Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 27, 1905, Sweiter Theil., Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    W
Es « Perbotene Früchte. «
- Eine luftige Berliner Geschichte von
. Pa ul Vligss
)
) EdnialtrBergernann war einGliietg
lind, kaum siinfundztoanztg Jahre alt
und schon in der glücklichen Lage, von
seinen Renten leben zu litnnem
- Ein alter Onkel war rechtzeitig ge
storben und hatte den lieben Neffen
als Universalerben eingesetzt. Dies
begrüßte der junge Mann mit um so
größerer Freude, als er an wirklicher
Arbeit nie sonderlich großen Gefallen
s gefunden hatte.
Langsam schlenderte er heute durch
die Linden, spähte nach rechts nnd
linls und geradeaus, ob es denn nir
ändnio etwas gabe, was in dem dden
lltaggeinerlei eine interessante Ab
wechselung wäre.
Da plötzlich bekamen feine müden
Nerven einen Ruck. Mit großen er
staunten Augen starrte er zu der Ans
lage eines Damenartilel-Bazars hin.
Eine Dame erblickte er dort, eine
ganz entziietende Dame, fesch, schick,
elegant, frisch und jung, mit naiven,
frendeleuchtenden Augen.
»Donnerwetter!« flüsterte er, »das
ift wirklich mal etwas Neue-Bl«
Jm nächsten Augenblick stand auch
er vor der Auslage und musterte mit
Interesse die Hüte und Blasen und
Schirme. Dabei fand er noch Zeit
und Gelegenheit genug, ein paar dis
kreie Seitenblicle nach der schönen
Dame zu senden, die erkunden sollten,
wes; Rana und Herlunst die holde Un
bekannte sei.
T
Aber all sein eifriges Bemühen war
umsonst. Ohne ihn zu beachten, ging
die Dame weiter.
Aber Herr Ewald Bergemann war
nicht der Mann der blossen Furcht —
er wußte aus Erfahrung, daß die Ge
duld eine der schätzengwerthesten Ei
genschaften ist, und deshalb ging auch
er weiter-, natürlich unmittelbar hinter
der Unbeiannten her.
Kaum hundert Schrittweiter war
wieder ein eleganter Modebazar mit
pruntvollen Aus-lagen, und wiederum
machte hier die Dame Halt.
herr Ewald natürlich auch
Und wieder begann er« die Schöne
mit sragenden und bittenden Blicken
zu bombardiren, aber wieder mußte er
mit langer Nase abtrollen.
Jent aber beschleunigte die Dame
ihre Schritte, lief behend mit graziös
gehobenem Rock iiber den Fahrdamni,
sprang in einen der haltenden Pferde
bahnwagen und —- fubr davon.
Und Herr lswald lächelte wie ein
moderner Philosoph, —-er dachte: Du
entgehst mir nicht! nahm eineDroschle,
instruirte den Kutscher und suhr in
entsprechender Entfernung hinter dem
Pserdebahnwagen her.
Nach kaum einer Viertelstunde stieg
die Dame aus und ging zu Fuß wei
ter.
Herr Ewald, in entsprechender Ent
fernung, that dasselbe und folgte der
Unbeiannten, bis sie in einem Hause
der Kursiirstenstrasze verschwand.
Dann wartete er ein paar Minuten,
ging zu dem Portier desselben Hauses
und erkundigte sich nach dem Preis der
leerstehenden ersten Etage· Und so
ganz nebenbei sragte er dann: »Saan
Sie mir, bitte — die Dame. die hier
eintrat, ist das nicht Fräulein Mül
lers« Dabei legte er zugleich dem
Portier ein Martstiick hin.
Der Portier machte ein pfiffiges
Gesicht strich dankend die Mart ein
und sagte: »Nein, das war Frau
Brauwald, die wohnt in der zweiten
Etage.«
»So. so —- ich glaubte in der Dame
eine Bekannte zu ertennen", sagte
Ewald leichthin.
»Na, ich weis; nicht, vielleicht ist sie
’ne gebotene Müller«, lächelte der Alte
—- ,,die Herrschaften sind nämlich erst
ein halbes Jahr verheirathet.«
»So, so — danie, danle sehr!« Er
ging. Vorerst wußte er genug
Diesem hause gegenüber war eine
Konditorei. und in dieser Konditorei
saß Herr Cwald Bergemann am an
deren Tage Vormittags um els Uhr.
