Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 13, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    Ver Gefangene.
Aussische Erzählung bon L u d m il l a
b o n R e h r e n.
Jsm hose des Gesiingnsses steht ill
iana, die Stiestochter des Gesäng
niszaussehers, und hängt Wäsche au .
Der has ist groß, aber ganz ber
tbaltrlosi. Alles hat ein unendlich
trauriaes Aussehen. Das Gesäng
niszaebäude selbst ist ziemlich hoch und
arau gestrichen. ,
Uliana sieht ebenso traurig und
ebenso berwahrlost aus, wie alles
rings umher. Sie ist noch jung- abkk
nicht im geringsten hübsch. Das Ge
sicht des Mädchens ist mit Sommer
sprossen dicht bedeckt, und. die lleinen
grauen Augen sehen blöde in das helle
Licht.
Es ist ein schöner, heller Sommer
tag, aber doch etwas kühl. Der Hirn
mel ist tiesblau und sast ganz wollen
los. Einsamkeit und Stille herrscht
in der Umgebung des Gesängnisses.
Mit tattmäßigeni festen Schritt geht
der Posten draußen an der Mauer
boriiber. Hoch oben, gerade über dem
Gesängniszhose, schwebt eine singende
Lerche.
Uliana hört das Singen und ber
itlcht, nach dein Vogel zu sehen. Sie
halt die Hand über die Augen und
blinzelt hinauf. Aber das leuchtende
Blau blendet sie. Sie muß den Blick
wieder senten, ihre Augen sind voller
Thriinen.
Sie denlt daran, daß ietzt die schöne
Zeit be«in.nt, wo die Madchen Arm in
Arm in langen Reihen Abends durch
die Straßen ziehen und die Burschen
ihnen folgen. Sie lachen und scherzen
und hin und wieder lbst sich ein Paar
von den anderen und acht allein,
Hand in Hand. Und anbere wieder »
stehen in der Hausthüre oder an der;
Gartenpsorte, und wenn jemand vor- l
bei lomnil, fahren sie aneinander. L
l
s
Mit Uliana hat niemals ein Burs
sche so verstohlen beisammen gestan-:
den. Sie war ja so häßlich und so;
arm. Was hatte sie vom Lebens Den s
aanten Tag aab es nur Arbeit,!
Schläae, Schelle... ’
Datan dachte Uljana, während die
Lerche iiber ihr sang lind sie weinte
immer stärker, aus einer briinstiaen,
dumpfen Sehnsucht heraus. «
»We5halb weist Dus« sraate plötz
lich-jemand hinter ihr.
Sie fuhr herum, blickte erst er
schrocken rundum und dann hinauf. —
binter den Gitterstäben eines der
Fenster zeigte sich der Kon eines jun
aen Mannes. Er hatte ein schönes,
düstereg und trauriges Gesicht mit
schwarzen wilden Augen, die aber jetzt
freundlich und mitleidig zu Uljana
heruntersahen.
Uljana zögerte mit der Antwort.
Als Feind hatte man ihr streng verbo
ten mit den Gefangenen zu sprechen
und ihr Stiesvater hatte sie unbarm
herzig geschlagen, wenn sie es doch
einmal that, sodaß sie auch später das
Gebot nicht zu übertreten wagte
ssWeShalb weinst Duk« fragte der
Gesanque nochmals. »Du hast tei
nen Grund, traurig zu sein.«
Diese Worte erweckten den Trotz
lllianag.
»Was weißt Du von meinem Kum
mer?« antwortete sie heftig. »Es geht
Dich aar nichts an, weshalb ich weine
—- warum fragst Du überhaupt da
nach?«
Der Gesangene lachte ein wenig.
lfs tlana angenehm. Er lachte, wie
nur gute Menschen lachen. Auch seine
Stimme war angenehm.
»Ich staate, weil Du mir leidtha
test. Und wenn ich sage, Du hast tei
nen Grund traurig zu sein .? .. Es ist
schwer, hier hinter diesen eisernen
Stäben zu sitzen, in einem feuchten
Loche . . .«
Er spricht, als hätte er Thriinen in
den Augen. Uliana sieht ihn voll
Mitled an, Sie erinnert sich jetzt,
ihn öfter schon gesehen zu haben. Er
aesiel ihr damals schon und that ihr
leid. Er ist ein solch schöner, starker
Bursche und muß nun hier sitzen, wie
ein aefanaenes wildes Thier . ..
