Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 13, 1905, Sweiter Theil., Image 9
F« « Yebraska LTStaatsss Anzeiger Und Yerold J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island. Nein-» Isi. Oktober 1905 (Zweitct TheiU Jahrgang 26 No. 7. IVeggenosseni y» » Nun schreitenwtt aus dem Sausen land, Aus der Sinne betauschendem Flam menbrand Mit müdem Fuß in den heiligen hain Yes tiihten, wunschloien Stille hinein. Schwarz steht der Wald· — Es senkt sich wie ein Traum Wehmiithigenbyetzichtens schwer her a . Und immer weiter führt der Weg bergan Wie tief der Schatten, der uns um fängt; · Wir schreiten stumm, die Stirne ge senkt. Ringgum das Schweigen — — ganz leise von weiten : Rauscht schon der Strom der Verges- j senheiten Clata Ensell Kunstga —--· Op Hinter blauen Bergen. Novelle Von A. T r i n i u H » Ein goldener Spätsommentag weht uber dem tibbirge, als wallte der icheidende Sommer noch einmal alle Lust und Herrlichkeit der Welt schen .ten, Auf dem weiten Marltplatze des tleinen Bergstädtchens ist’g heute noch stiller denn sonst. Alt und Jung der Bürgerschaft ist ausgeflogen, und was daheim blieb, das hat sich sicher lich ein Plötzchen im Garten auf-ge sucht. Die Sonne liiuft von Fenster zu Fenster, und es hat sast den An schein, als wollte sie die Letzten noch ermahnen, sich doch zu sputen, da sie in ein paar Stunden jenseits der Berge sei. »Gabriele!" tönt es durch ein paar Stuben hindurch in dem ersten Stock werk eines altväterlichen Hauses am Markte. Der Vater ist eg, der zum Ausgehen fertig neben der Mutter steht und soeben zum zweiten Male nach dem Töchterlein ruft. , »Gleich, gleicht Ich komme ja so forti« schallt es jetzt meint Einige Augenblicke später hüpft eine duntel äugige, junge Schöne herein, noch da bei. die hellen Handschuhe sich festzu tnöpsem »Nicht böse sein,« lacht sie Liber das ganze liebe Gesicht. »Ich Tag eben noch einmal Ehrhardfg letz ten Brief durch. Nicht wahr. ihr iiitnt nicht?« Sie huscht mit der ei nen Hand schmeichelnd über das Ge sicht des Vaters, um gleich daraus der Mutter um den Hals zu fallen und dieser einen Stufe stürmisch zu verab iolgen. »Nun sinds nur noch drei Monate, dann ist er wieder bei uns. Jetzt fange ich schon an, die Tage zu zählen. Hoffentlich hält er Wort.« Ehrhardt ist der Sohn einer be freundeten Familie im Orte. Die Kinder wuchsen auf. zwei Spielge nassen. die fiir einander durch Dict und diinn ginaen. Er hatte aus dem Mädchen einen halben Jungen ge macht. Die nahm an den Jungen lpielen regsten AntheiL und mehr denn einmal durfte Ehrhard von den Zchultameraden hören: »Du, mit der kannst Du ja Vserde stehlen! Die thut alles fiir dichl« Das fühlte und wußte er auch, daß er ihr viel geworden war, und als er zur Universität endlich ging, da wußte er auch das Andere, daft er nicht mehr von ihr lassen würde, daß nun auch sie ihm alles geworden war. Unter Buchen driiben am Schloßberae hatte er sie gefragt, ob sie nun auch in der Irne wolle an ihn denken. Und da nur erre t nickte, so war auch die zweite, weit wichtigere Fraae nicht ausgebliebem ob sie wolle nun für im neer an ihm hangen; Dann würde er sich sputen, daß er könne vor ihre Eltern treten, um ihre Hand zu bit ten. Auch dazu hatte sie nur «genirtt. Dann aber war sie plötzlich unter her vorguellenden Thriinen ihm um den halt-gefallen und hatte nur noch leise aestammelt: »Nur siir dich will ich leben, du mein liebster Kamerad!