Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 06, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    Yer Ring.
Rriminal - Roman von B. Elster.
(1. Fortfesungd
ch wurde nicht danach gesragi.
- Bekundung schien mir auch ge
genstandslos, da ja Fräulein Wüs
drandt selbst auslagte. daß sie öfter
rnit Jdrem Bruder spazieren gegangen
sei. Wozu durch das Aussprechen
einer Ansicht ein Mädchen in ihrer
Ehre verdächtigen. Aber der Umstand.
daß ich Fräulein Wülldrandi jetzt
mehrere Male in trauernd zusammen
gelunlener Stellung am Grabe Jbres
armen Bruders gesehen habe, aus
ihrem Gesichte deutliche Spuren des
Schmerzes, der Verzweiflung, baden
meinen Verdacht fast bis zur Gewiß
heit gestelaeri.«
»Sie können recht baden,« entgeg
nete Gro"er nach einer Weile des
Nachdenkens. »Mein Bruder war in
Bezug ans das weibliche Geschlecht von
recht lockeren Grundsätzen Das Leben
in der großen Welt hatte ihn beein
nußr«
»Sie sehen nun, weshalb Fräulein
Wüllbrandt wünschen mußte, Jhr
Haus zu verlassen, an das sich für sie
io schmerzliche Erinnerungen knüpf
ten. Jm Uebrigen erkenne ich gern an,
daß Fräulein Wülldrandt ihre Pflicht
erfüllt nnd sich stets lorrelt benommen
Mk « !
»Ja-ja —« entgegnete Groller s
zerstreut, »das wird der Grund sein s
—- daher auch ihre Bewegung beimj
Abschied« ja, ja, da legt es.« ;
»Was den Verwalter und Jhre an
deren Angestellten anbetrifft, so wer
den sie sich bald überzeugen daß sie
mit ihrem Verdacht Jhnen Unrecht
thun —- es wird bald das alte Ver- «
hältnisz der Freundschaft und des
Vertrauens wieder zwischen Jhnen
herrschen. Was in meiner Macht steht,
soll geschehen, um die Leute zur Ber
nunst zu bringen. Seien ·Sie guten »
Muths, lieber Grollert Es wird Alles
wieder gut werden, nur nicht den
Kon verlieren. Vetteben Sie den
heutigen Abend mit uns —- meine «
Frau und Käthe erwarten Sie," setzte
er mit einem kleinen schelmischen
Lächeln hinzu.
Ferdinands Wangen färbten sich in
tiefer Gluth. Er sprang aus und
schritt einige Male im Zimmer aus
und ab, dann blieb er am Fenster
stehen und blickte trübe sinnend in das
verglimmende Abendroth hinaus.
Wie fröhlich und beglückt würde er
vor einigen kurzen Monaten der Ein
ladung des Pfarrers gefolgt sein! Er
sah das friedliche Pfarrhaus, von
Wein nnd Kletterrasen umrankt, var
sich liegen; ersah den Garten mit den
blühenden Rosen, den Resedaeinsas
sangen den sauber gepflegten Beeten,
den dustenden Nelten und den leuch
tenden Astern —- er sah das gut
miithig lächelnde Antlitz der Frau
Psarrerin im Kranz der grauen
Haare, auf dem das weiße Häubchen
ruhte, er sah —und das Blut wallte
ihm zum Herzen! —- die liebliche,
schlanke, blondlockige Rathe ihm die
kleine Hand entgegenstreckem während
eine ver-schämte Röthe iiber ihre Wan
gen huschte —- er sah all den Frieden,
die einfache Schönheit dieses ländli
chen Psarrhauses, und eine heiße
Sehnsucht erfaßte ihn. sich mit all
seinem Gram und seinen schwarzen
Gedanken in diesen Frieden zu flüch
ten und selbst wieder ein sriedvoller,
glücklichen harmlos heiterer Mensch
zu werden.
Ader dann tauchte ein schwarzer,
düsterer Schatten vor ihm aus und
verhüllte das friedliche, heitere Bild!
Er sah drüben aus dein Gottesacker
an der kleinen Kirche ein frisches Grab
—ein neu errichtetes schwarzes Mar
mortreuz —- und aus dem Grabe stieg
der Schatten seines ermordeten Bru
ders empor —- und er — er selbst
sollte seinen Bruder erschlagen haben,
er sollte der Mörder seines Bruders
sein und er war nur freigesprochen
weil das Gericht nicht genug Beweise
seiner Schuld sammeln konnte.
