Ein wahrer Held. Andern-n ans dein Leben der ame · rikauischm GroßstadL Von Georg Meyer. »Sei mir nicht böse, Ma... ich hab'-i mich verschlafen . . . bin so müd’ gewesen gestern Abend.« Es war eine leise, unsäglich beküm merte Stimme, die diese Worte mehr hauchte, als sprach —- eine Stimme, der nerdöse Angst und Hast eine er schütternde Nüancirung verliehen. Sie gehörte einem etwa zwölfjährigen Knaben, einem Kinde, das in seiner körperlichen Entwicklung beträchtlich zurückgeblieben, dafür oder an Reife der Erfahrungen und an Lebens-ernst danch dem düstern Milieu, das ihn von frühester Jugend an umgeben, sei nen Jahren weit voraus war. Ein personisizirtes Stück großstädtischen Proletarierelendes, eine im Treidhause der Massennoth geziickstete Frucht, de ren vertiirnmerte Außenseite jedoch ei nen unendlich schmackhaften Kern ver barg. Wer wollte sich Mühe geben, diese Menschensrucht zu pflegen, würde ihre Beredlung sich angelegen sein lassen in einer Welt, die gewohnheits gemäß bloß nach dem äußersten Schei ne die Produkte des Lebens beurtheilt und bewerthet? Und doch —- wie hatte nch solch leichteö Bemühen gelohnt! Das os senbarte ein Blick in dieses große feuchtschimmernde Kinderauge, in dem sich eine herrliche Seele wiederspiegel te, die mit ihrem Reichthum an Liebe und Treue, an Aufopferung und Pslichtbewußtsein Tausende von Mit menschen hätte beglücken können. Das ist eben der ganzen Menschheit Jam mer, daß sie fortgesetzt nach Trug schiißen gräbt und einem gleißenden Flittergliick nachjagt, die wirklichen, in Wahrheit Gliick bringenden Werthe aber in ihren fchweigenden Verftecken herkommen und verdorren läßt!! -—— Mit unsiiglich zärtlichem Ausdruck ruhte das Knabenauge für Momente auf dem blassen dergrämten Frauen antlitz, das sich in die zerlegenen Kis sen grub. Von diesem rührenden Bilde sprang sein Blick auf die zwei noch kleineren, nicht minder abgezehrten Gesichtchen nahe der Mutterbrust — seine beiden Geschwister, die der Traumgott wohlwollend noch gegen die frostige Berührung der rauhen, kalten Wirklichkeit schätzte. Liebe und Mit leid für die Theuren lag in seinen Bli cken· Man sah es ihm an, er gehörte zu den Naturen, die das Mißgeschick ihrer Mitmenschen schmerzlicher em pfinden, als ihr eigenes und am schwersten leiden im Bewußtsein ihres Unvermögen5, den Willen zum Helfen ganz und unbeschränkt in die That umzusetzen. Er preßte seine Lippen zu innigem Kusse auf der Mutter hohlwangigeö Antlitz, dessen Runenschrift das bür devolle, sorgenverzehrte Dasein seiner Trägerin nur zu deutlich offenbarte. Hastig wollte er von dannen huschen; er hatte beträchtliche Zeit verloren und Zeit verlieren bedeutet hierzulande Geld verlieren. Und ach, wie nöthig wurden die paar Zehn-Centstiicke, die er durch Verlängerung seiner Hier seing einbüßen könnte, in der Familie » gebraucht, deren einziger Ernährer er war. Ja seine-r nervösen Eile traf ihn "n tlagender Laut von den Lippen der rwachenden, ein von zerreißendem Weh durchbebtes Mutterwort, das fei nen behenden Fuß an die nackten, kal ten Dielen fesselte: ,Willh, Du gehst doch nicht ...... ohne Frühstück? Nein . . . . ich laß' Dich so nicht fortt« «Sorge Dich nicht, Ma,« klang es beschwichtigend zurück. »Einmal scha det nich-ist Wenn ich zurückkehre, wer den wir dafür ein gutes Abendbrod bekommen« « Und als Iurchtete der minde, ncy dennoch durch das Bitten der Mutter zum Bleiben bewegen zu lassen, so ha stig eilte er von dannen. Bei den Zei tungsjungen gilt der Grundsatz: Morgenstund’ hat Gold irn Mund’. Die Frau sandte ihm ein Paar Thränen nach, mit ihnen die heißeiten Wünsche eines Mutterherzeng "al-3 schützenden Talisman gegen die Ge fahren des Großstadtgetriebes. Eine Zeit lang brach ihr Weinen und Schluchzen durch die trostlose Stille des dürftigen Gemaches. Daß der arme Junge ohne seine Tasse erwär menden Kasees und sein iarges But terbrod weg hatte gehen müssen! Wie konnte sie sich auch verschlafen? Ach, wenn Noth und Kummer die Nacht über am Betttand sitzen und dem Schlummer den Zutritt verwehren, dann ftreut Gott Morpheus schnell noch ein übriges Sandtörnchen auf das müde Augenlid, während der jun ge Tag mit grauen Fäden seine däm merigen Schleier webt. Wie gern hätte sie ihrem Kinde, das sich ftir die Seinen förmlich aufopfer te, die Last des Ernährens von den schwachen Schultern genommen. Sie nehm es Tag für Tag deutlicher wahr, Die ßeh dieser eine stückweife hingab, Us- Mjeiden anderen der Mutter zu M Allein ihre Kräfte konnten nisst einmal mit den seinigen mes s Seit der Gatte, ein karg gelöhik te- Ieieiten sterben hatte sie sich Idee . Ir- hinnuz abgesandt-; I- I m Mem owns lich an den Leib gearbeitet. So lange sie noch eine Hand rühren gehn-in hat's: sie ansgehaltem als längst der lente Rest von Körperkraft verbraucht, hatte die Kraft ihres Willens noch eine Zeit lang hingereicht, das Lebens fchifflein der kleinen Familie zur Noth an den Klippen des ärgsten Elends vorbeizufteuerrn Als aber ihr Kön nen die äußerste Grenze erreicht und sie eines Tages vollkommen erschöpft zusammenbrach da sprang flugs ihr Aeltefter ans Steuer, das er seitdem mit seiner schwachen Kraft männlich regierte. Freilich war es keine Vergnügungö fahrt, nicht einmal ein mühseliges Vorwärtskommen, sondern ein ver zweifeltes Ringen mit der Hochfluth ungünstiger Lebensverhältnifse, ein krampfhaftes Sichiiberwasserhalten. Wenn hier opferwilligste Liebe und höchstes Pflichtgefühl sich nicht in die Ruder gelgt, längst hätte die Fluth Schiff und Steuermann verschlungen. Täglich war unser junger Held schon in aller Gottesfriihe auf den Beinen. Alles, was er that, geschah mit jener athemlofen Energie und Rathlosigteit eines Menschen« der weiß, daß er jede Fiber anspannen muß, um feinem schwierigen Tages penfum gerecht zu werden. Jm Dauerlauf haftete er nach der Druck rei, belud sich als einer der ersten mit einer ansehnlichen Bürde, die sich aus Exemplaren der verschiedenen Tages blätter zusammensetzte und tauchte dann mit seiner Last in das aufein anderwogende Gewühl der Geschäfts viertel. Das unablässige Ausrufen feiner gedruckten Waare war den schwachen Lungen gerade nicht zuträg lich, aber er mußte fein Organ an strengen, um sich neben dem Indiana geheul feiner kräftiger entwickelten Kollegen bemerkbar zu machen, um in dem ununterbrochenen Tohuwahohu der Weltftadt überhaupt gehört zu werden. Und doch war sein Rufen nur ein Seufzer im Donnergebrüll dieses ohrenzerreißenden Konzertes, in dem jede menschliche Regung, jeder Trieb, jeder Impuls mitklang, jede erdgebo rene Leidenschaft ihr besonderes Jn strument spielte. I Hatte er seine Waare abgesetzt, so war seine nächste Ausgabe aus die möglichst frühzeitige Erstehung der tagsiiber ost in rascher« Reihenfolge er scheinenden Extraausgaben und deren schnellen Absatz gerichtet. So tum melte er sich bis in den späten Abend hinein, um Cent aus Cent in seiner Tasche auszuhäusen zu einem beschei denen Siimmchtn, das denen zu Hans das tägliche Brod beschaffen sollte. Nicht einen Pennh gab er tagsiiber un nöthig aus siir Süßzeug oder Spiele rei, wie seine Berusslollegen, die den sauer verdienten Batzen ost so leicht sinnigerweise ver lempern. Und wenn er piit nach Hause iarn mit Eßwaaren, die er unterwegs