« Was an diesem Abend die iunaen Seelen sich anvertraut, das blieb ihr siifzeö Geheimnise all’ die nun kom menden Jahre. Dann aber, an einem Sonntaamoraen. da trat der funkl nagelneue Dr. med. Ehrhard Meiniae vor das erstaunte lflternvaar seiner Gabriele und bat in schlichten Wor ten darum, dafe sie ihm möchten ver itatten, fortan ihre Tochter als seine Braut zu betrachten. Spiel und Ju aend habe sie einst zusammengebracht, das sei der feslete Mit iiir das Leben. Und so hoffe er, dasr ihre Liebe auch I über die Klippen sie führen werbe, die ja teinem auf-Erden erspart blieben. Gerade war die Kirche aus, da Va ter und Mutter unter dem Gelänt der Glocken ihren neuen Sohn an’s Herz drückten. Gabriele hatte an der an geleaten Thiir gelauschi, und als man nach ihr rufen wollte, da lag sie be reits auf der anderen Seite in den Armen der Eltern. Seit jenen Tagen sagte sie so manchmal: »Wenn ich auch nicht am Sonntag aelrioren bin. ein Sonntags iind bin ich doch! Denn ein Sonn tag bat mir das Liebste auf Erden zum Geschenk gebracht.« Zwei Jahre sviiter war der iunae Doktor. der in einem aroßen Kran lenhaug in Hamburg Anstelluna ac sunden hatte, start ertältet auf Ur laub heimgekommen. Wenige Taae darauf wars eine schwere Jnfluenza ihn nieder. Wochen vergingen. Nach iraniheiten stellten sich ein. und als er endlich das Bett verlassen durfte, da erst erkannte man, wie scharf ihn das lange Leiden angefaßt halte. Der Hausarzt fand allgemeine Zustim mung, als er erklärte, es wäre am be sten und verbürgie die schnellste Wie derherstellung, wenn der junge Kol lege einmal fiir längere Zeit einem Luftwechfel sich unterzöge. Ein an deres Klima. andere Umgebung wirt ten stets sehr heilsam. Und da feit Jahren Verwandte in Neapel um den Besuch eines Mitgliedg der Familie Meinicle gebeten hatten, to ward im Familienrath feierlich beschlossen, dasz Ehrbard als Vertreter für einige Mo nate dorthin gehen solle. Weihnachten lehre er dann wieder heim, und ten nachsten Frühling solle die Hochzeit sein. »Siehst du,« hatte er dann seine Braut angelacht, »vielleicht erlebe ich nun auch, was Meister Scheffel uns gesungen, wenn mich das Schiff nach Capri hiniiberträat!« Und er faßte Gabriele bei den Händen und tanzte mit ihr in der Stube umher, indem er sang: »Graziella fuhr im Schiff ivie ich, Mein Unglück nahm sie wahr Und bot als Schutz vor Sonnenstich Jhr Busensürtuch dar. Und als mein Haupt, derweil sie’s tniipft’, Jn ihrem Schoß geruht, Hat mir das Herz vor Freud ge hupft. Fahr wohl, mein grauer Hutt« »Wie lannst du nur fo ausgelassen sein?" schmälte Gabriele ein wenig. ,,Mor·aen geht’s fort und dann —- -—« sie vollendete den Satz nicht, sondern warf sich an seine Brust. »Eben deshalb,« lachte er. Dann aber streichelte er ibr Haar und Ge sicht. «S-iel)st du. ich reife ja meiner Gesundheit entgegen, und dann kommt ja auch für uns die schöne Zeit des Brieffchreibensl Du hast ja immer geklagt, daß meine Briefe ftetå an Länge so viel zu