Dieser Schatten würde ihn auch in
den heiterm Frieden jenes Hauses
dersofat und den Frieden selbst unter
graben und die Heiterkeit und das
Glück vertrieben haben.
Er Niikde sich mit ihm als Gast zi
Tische setzen· Er würde das freund
liche Antlitz der würdigen Matt-one
derdüstern — er würde sirb zwischen
ihn uad die blondloclige Käthe drän
aen, das; sie ersccsaudernd die kleine,
zum Willkommensaruß ihm entgegen
aestreclte Hand zurückgezoaen hätte —
ek würde sich wie ein Nachtreis aus
die Blumen seines Glückes, seiner
Liede senten, daß sie oerdorrten und
verweilen·
Er athmete schwer und keuchend wie
unter der Last eines gespenstischen
Traumes
Da leate sich die Hand des Pfar
rers sanft aus seine Schulter-. »Jet
dtnand.« sprach der alte Mann mild
read leise, »wollen Sie nicht mit mir
Westens Meine Frau und meine
Wie- werden Sie in alter Verglich
M begriißern :——- Sie bedürfen der
fort-n band eines liebenden Weibes
III-te- Untier lebt nickt mehr —
. » . t: Sie zu meiner Frau —Sie
Use-, sie war die Freundin Jhrerk
sstettec lassen Sie sie seht Mutter I
HE- gu Ihnen vertreten —- sssnen I
Sie J r Herz — eines Weibes sanftes
Wort st mehr werth, als die liiigste
Rede des Mannes. —Konrmen Sie.«
Da schlug der gepeinigte Mann die
Hände vor das Gesicht und schluchzte
laut aus. Thränen auollen zwischen
seinen Fingern bervor und seine Brust
arbeitete gewaltig.
»Ich kann nicht —,« stöhnte er.
»Ich vermag Ihnen nicht zu solgen.«
«Weshald nicht, Ferdinand?«
Dieser ließ die Hände sinken und
blickte den alten Pfarrer mit entgei
sterten Augen an.
»Weil ich ein sriedloser Mann ge
worden bin und meinen Unfrieden
nicht in Ihr stilles, trautes, friedli
ches Heim tragen will.«
»Der Frieden meines Hauses wird
Ich anen den Frieden wieder ge
n.«
»Nein —- nein — tausendmal nein!«
brach er los und schüttelte die Hand
des Pfarrers ab. »Ich kann nicht als
ein schuldbeladener, als ein des Bru
dermordes verdächtiger Mann in Jhr
Haus treten! Jch lann nicht in das
liebe Gesichtchen Jbrer Tochter sehen
—ich kann nicht — ich würde nach
einem Zeichen spähen, daß auch sie
den furchtbaren Verdacht hegte-ich
würde vor jedem Errötben, vor jedem
Erblassen ibrer Wangen, vor jedem
Blick ihrer Augen, der vielleicht unbe
wußt eine leichte Verlegenheit zeigt,
erschrecken... ich kann nicht — ich
kann nicht! Oh, Herr Pfarrer, ver
stehen Sie mich doch!"
Wie eine berzzerreißende Klage
klang dieser letzte Ausruf, der den
Pfarrer tief erschütterte.
»Ich verstehe Sie wohl, mein jun
-ger Freund,« sagte er sanst, »und ich
achte und ehre Ihre Empfindung
Aber überlegen Sie einmal, ob diese-;
Grsiibl nicht iidertrieren ielbstquäles
risch ist? Ob Sie nicht Trost in dem
Gedanken finden, dasz wir alle von
Herzen an Sie glauben Und daß kein
Wörtchen, kein Blick, teine Beweguna
sie an das Entsetzliche erinnern soll."
»Das ist nicht möglich! Das liegt
nicht in Jdrer Macht! Jch selbst würde
mich von dem Gedanken nicht frei
machen liinnen. Nein, .nein, lassen
lEie mich meines Weges allein wan
rn.«
»Ich dringe nicht M Sic. Aber Was
wollen Sie beginnen?«
»Dieses Haus —- diefes Gut ver
» taufen und auswandern ——— fortzieben
jweit fort, wo mich niemand tennti«
j «Und glauben Sie dadurch Ihren
i fchwarzen Gedanken entfliehen zu tön
nenZ Oh, glauben Sie doch das nicht!
Im GegentheiL die Gedanken werden
Sie in der Fremde mit verstärkter
Wucht bestürmen Und dann — neb
men wir einmal an. daß einiae Men
schen noch den furchtbaren Verdacht
aegen Sie hegen, werden Sie diesen
Menschen durch den Vertan Ihres
Gutes, durch Ihre Auswanderuna
nicht neue Waffen in die Hand qeben?