Sie sieht ihn unverwandt an. Weich
und melodisch ist«seine Stimme. Und
in ihrem bergen zittert ihr Ton selt
sam nach-«
— »We- ist Deine Heimath?« fragte
ne.
»Ich siamme aus dem Kaukasus
und bin ein Gras-en«
»Da haben sie Dich aber weit fort
aeschicki,« meinte Uljana. Sie möchte
iraaen, warum s— aber ein eigenes
Gesiihl hält sie davon ab.
Er nickt. »Ja —- weit weit fort.
Und wer wei?« wohin sie mich noch
von hier sort chicken. Und, warum?
Jch bin schuldia—ia. Gott weißes,
aber was ich that. geschah in der Noth
wehr.« Er siingt an zu erzählen, ha
stig, in der Art eines Menschen« der
lange hat schweigen müssen- »Da war
der Ofsizier Satvili Timoseieoitsch in
unierem Dorfe. Er war groß und
start ,trani viel — immer war er be
trunken « und allen Mdiichen lies er
nach. Und die Anania MDu mußt
wissen, die Anania war mein Mäd
chen —- die ließ er schon gar nicht in
Ruhe. Und einmal «- mitten im
Dorfe —- begegnet er ihr, umartnt und
iiißt sie var allen Leuten. Sie schreit
—ich bin nicht weit, ich komme hinzü
.Wie er mich sieht, schreitet schon:
»Komm her. arusischer Hunds« zieht
den Säbel und geht auf mich zu. Und
da Mich weiß nicht« wie eg iakn »
da habe ich ihn eritochen.««
Er preßte hie Lippen zusammen
und sein Gesicht wird noch düsterer.
»Sie ist wohl schön, Deine Anan
ta?« sraat Uliana noch einer Weile.
,.Ob lie schön ist's« In den Augen
des iunaen Gtusiers ist plötzlich eines
Flamme. »J-hre Zöpfe sind so breit.
wie meine Hand, blauschwarz und l
schwer fallen sie auf ihre Hüften. Und
die Goldperlem die ich ihr geschenkt,
glitiern darin. Ihre Wangen sind
wie dtr Adendhimmel und ifzse Augen
stehen darüber-, so groß und klar, wie
der erste Stern, der am Himmel auf-«
steigt. Und wie süß ist ihre Stimme.
Aber was nützt das —ich werde sie
doch nie wieder sehen. Ach, könnte ich
nur hinaus...«
Seine Stimme ist ganz gebrochen
vor Schmerz. Auch in ihren Augen
stehen Thränen.
»Wenn Du auch hinaus lämest,«
sagt sie. »so würden sie Dich doch
wieder fangen«
Er lacht-wild und schrill. ,,Nie
wieder lebendig! Der Weg ist wahl
weit-—aber .ich weiß, ich käme hin.
Der Rasse gibt dem Bittenden gern
ein Stück Brod. .. Und wenn ich erst
daheim wäre, in den Bergen, da könn
ten sie nzich suchen! Und die Ananla
würde mt mir gehen, wohin ich will,
das weiß ich.«
Uljana ist fertig. Sie nimmt den
leeren Korb und macht langsam und
Unschlüfsig ein paar Schritte aus die
Hausthüre zu. Plötzlich dreht sie sich
um und kommt wieder zurück.
»He, Du —— höre . . .« ruft sie halb
laut heraus. Der Gesangene blickt
herab.
«Bleib noch eine Weile am Fenster,«
fährt sie hastig fort und läuft dann
eilig — ahntseine Antwort abzu-»
warten —- ins Haus.
Nach einer Weile kommt sie wieder
heraus-. Der Gesangene steht am
Fenster und sieht mit gespanntem
Ausdruck ihr entgegen. ——Scheu und
unruhia blickt sie ringsum. Doch nir
aends ist ein spähendeg Auge zu sehen.
Auch an den vergittertcn Fenstern der
Gefangenenzellen zeigt sich niemand
weiter. Die Zellen sind arößtentheils
ler, da das Gefängnißaebäude abge
traaen werden soll. i
Uljana zieht etwas unter ihrer
Schürze hervor und hebt die Hand.