Zuerst trant er einen Kognat, dann
eine Tasse Bouillon, dann ein Glas
Portwein und endlich noch einen Kog
nat. Inzwischen war es halb eins ge
worden. da plötzlich erschien in der
hausthitr gegenüber Frau Brauwald,
und zwar wieder allein!
Eine Minute später war Herr
Ewald hinter ihr, und zwar so nahe,
daß er den Dust ihres bislret feinen
Pnrfiirns riechen konnte. Er war so
iopilos, daß et sich gar keinen Plan
machte, wie er nun vorn-geben habe.
Nnk ein Gedanle verließ ihn nicht:
Weshalb gebt sie auch heute wieder
allein aus? Für eine Ghe, die erst sechs
Monate alt ist, tönnte man dies als
ein schlechte-z Zeichen ansehen. Jeden
falls isi der Gotte ein bequemer, älte
rer herr, oder er isi ein übereifriger
Geschöfismann, sonii wijrdeer doch so
ein ent lickendes Weibchen nicht fort
währen allein herumlaufen lassen.
So griibelte er und folgte der schönen
jungen Frau immer in einer kleinen
Entfernung.
Sie ging in ein Geschäft und laufie
Delikt-reifen
Einen Augenblick überlegte er.
Dann trat er auch in dasselbe Geschäft.
Er taufie alles Mögliche zusammen,
ließ es sich zuschicken und hatte nicht
W
einmal Gelegenheit finden können, sich ·
ihr bemerkbar zu machen. Ohne ihm
einen Blick zu gönnen, ging sie wieder
ort.
f Schon war er nahe daran, die Ge
duld zu verlieren, als sie plötzlich eins
der vielen kleinen Packeie fallen ließ.
Sofott war et bei ihr, hob das Partei
chen auf, überreichte es ihr sehr artig
und sagte: »Bitte, gnädige Frau!«
Nun sah sie ihn an, zuerst erstaunt,
dann verwirrt, und schließlich sagte sie
lächelnd: »Ich danke sehr.«
Bevor sie aber fortgehen konnte,
sagte er schnell: »Ich fürchte, gnädige
Frau, Sie werden gleich wieder eins
der vielen Packete verlieren.«
Lächelnd entgegnete sie: »Es war
thöricht von mir, ich hätte es sollen
zusammenpacken lassen.« Dabei ne
sielte sie an den vielen Fäden der
Packete herum.
»Wenn Sie mir gestatten, gnädige
Frau, dann trage ich Jhnen die
Waaren.«
Sie wurde verlegen. »U, ich danke
sehr, —-— aber ich kann ja auch einen
Wagen nehmen.'« Und suchend fah sie
sich um, aber es war keine leere
Drofchle zu sehen.
»Dann erlauben Sie mir wenig
stens, daß ich Sie zum nächsten Wagen
geleite, gnädige x rau!« Ehe sie noch
etwas erwidern onnte, hatte er ihr
schon die Packetchen abgnommen und
ging nun an ihrer Seite weiter.
»Sie sind sehr liebenswürdig, mein
Herr,« sagte sie, immer noch ein we
nig verlegen.
»Aber ich bitte Sie, gnädige Frau,
ich bin glücklich, Ihnen den kleinen
Gefallen erweisen zu dürfen.'«
So gingen sie weiter. ohne einen
leeren Wagen finden zu können
»Wenn Sie mir erlauben, gnädige
Frau, dann trage ich Jhnen die Sa
chen bis zu Ihrer Wohnung, —- es ist
ja nur eine kleine Strecke weit.«
Erstaunt sah sie ihn atr. »Sie wis
sen dass«
Er lächelte »Durch einen Zufall,
sowohl, —- fogar Jhren Namen kenne
Fragend sah sie zu ihm auf.
»FrauBrauwald«, sagte er lächelnd.
