Die Spielgefährten Roman von V. wiesem (7. Fortsessung.) Elbe hat mir erzählt, welche Wünsche sie beiderseitig hegen, und was mich betrifft —obek bitte, neh men Sie Platz, Herr von Waözczews si; mein Mann wird sogleich hier sein, ich habe ihn benachtichtigen lassen. Wie waren. ich gestehe es offen, im ersten Augenblick außerordentlich über rascht als wir von Ihrer Neigung zu Alice hörten. Das ist so schnell, so unvermutbet gekommen . . .'« »Wie die Liebe gemeinhin über uns Menschen zu kommen vflegt,« entgeg nete Wasil mit einem Lächeln, für des sen stivole Färbung der korrekten sättigt glücklicherweise das Versiändniß e e. Sie warf even einen erzurnten Blick auf Dittmer, der im abgenutztem grau leinenen Wirthschaftsrock, mit Intuit tertem Hemdtraaen und bestäubten Stiefeln ins Zimmer trat. Schrecklich ——det Mann hatte wahrhaftig nicht einmal daran gedacht, sich umzuziehen, ehe er den künftigen vornehmen Schwiegerfohn begrüßte Wasil erhob sich sofort, und ohne die wenig präsentable Toilette des Haus herrn anscheinend zu bemerken, ging er lebhaft auf ihn zu. «Jhre Frau Gemahlin, Herr Ditt mer, bat mir eben den gewiß berechtig ten Vorwurf gemacht. daß ich zu plötz lich, zu unaeftüm mit meinen Herzens tviinichen vor Sie hintrete. Jch be greife. es ist anmaßend. Sie kennen mich noch nicht, und ich will Sie um die Hand Ihrer Tochter bitten.« Dittmer wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. »Ja, ja, dieLifel bat’s uns erzählt,« tmnelte er, »aber sie sift doch noch sehr tril- Jch — entfchuldigen Sie schon, rr von Waszczewsti. ich —« er richte nach passenden Worten, stot terte, sah ängstlich seine Frau an und ließ den Satz unvollendet .Gilt der Vorbehalt, mit dem Sie meine Werbuna ausnehmen, meiner Busoni« fragte Wasil. Ein Anslug von Hochmuth lag in dem Ton. »Wie können Sie so etwas denken,« beeilte sich Frau Marie zu versichern und wars ihrem Mann einen gereizten Blick zu, »der ehrenvolle Antrag ftir unser Kind erfreut uns sehr.« .Da ich das Glück habe, Fräulein Alides erguna zu besihen.« unterbrach Musik «di1rfte in erster Reihe zu mei nen Gunsten sprechen. Jm übrigen liegen meine Verhältnisse klar aus der Hund« wendete er sich von neuern an Dittmer, »Dob·rawitz ist ein Gut, wel ches. wenn auch augenblicklich durch fremde, unaeeianete Verwaltung etwas vernachlässigt, bei rationeller Bewirth: schaffuna unter meiner Persönlichen Leitung binnen kurzem noch bedeutend im Werthe steiae wird.« »Das läßt sich denken,'« stimmte Frau Marie eisria bei. »Ich bin unabhängig: Namen und Stellung, die ich Jhrer Tochter biete« Am offenen Fenster tauchte eben ein heller Mädchentopf auf. Schiichtern und neuaieria zugleich spähten zwei Zärtliche Blauauaen ins Zimmer hin ein. Lich war die Zeit in ihrem Ver steck zu lang geworden. ,,Wo bin ich?" —Mit tosendem Lachen wirft sie eine standl voll rather Weinbliitter nach »Aber Alicel — Nein, solch ein Un band!« Diesmal war der mütterliche Bertveis nicht ernst gemeint. Sich an den Gatten wendend: ,,Besvrich später mit Herrn von Waszczewsti. was ihr siir nöthia haltet, in Deinem Zimmer, Heinrich. Jetzt, denke ich, wollen wir ihm nur sagen, daß er uns ein hoch witltommener Solm ist« Sie streckte dem Hochwillkommenen mit Ziehenswiirdiger Vertraulichkeit die Hand bin, und Wasil Zoa die küh len Ringes an feine Lippen. Die Nichte der Gräfin Wenak verdiente einige Rücksicht Dann schüttelte er Dittmers Rechte herzhaft und bieder männisch. «Tausend Dank, Sie machen mich unendlich alücklich. ———Alice, mein ge liebtes Mädchen —« Er eilte hinaus, der neckenden Stimme nach. Die Eltern blieben allein im Zim mer. Frau Dittmet hob bedächtig die versteeuten Weinblätter auf. Sie war befriedigt wie noch nie im Leben. »Endlich doch mal ein Glück!