schon eingekauft, und sich. nachdem die Mut ter so schnell als es ging, das Mahl bereitet, an den Tisch gesehn abge hetzt, halb schlasend schon und vor Müdigkeit den in den Eingeweiden wühlenden Hunger kaum spürend, dann nahm er seinen Lohn siir die Mühen des Tages in Empfang, die ties innere, heimlich jauchzende Freude, mit der ihn der Anblick der mit vollen Backen lauenden, schmatzenden Ge schwister erfüllt. Der schönste Preis aber ward ihm, wenn vor dem Schlasengehen die Mut ter ihn herzte und küßte . . . Ach, wenn nur nicht jedesmal eine Thräne aus dem Mutterauge sich mit diesen Lie beszeichen gemischt hätte! Wie ein glü hender Tropfen brannte diese Thriine aus seiner Stirn, bis tn seine Seele bohrte sich derselbe, wuchs zu einem rieselnden Bächlein, das in schweren Perlen herabkräuselte aus das junge, wehersiillte herz. »Ma, wenn ich größer bin, dann( brauch ich nicht so schwer zu arbeiten j und verdiene doch viel mehr . .. Dann i haben wir’s Alle besser, gelt Ma ?« — ; Ja, es war ein großes, ein edlegt Herz, das dieser unscheinbare Zei- » tungsjunge in seiner Brust trug, ein Schatz, der alle materiellen Güter überstrahlte, wie geläutertes Gold slimmerndenQuarz, einReichthunI, der der Menschheit weit mehr hätte nützen können als alles Edelmetall und Edel gestein, das das Auge seines Besiyers J blendet und dessen Seele ahstumpst ge gen die Schicksale seiner Nächsten. ’ Eines Tages tehrte der kleine Willy in seltsam gedrückter trauriger Stim mung von seinem beschwerdevollen Ta- » gewert zurück. Er zählte seine Nickel- ? und Kupfermünzen wie üblich aus den i Tisch —- es war gegen andere Ahende : eine auffallend geringe Anzahl. « »Du hast heut« weniger Glück ge-; habt im Geschäft, armer Junge,« he mertte die Mutter, die des Knaben Niedergeschlagenheit aus Konto dieser kreduzirten Einnahme setzte, mit einem ; ermuthigenden, sanften Lä In. »Ach, liebe Mal — Dr st’s nicht! Ich weiß, Du wirst mtr eineöwegs zürnen, wenn ich Dir erkläre, wie es kommt, daß ich heut’ so viel weniger heimbringe,« erwiderte der brave Jun ge. Und nun begann er eine tiesergret sende, Herz und Seele erschütternde Erzählung die ihm wiederholt Theti nen erweckte Er war im Verlauf des Nachmit tags in die Nachbarschaft der westli chen Basses-laute gerathen- An einein «der großen Frachidepots der Mal Eisenbahn hielt das dielgliedrtge Monstrum eines Güterzugei. Jn dem selben befanden sich einige Resrigeratoi ren einer Chicagoer Schlächterei. die bereits entladen waren. In den halb ofsenen Wagen lagen Eisstiicke nnd Eisstiictchen zerstreut, von denen lleine Bäche ausgingen, die auf das schmutzi ge Pflaster sickerten. Einige jugendliche Proletarier, von denen sich immer eine Anzahl, auf etwaige Absiille sahndend, in der Nähe dieser Waarenlager her umtreibt, schielten lüstern nach den Eisklümpchem trauten sich aber nicht heran, da man nie wußte, wenn sich so ein Ungethüm von Eisenbahnzug in Bewegung setzt. Endlich wagte es doch Einer. Der hatte gleich einen blecherner Eimer mitgebracht in der offenbaren Absicht, die Mühe und Gefahr« die mit dem Einsammeln der Eisstiicle immerhin verbunden war, durch die Größe der Ernte zu lohnen. Willh hatte mit gemischten Gefühlen dem waghctlsigen Unternehmen des etwa III-jährigen Knaben zugeschaut Als er das Motiv dieses Thuns er fuhr, daß nämlich das jüngst-. Schwe sterchen des Knaben zu Hause im Fie ber lag und Eisumschliige haben sollte, daß aber die zur Erlangung des Kühl stosfes erforderlichen Geldmittrl fehl ten-da sagte er. Willv, sich, daß er in der gleichen Lage ebenso gehandelt hätte, wie dieser Junge. Plötzlich geschah das Schreckliche, das