Jetzt lachte sie ganz herzhafi und
sagte dann: »Nein, mein Herr, Sie ir
ren sich-"
»Aber ich weiß es ja ganz genau.«
»Wenn ich Jhnen aber versichere,
daß Sie sich irren! Frau Brauwald
wohnt zwar auch in demselben Hause,
aber ich heiße anders.«
Jetzt platzte er heraus: »Aber, gnä
dige Frau, als Sie gestern Nachmit
tag ins Haus gingen. fragte ich un
mittelbar darauf den Portier, wer Sie
seien.«
Wieder lachte sie: »Den Portier
fragten Sie?«
Nun ärgerte er fich, dass er aus der
Rolle gefallen war, und, um die
Scharte auszuwetzem sagte er: »Ich
glaubte nämlich eine Bekannte von
früher in Ihnen zu erkennen, deshalb
fragte ich.«
Sie lachte noch immer: Da hat-sich
also der Portier geirrt, denn Frau
Branwald trat kurz vor mir ins Haus
—- mich dagegen hat der Portier über
haupt nicht eintreten sehen, denn ich
habe einen Drücker, der mir die Thiir
öffnet.«
»So, so«, — saate er nur. Bei sich
aber dachte er: Aha, sie will uner
kannt bleiben, —- nun gut, wie sie
will· -—— da werde ich mich vorerst auch
nicht zu erkennen geben.
Ein paar Schritte gingen sie schwei
gend nebeneinander. Dann begann er
wieder: »Der Frühling in Berlin ist
doch herrlich, nicht wahr?«
»Lächelnd meinte sie: »Wenigstens
draußen im Thiergarten, —- hier in
den Straßen ist es doch fast unerträg
lich warm und dumpf.«
»Ganz recht! Aber im Thiergarten
ist es herrlich! —- Sie sind auch wohl
eine fleißige SpaziergängeriM «
»Oh ja, soweit es meine freie Zeit
gefiattet.«
»Oh! Sind Sie denn so mit Arbeit
überhäuft?«
»Nun, wenn auch das nicht, so hat
man in der Wirthschaft doch genug l,u
thun-«
,,Aber dann ist es doch unbedingt
nothwendig, daß Sie jeden Tag min
destens ein Stündchen im Freien sich
erholen.«
»Das thue ich auch.«
,,Ah! Und im Thiergarten?«
»Gewiß!«
»Sonderbar, daß ich Sie dori nie
mal-J getroffen habe. Welche Pläne
befuchen Sie denn mit Vorliebe?«
Sie lächelte fehr fein und sagte zö
ernd: ,,Je nachdem, den Goldfiimteich
oder Floraplatz, oder auch den Neuen
See.«
»Kenne ichl Kenne ich alles genau!
Nun, vielleicht fügt es der Zufall, daß
ich Sie dort einmal wiedertreffe. —
Um welche Zeit find Sie denn am
liebsten dort, meine Gnädige?«
Und sie, mit demfelben fein ironi
fchen Lächeln: .Nun, fo um fünf Uhr
meifteni.«
»Seht fchönt Würde mich alfo
glücklich schätzen, meine gnädige Frau,
wenn ich Sie dort zufällig einmal
wiedersehen könnte.«
Lächelnd nickie fie nur.
Man war vor dem Haufe angekom
men. Er übergab ihr die Packeichen
und bekam ein vornehmes Kopfnicken
als Dant. .
W
! NAlso wo darf ich Sie morgen tref
fen?« fragte er ganz leise.
,,Am Floraplatz« sagte sie ebenso
leise nnd verschwand dann schnell im
hause.
Als er fortging, wollte es ihm
scheinen, als mache der Portier ein
äußerst erstauntes Gesicht, aber er ach
tete nicht weiter darauf, weil er mit
seinen Gedanken schon bei dem zuge
i sagten Rendezvous amFloraplatz war.
lEr hatte große Gala angelegt und
war aufgeregt wie ein junger Prima
ner der sein erstes Rendezvous hat
’Mit großen Schritten ging er um
l den kleinen Platz herum, sah ängstlich,
voll Erwartung, nach allen Seiten, ob
er seine Holde nicht erspähen konnte.
Aber es war bereits fiinf Uhr durch;
es wurde später und später, und die
Erwartete kam noch immer nicht.
Plötzlich tönte eine Stimme: »Gu
ten Tag, Herr Bergemann!«
Ewald sah sich um. Vor ihm stand
der Oberlellner aus seinem Clublolal.