«Nun, heinrich, was sagst Du?« Der hatte sein großes, blaugewürfeltes Taschen tuch vorgezogen. Er nickte, ohne zu antworten Die Augen standen ihm vollWusseL II III I »Zum-i - falleta, ju-wi - fallera!« klang es laut durch die Berge. Ein Trupp Tour-isten, junge Männer in leichten Röcken, das Ränzel auf dem Rücken, den Stock in der hand, mar schirte durchs Bodethal. Studenten» tätig-äu nicht sein, dasu machte die , « einen zu rei en, ietti en; Mc g Die wunderbare Schönheit der » Mdschafi in der seiten Beleuch W des Deedsttaget mochte ihre IÆZ MUS- si·« ps« to « e n , z da alten Sang anstimet-an Mist Man alt Ne Begleiter rauscht die Bode in lustigen, trauer Sptngen über das Steinge töll. Zur andern Seite steigt die steile, vielzackige Felswand empor, deren tannengekrönte Gipfel dieAbend fonne vergoldet. «Donnerwetter, hier ist wirklich ne nette Jegendt« sagte einer der jungen Leute« ein tleiner Blonder mit Dop peltinnanfatz, den der Dialett sofort als Berliner kennzeichnet. Er schiebt den Strohhut in den Nacken und bleibt pustend stehen. »Wir woll’n uns die Sache doch mal erft ’n bislen ansehen; wozu immer sjleich weiter jondeln?« mWenn Lehmann es mit der Natur schwärmerei kriegt, ist er müde und will nicht mehr marschiren. Kennen wir längst!« entgegnete ein anderer, dessen Pedale lebhaft an Siebenmei lenstiefel erinnern. »Wäre es überhaupt zu verwun dern?'« vertheidigte sich der Dicke. »Von Morgens früh um sechs is man uf de Beme. Erst die Roßtrappe ruf getravpt, dann acht Kilometer bis Tresehurg.'« »Vier!«· verbesserten die anderens »Gal, et war ne verdammte Ecke; mir lief der Schweiß man so vons Gesichte. ’n Jammer um det edle Raszl« »Sei doch froh, sparft die Entset tungslur.« »Und der Durst!« seufzte Leh mann. Nächsten-Z trinke ich aus Ber zweiflung Bodewafser und rede mir ein, es sei ’ne Weiße.« »Komm nur noch einpaar Schritte weiter,« ermuthigte ein dritter, in des fen männlich ausdruckvollen Gesichts zgen wir unsern alten Bekannten Fritz Bruni launr wiedererlennen. »Ehe Schenke muß, dem Plan zufolge, hier ganz in der Nähe sein.« »Fritze, Menschensiind, Du bist doch wirklich der einzige, der Gemüth hat! Na also, denn man zu, ehe meine; Zunge verdorrt und ich verschmachtr. « I Nicht lange darauf war die lustige Gesellschaft am ,,«Waldiater ange langt. ,,Fiinf Glas Bier vorläufig,« rief ; der Durstige, »aber dalli, dallil Wol len wir hier an diesen Tifch2« i »Ja wohl, ausgezeichnet « l Man setzte sich, und das Verlangtei wurde gebracht. ,,Kinder, reifen ist wirklich ’ne schöne Sache,« versicherte der kleine Berliner fest sehr befriedigt, trank sein Glas auf einen Zug aus und streckte die Beine behaglich von sich. Einer der jungen Leute zog sein Crayon vor und drückte den Kneiferl auf die Nase. »Mir bringen Sie ’ne· Ansichtstarte, Kellner." »Schon wieder eine?'« hieß es. »Wahrhaftig, schon die sechste, die der Hegemann heute losläßi. Es kann1 gar nicht anders fein, entweder hat er eine Braut oder eine Erhtante.