Entsetztiche. das der lleine Zei tungsiunge mit Bangen und Beben im Geiste tommen sah —- das grauenhaste Unglück, das von dem Augenblick an, wo der Eissammler den Waggon de stiea. aus ein Menschenopfet gelauert, hatte zugegrissen — Der Zug bat sich in Bewegung ge- " setzt. Erschreckt will der Knabe sich retten auf das feste Pflaftee. Mit bek zweifelter Entschlossenbeit umspannt seine Hand das Geschirr, welches die köstliche Beute enthält. Wird es ihm nicht hinderlich sein beim Abspringen? Noch zaudert er . . . rascher rollen. pol tern die Räder über die eisernen Sttänge. .. da ein Sprung .. . ein unmenschlicher Schrei... ein tuezes Krachen. wie wenn Knochen von den Zähnen eines Ungeheuers zerknalnit werden . .. auf beiden Seiten des Ge leises liegt je eine Hälfte des unglück lichen Knaben . .. die obere hälste lebt noch... sie bewegt sich in Konvulsio nen. Die eiserne Schlange bat dem Armen beide Beine abgebissen ——- so eben veetriecht sie sich in der Ferne zwischen den grünen Böichnngen des Hudsonusers. Ein Policeman hat sich über den Verunglüctten gebeugt, während ein zweiter den neugierig sich andrängen den Mob in gemessenem Abstand hält. »Oh... meine arme Mama... meine lrante kleine Schwesire . . please Officer... don’t tell ’em... Im dning... ah.·." wimmerte dee Schwuderletzte Als der Ambulani wagen anlangte, hatte der Tod den Knaben bereits von seinen Qualen er lö . . . »Am Boden sah ich die blutbespritz ten Eistliinipchen liegen.« ichloßWilly seinen Bericht, »die erinnerten mich an das iranle Schwesterchen des Umge lonnnenen So eilte ich schnell da bon... den anderen nach, die die Schreckenstunde der armen Mutter in’s Haus trugen. . . Meinen ganzen Erlös bab’ ich dort gelassen . . . es war etwas über einen Dollar . . das reichte doch für Eis und vielleicht fiie sonst noch ein paar Sachen. die Kranke ha ben müssen . . . gelt Ma?« Die Mutter fuhr sich mit der Schürze über’5 Auge. Dann schloß sie den Knaben innia in ihre Arme und küßte ihn. Wer sagte, daß sie arm warst-! Werso einen Sohn besitzt, wer in einem solchen Kinderherzen einen Altar gefunden, der gehört zu den Reichsten dieser Welt, der möchte mit einem Krosus nicht tauschen! —-· Das Schicksal ist ebenso brutaL wie die Mehrzahl der Menschen, auch es tann dem, welchem es einmal auf sässia ist, das bischen Sonnenschein welches das Leben ihm noch übrig ge tafsen, nicht vergönnen Eines Tages traf es zu, was die Mutter behenden Herzens seit aeraumer Zeit befürch tet: sie wachte am Kranienbette ihres Lieblings. Kein Laut der Klaae kam über ihre Lippen; für den intensivften Schmerz hat das Auge keine Thränen Mit dem heroischen Willen des Kna ben hatten dessen schwache Kräfte nicht aleichen Schritt halten können. Die Blume, die ein rauher Wind aetnickt hat, vermag auch die sorgfäl tiaste Hand, das- liebevollste Bemühen nicht mehr aufzurichten Ein grau sames Geschick wollte es nicht, daß der unaliicklichen Mutter der bitterste Tropfen in ihrem Leidenstelch erspart bleibe. Ists Jn der weiten, auf grünen hiigeln aufgebauten Stadt der Todten,« woj schattiae Evpressen über Gräbern ! ,rnuschen und flüstern, ruht ein junger z beid. Kein pruniendes Denkmal, nicht einmal ein ganz einfacher Stein ;kenzeichnet die Stelle, keine prackfth . iBlnmenspenden zieren den em a »n« Ihiigeh unter dem er fchlaft; nur dre» trink-mite- Namk wird zpineidig »qu Efiir Jahr eine frische atnm Decke ber lihn breiten. Und doch, welcher von jenen Sterb lichen, denen eine irreaeieitete Mensch heit, oder sagen nett die litnftlich ge schaffene, diltirte offentlrche Meinung, so freiqu den Deldenloebeer um die