Ein schwerer Gegenstand fliegt gegen
das Fenster und prallt gegen einen der
eisernen Stiibr. Aber sie hat doch gut
gezielt. Sie hört, wie er drinnen
hart zu Boden fällt· —- Der Gefans «
gene stößt einen leichten Ruf aus und ;
verschwindet fiir einen AugenblickJ
Gleich darauf erscheint er aber wieder I
am Fenster. Sein Gesicht ist leicht ge- z
röthet und seine Augen strahlen. E
«Still, still, sprich nichts« —- Ujiana
blickt sich wieder ängstlich um, legt die
Hände an den Mund und spricht wie
durch ein Sprachrohr hinauf. —
»Hd·re nur. Wenn Du die Stabe
»durchaefeilt hast warte, bis es ganz
dunkel ist und versuche dann am
Schuppen iiber die Mauer zu tlettern.
Dort sind die Nägel abgefallen und
viele Steine abgebröckelt. Du mußt
aber acht geben, daß der Posten vor
über ist! Wenn Du den Flnsi entlang
auf die Stadt zunehst, findest Du eine
»kleine Brücke zwischen viel Gesträuch
IDort berbira Dich. Ich werde trun
men und Dir noch Brod nnd Kleider
; bringen-" ·
. «Er nickt bastia und sie acht schnell
;wieder ins Haus zurück. —«——————
Die Nacht ist dunkel und feucht.
! Wollen stehen am Himmel. lfin feiner,
iweißer Dunst steiat vom Flusse anf.
Schware und unförtnlich schwimmt
das Gefängniß in dem weißen Nebel
meer.
Eine Thurmuhr schlägt Mitter
nacht· Bald darauf knarrt eine Tbiir.
Uliana schleicht, in ein großes, dunkles
Tuch gehüllt« aus dein Hofe hinaus.
Mit raschen sich iiberbastenden Schrit
ten eilt sie dem Flusse zu.
Nahe bei der Stadt führt eine
Brücke über den Fluß auf die Wiesen.
IES ist eine ganz tleine schmale Brücke,
lMit niedrigem Geländer »und Holz
fvsosten an den Ecken. Ultana bleibt
Thier stehen und sieht sich um« Es ist
Falles ganz- still. Endlich wagt sie es,
Lleife zu rufen. Der Grusier steht
lpcötznch neben ihr. Er umfaßt ihre»
iSchultern und obgleich sie weiß, daß
ter es sein muß, zuckt sie bei der Be
i rübruna doch zusammen.
; »Ich bin srei——-srei!« sagt er, mit
jnur mühsam gediimpstemf reudiaem»
;Tone. »Wie danke ich Dir! Du bist;
? so aut zu mir gewesen, wie nur mein ;
TMiitterchen es wart« Seine Stimme
.ist zärtlich und er saßt nach ihrer
I hand.
Uliana lauscht. Sie bebt leicht unter
dem Druck der Männerhand. So
»liebevoll hatte noch teiner zu ihr ge
sprochen. —- Aber die Zeit drängt.
. »Hier sind Kleider von meinem
»Stiesvater,« saate sie, ihm das Bün- s
Idel reichend, —- ,,auch etwas zu essen l
i ist darin. Und hier —« sie nestelt an »
I ihrem Mieder, ——— »hier ist auch Geld· l
iVict in es nich-, aber es wikd Diki
doch nützen-« ?
»Ich danle Dir,·« stiisierte der?
Grusier nochmals. »Aber Du, wird
Dir nichts aeschehen?« -
Uliana fchtveiat. Die denkt, daß
ihr Stiesvater sich die Wahrheit wohl «
denken wird. wenn er das Fehlen der
Kleider bemertt. Er wird sie vielleicht
todtschlagen Aber mochte er nur
Wie im Traume lehnt sie an der
Schulter des Mannes-.
»Aber aeh’, aeh’,« saatiie plötzlich
aussahrend. »Wenn der Morgen da»
ist, mußt Du weit sort sein. Denke.
nicht an mich. Was soll mir denn ac
ichehenY Und Deine AnanlaLsshöre,
ariiske sie von mir . ..
Er nimmt das Bündel, murmelt
noch etwas, das sie nicht versteht und
umarmt sie hestia. Dann wendet er
sich rasch und verschwindet im Ge-.
büsch. «. . ·
— Lange lehnt Ulsania noch an der
Brücke. « Krampshaft hält sie sich an
einem der Holzpfosten fest. Thränen
laufen aus ihren Augen; ganz lautlos
weint fie, den Kon nach der Richtung
gewandt, in derer verschwunden war.
Das Beste im Keller-.