»Na, Kleinete, was machen Sie
denn hier?« fragte Ewald mit gnädi
gem Lächeln.
Der Oberlellner nahm eine stramme
Haltung ein und antwortete: »Ich er
warte hier Jema.nd, Herr Berge
mann.«
,,Sieh’ doch einer an! Also ein
Techtel-M«echtel?«
»Nein, Herr Bergcmann, ich er
warte einen Herrn«
»So? Na, dann will ich Jlmen mal
etwas sagen, mein lieber Kleinele, —
nun thun Sie mir mal den Gefallen
und verduften Sie recht schnell, --— ich
erwarte hier nämlich auch Jemand-—
aber keinen Herrn«
Dct Oberlellnek zuckte verlegen die
Schultern und sagte: »Ich bedaure
außerordentlich, Herr Bergemann,
aber leider kann ich Ihren Wunsch
nicht erfiillen.«
»Aber, Menschenstindi Ihren
Freund können Sie doch auch an jeder
anderen Stelle treffen,« rief Ewald
empört.
»Es ist ja gar nicht mein Freundi«
-,,Na umsomehr!«
»Ein ganz fremder Mensch ist es,
dem ich aber eine achörige Lektian er
theilen will.« Er fuchtelte wüthend mit
seinem dicken Knübvel herum.
»Wie? Kleineke, Sie wollen hier
eine Keilerei inszeniren?«
»Ich muß, Herr Bergemanni Der
Kerl verdient eine exemplarische
Strafe!"
»Aber weshalb denn aerade hier«-m
»Nun. ich will Ihnen die Wahrheit
saaen, Herr Beraemann. Da läuft so
ein verdammter Laffe seit ein paar
Taaen meiner Braut nach-, belästiat sie
in ganz frecher Weise nnd hat sie fiir
heute fünf Uhr hier zu einem Neubegi
vous herbestellt.«
Herr Ewald Bergemann versuchte
zu lächeln, aber es wurde ihm doch ein
wenig unbehaalich, als er den dicken
Kniipvel ansah; dann nahm er sich
zusammen und fraate: »Ja, aber ken
nen Sie denn den Mann überhaupt?«
»Nu: nach der Beschreibung, um
halb sechs Uhr aber kommt meine
Braut hierher, nnd dann werden wir
ihn schon finden-«
»Ich habe ia aar nicht aewusz das-,
Sie verlobt sind, lieber Kleinete Wer
ist denn Ihr Fräulein Braut?«
Der Oberkellner lächelte. »Eine sehr
eleaante kleine Person! Augenblicklich
ist sie die Wirthschafterin bei der Ba
ronin v. Reibenstein in der Kurfiir
stenstraße.«
»In der Kurfiirsiensiraße?« stot
terte Ewald.
Der andere nickte.
»Und wenn man meine Braut auf
der Straße sieht, kann man sie wohl
fiir eine feine Dame halten, denn sie
bekommt fast alle die eleganten Kleider
ihrer Herrin geschenkt, und sie weiß
sie mit so viel Schick zu traaen, als ob
sie ihr Leben lang auf dem Parkett
aewandelt wäre.«
Herrn Ewald Beraemann wurde es
immer unbehaglicher.
»Seht interessant!« stotterte er.
»Ja, denken Sie nur,« sprach lä
rkelnd der Oberlellner weiter, »der
Eleaani von gestern hat meine Braut
sicher fiir ein-e Dame der Gesellschaft
aehalten. denn er redete sie mit »Frau
Brauwald« und «aniidiae Frau« an.
»Was Sie saaen!« — Mehr brachte
Herr Ewald nicht heraus, denn er ge
dachte des Knüpvels.
Nun zoa der andere die Uhr-. »Na,
in fünf Minuten wird meine Braut
sa kommen, da können wir uns den
Laffen hier heraussuchen.«
»So, so, dann will ich Sie dabei
nicht weiter stören. Adieu, lieber
Kleineke!« Und mit schnellen Schrit
ten verschwand Herr Eioald Berge
mann-.
