Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 20, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    Wie Vick Vavis wider willen
der Patmer des Strgßew
räubers wurde.
utkkqtisoknische Gkschichtk Von Rang-.
Sie sahen zusammen im Wirths
Msg die alten Prospetioren und
net, und erzählten sich Geschichten.
«Cläck muß man haben,« sagte Luckh
Bill. ·wenn Einer Glück hat, dann
schadet’s ihm nicht, selbst wenn er in’s
Wasser geworfen wird.« —- Dazu
meinte Srizzlh Ben, das sei nur ein
mal passirt, nämlich dem Jonas —
ader Luckh Bill, der ein klassisch gebis
deter Mann war, warf ein, daß auch
Anton glücklich aus dem Wasser ent
kommen sei· Grizzly Ben wollte das
nicht gelten lassen, denn das sei eine
alte heidnische Geschichte, und man
könne nur der Bibel glauben, wo die
Geschichte von Jonas imWalfisch auch
stehe. Dick Davis aber sagte, daß auch
noch heute der Mann, der Glück habe,
unter allen Umständen schließlichaus
jedem Schlarnassel heraus komme, er
wisse davon eine Geschichte zu erzäh
len.
Natürlich wollten sie die Geschichte
hören — sie waren immer bereit, eine
Geschichte zu hören, und nahmen es
nicht zu genau mit der Wahrhaftig
teit des Erzählers.
»Also wo bin ich stehen geblieben?«
fragte Dick Daois.
»Na. du hast ja noch gar nicht an
gesangen,« antwortete Einer, und so
brannte er denn seine Pfeife an und
begann:
»Es war im Jahre 1857 —- also es
ist keine 49er Geschichte, und sie ist
demzufolge wahr. Jch wanderte von
den Quellen des San Joaquin, wo ich
»prospected« hatte, aufwärts nach den
nördlichen Galdlagern, ich wollte nach
Downieville in Sierra Counih und
von dort den Yuba hinauf nach
Meyer-'s Flat oder Ladh’s Canhon,
dort hoffte ich Freunde zu finden.
Schtn war ich durch Hornitas, Tonl
terville, Big Oat Flat, Sonora, Co
lumbia und San Andras marschirt
und hatte keinen Cent mehr in der
Tasche. Das schadete damals nicht
viel — ein Prospector war in jedes
Miners Hütte willkommen, dort konn
te et seine Decken ausbreiten und
schlafen, und dort durfte er sich mit
an den Tisch setzen, wenn es zum Es
sen ging — dafür erzählte er den Leu
ten seine Erlebnisse und was er in
den anderen Lagern gesehen und ge
hört hatte, und das gab Unterhaltung
Also Geld hatte ich nicht, und was
meinen Anzug anlangte, so war ich
sozusagen ein regulärer »out - and
outer«, d. h. meine Ellbogen guckten
zu den Rockärmeln heraus und meine
Kniee aus den Stiefeln. Das Alles
Mitte mich wenig, deren das war so
zusagen damals die Modetracht der
Prospeitoren, aber daß meine Stie
fel vorne weit auftlafften, das war
schlimmer, da sickerte der feine scharfe
Sand hinein und der machte mir die
Füße wund.
So wanderte ich müde und einiger
-tnaßen entmuthigt aus der Straße da
hin, —- da sah ich etwas liegen, —
ich traute meinen Augen taum, es war
ein Paar Stiefel, reguläre, schwere;
dicksohlige Lederstiefel, an den Simp
pen zusammengebunden. »Na, dachte
ich« .der liebe Gott sorgt doch noch
immer siir seine Lämmer,'« und ich
fette mich an den Weg und probirte
die Stiefel an, die waren vollständig
gut und offenbar erst vor Kurzem neu
besohlt. Meine alten Stiefel band
ich zusammen und legte sie an den
Plas, wo ich die anderen gefunden
hatte-— pielleicht kommt ein Mann
vie Straße entrang, oachre ich, Der
noch schlimmer ab ist, als ich es war,
und der noch froh ist, datz er die alten
Stiefel findet. So wanderte ich denn
weiter, die Sache hatte mir neuen
Muth gegeben. Arg zerfetzt war mein
Anzug freilich noch immer — ich hatte
nur noch ein einziges Werthftiick aus
früheren besseren Zeiten im Besitz:
meine Uhr. Die hatte ich mir einmal
gekauft, als ich gerade »flush« war, sie
hatte seiner Zeit8300 gekostet und ich
hatte damit dem Mädchen importiren
wollen, welches dahinten in den Staa
ten auf mich wartete, und ihren El
tern, die mir das Mädchen nicht hat
ten geben wollen« weil ich ein armer
Teufel war. Diese Uhr hatte ich seit
her bei mir getragen, ich hatte mich
nicht dazu entschließen können, mich
davon zu trennen. Es war mir im
mer, als ob mein Glück daran hänge.