« »Weder, noch,« versicherte hege mann. »Aber ich pflege alle Brief schulden des Jahres auf der Sommer reise, und dann in dieser angenehmen Weise zu erledigen. Ansichtsiarten find eine außerordentliche praktische und segensreiche Einrichtung« ,,Gewiß,« stimmte Fritz Brunl la chend bei; hatte er doch selbst heute früh ein buntes Kärtchen an Vater und Mutter abgeschickt, damit sie wenigstens im Bilde die herrliche Gegend bewun dern konnten, welche der Sohn — die Gerichts-fetten benutzend —- rnit eini gen Kollegen in froher Wanderlust durchstreiste. »Aber im allgemeinen ist mir ein richtiger Brief doch lieber, besonders von Menschen, die mir nahe stehen. Heute Abend im Thale hosse ich solche Epistel von Hause vorzusin den und freue mich schon jekt dar auf« «Prost, Feine ich tomm’ Dir einst« lappernd ließ der kleine Dicke den Deckel auf das abermals geleerte Sei del fallen. »Bist wohl lange nicht mehr bei Muttern gewesen, wie?« Fritz Brunl sann einen Moment nach. »Zwei Jahre werden es jetzt her sein. Aber diesen Spätherbst, so-« bald ich meinen Doktor gemacht habe, l · ! will ich ganz bestimmt mal wieder nach - hause.« »Prost aus den Doktor! Kellner, noch ’n Schnitt.« Der siaete Berliner ergriff, wie er selbst versicherte, gerne jede Gelegenheit, das Glas zu ergrei sen. Dann wurde noch viel hin und wi der, geredet, über Examenarbeiten, Fachinteressen nnd Ausstellungsaus siebten. Die jungen Leute waren ohne Ausnahme Juristen; brei von ihnen eingehende Rechtsanwiille, der kleine Berliner bemithte sich mn einen Posten bei der Bank, während Fritz Brnnl die RiMrqun einschlagen wollte Endlich rüstete man sich zum Aus kriech. Die Zeche wurde bezahlt, der ZMCI Aber die Schulter gehängt De- tletne wann steckte in Erman M einer elle ein Weit ts Knppsloch; denn Erobeeungen zn mais chen war er immer nnd iiberall bereit. Die derben Wanderstiieie klapperten wieder taktnriißig auf dem barten Erdboden, bin und wieder wurde einer zu übermitthtger Krastprobe gegen die Felswand gestoßen. von der dann wohl ein wenig kleines Schieferstiiek chen abbröckeite und über den Weg rollte. Der freundliche Gebirgsort Thale lag schon im Abendschatten, als die Wandernden anlangten.« Jn den klei nen. rothgedeckten Arbeiterhkiuserm die zu beiden Seiten der schmalen Dorfgasse sich bis dicht an die Fabri ten hinziehen, blitzte sehr vereinzelt ein Lichtschein hinter den niedrigen Fen stern. Die vom Tagewerk Ermüdeten hatten sich wohl schon zur Ruhe bege ben. Nur in den großen, nahe dem Babnbof gelegenen Hotelg saßen auf der hellerleuchteten, blumengeschmiick ten Veranda die Gäste noch beim Abendessen. Teller tlapperten, Kell ner liefen geschäftig ab und zu. Es war ein Bild fröhlichen, sorglosen Le bensgenusses. Die jungen Fußwanderer suchten sich ein bescheideneres Quartier. und nachdem es gefunden, begab sich Fritz zur Post, um nach etwa siir ihn ange tommenen Briesen zu fragen. » Da war zuerst eine Karte der Tante. « Unter die Gasflamme des Hausslurs iretend, las er: ,,Lieber Frist Jch wollte Dir bloß benachrichtigen, daß Du auf Deine Reise nicht zu knapp: Leben sollst. Wenn mit Dein Erspar- i tes Gelt nicht Satt wirst dann schreibe ! mich das und dann schick ich Dir mehr. J Deine treue Tante Henriette Blau.; Bäckermeisterswittwe.