Wird man nicht iaaen: feht Ihr! Er
flieht vor feinem eiaenen Gewissens«
Ferdinand unterbrach jäh seinen
Gana durch das Zimmer und blickte
den Pfarrer, akton an.
»Sie haben recht,«« faaie er. »Das
wäre die Folae meiner Handlungs
weite. Aber etwas muß geschehen, um
»mich diesen quälenden Gedanken zu
; entziehen! Was soll ich thun?«
i »Bete und arbeite — sagt die beiiige
, Schrift,« entgegnete der Geistliche
,ernft. Reinen besseren Rath vermag
z ich anen zu geben. Im Gebet wer:
iden Sie Trost, Frieden und Kraft
i finden, in der Arbeit Rube und Ver
iaessen und jenes Gleichgewicht der
)Seele,- welches Ihnen jetzt fehlt. Ich
i will nicht weiter in Sie dringen, uns
L zu btfuchen Sie müssen mit sich allein
sein —- mit sich und Ihrem Gott. Aber
; erinnernSie sich, Ferdinand, daß mein
« Haus Ihnen zu jeder Stunde offen
ftehtz Ich will mit Ihnen beten und
arbeiten —- uno meine Frau und
weine Töchter sollen Sie mit jener
tarten Sorafalt umgeben, die nur
Freundeshände bieten können und die
der beste Balsam für ein ausgerissenes,
zertretenes Menschenherz ist« ——— Leben
Sie wohl fiir heute, Ferdinand· mein
lieber iunaer Freund —- mein Sohn-«
Er breitete die Arme aus und zog
den großen starken Mann an seinherz,
wie ein Kind, und legte tröstend und
·77nend die Hand auf sein Haupt, dat
fiis auf des Pfarrers Schulter senkte·
»Gott segne Dich, mein lieber
cunae « sprach er sanft und entfernte
sich leise.
Ferdinand aber atbmete tief aus.
Zum ersten Mal seit langer Zeit zog
ein Empfinden durch sein«Herz, wie
lindes Frühlings-weben
3.Kapitel.
c Herrlichen lachender Sonnenschein
eines Septembermorgen ruhte über
dein Dorfe. das sich dem Ritter-tut
Wendessen anschloß. blitte in den bel
len Fenstern des Pfarrhausee, lobte
aliibend auf dem goldenen Kreuze des
Kirchleins und busrbte spielend und
schmeichelnd über die Gräber des
Friedhoer, welche-r die kleine Kirche
umgab. als wollte er Grüße bringen
aus der schönen, sont-sen Welt site dte
in dunklem Grabe Schlummernden
Ach. seinen der stillen Wer erweckte
i- tems .W W Ha
ruhten aus von Leid und Luft. von
Kummer und Sorge, von Liede und
Schmerz. t « « »
Sie waren wohl besser dar , . als
die einsame dunkle Menge-TM die
an einem Grabe stan , regungslos, in
fich versunken, die hände tramsshaft
um das schwarze Marmortreuz ge
schlungen das bleiche, geamdurchs
rouhlte Gesicht niedergebeugt. die sin
steren Augen starr aus den Kranz aus
Astern und Ledlohen gerichtet, der auf
dem Grabe lag.
Ein Ausdruck der tiefsten Verzweif
lung lastete auf dieser zusammenge
suntenen,Gestalt, die gleich der Göttin
der Trauer, des unstillbaren Kummers
k-« iiber das Grab beugte.
Nicht einmal erleichteende Thränen
schien die Trauernde zu besidenz die
brennenden Auaen starrten in ftummer
Qual auf das Grab nieder und um
den Mund gruben sich die scharfen
Züge des Schmerzes, der zu tief, zu
leidenschaftlich war, um sich in Klagen
zu äußern.
Jetzt nahte ein leichter Schritt und
zwischen den dunklen Chvressen
tauchte die lichteGeftalt eines iunaen
Mädchens auf, das einen frischen
Kranz in der Hand trua. Ein Zinken
värchen, welches auf dem Weae seine
Nahruna aeiucht hatte. flatterte empor
und setzte sich auf die alte Rüster nie
der, welche den Eingang zur Kirche
beschattete. «
Die dunkle Gestalt am Grabe rich
tete sich empor und ihr brennendes-·
Auge begegnete dem erstaunten Blick»
des vor ihr stehenden jungen Mäd
chens-. «
»Was wollen Sie hier?« fragte sie?