Ja, die neuen Stiefel waren recht
gut, aber bald zeigte es sich, daß sie
doch nicht fo bequem saßen, wie es zu
erft geschienen hatte, und meine Füße
fingen an zu brennen und weh zu
thun. Fünf Meilen weit war ich da
mit marschirt, da konnte ich nicht
niebr gut fort, und als ich einen Ca
— nyon zur Rechten sah, bog ich von der
Straße ab und ging an dem kleinen
Bache aufwärts, um ein schattiges
Unhepläschen zu suchen —- dort wollte
«- W, was ich mit meinen Füßen
sj anfangen könnte. Bald saß ich zwi
- scheu stoßen Steinen im Schatten der
f säume send hatte die Stiefel ausge
M —- ich begriff gar nicht« wie
lben fo schwer sein konnten. Frei
ächp die Sohlen waren se dick —- sie
» Im sahst unnotbig d , vielleicht
W Stiefel viel bequemen
M die eine Schie, denn es wa
· M dem, abttenntr. Iesagt
Heide-g ich nahm mein Messer und
ng an, u schnsternx bald hatte ich
die eine ohle halb abgetrennt. Da
klimperte etwas, und als ich weiter
trennte, fiel ein Eli-Goldstück heraus,
dann ein zweites und endlich ein drit
teö.-Schleunigst machte ich mich an
den zweiten Stiefel, mit demselben
Resultat —- sechs schöne Zwanziger
lagen in meiner Hand. Es ist doch
wahrhaft wunderbar, wie Gott für
seine Lämmer sorgt, dachte ich wieder.
Aber mein Denken wurde unange
nehm unterbrochen —- denn eine
Stimme hinter mir erschreckte mich,
und als ich mich umdrehte, stand ein
schwarzhaariger, gefährlich aussehen
der Kerl hinter-mir und hatte die Pi
stole auf mich gerichtet und sagte mit
großer Ruhe, aber sehr entschlossen:
»Es thut mir leid, mein Freund, aber
ich muß Sie bitten, mir schleunigst
diese sechs Zroanziger auszuhiindi
gen."
»Ist das Jhr Ernst?« fragte ich
dann, und er antwortete: »Ich meine
genau das, was ich sage,« und dabei
hielt er mir die Mündung des Revol
vers vor die Augen.
Na, ich war so gut wie nicht be
waffnet, denn mein alter Revolver,
den ich allerdings bei mir hatte. war
nicht viel werth, ich konnte mich auf
keinen Fall darauf verlassen, und das
Messer war nicht für solche Fälle be
rechnet. Was blieb mir also übrig —
der Kerl sah nicht aus wie Einer, der
mit sich handeln ließ, und ich mußte
ihm wohl oder übel meine Goldstücke
aus-bündigem und dann auch noch
meine Uhr. Daß ich ihm vorlog, sie
sei ein altes Erbstück meiner verstor
benen Mutter —- die gute Frau lebte
noch in den Staaten und wartete da
rauf, mich wieder zu sehen —- und ich
sei eine vater- und mutterlose Waise,
deren einziger Besitz diese Uhr sei, das
half alles nichts-. Er lächelte dazu dia
bolifch und besah sich die Uhr und
antwortete, daß dieselbe von gutem
californischem Golde gemacht und
L sicher erst ein paar Jahre alt sei.
So parlamentirten wir hin und her
—- der Mann war ein Straßenriiuber,
das stand sest, aber ein höflicher, ge
bildeter Mann, das mußte ich ihm las
sen, und er behandelte die ganze An
gelegenheit mit einer tlassischen Ruhe
und mit einem feinen Anslug von
Ironie. Je heftiger ich wurde, um so
höflicher war er und endlich rückte er
mit der Erklärung heraus, daß er
überhaupt mein Geld und meine Uhr
gar nicht behalten wolle, sondern sie
nur als Pfand von mir nehmen und
es mir wiedergeben werde, wenn ich
thun werde, was er verlange. Er habe
mein Eigenthum nicht nöthig, er habe
selber so viol, wie er nur brauch-. Na
türlich schenkte ich solchen Worten we
nig Glauben und sagte ihm, es wäre
mir schon lieber, wenn er mir jetzt die
Hälfte zurückgäbe, als wenn er mir
für die Zukunft das Ganze verspreche
—- er hatte sogar gesagt, er werde mir
mein Geld verdoppeln. Aber es half
nichts, er blieb dabei; und dann
fragte er mich, ob ich thun wolle, was
er rnir austragen werde.