wünschen übrig lie ßen. Nun, jetzt finde ich mehr Zeit dafür. meine sehnend-e Braut zu er freuen. Und was werde ich jetzt alles melden können! Sobald ich mich irr die erste dunkeliiugiae Neavolitanerin werde bis über die Ohren verliebt ba ben, sollst du er sofort wissen. Ich verspreche es dir. Denn hinter den blauen Bergen im Süden, da gehen die Augen der Frauen bis ins Jn nerste. Doch nun Scherz bei Seite! Deine Gedanten werden oft über un sere blauen Berae stiegen. Gabriele, meine auch! Und ich will die Stunde segnen, wenn ich erst als ein gesunder Kerl wieder vor dir ftehe.« Tags darauf war er nach dem Sü den abaefabren. Von da ab waren regelmäßig seine Briefe nach der thü rinaer Heimath geflogen. »Jeden Sonntag Nachmittaa, wenn das Noli sich in den Ofterias laut vergnügt, dann sitze ich in unserm Garten, von dem aus nsan weit über das blaue Meer bis hiniiber nach Capri blickt, und schwinae die Feder.« So hatte er einmal geschrieben. Das zu wissen, hatte ihr unaemein Freude bereitet. Nun konnte sie sich doch stets sein Tbun augmalen, wufite, dass er um diese Stunden mit all sei nem Denlen nach der Heimath strebte, das-. ihr Bild vor seiner Seele stand. Mit diesen Gedanken schritt sie heute wieder an der Seite der Eltern hinein in den Bergwald Ueberall lichte Gewänder, frohes Größen, hier und da ein Stehenbleiben, lurzes Plaudern, um dann die Schritte wei ter zu lenten. So waren sie auf eine gerodete Bergtuppe gelangt, von wo dem Auge sich mit einem Schlage ein weitge schwungeneg Bild über einen Halb tranz von Waldbergen öffnete, deren fernste sich sacht im blauen Dämmer duft der Ferne verloren. »Ach. hier ist’s schön,« rief Ga briele, »hier wollen wir ein bischen ausruhen!« Und sie warf sich in das Moos, während beide Eltern unweit davon auf einer schlicht gezimmerten Bank sich niederließ-en Jetzt tam eine lleine lichte Wollen barke bei-angeschwommen Nun war sie iiber ihr, dann ging die Fahrt wei ter, immer weiter, hinüber zu den » blauen Bergen der Ferne. ; Sie seufzte leise auf. Ach, wer doch Ida mittönntet Dort hinter den blauen Bergen. da safi um diese Stunde ein Jemand· ein Jemand, mit dem ihr ganzes Leben fiir immer vertniivft war· Wenn sie doch Flügel hätte. Dann hinauf in das weiße Wolken schiffchen. Da ging es dann schnell hinab nach Süden. und ehe der Abend sich niedersenite, iäme sicherlich Neapel in Sicht, und dann wolle sie mit heller Stimme seinen Namen hinabrufen. Wie würde er erschreckt aufschauen! Und dann spränge sie hinab —- ge rade in seine Arme, die er weit öffnen würde, an sein Herz — Und wie von sehnender Leidenschaft erfaßt, hatte sie sich plötzlich rasch er hoben. ' »Mutter! Vatert« Sie wandte sich nach den im Gespräch vertieften Eltern lächelnd um. »Seht ihr- da hinten die blauen Berge? Da sitzt Ehrhard und denlt jetzt an mich Jch fühl’s, ich weiß es! Ehrhard!« Und weit breitete sie ihre Arme aus. »E,hrhard ich grüße dich!