« F Die gute, brave Frau, immer sorgte 4 sie sich um sein materielles Wohls Das andere Schreiben war von Hause. Fritz kannte das grob zusammengesch tete Papier mit dem schwarzbraunen, den Abdruck eines Fingerhutes zeigen den Siegel. · Der Abend war wundervoll. Fritz mochte noch nicht in das Zimmer ge ben oder nach der Kneipe, wo die Ka meraden jeyt wahrscheinlich schwatzend beisammen saßen. Draußen in den Anlagen war es noch ziemlich hell, er setzte sich auf eine Bank und zog den Brief aus der Tasche. . Tanninten. —- Ein eigenthiimlich weiches Gefbl beschlich den jungen Mann, sobald er der lange nicht ge sehenen Heimath gedachte. Das tleine, weißgetiinchte Kämmererhaus — der schilsbewachsene Dorftetch —- der ver wilderte Gutsgarten —- wie oft lam ihm dk Erinnerung daran und an kindische, naive Spiele. Mitten in ernster, angestrengter Berusgtbätigteit, mitten beim nächtlichen Studiren um gautelten Bilder aus der Kinderzeit wie ein lustiger Traum seine Sinne· Aber was schrieb denn die Mutter? Er entsaltete den Brief· »Mein lieber Fris! Es hat Vater und mich sehr ge freut, aus Dein liebes Schreiben zu hören,-daß es Dir gut geht. Und wir danken auch fiir die schönenPosttarten, die Du geschickt hast. Wir find auch so weit ganz gesund, nur die Ernte nicht zum besten, weil tein Regen tam, erst bei der Kornauft, und konnte das Getreide nicht ordentlich ausgreifen. Blos unser bischen Heu fiir die Kuh kriegten wir trocken rein, und Vater meint, es ist reichlich, daß wir noch paar Zentner werden verlaufen tön nen. - Von unsere herrschaft ist eine große Neuigkeit zu vermelden, nämlich die Alicchen hat sich vorigte Woche berlobt, mit dem Baron aus Dobrawitz. Jch hab ihn letzthin gesehen, er ist ein hübscher here mit pechschwarzem Au gen und sorschen Schnurrbart. Unsere Gnädige thut nun noch mal so stolz wir vordem, kannst Dir wohl denken, und die Lischen geht immer rnit ein Gesicht rurn wie ehemals arn Tag vor Weihnachten. Es kann sein, die hoch zeit ist noch dies Jahr. Blos unser alter guter Herr, da m nicht mehr viel mit los. Er über nimmt sich zu doll bei der Arbeit, und nachher kann er nicht weiter, er sieht jämmerlich aus-. —- Und schreib auch lieber Fritz, ob Dir nöthig thut, zum Winter die Strümpf anzustricken, jetzt nach Feierabend hätte ich Zeit. Jch und Vater grüßen Dich vielmals und verbleibe Deine treue Mutter.« Fritz faltete das Briefblatt mecha nisch zusammen. Er hatte nur zwei Worte verstanden, zwei Worte, die ihn durchzuckten wie ein elektrischer Schlag. —- Alice —- verlobt. —— Die kleine, wilde, blondzöpfige Spielge fähttin, die unzertrennliche Genossin seiner Kindheit war Braut. Kam er diesmal nach Tanninlen, fand er sies vielleicht gar nicht mehr dort. --— Jetzt « plöhlich wurde sich Fritz bewußt, wa rum das Andenken an die schlichte heimath stets dies zärtliche sehnsüch Ttige Gefühl in seinem herzen wach rief. An Lieh hatte ee gedacht. Jhr Bild hatte ihn immer und immer be gleitet, hatte des Knaben Ehrgeiz ge spoint, des Jünglingö Pfad behütet; heimlich, ihm selbst kaum bewußt, war es der Leitstern seines Lebend ge wesen. Vorbei der schöne, närrische Traum, der ihn bisweilen umfangen —- die blauen Augen lachten fest einein an itieris, mit ihm ging sie durch die ver Iwilderten Gartenwege, zeigte ihm viel leicht im Scher die verlassenrn Kin derspielpliitzr. Der andere durfte den Arm um ihren Nacken legen. und ihr Gesicht strahlte glücklich dabei »wir am Tage vor Weihnachten«. . Fritz schloß die Augen« ein dum pfes Stöhnen rang sich aus feiner Brust ·«Der lehte helle Schimmer war. am himmel erloschen, es wehte liihl durch das Laub der Bäume. Wie eine schwarze Mauer umschlossen die tan nenbewachfenen Berge das Thal. Kein Stern war zu sehen, nur drüben, hoch oben auf dem hexentanzplatz, leuch tete ein einsames Licht. Fritz durchrann ein Frösteln, aber er dachte