Humoresjle von Franz Kurz
EisheinL
Max freute sich auf das Wieder
schen mit seiner Tante Ludmilla toie
ein» Kind auf das Erscheinen des
Christkinds. Noch nie war ihm die
Zärtlichkeit, mit welcher er an dieser
alten Dame hing, die ihm die früh
verstorbene Mutter ersetzt hatte, so
zum Bewußtsein gekommen wie jetzt,
da et ihrer Einladung folgte, ihr doch
einmal einige seiner Ferientage zu
schenken. Es sei noch Alles so schön
wie ehedem. Jn dem kleinen Gärtchen
hinter der Van dufteten wie sonst die
Rosen in ihrer dunkelgluthenden
Schönheit und der graue Bernhardi
nerhund fchniifsele noch ebenso im
Hause umher wie früher-, und noch
immer locke der herrliche Wald, der
sich hinter der Vorstadt-Colonie hin
zog, zu den angenehmsten Spazier
gängen, die sie ihm durchaus nicht
durch ire Gegenwart zu vergällen
drohe. o hatte die Tante mit lie
benswürdiger Selbst-Ironie dem jun
gen Arzte geschrieben, der da irgendwo
einer berühmten Leuchte der medizi
nischen Wissenschaft assiftirt war.
Und als Max den Brief mit den alt
steifen Schriftziigen gelesen, iilteriam
es ihm wie Heimweh. Ja, die Tantc
hatte Recht. Bei ihr ließ es sich schon
’rnal einige Sommertage in süßem
far niente gut sein . ..
Unterwegs gab er sich seinen Ge
danken hin, die ihm seine Kindheit-,
tage zurückriesen Und da fiel ihm auf
einmal ein: was mochte denn aus der
Margarete geworden sein, mit der er
so manchen Streich zum Aerger der
lieben Nachbarn ausgeführt? Diel
Tante hatte ihm nse von dem Mäd-s
chen, dem Kinde einer unglücklichenj
Freundin, das sie aus Barmherzigkeit;
aufgenommen, geschrieben. Und ihmj
war es nie in den Sinn gelomnien,x
sich nach der Jugendgespielin zu er
kundigen. ;
Eine ganz merkwürdige Stimmung
übertam ihn unter all’ den Erinne-»
rungen, die da wieder vor ihm aus
tauchten. Ja, wahrhaftig, einmal
hatte er s- er muß damals schon
Primanergewesen sein «- der Mars
garet, der schwarzen Hummel, wie sie
jdie Tante wegen ihres dunklen iste
locks scherzhnst nannte -—s sog r eine
Liebesertlärung gemacht. Un wie
verschaffen er daninls in das Ding
;war! Eigentlich schade, das; sie ihn
auslachte. Was ihm einsieles Zum
Verlieben wären sie Beide doch noch
zu dumm und im Grunde genommen
hätten sie alle Zwei Verniinsiigeres
zu thun. Er solle sorgen, dasz er nicht
durchs Erainen rassele sie hatte
tlxaisäehlich ,,rasseln« gesagt. Woher
sie nur diesen »teruiinug technicus«
hatte? — und sie hätte der Tante eine
Geburtstags : Ueberraschung zuge
dacht, aus der sicherlich nichts würde.
wenn sie zu viel Zeit vertrödelr. Und
dabei hatte sie ihn mit ihren sechzehn
jiihrigen Augen so angelacht, daß er
ihr nicht böse ob dieses Körbchens
sein konnte, selbst wenn er gewollt
hätte. Aber er wollte auch gar nicht.
Na endlich, da ist er ja glücklich am
Ziele. Hurrjel), dahinten steht schon
die Tante nnd iointt ihm mit ihrem
Schirme zu, der von ihr unzertrennis
lich war. »Wie gut Du augsiehst,
Tautenan saate er ihr nach der er
sten Begriiszuna und guckte ihr lachend
in das von leichten Rnnzelu durchzo
gene Gesicht. »Und daß Du Dich
selbst noch zum Bahnhofe bemühst.
Du bleibst eben die liebe alte Taute,
wobei ich das --alt'« durchaus nicht aus
die Zahl Deiner Jahre bezogen wis
sen will.« s
»Und wäre das so schlinun?« gab
sie lächelnd zurück. Aber da steht noch
Jemand, der Dich begrüßen möchte.«
Dabei wies sie aus ein junges Mäd- ;
chen anfangs der Zwanzig, das sich»
bisher im Hintergrunde gehalten, jetzt
jedoch näher trat und ihm eine kleine
Hand zum Willkommen hinhielt. Jn
dessen, er schlug nicht ein, wenigstens
nicht im ersten Augenblick. Er starrte
die Erscheinung, die sich in dem dunk
len Kleid erst recht vortheilhast prä
sentirte, nur an, und dann entsuhr
ihm ein halblautes »Donnerwetter'«,
das allerdings nicht ungehört ver
hallte. Denn die junge Dame er
röthete, was sie nur noch reizender
machte.