Stirne gesunde-, denen der schaus tsirte Irer Dante frenetisch winseln mit denen ein Fetischiuttui getrieben wirb, weil er einige rnit Blut geschrie bene Daten in die Annalen der Ge schichte eingetragen, weil sie jener ne gativen Größe sich rühmen durften die der Menschenhänbe mühevolle Arbeit zerstört. vernichtet, anstatt sie zu er halten« neue Wertbe zu ichassen, hie ihrem Ehrgeiz Hetatomben von Men schenleben geopfert und nie ein ein-» ziges von dem Untergange gerettet — welche von all’ Denen. die mit dein Schwerte eine barbarische Berufs tsslicht erfüllt, von all Demn, deren Genie der Menschheit eine Geißel ge worden, dürste, was wahren Seelen adel nnd inneren moralischen Gehalt betrifft, jenem unscheinbaren und da rum nngezäblten Helden zur Seite gestellt werden22 Kein Dichter bat sich bewoan ge fühlt, in die Saiten der Laute seiner Poesie zu greifen zum Lobe, zur Ber berrlichuna der großen That eines kleinen Großen. Allein vergessen ist diese darum teineswenst Dort unten, in den Tiefen des Menschenwan wo das Leben so schwer gelebt wird. geht sie von Mund zu Mund, wird sie sich als hehre Tradition von Geschlecht ans Geschlecht vererben. Einer wie der Andere. Die Rosel vom Lindenhos war mit Franz Mehlsack, dem einzigen Sohn des Grundmüllers, versprochen, und Trade Mehlsack war mit Rosels Bru der heinrich, dem ältesten Sohn des Lindenhofbauern, versprochen. Also zwei Gefchwisterpaare! Das die Einwohner von Ober-, Un ter- und Mtitelsperlingsthal eifrig von dem bevorstehenden Ereigniß einer Toppelhochzeit redeten, läßt sich den ten. Der Gutsbesiher Raps und der Müller Mehlsacl waren nämlich sehr angesehene Leute und zahlten die mei sten Steuern im Umkreise von zehn Meilen. Während sich fremde Leute über das Fest die Köpfe zerbrachen, hatten die beiden Vater noch lein Wort darüber geredet. Fing Frau Mehlsacl an, von Trudens Hochzeit zu reden, so wurde der Müller oerdrieleich und meinte, bis zum Frühling wäre noch viel Zeit, und sprach Frau Raps von Rosels Hochzeit, so nahm ihr Mann die Mütze vom Nagel an der Thüre und ging aufs Feld oder in den Pfer deftall, als wäre gerade etwas recht Wichtiges zu besorgen. Schwerfällig waren die beiden Männer —einer wie· der andere! Mittlerweile war doch die Zeit ver gangen, die Saaten schimmerten schon grün, die Lerchen sangen, die Kirsch bäume machten Anstalten zum Blühen, der Frühling war da —- und im Früh ling sollte die Hochzeit fein. Endlich war der Tag bestimmt, die beiden Väter waren wegen res Auf gebots beim errnPastor gewesen, und wie der Mü er beim Vater Raps auf dem schwarzledernen Sopha saß und ein Schülchen Kaffee trank, da lam wirllich die Rede auf die hochzeit und trie alles werden sollte., Daß der Va ter der Braut die Hochzeit aus-richtet, ist eine alte, gute Sitte. der sich jeder fügt, aber hier gab’s zwei Bräute und zwei Väter. Welcher sollte nun das Vergnügen und die Ehre haben? Wie das eisige Schweigen, das seit Monaten von ihnen beobachtet worden, endlich gebrochen war, tam das Ge spräch in Fluß und einer suchte den andern an Edelmuth zu überbieten und jenem die Mühe und die Geldaug gaben zuzuschieben. Raps und Mehlsack waren nämlich nicht nur sehr reich sondern auch sehr geizig. Einer wie der andere! Aber mit guter Manier mußte es natürlich geschehen, das es nicht etwa gar aus sähe, als wollte man das Geld spa ren. »Wenn Du die Hochzeit geben willst, —-— ich nehme Dir’5 nicht übel,« sagte ber Müller. »Deine Rosel ist alter als meine Trudel und hat demnach den Vorrang.