»Ja,« sagte ich, »wenn es nichts
Unrechtes ist!« ·
»Nun, so muß ich Ihnen denn sa
gen, um was es sich handelt. Da un
ten in Georgetown habe ich einen
Mann erschossen, weil er mich von
meinem »Claim« wegtreiben wollte,
und nun sind sie hinter mir her, um
mich zu sangen. Jch bin entslohen und
hierher gekommen. Aber als ich ge
stern in Jackson war" — das war die
nächste Ortschaft von dem Platze, wo
wir uns befanden —- »da hörte ich,
daß man von mir sprach, daß man
mir aus den Fersen war, und so bin
ich hierher geslohen und habe mich
hier versteckt. Nun brauche ich Geld
und Lebensmittel und sonst noch Ei
niges, damit will ich nach Mexico ent
kommen. Sie sollen mir das alles in
Jackson kaufen und es mir hierher
bringen. Jeht kommen Sie nach —
dem Versteck, wo meine Sachen lie
gen.«
Er zwang mich vor ihm her in’s
Gebüsch zu gehen — er blieb hinter
mir mit dem Revoloer, denn er traute
mir noch nicht. Ein Stück weiter irn
Walde fanden wir sein Versteck und
den Esel, auf dem er hierher geritten
war, seine Decken und seinen Gürtel,
welche Letzterer sehr schwer war. Aus
demselben holte er 5350 in Gold her
aus und gab sie mir, und nahm mir
das Versprechen ab, so schnell wie
möglich zu ihm zurückzukommen, mit
einem gesattelten Pferde und Pro
viant. Jch versprach es und er ver
sprach mir dann seinerseits, mir mein
Geld und meine Uhr zurückzugeben,
wenn ich käme.
Jch dachte nicht daran, den Mann
zu betrügen oder zu verrathn —- mir
erschien jetzt seine Handlungsweise in
ganz anderem Lichte als vorher; als
eine Art von Nothwendigteit, und da
er mir vertraut hatte, sollte er sich
nicht in mir täuschen. Auch glaubte
ich ihm jetzt, daß er mir meine Uhr
und mein Geld zurückgeben würde.
Jackson war nur zweiMeilen von dem
Platze entfernt, in ein paar Stunden
hatte ich alles besorgt und kam mit
einein gurgesattelten Pferde zurück.
Das verabredete Zeichen war der vier
mal wiederholte Wachtelruf.
Ich gab das chen —- aber an
statt des Etwa ten trat ein Spa
nier aus wich in und fragte mich auf
spanisch- tote weit et nach Lassen sei
.
i -
Jch isgts ihm. daß ich nicht ironisch
könne, und er fing an, in gebrochenem
Spanisch-Englisch mich zu fragen, ob
ich das schöne Pferd verkaufen wolle.
Als ich ihm sagte, daß es nicht ver
läuflirh sei, lachte er auf einmal und
zog meine Uhr hervor und fragte, ob
ich die kenne. Und nun erst fah ich,
daß der Spanier lein anderer war
als der Mann, der mir Geld und Uhr
abgenommen hatte, und daß er sich
jetzt als Spanier gekleidet und rasirt
hatte; er war eine ganz andere Er
scheinung als vorher. ich hätte ihn
nicht wieder erkannt. Jch mußte noch
ein paar Meilen mit ihm wandern,
er zwang mich dazu — dann aber
gab er mir mein Geld, und noch-ein
mal so viel dazu« außerdem meine
Uhr, und den Esel, auf dem er an
den Platz gekommen war, sowie feine
Flinte und das sonstige Gepäcl, das
er auf dem Esel gehabt hattes« auch
meinen Revolver und mein Messer,
die er mir vorher abgenommen
hatte. Damit ritt ich ab, nach
dem ich thaisiichlich und von Herzen
dem Manne gedanit und ihm sozusa
gen meinen Segen mit auf den Weg
gegeben hatte.