»Das ist Margaret?« wandte er sich
dann an seine Taute, als wolle er sich
zunächst darüber vergetvissern, daß
er feiner ehemaligen Gespielin gegen
überstehe.
»Natürlich!« bestätigte die. »Und
nun benimm Dich doch nicht wie ein
HolzilotzL Hat sich denn das Mädel
so verändert, daß man es nicht wie
derertennt?"
»Und ob. Wann hab’ ich sie denn
zum letzten Male gesehen? Vor sie
ben Jahren vielleicht. Eine lange
Zeit, da ändern sich schon die Men
schen.
Die Drei nahmen einen Wagen.
Und aus der Fahrt nach Hause hatte
Max mehr Augen fiir Margret, die
still Und wie verträumt in ihrer Ecke
faß, als fiir seine Tante, die nichts
von ihrer früheren Lebhaftigkcit ein
gebiißt und ihm Frage sitr Frage nachs
allem Möglichen vorlegte, darunter«
auch die, ob er nicht schon ein Braut
chcn habe. Jetzt, mit seinen 27 Jahr
ren, dürfe er ja schließlich an’s Hei
rathen denken, und vor ihr, der alten
Frau, brauche er ja kein Geheimniß
zu haben.
Aber da warf er sich in Positur.
»Ich? Tantchen, was denkst Du?
Das hätte ich Dir doch geschrieben.
Ranu, um mich dürften sich die jungen
Damen noch reißen. Mein Herz ist
noch zu haben. — —— —«
Und dabei lugte er auffällig nach
Margret aus, die gerade zum Fenster
hinausschaute und die Häuser, an
denen der Wagen vorbeirollte, mit
einer Aufmerksamkeit betrachtete, als
sähe sie sie zum ersten Male.
Nun saßen sie vor dein gedeckten
Tisch. Tante Lndmilla und Max
Margret hatte ihr Straßenkostüm
gleich nach der Ankunft mit einem be
quemen Hauskleid vertauscht, sich eine
helle Schürze umgebunden nnd war
in die Küche gegangen. »Ja«, sagte
die Tante, »das Mädel ist arbeitfam.
Glaubst Du, die duldet, daß ich einen
Dienstboten nehme? Wozu sie denn
eigentlich da sei, meint sie, und wes
halb ich sie hätte kochen lernen las en,
wenn sie ihre Kunst nicht bethätigen
solle. Nun-, wenns ihr Vergnügen
macht, warum nicht? Du wirst heute
Abend ja selbst urtheilen können, ob
sie ein auteLs Hangmiittcrchen abgiebt
oder nicht. Uebrigens, das -Donner
wetter«, das Du da angstießest, als
Jhr Euch auf dem Viahnsteige argen
iibertratet, war nicht sehr aalant.«
,,Tantchen, das ist wahr. Aber du
kannst es ja gar nicht so beurtheilen
wie ich, der sie jahrelang nicht mehr
gesehen, wie schön sie geworden. lind
wenn ich etwas schön finde, dann rufe
ich immer »Donnerwetter«. . Was
sagst du denn dazu, daß mich der
»Zampa«, dein lieber alter Bernhar
diner, gleich wieder erkannt hat....«
,,.5,)nnde vergessen die Menschen
nicht so leicht. Aber nun tang mal
zu und iß. Du wirst hnnaria sein.
Himmel, was ist denn dass Die
Margaret hat wohl die Titeinaläfer
hingestellt, alter vergessen, die Fla
schen auszutraaeii.«
»O Lantchein Dem rann ja gleich
abgeholer werden. Jch werde mal
in den Keller hinuntertlettern.«
»Th« das, mein Jungchen, wenn
du nicht zu müde bist. Und such’ dir
das beste aus, wag er hat. Der
Schlüssel hängt in der Küche am al
ten Platz!«
»Den lenn’ ich schon noch«, lachte
er. Jch bab’ ihn früher oft genug da
wegnehmen dürfen!«
Und Max ging hinaus indie Küche,
sie war leer. Auch der Schlüssel han
nicht da. Vielleicht steckt er. Zunächst
Zündete er sich eine Lampe an, und
dann machte er sich auf den Weg in
die Tiefen des Hauses.