« Aber dann mit einmal riß sie ihre Hände an die Brust Bliisse überzog ihr Gesicht. Wie von einem plötzlichen Taumel ergriffen, wankte sie leicht » und sanl dann wieder hinab in das l Moos. i »Gewinn« Ein doppelter Angst I ruf. Jm nächsten Augenblick waren die Eltern heran l d ,,?Gabriele! Was haft du? Was ist ! It « i Mit großen glanzlosen Augen sah sie in die besorgt zu ihr sich niederbeu genden Gesichter der Eltern J »Mir? Nichts nichts! Ein Traum - —nur ein Traum!" Und dann schwanden ihr die Sinne. « Welch eine geheimnißvolle Macht schlägt über hunderte von Meile von Herz zu Herz die Brücke? Daß plötz liches Ahnen in Gewißheit überfließttk Daß wir mit einem zweiten Gesicht schauen? Um dieselbe Stunde, da Gabrielens Sehnsucht hin über die blauen Berge sehnend flo , da saß fern am Golf von Jteapel au einer Gartenterrasse Ehr hard an einem tleinen Tischchen, vor sich die Schreibmappe mit dem ange fangenen Briefe an Gabriele. Weit von seinen Blicken dehnte sich in berauschender Schönheit das leicht aelräuselte, in allen Farben heiter ichillernde Meer. . Dort hinüber richtet sich der Lauf eines Segelbootes. Wie der Sommer wind doch sich in das Segel setzte! Ein liebliches Bild fehnender Hoffnung! lieber den Einsnmen im Garten an der Berglehnc ranschten ganz heimlich die Kronen fruchttraaenden sud likk .er Bäume Wie weicher Harfentonl lind : der tikinfame lehnte sich, die Feder in der Rechten leicht in den Stuhl zu rück. Ein wachsendes Lächeln ging s über sein leicht gebräunteö Gesicht. ,,Gabriele!« fliiiterte er, ,,(7tabriele! Jch denke an dichl« . SI fanden ihn am Abed nach ih rer Riirttehr noch ieine Gaitfreunde. Noch hielt er die Feder in der Hand. ,Anf dem Antlitz ein ieliges Lächeln. » liin Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende gemacht. — Am nächsten Moraen traf daheim ! die Depescke ein, welche feinen Tod meldete. Wenige Tage darauf sandte » man neben einem augfiihrlicken ’Schreiben auch die letzten Zeilen an Gabriele: Sie lauteten: »Mein liebes Herzmädelchewi Alle meine Gedanken sind in dieser Stunde bei dir. Sie schwinan sich )auf, um eher noch denn dieser Brief bei dir in der Heimath zu sein, nach welcher ich solch arosze Sehnsucht im Herzen traae Noch vor Weihnachten qehe ich von hier fort, vielleicht soqar s noch eher, denn ——— — — » De r alte Meinicke hat sich dann anf qemacht, den sterklictsen lleberresten seines Sohnes die letzte Ehre tu geben Fern von der Heimath auf dem ein samen Friedhof zu Neapel ruht Ehr hard seit zwei Jahren. Eine dunkle cnpresse hätt die Todtenwacht am Grabe. Von weitem tönt das Rau schen des einigen Meeres in die große Stille. Ueber den Gottesacker der Heimath aber sieht man zuweilen in der Däm Hinernng eine ernste Gestalt lanqsam, l wie suchend, schreiten. Das ist Ga ; briele. Es ist, als wolle sie den stil len Schläfern hier saaen, daß fern i von ihnen einer ruht, der bis euletzt die Heimath mit seiner Seele suchte — —--.--—-.—-— Die Strafpredigt. Hutnoresle nach dem Leben von Adolf Thiele. »Herr Ober, eine Tasse Koffee!« »Bitte, hell oder dunkel?« entgeg net-. der mit dem Kassee und der Milchkanne herbeieilende Dberlellner. ,,Melange!« erwiderte der Gast nnd der »Ober« stellte die erforderliche Farbenmischuna her. .,Oker!« rief ein Herr von einem Mitteltifche aus. »Sie wünschen, mein Herr?« »Einen Maragrhino!