dann und es zuckte um ihre Lippen
wie ein feindseliae5, höhnischesEäs »
cheln. ;
»Dieselbe Frage könnte ich an Sie:
richten, Fräulein Wüilbrandt,« ent-?
aegnete das junae Mädchen. »Aber ta«
denle mir, daß Sie Abschied von dem «
Grabe nehmn wollen, da, wie mein;
Vater gestern Abend erzählte, Siej
Wendefsen verlassen« H
»Ja, der Herr Pfarrer war gesterns
Abend noch bei Herrn Graun-» ichs
sah ihn fortgehen Und Sie baden!
recht gerathen, Fräulein Bollmar —z
ich will von diesem Grabe Abschied
nehmen. Das kommt Jhnen wohl!
sonderbar dor?« setzte sie mit einem;
herben Lächeln hinzu. I
»Gewiß nicht« entgegnete Käthr J
Vollmar sanft. »Ich bearrife voll-f
tommen, das-, es Sie nochmals an dass
Grab des armen Herrn Franz Grollei ;
trieb, der einen solch schrecklichen Tod;
erleiden mußte." !
»So-Sie begreifen es?" fragt-:
Fräulein Wüllbrandt spöttisch. »Es
ist ja aber auch nichts Wunderbares i
dabei, denn mein Weg zur Vahnstation i
siihrt mich hier vorüber und da trotz
ich hier ein.« .. ;
Sie richtete sich gleichsam wie unter »
einem plötzlichen Entschluß empor und »
schlug den dunklen Mantel um ihres
Gestalt. Jhr blasses Gesicht nahms
einen starren, strengen Ausdruck amj
ihre Augen blickten stolz und finster.
»Aber,« fuhr sie nach einer kleinen
Pause sort, »dars ich vielleicht fragen,
rvas Sie zu diesem Grabe treibt?«
Käthe Vollmar erröthete leicht.
»Ich lege jeden Tag einen Kranz
aus das Grab nieder," entgegnete sie,
»damites nicht so tahl und öde aus
sieht.« . ..
»Ah-« stieß Fräulein Wiiabkqavi
hervor und schleuderte mit dem Fuße
den alten Kranz vom Grabe sort, »so
stammt auch dieser Kranz von Jhnen2« .
.Auekdiugs... shek ich bitteSies
was thun Sie, gönnen Sie dem Tod
ten die Blumen nicht?«
»Nein-nicht von Ihnen! Sie sol- :
len keinen Kranz aus sein Grab legen ;
-—- hören Sie mich? Sie sollen nicht!« ;
Jn drohender Haltung trat sie dem ;
jungen Mädchen entgegen, das er-?
schreckt einen Schritt zurückwich, dann I
aber sich rasch saßte und erwiderte: i
»Wie lomrnen Sie zu dieser Spra- i
che, Fräulein Wüllbrandt? Jch ver-i
stehe Ihre Worte nicht.«... s
Diese lachte schrill aus. «
»Sie verstehen mich nichts —Nun
wohl, dann will ich es Ihnen erklä
ren! Dieser Mann. der zu unseren!
Füßen da im Grabe liegt, liebte Sie.« 4
»Fräulein Wüllbrandt?!«
»Ja, er liebte Sie! Er batte sich
in Jbr hübsches Lärvchen verauckt —
und Sie-— Sie wissen es wohl —
Sie tokettirten mit ihm —- und mit
dem Bruder— einer von Beiden sollte
in Ihr Netz qehen.«...
Die Rotnesilarnme schlug glühend
in die Stirn Mitbes. Sie streck- ge
bieterisch die Hand aus.
»Ich verbiete Ihnen, solche Worte
m svrechen!« ries sie zornig. »Sie
ichmäben das Andenken des Todten
und beleidiaen seinen Bruder und
mich. . . . Sie haben tein Recht, an die
sem Grabe zu weilen! Gehen Sie!«
Da lachte die Andere laut und gel
ledn aus.
»Nein Recht, sagen Sie, habe ich an
diesem Grabe —an diesem Todten?!
Ah, das ist seltsam-»das ist lustig!
Oh, mein kleines Fräulein, wenn Si
wüßten —- wenn ich Jhnen eine Ge
schichte erzählen wollte, Sie würden
sich voll Schauder von diesem Grabe
abwenden. Aber was ich weiß, behalte
ich site mich-ei weiß Niemand als
er und ich, und meine Lippen sind
stumm wie die seingem Ich habe kein
Recht on diesem Grabes Ja, ja. Sie
haben viekkeicht ein größeres Recht.
kenn um Jhrettvillen mußte er ster
en.«
»Um Sotteswillem Fräulein Wäll
brandt —iind Sie wahnsinnigl«
»New-It werde tch’s noch,« ent
gegnete diese mit unheimlicher Ruh-.