Jawohl, die Kellerthür stand sogar
sperrangelweit offen. Ursache: Mar
gret war schon unten, um ihr Ver
säumniß, das sie inzwischen selbst
entdeckt hatte, wieder gut zu machen.
Und wieder betrachtete Max das
Mädchen mit freudigen Blicken und
tenstatirte, daß sie in dem einfachen
Haus-Heide geradezu entzückend aus
sah.
Sie hatte sich aufgerichtet, als er
e:ntrat, und der Schein der Lampe
fiel voll auf ihr Gesicht. »Sie korn
men herunter«, fragte sie, »und be
mühen sich selbst? Verzeihen Sie,
daß ich Ihnen die Arbeit mache.«
Das »Sie« machte ihn stutzen.
Dann aber überfiel ihn gleich die Kett-—
heit seiner Jugend. ,,Sie«, Margret,
Sie! Begrüßt man alte Bekannte mit
»Sie?«
»Nun, ich weiß nicht«, stamnielte
sie verlegen.
»Du heißt’s natürlich«, fuhr er
fert. »Du und auf unsere gute alte
Fiameradschast Und hoffentlich
nimmst du mir’s nicht übel, daß ich
zu dir »Donnerwetter" sagte, als ich
dich wiedersah?« -
Sein frischer Ton scheuchte auch
ihre Befangenheit hinweg. Jetzt lachte
sie.
,,Uebl nehmen? Nicht iin gering
ten. Jm Gegentheil, in aewissem
Sinne kann ich das ja sogar als eine
Huldigung auffassen —«
»Die ich deiner Schönheit machte,
allerdings; das darfst du. Denn ich
schmeichle nicht, Margret, ich war
einfach weg, sag’ ich dir. Und es
thut mir wirklich leid, daß du mir
damals einen Korb gegeben.«
»Ach, damals-Was mußte ich doch.
Denn du hättest mich Backfisch doch
nicht heirathen können. Erst mußtest
du doch etwas werden. Und das dau
ert Jahre. Und wenn du mir dann
nicht treu geblieben wärest, dann —«
Sie stockte auf einmal und beugte
sich nieder zu einem der Flaschenge
stelle. Und er setzte seine Lampe auf
die Erde. Er fühlte, wie das Blut
iinn in den Kopf stieg, wie das Herz
ihm schneller · pochte. »Mararct«,
rief er, »wenn ich dich recht verstehe,
so —-—— so —.« Und da fiel ihm ein,
daß jedes Wort doch nur Zeitver
schtvendung wäre und daß er ja nur
die Probe daraus zu machen brauchte,
ob er sie recht verstanden. Und so
umfaßte er das Mädchen und riß es
zissich empor, und küßte es auf die
vollen Lippen, einmal, zweimal, drei
—- halt, beim Küssen darf man nicht
zählen!
Die Tante wunderte sich, das-: Max
nicht wiederkam· Jhm wird doch
nichts passirt sein? Vielleicht isi’s
gut, wenn sie mal selbst nachsiehi.
Und sie sah nach.
Und sie blieb wie versteinert unter
der Kellerthiir stehen. Denn sie kam
gerade, wie Max die Probe auf die
Richtigkeit seiner Meinung machte.
Endlich brachte sie hervor —- denn
das Mädel ist doch kein Kind mehr —
»Abek Max, was soll das sein? «
Da wendet sich der Junge zu ihr:
»Tantchen, hast du mir nicht selbst
gesagt, ich sollte das beste holen, was
in deinem Keller wäre? «
»Ja —- aber —— ———«
»Nun, das ist eben die Margret.«
»Und Margret?«
Aber die sagte gar nicht-S. Die
fiel ihr nur verschämt um den Hals.
Und da wußte Tante Ludmilla alles.
Das junge Ehepaar.
Born Traualtare kehrt zurück
Ein junges, schmuckes Pärchen.
Verbunden ist zum Ehegliick
Jetzt Fritz mit seinem Klärchen.
Hell leuchtet Fräseng Angesicht
Vor Seligkeit und Freude,
Doch Kliirchens Antlitz leuchtet nicht,
Sie weint in hitt’ren1 Leide.
»Mein Lieb«, rust Fritz, ,,niein then
res Kind,
Was deuten deine Zähren?