Noch an demselben Taae verreiste
er, und als er dann drei Wochen spä
ter zurückkam. trua er einen Bollbart,
der seinem Gesicht ein aani anderes
Aussehen aab, sodafi selbst seine besten
Freunde ihn kaum wieder erkannt
hätten
, Umgekchri.
i »Wenn ich ein neues Kleid brauche,
Hetze ich meinen Willen bei meinem
jMann immer durch; kann ich mit
iWeinkeiimpfen nicktis erreichen, dann
, falle ich in Ohnmacht.«
; »O Du Glückliche! Wenn ich ein
ineues Kleid haben will, fällt mein
) Mann in Ohnmacht.«
Ein ineknlafives Genie.
»Warum rennen Sie denn so,MUi
ier Lehmann?«
»Je! höre, die Kohlen ivet’n theietz
s ick wetfe meine uss’ n Marchi.«
Rai-PS Erscheinung.
Eine seltsame Geschichte von G u st a v
H o ch st e t t e r.
In dem Exirazimmer eines sashikp
nahten Hotels saßen fünf Herren m
Unisorm. Vier davon Gascdeieutnants
aus Potsdam und der Fünste ein
Potgdamer Stabsarzt
Die Gesellschaft wollt-e heute aar
nicht so recht munter werden. Es fehlte
nicht an Scherzworten, die hin und her
flogen, aber der Ton, in dem sie ge
sprochen wurden, war nicht der, der
sonst in diesem aemüthlichen Kneip
zimmer zu herrschen pflegte. Es lag
etwas Düst.eres, Schwermüthiges
über der kleinen Gesellschaft.
Nachdem alle Ablenkunaen nicht
recht versanqen wollten, fing schließ
’lich ann von W—ettstein, der Aelteste
von den Herren, damit an, aus das
Thema einzugehen, an das alle Fünf
dachten, wenn sie auch nur von ande
rem gesprochen hatten:
»Also heute Nacht um
zwölf Uhr will er dir er
sch e i n e n.«
Walz doch das Spottenxa
»Ich spotte nicht! Es hilft ja doch
nichts, wenn wir nicht davon reden;
wir denlen ja doch alle nur daran
lund an nichts anderes-. Verfluchte
lGefchichte. Natürlich, ich glaube ja
Hauch nicht daran. Aber er war doch
i immer ein so torrekter und gewissen
lhaster Mensch, und wenn er dir das
nun bestimmt versprochen hat——!«
»Ach was!« sagte der Jüngste aus
,der Gesellschaft, »die Todten sind
todt, deshalb brauchen wir unseren
Pommerh nicht mit solcher Leichen
bitteriniene herunterzuschliirsen Wer
i'mal da drüben ist, der kommt nicht
Imehr wieder.« Und wenn er zehnmal
testamentarisch das Versprechen hin
’terlassen hat, am Jahrestag seines
:Todes seinem lieben Vetter Nachts
um zwölf Uhr als Gespenst zu er
scheinen. Aber da seht ihr, wohin
»das ewige Streiten führt. Siehst
Jdu, lieber Stabsarzt, ich hab’s euch
beiden hundertmal gesagt ihr sollt
Heuch nicht immer über solche Dumm
heiten in den Haaren liegen Wie oft
Ihat dein lieber Vetter Karl, als er
snoch lebte, seine Theorie von der Un
Hstetblichteit der Seelen verfochten, wie
jost hast du viertelstündige Kampfn
; den gegen diese Theorie gehalten, und
wie oft habe ich euch dann auseinan
» derreißen müssen, als ob ihr ein paar
JHirsche gewesen wäret. Da siehst du
les nun: Das hast du nun von dei
! nem ewigen- Streiten! Nun hat dir der
theure Verblichene In seinem Testament
die Antiindigung hinterlassen, daß er
dir, wenn sein Sterbetag sich zum er
sten Male jähri, zur Mitternachts
stunde erscheinen will. Na — und
wenn nun auch von uns allen keiner
im entferntesten daran glaubt, daß dir
heute Nacht die Ehre dieses Besuches
zu Theil werden wird . . . Es ist doch
eine unangenehme Geschichte. Und
nun sitzen wir hier alle und würden
uns ganz verflucht freuen, wenn es erst
» vierundzwaniigStunden später wäre.«
,,Kameraden!« meinte l«7,gon, »ich
hätte da einen ganz vernünftigen Vor
schlag: Stimmung kommt heute doch
leine! Also fahren wir schen nach
Hause! Um 10 Uhr 30 fährt der
nächste Zug nach Potsdam den tön
nen wir gerade noch erreichen, also
Wohlauf Kameraden, aufs Pferd,
aufs Pserdl«
Ist Si- sit ·
Auch während der Fahrt nach Bots
dam wollte keine bessere Stimmung in
den kleinen Kreis einziehen. Unheim
lich schallte das Echo der Schritte, als
die Herren durch die stillen Straßen
der kleinen Residenz zogen. Wenn ei
ner an der Ecke angelangt war, wo er
nach seinem Hause abbiegen mußte,
trennte er sich mit dem mißlungenen
Versuche eines harmlosen Scherzes-.