« »Ach was-, die paar Monate sind ga: nicht der Rede werth,« widersprach der Gutsbesitzer· »Aber Franz ist Dein einziger Sohn und ich finde, es ist in der Ord nung, wenn seine Hochzeit in der Grundmiihle geseiert wird, die ihm später ganz allein gehören witd.« »Unser Haus paßt gar nicht zu so einer großen Schmausereit Die Stu ben sind viel zu llein," entgegnete der Müller eifrig. --Das ist aus Eurem Lindenbos etwas ganz anderes. Die Oberstube ist ja eigentlich ein Saal zu nennen. Außerdem wohnt ihr ganz nahe bei der Kirche und bis zu unserer Mühle ist’s mindestens eine halbe Stunde Wegl« »Na, nas« suhr Raps aus. - »Zwanzig Minuten, wenn man ge mächlich gebt.« « a, Du, mit Deinen langen Bei nen! lachte der Müller. »Aber wenn Frauenzimmer dabei sind, get-PS nicht o rasch, und wenn es vielleicht am Hochzeitstage regnen sollte, dann wird das ein schönes Geiammer um die schönen neuen Kleider geben.« »Dann wird gefahren! Wozu haben wir Beide diePserde imStalle sieben?« Raps verlor die Geduld iiber den hart näckigen Müller, schlug grimmig eine zgziege todt, die am cker naschte, und l ehlsack sah auch s on ganz griesgrä Jmigteans und schob die Kasseetasse bei ; , als wollte er gehen. Jn diesem itritischen Augenblick trat der Schnei der heine ein« den Frau Raps herbei -gertisen hatte, griißte böslich die bei den Dorsmagnaten und setzte sich be scheiden seitwärts. Der Schneider war nämlich bei einer Hochzeit unurngiinglich nöthig, weil er in Ober-, Unter und Mitteln-Klinge thal das Amt als Hochzeitsbitter be tleidete. Er wußte alle die alte Ge bräuche, die seit Menschengedenten bei Hochzeiten zu beobachten waren, er tonnte die Verse im Schlafe hersagen, mit denen schon seit hundert Jahren die Gäste zur Hochzeit geladen wurden, ja, er dichtete auch neue hinzu, wenn er in besonders sestlicher Stimmung war. Wenn Einer Heine heißt, muß er unbedingt ein Dichter sein« er mag wollen oder nicht Stumm hörte er eine Weile den weiteren Disput der Väter an dann räusperte er sich, um sie an seine Anwesenheit zu erinnern, und nahm das Wort: Meine Herren! Erlauben Sie mir, einen Vorschlag zu machen. Sie wis sen ich bin, obwohl ich selbst unt-erhei rathet bin, doch ein Praltitus in Hoch zeitsanaelegenheiten Sehen Sie, — wir haben hier ausnahmsweise zwei Bräute und folglich auch zwei Väter. Warum soll nur einer die Kosten tra gen? Nein, jeder bezahlt die hälste, und das Hochzeitsmahl wird im Gast hose abgehalten. Er liegt dicht bei der Kirche, hat einen schönen Saal, der Wirth läßt aus der Stadt eine Koch srau kommen und sein Weinhändler ist solid und bedient ihn stets gut-« Daß der Wirth dem Schneider Z Mart versprochen, wenn er ihm die Doppelhochzeit verschassen könnte, das sagte Heine natürlich nicht. Die Väter dachten eine Weile nach, dann nickten sie gleichzeitig mit den Köpfen, einer wie der andere. Der erste Punkt war angenommen, der Schneider riictte näher an den Tisch heran. Die Sacke würde sich schon " noch-machen! »-- « - « »Gott es .eme -:s1vnenme-Vochzen oder eine Tiippel-Hocheeit werden?« »Abnebmebochzeit? Tüpvelhochzeit?« Die beiden Väter sahen den Hochieits bitter verstöndnißlos an. Heine schlug die Hände überm Kopfe zusammen, daß es Leute gab, die den Unterschied nicht wußten! Unglaublich! »Um solchen Kram tiimmern wir Männer uns nicht!" knurrte der Miit ler und Raps stimmte ihm bei. Da raus setzte nun Heine die Geschichte weit auseinander. Wenn bei einer Hochzeit die Schüsseln nur herumge reicht und dann wieder fortgetragen werden, so beißt das-: eine Abnehme Hochzeit. Eine Tüvpel : Hochzeit ist aber viel feiner. Die Schüsseln blei ben aus der Tafel sieben und lrenn die Gäste so dicksatt sind, daß tein Bissen mebr hinunter geht, dann wer den die sehr ansehnlichen