nicht daran, heimzugehrn. Für ihn war eben das Sonnenlicht erster hoffnungsfroher Jugendträume erloschen, und er brauchte Zeit, sich an das Dunkel zu gewöhnen. sit I J Zwei Jahre sind vergangen. Es ist Spätherbst, der Winter vor der Thür. Zwischen den schwarzen Ackerfurchen auf den Feldern liegt der erste Schnee, und das Schmutzwasser, das während der langen Regenzeit lleine Pfützen aus dem Hof gebildet hat, zeigt eine dünne Eintruste. Jn Tanninlen stehen die Thorflibl gel der großen Scheune weit offen, die Dreschmaschine ist in vollem Gange. Auf der Diele sauft nnd klap pert das Hammerwert. Draußen dreht« sich die eiserne KurbeL der Knecht siht auf hohem, dreibeinigem Schemel, die Pferde mit lautem hiit und Peitschenlnallen unaufhörlich im Kreise herumtreibend. Ein eisiger Zugwind fegt iiber die Tenne, die Luft ist von feinem Spreuftaub er füllt. Frauen und Mägde, die be schäftigt sind, den nimmersatten Ra chen der Maschine mit Getreidegarben zu ftopfen, haben große Tücher um den Kopf gebunden. Gesicht und Au genbrauen sehen aus, als wären sie mit grauem Mehl besträubt. Jn seinem abgenutzten Wirthschafts wel, den blauen Wollschal um den Hals gewickelt, steht der alte Dittmer und til-erwacht die Arbeit. Sein spär liches, graublondes Haar, das an den Schlaer unter der alten Schirmmiitze hervortommt, flattert in der Zugluft. Ab und zu ruft er den Leuten kurze Befehle zu, die er, bei dem Lärm, den die Maschine verursacht, oft zwei- bis dreimal wiederholen muß, ehe sie verstanden werden. Die Stimme des alten Mannes hat gegen früher sehr an Kraft verloren, auch feine Haltung ist nicht mehr so stramm, und auf dem Gesicht liegt ein müder, gequälter Ausdruck Jest wendet sich Dittmer an den Minimum der zugleich Vorarbeiter ist: »Was meint Jhr, Brunt, wieviel Scheffel dreschen wir?« Der zuckt die Achseln. »Läßt sich schwer taxiren, gnäd'ger Herr. Schut ten schüttet das Getreide ja nicht allzu schlecht, man blos mit das Gewicht wird nicht viel los sein-« »Das fürchte ich auch.'« Dittmer beugte sich herunter, greift eine hand voll Korn auf und pustet hinein. Rechts und links fliegen die leichten Körnchen auseinander. Seufzend wirft er den Rest zurück zu dem großen haufen Nun wird nichts weiter gesprochen. Man hört nur das Klappern der Ma schine, hin und her ein unterdrücktes Kichern der Mägde, die sich mit den Knechte-i neuen. Allmählich beginnt die Dämme rung. Vom Giebel deg Kuhstalls läu tet die Glorie zum Feierabend. Sosort hört die Arbeit auf. Der Scharwerts junge tiettert von seinem hohen Sitz herunter und strängt die miiden Pferde los. Sie finden den Weg zum Stall allein. er geht sieisbeinig hinterher-, Sielen und Bracken schleppen rasselnd aus dem Boden. Die Männer llopsen sich den Staub aus Mützen und Ja cken, die Frauen nehmen die Tücher vom Kopf, spucten in die Hand und streichen sich das Haar glatt. Lachend und singend gehen sie dann auf tla - pernden Holzpantinen heimwä s. Bruni schließt die Scheune ab. Auch Dittrner wendet slch nach Hause. Er muß sich sest aus seinen alten Hackenstock stiitzenz denn ihm ist heute ganz sonderbar zumuthe, er tann sich kaum aus den Füßen halten« Das macht gewiß das insame Wetter, der eisige Wind. Einen Augenblick bleibt der alte Mann stehen, um Athem zu schöpfen. Seine Brust röchelt, und zwischen den Schulterblättern fühlt er heilige Sti che. Nun, in der warmen Stube wird das bald besser"werden. Gewaltsam nimmt er sich zusammen und schleppt sich nach