Schließlich war der Stabsarzt in sei
ner Junggesellenwohnung mutterste
lenallein.
Es War dreiviertel Zwölf. Klar
und deutlich schallten eben die drei
Schläge von der nahen Thurmuhr.
Der Stabsarzt wirft sich in den
lsreiten Clubsessel aus braunem Sass
fianleder und schaut melancholisch aus
die Biesen seiner Unisormhose herab.
Dazu bat man also zehn Semester
aus der Universität, aus der Anatomie
und in der Klinit berumstudirt, daß
man schließlich vor seinem eigenen
Vetter Angst hat! Angst? Zum Don
nerwetter — ja! E br l i ch mus- der
Mensch doch gegen sich selbst fein! Und
so schlecht es sich auch einem taiserlich
deutschen, königlich preußischen Krie
aerherzen geziemt, — die Angst war
da. Und dabei muszte er sich einge
steben, daß er sich noch nie in seinem
Leben so dumm vorgekommen war,
wie heute· Er wußte doch ganr ge
nau: er befand sich hier in seiner
Wohnung, er hatte die Thiir eigen
händig verschlossen und verriegelt,
kein Mensch konnte da eindringen,
gleichviel ob todt oder lebendig! Und
der Blödsinn, überhaupt über so etwas
nachzudenken. Er hatte doch genug
mit Leichen herumgewirthschastet, als!
er noch aus der Anatomie war, um zu
wissen, daß die Todten wirklich todt
sind. Und dennoch —: Die gräßliche
Angst war da, und sie ließ sich durch
nichts, durch seine Vernunstgriinde
bannen.
Was hatte ihn denn sein ganzes
Studium gelehrt? Schließlich doch
nur das eine, daß wir Menschen, je
mehr wir an Wissen erringen, nur«
um so schärfer zu der Erkenntniß ge
langen, daß wir nichts wissen. Nun
gut, wenn er also nichts wußte, dann
konnte ja der andere, mit dem er sich
so oft darüber gestritten hatte, Recht
haben! Dann giebt es vielleicht ein
Fortleben nach dem Tode. Und wenn
es das giebt, warum sollmicht ein
Todter für eine Nacht zurückkehren
können?
Ach was! Zwanzig Jahre lang
war man darüber mit sich einig, daß
von drüben keiner zurückkommt. Und
nun soll man heute auf einmal, einem
dummen Einfall eines verstorbenen
Vetters zuliebe-, seine ganzen Lebens
anschauungen umkrempeln?i Fällt
uns ja gar nicht ein! Nein! Und
nochmals nein! Er kommt nicht wie
der. Und damit dasta!
So! Und jetzt den Rock an den
Nagel und hübsch ins Bett gelegt.
Sofort einschlafen, wenn ich bitten
darf.
Ja, wer das könnte! Zu dumml
Zu dumm! Jmmer nur der eine Ge
danke: »Und wenn er nun doch wie
dertomtnt?«
Vom Thurm drüben schlägt
Zwölf.
Nun gut, also muß es sich jetzt ent
scheiden.
Banges Lauschen. Nichts rührt
sich. Unheimliche Stille. Er sitzt halb
aufrecht im Bett; wenn er sich ein ganz
klein wenig bewegt, knistert und knarrt
die Bettstelle. Aber sonst lein Ge
räusch. Nichts. Garnichts
Da —- plötzlich dreimaliges, lang
es
sames, deutliches Pochen an der
Thür.
Zum Kuckuck! Nein! Das kann
ja nicht sein! Akustische Täuschung!