Ueberbleibfel mit nach Hause qenommen. Und dazu braucht Jeder und Jede einen Ton oder wie man in der Sperlingsthaler Mundart sagt: ein TübpeL Daß das zur richtigen Zeit vorhanden ist, da fiir wird schon aclorai. Kinder nnd IMägde bringen Töpse ’mn«reschlevdt und vor dem Haufe balten Frauen mit neuem Topizena feil. Da wird nun einaesiilti. Unten kommt Rind ileiich mit dickem Reis und großen Roiinen, daraus Karpfen mit polni scher Brüde, oben Enten-, Gänse oder Schlveinebraten mit Apfelmug nnd Selleriesalat. Der Kuchen wird in ein sauberes Taschentuch eingebun den, und mit dem Tüppel in der einen und der Kuchenboete in der anderen Hand zieht jeder Gast heimwärts, wenn das Fest zu Ende ist« und kann sich noch tagelang gütlich thun. Dem Müller sträubte sich das spär tiche Haar auf seinem Schödet, als er von der entsetzlichen Verschwendung hörte, und Raps war gleichfalls em vört. »So was aibt’s« bei uns nicht! Was l foll denn das losten?« eiserte der ! Gutsbesitzer e : »Im wiu auch Hm Time-thos zeit!« saate der Müller. « Der Schneider wer fasiunaglos. Die beiden reichsten Männer nnd — eine AbnehnresHochzeit wie bei Hinz und Kunst Da tam ihm ein unertvarteter Bei stand. Frau Raps war eingetreten, schlug lrästia mit der Hand aus den Tiich, daß die Tassen tlirrten, Und sagte in sehr entschiedenem Tone: »Ihr tönnt ia thun, was Jhr wollt, aber meine Rosel belommt eine Tünpel-·fio(t.reit!« und gleichzeitia trat die Mehlsackin » vor und saate in gleichem Tone: »Und meine Trade bekommt auch eine Töp rel-.f)ochzeit! Punttum!« ’ »Es wurde eine Weile aani still in der Stube; man hörte die Fliegen am Fenster summen, dann räusperte sich Raps: »Na, meinettveaen! Darüber wollen wir uns nicht streiten!'« ’ »Meinettoegen auch!« brummte der Müller. So bärbeiszig wie sie thaten —-- die beiden Männer standen doch unter dem Pantossei: Einer wie der andere! Dem Schneider siel eine schwere Last vom Herzen — handelte es sich doch um sein Renomee als Hochzeits bitter und VergnügunasvorstanN Flint lies er sort. um den Gastwirth zu holen, damit dle Angelegenheit zum Schlusse kam. Man muß das Eisen schmieden, so lange es noch heiß ist. Wie der Wirth da war, ging die Berathuna über Speisen und «Ge-. tränle an, aber eme Einigung liess sich nicht erzielen. · ( Der Müller aß nicht gern settens Schweinebraten »und dem Gutdbe er ; waren junge Gänse« zu theuer. ei Eine wollte als Trick-wein Grüne-! berst, der Alt-Free Meissner. ; ie sich die mitther wieder er-· histem kam dem« ersindungsreiåen Schneider abermals ein auter n sall: Ein Vater sollte allein das Essen bestellen und bezahlen, der andere Vater sollte sür das Getrünt auf kommen. Ohne eine Antwort abzu warten, holte er zwei Strohhalme herbei, einen langen und einen tur zen. Mit großer Feierlichkeit wurde das Loos gezogen. Raps hatte den langen Strohhalm erwischt, das hieß: das Essen, der Müller den kurzen: das Getränk. Nun zog der uner miidliche Hochzeitsbitter eine Brief tasche vor, um die Gäste au uschrei ben, die er einladen sollte. «m An fang gings ganz glatt. Die Ver wandten, Freunde und Freundinnen der Brautlente, die Honoratioren von Ober-, Unter- nnd Mittellnerlings thal, die Ehrengäste, wie der Herr Pastor, der Lehrer, der Ortsrichter Mbst Frauen, Töchtern und Söhnen. Zieran tamen aber auch Gäste an die eihe, die bald dem einen, bald dem andern Vater nicht paßten, und ilber jeden wurde lange gestritten. Der Schneider wischte sich den Schweiß von der Stirn. So mühselig war noch nie eine Hochzeitsborbereitung ac tvesen, denn mit solchen Streittöpsen hatte er noch nicht verhandelt. Einer wie der Andere! »Der lustige Paul! sagte Heine und leckte den Bleistiit an. Der Müller runzelte die Stirn. »Den kenne ich gar nichts« »So nennt man den Glaser Schmidt, weil er immer lustig und fidel ist«, erklärte Heim. »Der lustige Paul muss, mindestens dabei sein. Er singt, detlamirt) bliist auch das Waldhorn, und so einen Gast muß man haben. Das gute Essen thut’s nicht allein, die Leute müssen sich auch amiiiiren!