
ein iodies Huhn. . . . 2,00 »
ein Topf . . . . . . 3,45 «
ein Deckel. . . . . . 0,55
zwei Kulmbachet . . . TO »
meine heutige Zeche . . . 1,50 «
machie zusammen . .38,20 Mk
Ein schönes Stimmchen. Dazu kaut
noch der sranzösische Topf. Und
schließlich hatte ich nicht einmal Hüh
nersuppe gegessen.
s Zaghaft ging ich nach Hause. Meine
Frau würdigte mich keines Blickes.
Sie war bemüht, die einzelnen Theile
des Huhnes zu säubern und genieß
bar zu machen.
I Jch habe nichts davon gekriegt. Und
lmir darf seit der Zeit Niemand mit
Hühnersuppe kommen. Die hat für
mich allen Reiz verloren.
Auf mein Schreiben an die Eisen
bahnverwaltung wegen Erstattung der
Kosten für zwei Hühner hat diese Be
hörde nicht einmal beantwortet.
-
Die Getränke ver Völker.
Nach der neuesten Statistik des
Handelsamtes in Washinton scheint
der Amerikaner im Vergleich mit sei
nen europäischen Brüdern im Trinken
ziemlich mäßig zu sein. Er verbraucht
weniger Bier als der Engländer, der
Deutsche oder der Oesterreicher. Als
Weintrinker nimmt er die fünfteStelle
ein. Der Franzose, der Italiener, der
Oesterreicher und der Deutsche trin
ken-mehr Traubensaft. Dagegen sind
Kaffee und Thee des Amerikaners
Lieblingsgeträntr. Jm Verbrauch von
Spirituosen steht der Jtaliener unter
den Völkern Europas an letzterStelle.
Er trinkt auch weniger Bier als seine
Nachbarn, dagegen ist der Verbrauch
des leichten, wenig Alkohol enthalten
den einheimischen Weines sehr groß,
so daß er im Weintrinken gleich hin
ter dem Franzosen kommt, der den
höchsten Weinkonsum unter allen Völ
kern aufweist. Der Russe steht im
Verbrauch von geistigen Getränken an
sechster Stelle; er trinkt nur ein Drei
ßigstel von dem Bier, das der Eng
länder zu sich nimmt. Nehmen wir an,
daß sich ein Deutscher, ein Amerika
ner, ein Engländer, ein Franzose, ein
Oesterreicher, ein Russe und ein Ita
liener zu Tische setzten und Getränke
in den Mengen bestellen würden, die
dem Konsum dieser Getränke im gan
zen Volke dem Verhältniß nach ent
spräche-m so würden die Maße außer
ordentlich verschieden vertheilt sein;
der Eine würde so viel bekommen, daß
er getrost darin baden könnte, ein An
derer wieder kaum einige Schluck
Lassen wir sie zum Beispiel Thee
trinken. Dann trinkt der Engländer
1800 Tassen, der Amerikaner 400,
der Russe 275, der Deutsche 86, der
Lesterreichex 20, der Franzose 18 und
der Jtalienernur eine einzige Tasse.
Auch wenn Bier bestellt würde, würde
sich der Engländer als der stärkste
Trinter erweisen.
..—
Berlin, die Denkmalstavt.
Sechs neue Denkmäler wird Berlin
in der nächsten Zeit erhalten, und
zwar das Molttedenkmal, das Har
dendenimal (Dönhosfsplatz). Momm
sendenkmal (Universctätsgarten), Vir
chowdenltnal (Karlsplatz)- Lortzing
dentmal (Thiergarten) und das Ei
chendorffdenkmal. Außerdem wird
aus dem Floraplatz im Thiergarten
eine Nachbildung der Tuaillonschen
Vlinazone Aufstellung finden. Bis jetzt
besitzt Berlin 165 Stein- und Erz
denkmäler, 12 allegorische Figuren
gruppen, 16 Thiergruppen, 39 sonsti
ae Dentmäler und Standbilder, zu
sammen 282 Dentmäler oder ähnli
ches-, weiter 6 Marmorbänke mit Bü
sten nnd 14 Springbrunnen. Zu den
232 Dentmälern gehören noch 184
Nebenfiguren, so daß insgesannnt in
Berlin »auggehauen« sind 416 Per
sonen und 128 Thiere. Die Berliner
Vororte haben dagegen insgesarnmt
nur 17 Denkmäler (11 Kaiser Wil
helm Denkmäler, 2 Bigmarekdenl
mäler, 4 Kriegerdrenkmäler).
————
Ein Bonmot des Kaisers-.
Einen hübschen Ausspruch des Kai
sers gelegentlich des Atelierbesitches,
der schon einige Zeit zurückliegt, wird
jetzt bekannt. Als fast überall in den
Werkstätten Dentmäler Kaiser Wil
heltns, Kaiser Friedrichs, Bismarcks
u. s. w. herzustellen waren, benutzte
man als Vorbild für die Köpfe nahezu
allgemein die nach dem Leben model
lirte Büsle von Reinhold Begas. Der
Künstler machte nirgends Einwen
dungen dagegen, obwohl die Köpfe
vielfach direlt lopirt wurden. Ein sehr
aeschiiftgtüchtiger Bildhauer hatte nun
eine Denkmalgbüste der Kaiserin
Friedrich auszuführen Auch hier gab
eg« natürlich lein besseres Material als
die Biiste der Kaiserin, die Begas ge
schaffen hat. Der Kaiser nahm die
Denkmalsbüste in Augenschein, be
trachtete ste kritisch und sagte dann
kurz und treffend: »Seht gut, sehr
ähnlich —-- aber, mein lieber X» ken
nen Sie auch das siebente Gebot?«
-——-—-. --.--«—
Hochmuth kommt Vor dem Fall —
Stolz hält aufrecht.
Il- Iis sit
! Wer in seinem Schmerz nach einem
Trost sucht, der ist schon getröstei. Die
nicht qetröstet sein wollen, bedürfen
des Troste-«- am tiefsten.
II III Il
Mancher lobt andere nur, damit sie
auch ihn loben.