« bestellte der Gast, ein robuster .Herr mit einem Eifenfresseraesicht, weniaftens ließ der grimmige Zug, der um den von einem riefmen Schniirrbart befchatteten Mund lag, ein Kirschenessen mit die sem Herrn nicht giinstia erscheinen. Der Obertellner stellte die geschlif fene Flasche vor den Herrn und ickenlte ein Gläschen ein. Der »Ober« hatte heute viel zu thun. das Cafe war zu dieser Stunde qui besucht und geschmeidia eilte er hin und ber. Geben schoß er wieder durch den Saal, dicht an dem arimmig aus lchauenden Herrn vorbei, der soeben einen Schluck von dem Maraschino trank. Da —- ein Gleiten, ein Fall —- und der »Don plazirte eine Tasse Kalao mit Schlagfahne auf den Rock des bärbeiszigen Herrn. Da dieser gerade das Gläschen am Munde hatte, so ergoß sich auch dessen Inhalt über den Kalao und bildete mit ihm eine neue Mischuna Mit dem Zeichen äußersten Zornes richtete sich der Herr empor »Passen Sie doch aufl« donnerte er. »Eure solche Ungeschicllichteit!« Alle Gäste wurden aufmerksam. Unter den lebhaftesten Bitten um Verzeihung suchte der Kellner die Flecken vom Rocke des Herrn zu ent fernen. Dieser ließ sich dadurch nicht ver stöhnen ,,.Oolen Sie mir sofort den Wirth!« rief er. Unter neuen Entfchuldigungen rieb der ,,L)ber« an ihm herum. »Ich verlange von Jhnen,« rief der Unerbittliche, »daß Sie sofort den Wirth rufen!« Der Oberkellner, der seine in dop: pelter Beziehung aufreibende Thätig leit beendet hatte, schlich endlich da Von. Das war eine verteufelte Geschichte; der Wirth hielt gerade sein Mittagss schlijfchen, und da war es nie gera t then, ihn zu werten. Und nun bei teinem solchen Anlaß! Nein, das ging nicht, das wäre ja der reine Mord t t t t gewesen! »Ober!« tönte da schon wieder die Stimme des fremden Herrn. »Sie wünschen, mein Herr?« ,,Rufen Sie mir sofort den Wirtb!« sherrschte der noch immer von Zorn ’ geröthete Gast. « ) »Sogleich, mein Herri« sagte der Keltner tieiniant und schlich wieder s hinweg, von den theiknahmgvollen ; Blicken der Gäste begleitet, die den ne fälligen und höflichen Kellner bemit leideten. Nach einer Weile erschien dieser wieder, von einem etwas torpulenten Herrn in mittleren Jahren begleitet. »Mein Herr, Sie wünschen?« fragte dieser den zornigen Gast. »Motiven Sie Ihrem Kellner doch einmal den Standpunkt Hart« rief tdieser. »Diese Ungeschickkichkeit, den Nao über mich zu schiitten!« ,,Berzeihen Sie, mein .f)err!« erwi derte der Angeredete. »Sie aber,« » wandte er sich an den mit niederge T schlagenen Blicken dastehenden Ober tellner, »Sie sollten auch mehr Ge schick haben, so etwas macht ja kein Pikkolo! Geben Sie doch besser Acht und kommen Sie den Herrschaften nicht so nahe! Keine Widerredet Der artige Leute passen nicht in ein stot teg Case; Sie sind hiermit entlassen!« Es entstand eine Pause. Der Zorn des fremden Herrn schien bei der Strafpredigt oerraucht zu sein. »Nun,'« begann er zögernd, »so schlimm brauchen Sie eS ja nicht gleich zu machen --—« »Wenn Sie eg wünschen, mein Herr,« entgegnete der Angeredete ! höflich, »so will ich diesmal noch die Entlassung zurücknehmem aber,« wandte er sich an den Kellner, »ein andermal Passen Sie besser ans, sonst wissen Sie, was vassirt.