Jch ritt um Jaason herum — es«
schien mir doch gerathen, nicht auf
dem Esel dahin zu kommen, nachdem
ich am Tage vorher ein schönes Pferd
dort gekauft hatte; die Sache hätte
Aufsehen erregen können. Es schien
mir doch vorsichtiger, nichts davon
verlauten zu lassen, mit wem ich da
zusammengetroffen war. Als ich nach
Georgetown kam, erkundigte ich mich
sozusagen auf Umwegen nach der
Mordaffaire, von der mir der Fremde
erzählt hatte, aber tein Mensch wußte
etwas davon; man lachte darüber,
und ich sah allmählich ein, daß der
Mann mir da eine große Lüge auf-—
gebunden hatte. Bald erlannte ich
auch, warum er das gethan hatte —
etwa eine Meile von Jackson war ein
paar Tage vorher, ehe ich den Mann
im Walde traf, eine Positutsche be
raubt worden, die Beute hatte« mehr
als 810,000 in Gold betragen. Es
wurde mir aus Allem, was ich dabei
erfuhr, zur absoluten Gewißheit, daß
der Mann der Räuber gewesen war,
und nun begriff ich, daß es für mich
das einzig Richtige war, nichts von
meinem Zusammentreffen mit dem
selben zu sagen, und mich der Sachen
und des Esels, die ich von ihm hatte,
schleunigst zu entledigen. Denn wenn
man den Verdacht gegen mich gefaßt
haben würde, daß ich ein Spießgeselle
des Wegelagerers gewesen sei, so
würde man vielleicht wenig Umstände
mit mir gemacht haben; man war da
mals mit dem Lynchen sehr schnell bei
der hand.
Ein paar Monate später erhielt ich
einen Brief aus Mexico —- ich hatte
dem Burschen damals meine Adresse
gegeben, unter der ich meine Briefe zu
erhalten pflegte. Jn demselben er
zählte er mir ganz offen die ganze
Geschichte jenes Staubes-, und zwar in
einem solchen Ton, daß Jeder, der
den Brief gelesen hätte, geglaubt ha
ben würde, ich sei der Spießgeselle des
R« bers gewesen —-— er sprach fort
wxsrend davon, wie wir beide zusam
men gewesen seien, u. s. w. Offen
bar hatte er den Brief absichtlich so
geschrieben, damit ich nicht etwa auf
die Idee kommen könnte, seinen Brief
als Beweismaterial gegen ihn und zu
seiner Verfolgung zu verwenden.
Aber daran war überhaupt nicht
mehr zu denken, er war schon längst
in Sicherheit in Mexico. Was aus
ihm aeworden ist, habe ich nie erfah
ren, ich habe nie wieder von ihm ge
hört. Ich bin immer froh,gewesen,
daß ich selber nicht in Trubel gekom
men bin, und habe die Geschichte
hübsch für mich behalten-«
So erzählte Die-l Davis und Alle «
hatten gespannt zugehöri. Als er
aber geendet, strich sich Daddh Bob
den Bart und sagte: »Nun bin ich
doch froh, daß ich endlich weiß, wer
damals meine Stiefel mit den Zwan
zigern gefunden hat« Ich hatte schon
immer gefürchtet. daß sie in die Hände
eines unehrlichen Menschen gefallen
sein könnten —- jeht bin ich beruhigt.
Aber ich verlange teine Zinsen fiir
das Geld, nur das Kapital, und daß
Dick anstatt der Zinsen für uns alle
einen Trunk bezahlt.«
Alle lachten und Dick bezahlte den
Trunk —- damit hatte es sein Beinen
den, denn daß jene Stiefel nicht die
Stiefel Daddh Bob’s gewesen waren,
versteht sich von selbst.
«
Frauen als Soldaten.
Jn China haben die Frauen das
Privilegium, an den Kriegen des
Landes theilzunehmen. Bei dem Aus
stande 1850 haben sich die Frauen
ebenso wacker geschlagen wie die Män
ner. Jn Nanling wurden 1858 ge
gen 500,000 Frauen aus verschiedenen
Landestheilen zu Brigaden von je
13,000 sotmirt, die unter weiblichen
Offizieten standen; von diesen Solda
ten waren 10,000 besonders ausge
wählt und einexetciert und wurden in
der hauptstadt garnisonirt. ·
Grün-MO.