Nervositätl Aufs Ohr legen und ein
schlafen, dummer Kerl.
Ein paar Selunden —- dann klopft
es wieder laut und deutlich drei Mal
an die Thür.
Hölle und Teufel! Ob das wirk
lich Karl ist? Ach was! —- Blödsinn,
shallucinationi Einschlafen, einschla
en.
Nichts regt sich. Dann wieder lau
tes deutliches Pochen, drei Mal genau
wie vorhin.
Also jetzt halft alles nichts! Muth»
gefaßt, aus dem Bett heraus und
nachsehen, was das ist! Schließlich
ist es vielleicht ein ganz einsacher le
bendiger Mensch . . ..
Kurz und gut, Muth gefaßt. Den
Säbel aus der Scheide, das Licht in
die andere Hand, so! Und jetzt zur
Thür!
»Jn aller Heiligen Namen — wer
ist da?«
Und von draußen tönt es klar und
deutlich:
,,Karl!«
Um des Himmels willen, das lann E
ja nicht sein, das darf nicht sein!
Noch einmal: »Wer ist es, der mich
rust?«
Und wieder draußen nur das eine
Wort:
,,.Karl!«
Das Licht zittert in der Linken,
der Säbel zittert in der Rechten,
aber schließlich dreht sich der Schlüs
sel, der Riegel lnirscht, die Thiir ist
offen.
»Wenn du es denn
Karl, so tritt eint«
Draußen aus dem Korridor ist es
stocksinster. Die Kerze in der Hand
des Stabsarztes wirft nur einen
schwachen Sein in den Korridor
hinaus. Die Umrisse einer großen
schlanlen Männergestalt werden sicht
bar, und sie trägt die Unisorm des
Potsdamer Reaimentes, bei dem Karl
stand, als er noch lebte.
Die Gestalt bleibt wie anaewurzelt
draußen stehen. Bis der Stabsarzt
sie anruft:
,,Tritt herein, Karl! Was willst du
von mir?«
Die Gestalt tritt in den Lichtkreis
der Kerze.
Die Gestalt legt militärisch stramm
ihre beiden Zeigesinger an die Hosen
naht.
Die Gestalt meldet in streng vor
schriftsmäßigem Tone:
»Bursche Karl vom Herrn Major
aus der oberen Etage Schöne Ern
psehlung vom Herrn Major, die gnä
dige Frau Majorin wären nicht recht
wohl und der Herr Major wären dem
Herrn Stabsarzt sehr dankbar, wenn
Herr Stabsath sich gütigst sofort
nach der oberen Etage bemühen woll
ten.«
wirklich bist,
Der brave Bursche S e b a st i a n l
Karl aus Neutomischl bat es bis
heute noch nicht begreifen können, wa
rum ihm der Stab-Samt damals in
der Nacht zum Dank fiir die Stö
rung einen vollen Theilen Trinkgeld
gegeben hat.
Mißverständniss.
Oberleutnant (der bei einemBauern
einquartiert ist, zur Magd, die das
Essen bringt): »Hast Du denn auch
schon einen Schatz?«
Magd: »Ja! Du wärst mir
auch viel zu sein!«
Berti-unlink
Dame: »Diese Gesellschaften sind
doch eigentlich schrecklich. Immer det
selbe Lachs, dieselbe Pute ...«
Herr: »O, das ist noch nicht das
Schlimmste. Aber immer dieselben
Menschen!«
Die Nationalweisen-.
Der Pariser »Gil Blas« veriissents
ilichte anläßlich des französischen Pa
tionalfestes folgende kleine Studie
über Nationalhymnem »National
hymnen, die den Herrscher feiern, giebt
es in England, Oefterreich, Dönematk,
Portugal, Preußen, Rußland, Schwe
den. Nationalhymnen, die die Nation
feiern, besitzen: die Bereinigten Stac
ten, Holland, Ungarn, Norwegen.
Eine dritte Klasse ist die der Natio
nalhymnen revolutionären Ursprungs;
dazu gehören vor allem die ,,Marsel
laise« (Frantreich), die ,,Brabanconne««
(Belgien) und das »God save Jus
land«. Die Nationalhymnen sind ver
hältnißmäßig modern; es ist faft leine
älter als 100 oder 150 Jahre. Die
Verfasser von Hymnen sind gewöhnlich
große Unbekante, abgesehen von Rou
get de Lisle, dem Verfasser der »Mot
seillaise", und von Björnstjerne Bjiirns
son, dem Verfasser der norwegischen
Hymne (»Ja, wir lieben dieses Land«).