« »Er kann wohl tüchtig trinken?« nahm jetzt Raps das Wort. »Musi tantenseelen sind immer trocken." Der Schneider nicltr. »Aber betrunken hat ihn noch Niemand geseh’n; er tann ungeheuer viel rertraaen.« »Und so einen Menschen soll ich einladen ?·« dhte der Müller Der Gutsbesitzer lachte: »Ach so, weil Du den Wein bezahlen mußt! Na, beruhigt Dich, Mehlsack. Der lustige Paul wird Dich nicht arm trinken. Schreibt ihn aus, Deine. er wird eingeladen!« »Da tann ich ja geben nnd Dir alles Uebrige überlassen!« antwortete hitzig der Müller, nahm Hut und Stock nnd stamvste zurTbiire h«naug. Aber schon nach wenigen Augen-litten war er wieder da. »Der Forstaebilse Grünbanm soll eingeladen werden, Schreibt ihn aus, Heine!« Kennst Du ihn?« fragte Raps er staunL »Nein, aber ich habe zugesehen, was er im Gastbos »zum weisxn Roß« beim Schlachtfest gegessen bat: ID Portionen Weltsleisch, 3 Mal Schweinstnöchel mit Kreis-en 3 Mal Bratwurst mit Kraut, und satt war er immer noch nicht und bestellte sich zum Nachtisch Nettiche und Käse. Ge trunten bat er nur etn einriqu Glas Viert Das ist mein Mann! Du tannst Dich treuen, was der bei der Hochzeit essen wird, Raps, und außer dem wobnt seine Schwester bei uns im Dorfe, eine Wittwe mit 8 Kin dern. Wenn Jedes mit einem Titvbel tonnnt — na. Adien!« und lachend aina der Müller fort. Raps lachte nicht« sondern sab so sinster ans, daß der Schneider schleunigst den Riiehua antrat und draußen seufzte: »Das wird eine schöne Hochzeit mit den bei den Dicttövsen werden! Da ist ja Einer wie der Andere!" ff »Alle Ehre von der Treue kommt-« Ein niederbanrisckeg Blatt enthält, wie die »Fratits. .-tta.« mittheilt, sol aende Jtotixr ,,Strauhina.lSchätzenSs werther GastJ Seit vierzig Jahren ununterbrochen verkehrt als täglicher Gast in der Brauerei, Dietl, dahier, Herr Spitalmeßner Joses Fischer. Derselbe hat während dieser langen Zeit niemals in einer anderen Wirth schast verkehrt, niemals ein anderes Bier als Dietl- (sriiher Loschinaer-) Stoff getrunken. Nachdem der Gast iubilar taatiialich daselbst seinen Mit tag-: und Abendtisch einaenommen, be trägt die seither aezahlte Zeche, loie Herr Fischer angibt, über 16,000 Mk. Für Bedienung spendete Fischer täg lich 2 Ps» das macht in den vierzig Jahren 292 Mk hierzu kommt noch das Neujahrötrintgeld mit 4 Mi. pro Jahr, d. i. 160 Mk· Fürwahr, ein nettes Sümnichen.« An diese ergrei sende END-«lj-eituna hönat die ,,Miin chener Post« folgende Glosse: »Bei-bot Der Herr Spitalmeszner ist ein Bür .aer, wie es sich gehört. Möge »dersel be« ,,daselbst« zum Besten des Vater landes und seines Bänchleins nur so weiter tvirlen. Solche Männer sind Säulen der oaterliindischen Brauin dustrie und Träaer echt patriotischen .Geistes. Der Stuhl, aus dem der Brave vierzthahre tagtäglich gesessen, die Hose, die er aus «demselben« »da selbst« abaetveßt hat, werden als Zeugnisse tteser heimathltebe und ho hen Büraersrnnes im Straubinger Rathhaus einst den verdienten Ehren vlah finden. Den Bürgern znr Freu de und .,denlelben« «daselbst sur Nacheiseruna!« - Stier-ei Mittel. »Wie rasch sich der Karl einen Us men gemacht han« « - »Diese eigentlich?« i »Er ist Automobiltst eworden und ’da erscheint sein Name ot in der Us quaschwun.« .