»Ich hab« meinem Mann gedroht,
daß, wenn et nicht jeden Tag schreit-i,
ich wieder nach hause tonune.«'
»Und befolgt ee dass«
»Den-ißt Er schreibt sogar jeden
Tag wenns-M
Kaiser Wilhelm
Berliner Humor-eile Oon Marie
Schranun - McDonald.
»Ach J«ott, ach JotU Baterkin, Ba
tetiin!"
Mit diesen von giucksendem, weil
unterdrücktem Schluchzen begleiteten
Worten betrat Frau Karoline
Schnurrbahn die Wohnstube, wo ihr
Mann mit Ausziigen ans seinem
Hauptbuche beschästigi war.
Meister Schnurrhahn suhr aus sei
nem Drebsiuhie so hastig herum, daß
dieser einen ächzenden Quietschlaut
von sich gab.
»Wat plennsie denn schon wieder,
Karline?« bellte er seine Ehehiilste
an. »Wenn ick Wasserbetrieb zu mei
ner Schlöchterei brauchte, denn wükd’
ick mir zu deine nahe Ansiediung bei
de Spree gratuliren· So aber half
ici bloß ’n Kiecks uf de Geheime oben
in de Belletahsche jemacht. Mai is’n
na nn schon wieder los?·'
»Ach Vateriim se man nich jieich
im«-«1er so· Du hast eben dei Kind nich
Ieboren.'«
»- . .» . ais-s (0
»Vaterun, Vaterun, er Its-n un
jlick,« schluchzte Frau Karoiine jetzt
wieder und rang die kleinen, fetten
Hände.
Meister Schnurrhahn richtete sich
auf seinem wartligen Thron in die
Höhe wie ein verlörpertes Frage
zeichen.
»’n Unglick? Wieso denn? Wat
is’n los? Willfte nn mal reden? Ja
habe meine Zeit nich jestohlen und du,
dächt’ ich deine ooch nich-«
»Vatertin, et jibt’n Unjlick, hab’ ick
jesagt. Ach Jott, ach Jott, ict habe
ja jar nich jenuch jefagt .. . Vatertim
das Unjlick is ja schon da: de Else«....
»Na, in’n Wursttessel wird se doch
nich gefallen find?«
»Des nich, aber in’n andern Ab
jrund, aus dem« .. ..
»Jn’n Abjrund2 Dat meenste na
tierlich man bildlich· Jn’n Abjrund
unfe Else, unse Tochter, unse brave
Tochter. —- Nee, Madam Schmar
hahn, dafier finden Sie bei mir teen
Verftändniß."
Schnurrhahn hatte die großen,
dickfingrigen Hände selbstbewußt um
den von einer schneeweißen Schürze
überhangenen Schmerbauch gespannt,
als wolle er ihn vor dem Zerfpringen
ob der von eheweiblicher Seite vorge
brachten Ungehörigteit bewahren.
»Komm nur mal rin in die jute
Stube, Vater, da tannfte dir selber
iberzeigen,« stöhnte die Gemaßreaeite
ohne jede Empfindlichteit, faßte ihren
Mann mit einer bei ihrer Mieiepe
trichteit erstaunlichen Energie bei der
Hand und zog ihn nach der Thür, die
nach der besagten guten Stube führte.
Vorchtig öffnete sie diese und bedeu
tete ihren Mann, ins Zimmer zu
blicken.
Zunächst sah Meister Schnurrhahn
seine Tochter überhaupt nicht, nach
nochmaliger Rundschau aber entdeckte
er, wenn auch nicht die ganze Elte, so
doch wenigstens einen Theil von ihr
und zwar am geöffneten Fenster.
Von dem naturtrausen Haare ihres
niedlichen Kopfes wehten hellblonde
Striihnlein wie feftliche Wimpel nach
der Richtung hin, nach der ihre etwas
in die Luft stehende, aber gerade Nase
gerichtet war.
Unter diefem allerliebsten Meerwei
ser glühte wie ein Miniatur-Purpur
teppich die erhitzte Wange, und iiber
ihr leuchtete als strahlende «Neuheit
für festliche Tagesillumination« das
verlangend in die Ferne gerichtete
biaue Auge.
»Na, noch is fe nich raustobolst«,
fliifterte Schnurrhahn, »und ’n Ab
jrund jähnt unter das Parterrefenster
Zog nich. Indessen aber will ick doch
ie r« —
Dr strebte nach vorwartg.