« Nach nochmaliger Entschuldigung ging er davon Seltsamerweise konnten verschie dene der anwesenden Gäste ein Lächeln nicht unterdrücken. Der erst so zor nige, fremde Herr wurde dies nicht ge wahr, mit befriedigter Miene trant er noch einen Maragchino, zahlte und ging. »Sie, Herr Ober,« ries da einer der Gäste laut lachend, »das haben Sie aber fein gemacht!« Mehrere andere Gäste stimmten hell in das Lachen ein. »Noth bricht Eisen, mein Herri« sagte der ,,Ober« mit einem süßsauren Gesicht. «Wieso sein gemacht?" fragte ein Fremder Herr einen Stanmigast, mit dem er am Tische saß. Alle diejenigen, die«nicht lachende, sondern erstaunte Gesichter machten, lauschten gespannt. ,,Nun,« antwortete der Stammgast lachend, »der Ober hat nämlich —-— gar nicht den Wirth gerufen, sondern ei nen alten Stammgast —« »Der gerade im Billardzimmer lie bitzte,« ergänzte der korpulente Herr, der soeben mit behaglichem Lachen aus der Bildfläche erschien. Die neue Krankheit »Na, Haus« was fehlt denn Deinem Vater!« »Ja, Herr Lehrer, der Doktor hat gesagt, der Vater hätt’ a Rübensellent zündung.« Höflich. Gesängnißinspettor (zu einem aus gebrochenen, aber am nächsten Tag wieder eingefangenen Hästling): »Na, hätten Sie sich gestern auch ’mal ein «bischen frei gemacht?« Für 10,000 Dollars Asche Kriniinalgeschichte von W i l h e l m Neter. Mein letzter Auftrag war wieder einmal mit Glück erledigt, und ich hatte nichts zu- thun. Also bummelte ich im Schalterraum der Staats-baut herum und sah mir die Menschen an. Denn in einem großen Bankhaus passirt immer etwas. Richtig, da kam auch schon der No tar Renten, und bei ihm war oder vielmehr, er schleppte sich .mit einem Mann «- das reine Jammerbild. Das Haar hing ihm in’s bleiche Gesicht, Thränen liefen ihm über die bärtigen Wangen, und in den zitternden Hän den hielt er mit ängstlicher Sorgfalt ein Kästchen. Der Notar sprach eifrig auf den Kassirer ein, und ich drängte mich na türlich möglichst unauffällig — hinzu. Das war ja eine ganz schreckliche Geschichte. Der Notar hatte seinen erprobten Schreiber sortgeschickt mit 1.(.),000 in Scheinen, die er bei der Staatsgbank einzahlen sollte. Der Schreiber war aber erst noch einmal nach Haus ge gangen, um nach seiner Frau zu sehen, weil die Aermste gerade heute in eine Jrrenanstalt gebracht werden sollte. Und da war das Unglück geschehen. Der Schreiber, dem sein Prinzipal, der Notar, das glänzendste Zeugniß augstellte, hatte das Päckchen mit den Scheinen auf den Tisch gelegt nnd, wie es tani, konnte man sich nicht er klären: kurz und gut, auf einmal hatte die Jrre den Schein erwischt und in’g Feuer geworfen. Kaum das-; esz noch gelang, die vertohlten Blätter zu ret ten, die jetzt der Banl gebracht wur den. - Der Notar, das muß man ihm las sen, legte sich für seinen Schreiber mächtig in’5 Zeug, und der Direktor, der mit ihm gut bekannt und auf sei nen Wunsch herbeigeholt worden war, versprach denn auch, die Aschenreste so fort im Laboratorium prüfen zu las sen und sein Möglichfteg in der Sache zu thun. Glücklicherweise waren ja auch die Nummern der Scheine beim Notar vorher aufgeschrieben worden. Der ganz in Schluchzen aufgelöste Schreiber reichte dem Direktor das inhaltsschwere Kästchen und —- da durchzuckte es mich, als wäre mir ein elektrischer Strahl über den Rücken gefahren. Dieser Daumen! Diesen