Die einzige Hymne, deren Musik das
Wert eines großen Komponisten ist«
ift die von Handn tomponirte öster
reichische Hymne. Besondere Erwäh
nung verdient noch die portugiesische
Hymne, weil ihr Autor ein Kaiser,
Don Pedro l. von Brasilien, war.
W
Sie-eng logisch.
Mohr: »Ich möchte hier auch ein
Bad nehmen«
Badeaufseher: »Das lassen Sie lie
ber gut sein, denn entweder wird’s
Bassin schwarz, und dann schadeks
uns, oder es wird nicht schwarz und·
dann hilst’s Ihnen nichts.«
Ottenherzig.
»Ich bin ja mit Ihrem Antrag ein
verstanden, aber die Rosa ist noch
. jung . . . . könnten Sie nicht noch ein
Jahr warten mit der Vermählung?«
» »Ich könnt’ ja warten, aber meine
’ Gläubiger nicht«
Zu arg.
»Lumpt mein Sohn wirklich so
arg?«
Wirthin: »Ich sag’ Ihnen, Herr
Rath, der kann gar nicht früher ein
schlafen, als bis ihn der Hahn in den
Schlaf kräht!«
Mehr als verlangt.
»Sie denken doch noch daran, daß
ich Ihnen unlängst hundert Mart ge
liehen?«
»Und ob ich daran denke! Ich denk·
sogar schon an die nächsten hundertt«
Ein Unzufriedener.
Bauer: »D·o·s is scho sauduinm.
daß ma’ immer erst noch an Grund
zu oaner Raufetei snch’n mußt«
Persönliche Auffassung.
»Mertwiirdige Begriffs-verwir
rung! Das nennt sich nun eine Wohl
thätigkeits - Lotterie und dabei ist dei
Haiiptgewinn ein Klavier!«
Bei der Bersichcrnngsgcsellschaft
Herr Heymannt »Ich möchte den
Direktor sprechen, um meine Dia
nianten zu versichern.«
Lehrling: »Glasversicherung, letzte
Thüre rechts.«
Jmnfer die gleiche.
Pantoffelheld (beini Festmahyt
»Ich trinke auf das Wohl ....«
Gattin (unterbrechend): »Halt,
schütt’ Dir zuerst Wasser in dev
Weint« ·
Dann allerdings.
Richter-: »Wie konnten Sie nur so
herunterkonnnen2«
Landstreicher: »Ganz einfach, Herr
Richter, weil ich ein ftellenloser Luft
schiffer bin.«
Bei der Soirce.
»Ist denn das Reisen unter Ganz
wilden wirklich so gefährlich, Mistet
Fowler?«
»Oh, Dir, mit einem Fuße steht
man immer im Krssel.«
Erklärt
»Der Jnspettor sieht schlecht aug;
der Tod seiner Frau scheint ihm doch
sehr nahe gegangen zu sein!«
»Ach, das ist’5 nicht, aber wissen
Sie-, vierzig Jahre lang hat er nicht
ranchen dürfen, und jetzt fängt er
wieder an!«
Sarkaftifch.
»Seht-U Sie den Mann da bril
ben? Der hat auc- seincen Rücken
schon ein große-S Kapit nl gefchlagen.««
» Mag ist wohl ein Sacktriiger?«
»Nein, aber ein Kaiiiiiierherr!«
Falsch aufgefufo
Herr (zu1n Diener eines Baron3):
»Ist denn der Herr Baron zu Hauses
Jch hätte ihn in einer Kleinigkeit zu
sprechens«
Diener: »Na, wenn s nicht viel ist.
da lege ichs unterdessen cing
Vorbereitung.
Hausfrau: ,,Alfo heirathen wen
den Sie. Anna? Haben Sle sich des
Schritt auch ernstlich iibeclegt?«
Stubenmädchem »O gewiß, gas·
Frau, ich bin schon zweimal bei des
Kakienichlägetin gewesen«