»Um Jottes willen!« unterbrach ibn
seine Frau entsetzt, indem sie ihn
lrampsbaft ins Wobnzimmer zurück
zog. «Laß ibr zufrieden. Das Kind
is jetz wie «’ne Sonambuble, die barm
los aus ’n Dachrand spazieren jehi:
raffte ihr an, dann jlitscht se run
ter.'«
»Unse Else ’ne Sonambuble? So’n
Stuh. Unie Mächen, des ’n janzen
Dag tirilliekt wie ’ne heidelerche?'«
»heidelerchen singen teene melan
laliolische Vollslieder, Vater. Aber
unse Eise wohl. Des hängt mit den
schrecklichen Abjrund zusammen.«
»Du hast wohl ’n lleenen Vogel,
Karline?
»Ja habe leenen Vogel«, lebntr
Frau Schnurrhabn, nun doch etwas
beleidigt, ab. »Um so weniger, als
die mir noch immer den schon so lange
versprochenen Kanarienpipmatz nich
jeschenlt hast. Aber du bist blind wie
ne Eile bei Dage. Mutteraugen sehen
scharf. Hier lieö!«
Mit diesen Worten reichte Frau
Schnurrhabn ihrem Ebeherrn ein zu
sammengesaltetes Papier-, das sie der
geräumigen Tasche ihrer weißen Lag
schiirze entnommen hatte.
Schnurrbahn öfsnete et und las
halblaut folgendes von dem Pa
piere ab:
Kaum batt' ich dich zum erstenmal ge
e n,
Ali auch mein herz ich sah in Flam
men sie bu.
Ich sonste, wie ich auch darum that
kämpfen,
Seitdem das Feuer absolut nicht
-diimpsen.
Erbatmi’ es dich wohl, sähst du, wie
ich brenne,
Rühti’ es dich wohl, daß ich mich elend
nenne?
«Des is allerdings 'n Elend«, äu
ßerte der Schiächtermeistee, nachdem
et zu Ende gelesen.
Mich war, Vaiekiin?«
,,Djawoll. Elendet kann ja jae
seen Mensch dichten. Des kommt von
die verrickte Pansion, in die-se us dei
nen Wunsch barduh gestochen werden
mußte."
»Ach Vata!«
»Na, et is schon jut. Detse verliebt
is, det schad’t jar nischt. Aber det se
Jedichte schmiert, det is ne Verirrung
gegen de Schnurrhahnsche Natur.
Haste denn ’ne Ahnung; wer det un
jlickliche Opser dieser jriiszlichen Be
jeisterung is?'«
Statt feder Antwort wars sich Ka
roline Schnurrhahn ihrem Ehrge
spons an die siir solche Fälle außer
ordentlich bequem gepolsterte breite
Brust und schluchzte in herzzerreiszew
dem Jammertont «Aujust, et muß ja
mal raus. Du mußt et erfahren:
Seh dir mal die Ansangsbuchstaben
von Elsen ihr Jedicht an, da, an de
Seite lang runter.«
»K—a——i——s——e—r« buchstabierte
der also Ausgesorderte. »Kaiser heißt
er also«, sagte er dann· indem er den
Namen langsam aussprach, weil er
in seinen Gedanken dabei nach ei
nem Menschen« der Kaiser hieß, in
dem Schnurrhahnschen Bekannten
treise suchte.
»Kaiser —- iZ —- er", siammelte
Frau Schnurrhahn mit völlig gebro
chener Stimme zu ihres Gatten mäch
tigem Doppelkinn empor.
Der Schliichtermeister schleuderte
seine Frau mit einem kräftigen Ruck
von sich .
»Na brat’ mer aber eener ’n Storch,
de Beene aber recht knuspriat J, des
is ja ’ne dolle Volle, unse Eise. Det
es nur unser Kaiser sind kann, für
den se schwörmt, des is bei’n kernig
lich preißischet Normalmächen ja keene
Frage. Un dadrurn plennste, Kar
line? Meine Dochter soll für ihren
Kaiser schwärmen —- ich schwärme
doch sir unsen mächtigen Willem, det
weeste — und du doch, det weeß ist-«
»Aujust, du weest jar nich, wat de
sagst«, entsetzte sich Frau Schnau
hahn über ihren Gatten; »Mir-armen
und schwärmen is doch ’n Unterschied.