glatten, abgestumpften Daumen, an dem das oberste halbe Glied fehlte, den kannte ich. Jch dachte gar nicht daran, das Gesicht des Menschen zu studiren,denn das läßt sich entstellen. Aber der Daumen, da war nichts daran zu machen. - Und richtig, jetzt wußte ich’"5 wie der! ,,Alfo, Herr Notar, das sind die Nummern der verbrannten Scheine? Na, ich danke bestens. Aber das in teressirt mich eigentlich weniger. Jch s möchte lieber wissen, in welche Irren- . anstatt die arme Frau Jhreg Schrei- : » bers gebracht werden soll!« ’ ,,Jn die öffentliche Anstalt nach Greatfield. Es sind halt arme Leute.« Jch nickte gerührt. »Und wer bringt die Frau fort?« »Mein Schreiber selbst. Er hat sich dafür einige Tage Urlaub geben las sen. Natürlich will er jetzt erst die Entscheidung der Bank abwarten, und der Direktor hat mir darum auch noch für heute Erledigung zugesagt.« Da tam sie schon selbst: Ein ver traulicher Privatbrief des Direktor-H, wonach sei-on die oberflächliche Unter suchung gezeigt hätte, daß die Asche thatsächlich von den verbrannten Scheinen herrührte. Nach Erledigung einiger nothwendiger Formalitäten stände der Rückerstattung Nichts mehr im Wege. Der gute Notar glänzte vor-Freude! Ja, ja, Protektiont Was sonst Mo nate gedauert hätte — mit ein bischen Freundschaft wurde es in ebenso viel Stunden erledigt. Natürlich wollte der Notar den Aermsten nicht länger warten lassen. Er rief ihn herein, nnd der Schreiber kam, schon fix und fertig zur Reise angezogen. Nein, wie der sich freute nnd sich in Dantsagnngen über schwänglich erging. Es that mir wirk lich leid, diese reizende delle stören zu müssen. Aber mir blieb nichts wei ter übrig. So legte ich ihm denn mit raschem Griff Handschellen an und sagte lachend: «Fred Paulsom Sie sind verhaf tet!« Auf meinen Signalpfisf kam sofort der bestellte Polizist herauf. »Heute das Frauenzimmer die Scheinetm fragte ich. »Nein,« erwiderte er nnd begann sofort lunstgerecht den Schreiber, Ver sich übrigens vollkommen ruhig Tin sein Schicksal eraab, im untersuchen.« Nach einer halben Minute hielt er richtig das Paket in der Hand und legte es vor den Notar auf den Tisch. »Aber sie sind doch verbrannki« stammeltie der ganz verwirrt. »Wnö haben Sie denn mit meinem Schrei ber?« Jch entgegnete mit der mir eige nen Höflichkeit: »Ihr Schreiber ist Fred Paulson, einer der berüchtigtsten Baninotenfäl scher in Amerika. Jn seinen Kreisen heißt er der ,,Klumpdaumen«. Und an dem Daumen habe ich ihn auch er kannt. Was aber die verbrannten Scheine anbetrisft, so waren sie — ein neuer Gaunertrick — natürlich ebenso falsch wie der Jrrsinn seiner-Gelieb ten, die wir ebenfalls schon verhaftet haben.« j »Aber die Prüfung der Asche im Laboratorium . . . .?« Da lachte der Halunke mit Galgen ; humor: ! »O, Herr Notar, die war ja nur — ! eine oberflächliche, dank Jhrer Pro i tektion.« I Zu Willibald Beyschlags fünfzig-. stem Todestag ist bei Mohr in Tät-in gen ein Gedenkbuch erschienen, aus dem die Münchener ,,Allg. Ztg.