hause. Er ist heute allein, Frau Marie zschon am Vormittag nach Dobrawih gesahren, um Alice zu besuchen. Das geschieht häufig. Jn den weitläufigen FRäumen des- Dobrawider Schlosses List es dem einstigen Fräulein von Dörnhoven heimischer als in der eige nen beschränkten Häuslichteit Auch die weltmiinnische Art ihres Schwie ersohnez berührt sie sehr sympathisch, se nimmt stets seine Partei dem Gat ten gegeniiber, der bisweilen besorgt äußert, die Lisel sähe nicht mehr so lustig aus wie srliher und wäre nach ihrer Betheitathunq viei stiller gewor i i deDittmer hat Mühe und Flauörock an den Kleiderkiegel gehängt, den Stock in die gewohnte Ecke gestellt. Schwerfällig läßt er sich auf sein har teö Sofa gleiten. Die alten Knochen sind ihm heute wie zermütbi. Er schickt das Mädchen, das die Abendmilchsuppe heteinbtingt, wieder fort, das Essen widersteht ihm. Nur müde ist er, todmüde Wer doch einmal so recht ruhig schlaer könnte, ohne quälende Gedan ken. ohne Somm. — Er lehnt den kahlen Hintertop an die Holzlante des Sofas und ver ucht iiber allerlei Wichtiges nachzudenken, die bis Reujahr in Aussicht stehenden Einnahmen zu berechnen, sie mit den Zinsen und unbeglichenen Rechnungen in Uebereinstimmung szu bringen. Aber die Ziffern verwischen sich in sei nem Kopfe; wie ein wirres, beängfti gendes Chaos kreisen sie durcheinander und lassen sich nicht festhalten. Mechanisch horcht Dittmer auf das gleichmii ige Ticken der alten Wand uhr. un muß Marie bald nach Hause tornmen. Er will sie erwarten, um zu hören, wie es Lieh geht. Draußen pfeift der Nachtwächter laut und schrill. Er pflegt Abends einmal die Runde zu machen, dann sucht er sich gewöhnlich irgend eine ge schätzte Ecke aus, in der er bis zum Morgen schläft. Lange bleibt alles still auf dem Hof; dann bellt plötzlich Tyrgs laut und freudig, Räderrollen läßt sich hö ren, ein Wagen hält vor der Thür. Dittmer erhebt sich mit Anstrengung und geht seiner Frau entgegen-. »Guten Abend, Mariechen. Wie war's drüben? Was macht unser Kind?« »Laß mich doch wenigstens erst ab legen,« war die Antwort. »Hier, spann den Regenfchirm im Flur aus zum Abtropsen. Es ist ein schauder haftes Wetter, sprüht naß, und dabei eisiger Wind. Alice gab mir ihre Reisedecke mit, aber ich habe trotzdem lalte Füße betommen." Fortsetzung folgt.) Ttdetantschastetsevtlder. Der Zauber des Geheimnißvollen schwindet immer mehr von dem bis her so unzugänglichen Tibet, seitdem die englische Mission sich gewaltsam Eintritt in das Land verschafft hat. Die Berichte von Reisenden, die es durchguert haben. mehren sich. So finden sich interessante Bilder von Land und Leuten in einem soeben vom englischen Auswärtigen Amt veröffentlichten Bericht aus der Fe der des Generalionsuls Alexander Hosie in Tschina-tu, der eine dreima natliche Reise an der Ostgrenze von Tibet zurückgelegt hat. Er benutzte die große Straße, die Tschina-tu mit Lhasfa verbindet. Die ser Weg dient auch den zahlreichen Pilgern, die zum Talai Lama in der heiligen Stadt wandern. Manche dieser Pilger brauchen Jahre, um ihr Ziel zu erreichen, da sie gelobt haben, bei jedem Schritt eine große Knie-· beuge zu machen oder sich der Länge nach aus den Boden zu werfen. Die Landstraße zieht 1sieh über zahlreiche Beratetten hin, über deren hohe Passe die abergliiubischen Wanderer nur mit Furcht und Grauen zu gehen wagen: bei ieder Kreuzung verrichten sie ein Gebet und legen einen Stein auf die den Göttern geweihten Stein hiiaeL die