Hör doch nur« wat se hier schreibt!«
Frau Schnnrrhahn forderte aus ei
nern zweiten Taschenschachte ein ande
res Papier heraus und las vor:
»Wilhelm —- ach, kein Klang der Erde
Jst dem Klange Wilhelm gleich;
Lind ist er wie Zephirsiiuseln«
Hehr dabei und ruhmesreichi
Er, der diesen Nämen führet,
Läa’ er endlich mir zu Füßen,
Mich als Kaiserin zu grüßen!«
Schnurrhahn riß das Papier sei
ner Frau aus der Hand: »Des is al
lerdings ’n Unjlict, De Eise is ver
rickt jeworden!«
»Siehste, Aujust, nu sagst’s ooch«,
wimmerte Frau Schnurrhahn. »Des
Jesinge jeht doch doch bloß, seit unser
Kaiser damals bei’n Söngerwettstreit
in Frankfurt sich so für det Volkslied
in’t Zeug jelegt hat«
»Tschingteröttä —- Tschingteriittä«
-—— ertönte es jetzt draußen aus der
Ferne.
»Da kommen se, Vaters Ach Jott
nee, hab ick 'ne Anast, da dei Kind ir
gend ’ne unjeheire Dummheit macht!«
»Komm, Aarline«, befahl Schnur-:
habn jetzt strengen Tones, -’t seht nu,
wie et seht, aber Klarheit muß in de
Sache rin.« «
»Dfchingteriittij —- dschinqtetättä«
——— erklang es jth schon viel näher·
Schn rrbabn schlich ins Nebenzim
mer bin ee seine Tochter.
Plötzlich faßte er sie rnit beiden Ar
men um die Taille, hob sie in die Luft
und —- plauz — setzte er sie aus das
rotbe Plüschsopha nieder
Mit dem Tone eines »Jupitee to
nans« begann er dann: ,,(Flse, un
jlickliches Kind, wohin biste denn je
rathen? Diese Jeschichte« —- er hielt
die Papieke empor —- »haben alles us
jedeckt!«
»Na, wenn ibt’s einmal wißt, um
so besser«, rief Else vergnügt aus, wo
bei sie in ihre Grübchenlzände klatschte,
»dann lann Wilhelm ja nächstens
kommen und um rnich anhalten.«
»Else, armes, verirrtes Kind«, jam
merte Karoline Schnurthahn.
»Aber Mutter-, wat quietschte
denn?m lachte Elle. »Man mir:
Der Kaiser wird der beste Gatte und
Schwiegersohn, den du dir denken
kannst-« «
«Des is sirchterlich«, bekannte
Schnurrhahn niedergeschmettekt.
»Tschschingterättä —- tschschingte
eöttii ·- tschsching —- tschsching —
dumm, bunten —- tschsching —- buinkn,
dumm, bumni —- ischsching —- dumm,
buntem-dumm —- tschsching ——. —«
Die Musik ist nun ganz nahe. Eise
fährt wie elektrisiet in die höhe. Sie
zieht dabei die Mutter mit empor.
packt den Vater bei der band und
schleift ihre »Alten« nach dem Fenster
hin: Apennin-daß ich euch meinen
himmlischen Wilhelm zeiget«
Uns der Straße reitet soeben ans
edlem stosse in jugendlich strassee hal
lang, ein Bild lraflooll germanlfehee
Mannegarh ber Kaifer vorüber. Cl
nen Augenblick lang wendet sich fein
klares Hohenzollernaugk dem Fenster
zu. Elle errsihel tief und lnixt mit
ehrerbietiger Verfchiimtheii. . Dame
aber fährt ihr blonder Kon herum
nach lian; ihre Augen strahlen wie
blaue Sonnen, und voll unbeschreib
lich seligen Stolzes sagt sie halblaut:
»Dort, der Erste vorneweg, der wun
derschöne Große mit dem dicken
Schnurrbari, der die große Paule und
die Becken schlägt, das isi er, das ist
mein Wilhelm, das ist Wilhelm Kai
ser aus Hirschberg, der Bravfie der
Braven. Dort hab’ ich ihn, als ich
jeht auf Besuch bei Minchen Banne
witz war, nach einem Militärlonzeri
kennen gelerni.« . .
Tschfchingieriiitä — ifchfchingies
rätiä — bumm, bummbumm-bum —
bumm -— bumm — bumm —
ischfchiug!!«
Wilhelm Kaiser zieht an der Spiße
des Musillorpö vorüber. Er rasseli
und pault wie noch nie in feinem
ganzen bisherigen Musikantenleben.
xSiehi er doch feinen blonden Schatz
am Fenster stehen, Arm in Arm mit
Elle-Z Eltern, und alle drei nicken ihm
liebevoll zu.