« eine hübsche Erinnerung an Kaiser Wil helm l. mittheilt. Es war bei der Taufe des Erbgroßherzogs von Ba den, seines ältesten Enkels, bei der der Großvater, damals Prinzregent von iPreußen, den Täufling hielt. Kaum aber hatte der Akt begonnen und Beh fchlag, damals Hofprediger in Karls - ruhe, zu sprechen angefangen, als der Knabe so kräftig zu schreien anfing, ’dafz von Andacht und Sammlung kaum noch bei irgendwem die Rede sein konnte. Ein Stillungsmittel war wohl zur Hand, aber man wagte nicht, es zu reichen. Vergebens suchte der hohe Pathe durch Wiegen und Schankeln auf den Armen sein Entei chen zu befchwichtigen Nur noch un muthiger und lauter ließ dieses die Stimme ertönen. Und während sich der Anwesenden mehr und mehr Un ruhe und peinliche Verwirrung be mächtigte, begann Angftschweiß die Stirne des Redenden zu bedecken. Meinte er doch, die sorgfältig vorbe reitete Ansprache nicht jählings abbre chen zu können, und doch war ihre Fortführung mit Haltung und Ernst eine wirkliche Pein. Wer je Aehnliches im Amte erlebt hat, weiß es. Da aber kam der Prinz - Regent von Preußen dem Bedrängten zu Hilfe in jener na türlich liebenswürdigen Weise, welche den hohen Herrn zeitlebens ausgezeich net hat; ein wenig sich zu Behschlag herüberneiaend, fliisterte er—ihm nur verständlich-: »Herr Hofprediger, der Kliigere giebt nach!« Darauf machte Beyschlag seelenvergniigt, daß er zum Ende und Abschluß kam. i Der Krügen gibt nach. W Auch ein Juvtlämm tfg war im Jahre des Herrn 1805, daß die Berliner Akademie der Wis senschaften, gestiftet bekanntlich auf Veranlassung von Gottfried Wilhelm v. Leibnitz, aus dem von ihr heraus aeaebenen Jahres-Mittwoch den letz ten Rest des astrologischen Aberglau bens strich, der sich bis dahin in den Spalten des Kalenders breitgemacht hatte. Schon einmal, 1779, hatte die Alademie den Versuch gemacht und alles aus dem Kalender entfernt, was von dem vermeintlichen Einfluß der planetarischen Ronstellation aus die Geschicke der Menschen handelte. Aber sie hatte die Rechnung ohne die Leser des Kalender-Z gemacht. Diese waren es gewöhnt, in dem Kalender, ihrem Freunde und Rathgeber, zu lesen, wann beispielsweise gut- Pflanzen und Säen, wann gut Holzfällem gut Aderlassen und Schröpfen sei. Und da sie dies im 1779er Almanach nicht fanden, lausten sie den Kalender gar nicht oder nur wenig. Aus geschäft lichen Gründen sah sich die Akademie nun gezwungen, zu dem ehemaligen astrologischen Krimskrams zurückzu kehren, ließ dann aber Jahr fiir Jahr einen Aberglauben nach dem andern fort. Jm Almanach des Jahres 1805 » war auch der letzte astrologische Aber t glaube, der vom guten Holzfällen, znicht mehr zu finden. Und es ging i auch so! Karl Juristerei Gurt-schrift. Eine von Richard Wagner herrüh rende Grabinschrist auf dem alten Je rusalemer Kirchhof in Berlin beginnt jetzt zu verlöschen. Sie befindet sich an dem Gedenkstein für den früh dahin aesebiedenen berühmten Berliner Pia nisten Karl Tausia. DieJnschrist lau tet: »Reif sein zum Sterben, des Le bens zögernd sprießende Frucht, früh reis sie erwerben in Lenzes jäh er bliihender Flucht, ———- war es dein Loos, war es dein Wagen, wir müs sen dein Loogg wie dein Wagen bekla gen. (Richard Wagner.)« Jtu Eisen Sie: »Ich konnte früher immer so schön deutsch sprechen und jetzt sage ich hundertmal iinTag »net« statt »nicht«. Von wem ich das nur gelernt hab’?" Er (schnell): »Von mir nett«