sich als die Ovieraaben der Vielen, die schon vor ihnen des Weges gezogen lamen, hier erheben Dabei entwickelt sich aus dieser Straße ein starter Vertehr. Karten fahren mit Neisenden, die trotz des Nuttelns, behaglich schlafen, aus an dren Fahrzeugen werden große Säcke mit Reis oder schwarze Schweine be fördert, und das Grunzen der zu zweien zusammengebundenen Schwei ne vereint sich mit dem Quietschen der Räder zu einer lieblichen Harmonie, auf Werden und Ochsen werdenReiss siicte befördert, und dazwischen ziehen die Lastträger ihres Weges. die Salz, Bauholz oder Geflügel schleppen. Eines Moraens traf Hosie einen Mann in mittleren Jahren, der ein ärmlich aussehendes Kind mit sich führte. Er stammte von Chilbi und besuchte die beiliaen Berae Chinas. Hosie bedauerte das Kind: aber der Mann versicherte, daß dieses sich bei dem Vaaabundenleben febr wobt süh le. Recht üble Erfahrungen rnaebte der Enaliinder in den Wirthshäusern in denen er einkehrte. Einmal erhielt er ein Schlaszimmer zugewiesen, in dem sich die Theile von zwei schönen Sar aen befanden, die für den Wirth und seine Frau bestimmt waren. Vielfach iebrte er jedoch bei Privat leuten ein, io daß er Einblick in das Familienleben gewann. Die meisten reichen tibetaniichen Familien halten sich auf ibrem Besitztbum einen Lama oder Priester, der sie in ihren religiö sen Pflichten ve·rtritt. Er wohnt ge wöhnlich in einem kleinen Zimme auf dem flachen Hausdach, wo er abne ichieden von aller Welt aus seinen bei liaen Büchern finat und eine Trom mel schlägt Die Diener des Hauses ioraen für ibn und belien ihm auch in der Erfüllung der religiösen Pflich ten, beim Verbrennen von Weihrauch, das am iriiben Morgen aus dem Gie bel des hauses vorgenommen werden muß, und beim Wechseln des-heiligen Wassers oder der Butter, die in Me tallschalen vor den Obhenbildeen in dein ihnen geweihten Raum enthalten sti. Oft erhielt osie Oe chensee mir mußte er reaelm sia dal r bezahlen. Sotbrachie ihm im Hause eines tibeis tamschen Dauvtlinas die Hausfrau Ther, Milch und Eier als Geichentz er nahm die Eier an und bezahlt-e mebr als das Doppelte ihres Werthe dafiir: aber die Frau war augen scheinlich noch nicht zufrieden, und er mußte noch einmal so viel Geld bin zusuaerk Nach solchen Erfahrungen beschlosi er, Geschenke überhaupt nicht mehr anzunehmen. Die aute Haus frau hatte sich bei dieser Gelegenheit wunderbar aufgepuhL Auf dem Scheitel irua sie eine Silberplatie, vie so arosr wie ein Brodteller war, und eine zweite am Hinterlovs Da zu hatte sie lange silberne Ohrringe mit Korallen. Als Hosie einmal eine Photogra dhie von einem Mädchen in dem Schmuck ihrer großen silbernen Ohr rinae und der Broschen ausnehmen wollte, tonnte er es durch ieine Sum me dabinbrinaen, in den Apparat zu sehen. Die Sckiine zoa sich in den tiefsten Winlel «hres Hauses zurück und erschien nicht wieder aus der Bildfläcbr. Viele tibetaniseiten Frauen truaen lanae seidene oder At lasaemänber mit aelbseidenen Schär ven nnd lanae Stiefel mit rothen Spitzen. Manche truaen auch Schmucisnchen aus Gold und iahen in ihrer reichen Gewanduna aanz an muthia aus. wie Hosie überhaupt den lisheriaen Schilderunaen, nach denen die Tibeianerin als ein Ausbund von Häsilichteit erschien. durchaus entar aentritt: wenn die tibetanischen Frauen nur rein und aut neileidei sind, meinte er, so lönnten sie den Veraleich mit ihren euroväiichen Schwestern wohl aushalten. Gera deiteisende, dunlelbraune Armen, sein « aeschnittene Gesichtsiiiae, eine gute Haltnna und ein lebhaftes Benehmen unterscheiden sie vortbeilhast von den schüchternen Chinesinnen ’ Auch die Männer werden als groß, schlang und sebnia geschildert. Das größte Loh wird aber doch den Frau en gespendet »Ja einem Lande, in « dem iede Familie einen oder zwei Söhne der Priesterschaft weiht, ift die Frau ein sehr toertbvolles Mitglied des Hausbaltes. Sie meltt das Viel-. bevor es frühmorgens auf die Weide geschickt wird, und Abends, wenn es zurückkehrt; sie nimmt das ZIXz Fuk lanae Wasserfaß auf den Rücken un läuft Zum nächsten Fluß, um das Wasser fiir den Taaesbedarf zu ho len. sie bereitet das Essen. sie webt das Tuch. sie sorat für alles Andere im Haushalt und sie verrichtet auch die nötbiae Landarbeit. Sind teineMöns ner in der Familie, oder sind diee anderswo keichäftiat. fo begleitet e auch als Treiberin die Viehtransdorte und forat untertveas fiir ihre richtige Bebandluna. Die Macht des Prie iterthnms wird natürlich iiderall im Lande bemerkbar. Die Larnallöitek find einentlich riesiae Handelsaefchäf te: sie halsen ein thatiiichlickxes Mono csol dafür, das ihren Neichidrtm zum aroßen Theil ertliirt. Daneben haben sie noch andere Einnahmeauellen Der persönliche Besitz jedes Laien fällt nach seinem Tode an das Lamalloster. Jst ein Tibaner in Geldniitlrem so leiht er Zu ungeheuren Zinsen hei dem Lamatloiter. Kann er Kapital nnd Zinsen nicht euriickerftattem fp fiillt er mit seinem Lande in die bän de des Gläribiaers, nnd es werden auf diese Weile aanze Familien »Au te des Lamatloiters«, mit anderen Worten Stlaven. —- GO— Neuer Aussiellunaö-(klou. Der vhantasrevolle enalische Erfin der Sir Hiram Mai-im hat eine kna aiscbe titiesenkugel consiruirt, die der Oauptauziehungspunkt einer kommen den Augstellung werden dürfte Es ist eine Hohltuael mit einein Durch messer von 50 Fuß: sie ist iiir 50 Be sucher berechnet. Das Magiscke an der Kugel besteht darin, daß sie scheinbar das Gesetz der Schwere aus hebt. wodurch bhantastisch-lon1ische Esselte a la Jules Verne erzielt wer den. Die Dinge erscheinen uns ver tikal nur vermöge des Gesetzes der Schwertrast, gelingt es. die Schwer traft durch die Centrisugallrast zu neutralisiren, so glaubt man die Dinge vertikal zu sehen. Da der Boden der Kugel wie eine Schüssel gebaut ist, so gravitiren die Besucher nach ihrem Centrum. Die aus einem Piedestal von 20 Fuss Höhe ruhende Kugel wird nun in Bewegung geseptz sie dreht sich sich mit einer Geschwin digkeit von 20 Meilen pro Stunde. Die Besucher haben während dieser Bewegung die Empfindung, daß sie ruhig dastehen; denn sie rehen sich nur mit der Kugel wie mit der Erde. Eine richtige Orientirung ist unmög lich« da die Kugel keine Fenster hat. Dagegen hat die Beseitiguna der Schwer-kreist durch die Centrisugals krast die Wirkung, daß die Personen nicht senlrecht aus dem Boden der KuaeL sondern waaerecht aus deren Wänden zu stehen scheinen. Und zwar glaubt das jeder von den anderen. während er sich selbst in normaler Po sition wähnt. Maxinr gedenkt den komischen Effekt, daß die Leute tote Fliegen an den Wänden zu kleben scheinen, zu erhöhen, indem er die Kugeldeete aus Spiegelglas eonttruirt. So wird alles doppelt gesehen werden. Ein Teil des Bodens soll als Roll schuhbahn eingerichtet werden: ohne sich zu bewegen, wird man aus set uen Rollschuhen an das andere Ende der Kugel getrieben werden. Die Ansstellng der Kugel dürfte im Jub re W erfolgen