—--·—-.———
Herbstabend
Sturmeswehn und Dunkelheit.
Rauschend stürzt der Regen nieder.
Herbftlich wilde Schwermuthslieder
Wehn mich an voll Traurigkeit.
Keine Blume hebt das Haupt.
Welkes Laub nur tanzt den Neigen
Zu des Sturmes wildem Geigen
Und die Bäume stehn entlaubt.
Alles mahnt so schwer und triib’.
Woll’ aus Erden nichts erwerben;
Muß ja wellen, muß ja sterben,
Sei’s dem Herzen noch so lieb.
Nein, nicht Alles. Vieles ist
Noch gerettet und geblieben
Und zum Hoffen und zum Lieben
Blieb dir immer Raum und Frist.
Halte Lieb’ und Hoffnung hoch!
Laß sie nie im Gram dersinken.
Sollst daraus Gewißheit trinken,
Frithiing werd« es einmal doch.
Bertha v. Woisky.
W
Ein Bonbon von Goethe.
Der bekannte Goetheforscher Wil
helm v. Bode in Weimar berichtet in
der »Franks. Zig« über alte Wei
maraner, die den Olympier noch ge
kannt haben. U. a. erzählt er von dem
Assährigen Frl. Bättger, einer Dame,
die noch mit Goethe gesprochen hat.
Jhr Vater war Kammersekretär, und
da er den Goethe gegenüber wohnte,
so schickte er einmal sein neunjähriges
Tächterchen mit einem Aktenstücke zu
seinem Vorgesetzten, dem Kammerrath
August o. Goethe. Das kleine Mäd
chen verlor in dem großen Haufe seinen
Weg und gerieth in den Garten. Dort
kam ihm der alte Dichter entgegen und
fragte er die üblichen Fragen. Als sie
ihren Namen Amalie nannte, antwor
tete er: »Ei, ei, so heißest Du ja wie
unsere selige Herzogin.'« Er nahm ihr
das Aktenstück ab, führte die Kleine in
das Haus, schellte dem Diener und ent
liefz das Kind, indem er ihm ein Bon
bon in den Mund steckte. Daß er das
Bonbon gerade bei sich hatte, ist nicht
wunderbar, er hatte ja drei Enkelkin
derchen zu erfreuen, und ebenso wie in
seinem Hausrock heute noch das Pup
penkäpfchen steckt, das er für die kleine
Alma aufgehoben hatte, so kann auch
eine Zuckerdiite darin gesteckt haben.
Fräulein Böttger bedauert heute noch,
daß sie das Goethe-London nicht auf
gehoben hal; der Anblick allein wäre
siir viele eine Süßigkeit.
Der Dichter des Preußenliedeh
Fünfzig Jahre sind vergangen, feits
dem Bernhard Thierfch, der Dichter
des Preußenliedeö »Ich bin ein
Preuße«, in Bonn das Zeitliche feg
nete. Aus diesem Anlaß wird in
einer der anmuthigen Gegenden Thü
ringens, unweit der alten thüringi
fchen Königsbura Burafcheidungen in
dem Dörfchen Rirfchfcheidungen die
Errichtung eines würdigen Denifteinc
des aus einer Bauernfamilie stam
»,menden Dichters vorgenommen. Bern
hard Thierfch, geboren am 26. April
1793 zu Kirchicheidungen a. U., war
vreußifcher Gnmnasiallehrer in Gam
binnen, Lock, Halberftadt und Ohnma
iialdireitor in Dorimund. Seinen
Ruhm verdankt er einem einzigen
Liede, eben jenem Preußenliede, das
neben dem »Heil Dir im Siegerlranz«
zur preußischen Nationalhymne ge
worden ist. Das Preußenlied entfiand
am B. August 1830 fKiinigS Ge
burisiaxo unter den Nachtlangen des
Juli-Revolution idarauf bezieht sich
der Vers »Ihr Glück ifi Trug. die
Freiheit Schein«) fiir die Gefellfchaft
harmonie in Halberftadi. Das Lied
wurde zuerfi als Sold gesungen nach
der Melodie »Wer Muth und Kraft in
deutfchen Seelen flammen«, fpiiter
wurde die Melodie komm-nich und
zwar von H. A. Michade dem
Schöpfer des Berliner Domchors, und
in diefer Melodie isi das Preußeniied
sum Volk-Lied geworden.