»O sprich doch, Klärchen, sprich ge
schwind,
Möcht’ gern den Schmerz dir weh
ren!«
Drauf Klärchen scheu zur Erde blickt:
»Es quält mich schon seit Wodtenz
Ach, Fritz, ich bin so ungeschickt,
Jch kann nicht einmal kochen!«
Da lächelt der Fritz und spricht:
»Das ist’s, was du verbrochen?
Darum, mein Kind, verzage nicht,
Wir haben nichts zu lo
ch e n!«
— .-.... -....-»».
Sängen und Sei-anspielen
Haut-rare.
Die besthezahlte stiinstlerin der
Welt ist jedenfalls heute Madame
Melda. Wie aus London berichtet
wird, hat diese Sängerin tiirzlich siir
den Vortrag von nicht mehr als vier
Liedern das Honorar von Ists-W er
halten. Es kommen da lin,:efähr
.'25() aus die Minute. Reine Sange
rin der Welt hat bisher ein halbwegs
ähnliches Honorar erzielt. Madame
(5alve, die Primadonna der Pariser
Komischen Oper, zum Beispiel erhält
fiir jedes Komert, das sic veranstal
tet, 825l), der Jtaliener Carnso un
gefähr ebensovieL Dergleichen Hono
rare werden zum grössten Theile bloß
in England und Amerika gezahlt.
Immerhin sind die Summen, welche
deutsche Künstler in Deutschland er
halten, keineswegs gering Wir erin
nern nur daran, das-, Joseph Fiainz
fiir sein diesiähriaes erstes Gastspiel
in Berlin, das nicht länaer als drei
Wochen dauerte, das Siiunnclsen von
89275 einaesteett hat. Uebrigens ist
ihm siir den Fall, daß er in der kom
menden Saison wiederkehrt, siir ein
vierwöchiaes Gastsniel der Betrag
von 315000 aarantirt worden. Daß
deutsche Künstler aber in Amerika be
sonders glänzend bonorirl werden« ist
bekannt. Sonnenthal zum Beispiel
hat während einer Tonrnee, die er
iiu Laufe von G Wochen vor einiaen
6ealiren durch die amerikanische-n
Städte unternahm, ungefähr SZZDW
erhalten.
Unfchädlich.
Als Mark Twain zum erstenmal
nach England tam, machte er dort
auch die Bekanntschaft des Malers
James McNeill Whiftler, und der
letztere lud ihn ein, ihn doch einmal
in seinem Atelier zu besuchen. Mark
Tlvain folgte der Aufforderung und
hatte vorher gehört, daß der Maler
ein großer Spaßvoael wäre, der sich
gern auf Kosten anderer einen Scherz
erlaubte. Mart Twain beschloß, ihn
mit seinen eigenen Waffen zu schla
gen. Er machte deshalb ein möglichst
dummes Gesicht, während er ganz nahe
an ein Bild herantrat, an welchem
Whistler noch einige Verbesserunan
vornahm. »Das ist nicht iibel.«
meinte er, ,,nieht übel, nur hier in der
Ecke« ——dabei that er, als wolle er
eine Wolke mit dem Finaer ausruf
schen -— »nur in der Ecke-O... sehen
Sie die Wolke . .. die wiirde ich aus
wi»en, wenn ich Sie wäre.« »Aber
sehen Sie sich doch vor.« rief Mhistler
nervös, »die Farbe ist ia noch nicht
trocken.« »Ach, das thut nichts,«
versetzte Mart Tiuain ruhig, »ich habe
ja Handschuhe an.«
Sonderban
Professor: ssJch rief wiederholt,
Anna, wo stecken Sie denn?«
Dienstmädchen: »Im Nebenzimmer,
Herr Professor, aber gehört habe ich
nichts.«
Professor: »Hm, und da behauptet
man immer, mein Ruf sei bis weit
iiber die Grenzen unseres Vaterlandes
gedrun-gen.«
ZureicheudeeM I « «
Richter: »Nun sagen Sie mir n »
was war denn der Grund dieser fiisR "
tkktichcn Schlägerei-n .;v
Angeklagter: »Ja, Herr Präsidmh
gincjn Verein wollten wir grad’ griiitk
en.«
MulitiöQ
»Sie machen wohl« wenig oder gar
kein; Gesellschaften mit, here Dos
or « ««
Arzt: »Nein, ich bin überhaupt
Menschenfeind.«
»So, fo! Deshalb sind Sie wohl
auch Arzt geworden?!«
Zweidentig.
»Nun, Herr Rath, Sie werden
nächftdem zum Geheimrath befördert
werden?«
,,Geht nicht so schnell, es mußer
mit den vorhandenen Vor-rächen an -
geräumt werden«
Vor der Börse.
Bankier Meyer: ,,Sehen Sie den
kleinen Jungen laufen, Herr Baron,
er hat Jhnen soeben Jhr Taschentuch
gestohlen.«
Baronisirter Spekulant: »Laffen
Sie ihn doch! Wir haben ja auch klein
angefangen.«
Hohn.
Meisterin: »Na, Karle, weil heute
Dein Geburtstag ist, schenke ich Dir
ooch fünf Pfennige!«
Schusterlehrling: »Aber, Meeftern,
Sie hätten mir doch darauf erst vor
bereiten sollen — ooch det Uebermaß «
der Freude kann tödten.«
Nach der Raufcrei.
Bauer mach dem Verbinden sich im
Spiegel besehend): »Sie haben mir
ja’s Ohr verkehrt angenäht,Herr Dok
tor!« «
Arzt: «Schad’t nichts, Huberbauer,
nächsten Sonntag wird’s ja doch wie
der ’runtergerissen!«
Sehr plausibci.
Gnädige Frau: »Sage mir doch,
Minna, was wollte denn gesternAbend
der Grenadier in der Küche?«
Köchin: »Ach, gnädige Frau! Der
muß heute in der Kaserne kochen, und
da kam er gestern Abend fraqeii, wie
Gänfebraten bereitet wird.«
Rciiørnmift.
Ein fliegender Händler mit Lupen
preist diese mit den Worten an:
»Diese Lupen sind so scharf, daß man
bei deren Beniitzung einen falschen
Hundertmarkschein von einem echten
sofort unterscheiden kann«
Edc fzu Friede, der eine taust).:
»Oller Renommiste!«
Alles Mögliche
Oberst: »Nun, Herr Lentnant, wie
steht’s? Die vier Wochen, die ich
Ihnen Zeit gab, Jhre Verhältnisse zu
ordnen, sind bald vorüber. Was ha
ben Sie inzwischen gethan?«
Leutnant: »Ich habe mir bereits eins
Lotterieloog gekauft, Herr Oberst!« s
Die Gestalt-mein
Der kleine Robert: ,,Liebet Groß
papa, wir gratuliren Dir recht schön
zu Deinem Geburtstage, und wenn
Dn jedem von uns einen Thaler gäbst,
hat die Mutter gesagt, sollen wir ihn
auf dem Heimwege nicht verlieren«
Ungelialtcm
Heirathsvermitler: »Die Dame ist
schön, geistreich, musikalisch, vermö
gcnd.«
Herr: »Weshalb nennen Sie das
Vermögen erst in vierter Reihe?«
Bot-hast
Provinztheaters-Direktor (zu dem im
Theater zufällig anwesenden berühm
ten Kritiler): »Was meinen Sie zu
der Vorstellunng«
Krit»iler: »Wie »geschmierl«"«
Unangenehmer annkn
Dienstmädchen Macht-, uin .12 Uhr
in die Stamrntneipe ihres Herrn kom
mend): »Hier schickt Jhnen die gnädige
Frau den HausschlüsseL weil wir zu
Bett gehen wollen...und das Anders
werde sich morgen früh finden!«
Die junge Hausfrau.
Köchin: ,,Sehen Sie, Madame,
heute, wo Sie gekocht haben, ist gleich
die Bratwurst geplagt?«
»Ach, Gott, ja —- entsetzlieh —«— ha
ben Sie nicht ein bißchen Englisch
Pflaster zur Hand?«
Auch ein Inbilänm.
Student: »Warum haben Sie mir
denn auf das Krügel ein Stränßl ge
steckt?«
Kellnerim ,-,’s ist gerade das hun
dertste KrüsgeL das Sie bei mir ge
pnmpt haben!«
Der erste Mel-unten
Richter: »Ich werde Jhnen dreißig
Jahre Gefängniß geben.«
Angeklagter: »Gut! Meine Frau
wird mit dem gründlichen Reinemas
chen fertig sein« wenn ich frei tenime.«
anctidlicher Sport
Dolly: »Warum bist Du nicht unten
am Strand und siehst der Regattc
zu?«
Freddi: »Das regt mich zu sehr auf.
Ich habe Sixpence und zwei Flaschen
Limonade gewettet und ich möchte
'niein Schicksal nicht zu bald erfahren.«