—
ich-M II D W das die-.
Mann da nrn Jhretroitlen eine Uns
dere, die ältere Rechte aus seine Liebe
bes sah. «berrieth und deshalb sterben
äthe schlug die Hände vor das
Gesicht
Schweigen Sitt« siiihnte sie. »Es
ist nicht wahr.« ’
»Es ist wahr —- so wahr toie der
Tod! Und nun schmiisen Sie das
Grab des Mannes der mn Jhretwili
len den Tod erlitt, nur wettet und
gedenken Sie dabei derer, die er um
Jhrettvillen verrieth, deren Fluch Ih
Fnen folgen wird-—so wahr ein Gott
der Rache lebt. «
. Drohend erhob sie die Hand zum
ZHirnmel und Köthe sant erschreckt,
schaudernd aus die Knie nieder. ihr»
Gesicht mit den banden verhüllend. »
Der Kranz war ihren Händen entij
sunten. Lautlose Stille umsina sie.
Selbst das Rauschen der Bäume schien l
verstummt.
Da blickte sie ausathmend empor
Sie tvar allein, die dunlle Gestalt war
verschwunden, heller. freundlicher
bSonnenschein glänzte über den Grä
ern.
Sie stand aus. Sie ichauderte leicht
zusammen, es war ihr als habe sie
ein Gespenst aeiehen. .
»Welch entsetzlicher Gedanke,« flie
sterten ihre bleichen Lippen. »Nein,
nein, es tann nicht wahr sein! Wie
war es doch? Um meinetwillen sollte
er eine andere verrathen haben-? —
Und diese Andere — Bertha Wäll
brandt?! —- Nein, nein —- es tann
nicht sein! Es darf nicht sein!"
Sie saltete die Hände nnd blickte in
stummern Gebet Zum Himmel. All
miihlich aewann sie ihre Ruhe-wieder
Sie nahm den Kranz und legte ihn
aus das Grab.
»ArmerManrt," sliisterte sie. »Sollte
meine schwesterliche Freundlichteit
solche Früchte aetraaen haben? Nein
—— nein, ewia würde der Vorwurf auf
meiner Seele brennen.«
Sie setzte sich aus eineBant unter
der alten Riister und blickte ernst und
traurig vor sich nieder.
« Ab, wie glücklich war sie gewesen
als sie hörte, daß Ferdinand Groller
von dem furchtbaren Verbrechen stei
qespockken war. Sie —sie hatte ja
keinen Augenblick an ihm aezweifelt
Er war so gut, so ehrlich, so treu —
under sollte »die Hand oeaen den eige
nen Vorder erhoben haben?
Nein -—— niemals-!
Sie wollte ihm zeigen, das-. sie nie
mals an ihm gezweifelt Noch war kein
Wort der Liebe zwischen ihnen gewech
selt. aber seine Augen sprachen deut
lich genug, und glücklich war sie in dem
Bewußtsein seiner Liebe. Und jetzt
wollte sie ihm zeigen, daß auch sie ihm
gutwar. Wenn er vor sie hinttäte,
mit freudigem Muthe wollte sie ihre
Hand in die seinige leqen, mit freudi
aem Stolz ihre Liebe bekennen und
ihm beweisen, daß Liebe. Treue und
Glauben noch nicht aus-gestorben war
in ver Welt.
Mit welch frohen glücklichen Ge
fühlen erwartete sie ihn am gestrigen
Abend und wie traurig enttäuscht
war sie aetvesen, als-« ihr Vater ohne
ihn zurückgekommen war. Gewiß, der
Vater hatte recht, wenn er sagte« dass
man Ferdinand noch eine Weile sich
selbst iiberlassen müsse, damit er das
aestörte Gleichgewicht der Seele zurück
gewänne, und auch, wie der Pfarrer
rnit einem Lächeln hinzusetzte, eine ge
wisse Gleichgültigteit gegen die Meis
nungen der Menschen bei demBewuszt
sein recht und gut gehandelt zu haben.
Gewiß, der Vater hatte recht! Aber
eher und leichter würde Ferdinand die
Harmonie der Seele zurückgewonnen
haben, wenn er sich von sanfter Liebe
umgeben fühlte, von einer Liebe, die
nicht forderte, nicht quälte, nicht bat,
sondern die ihn umgab wie der Son
nenschein, wie die laue Frühlings
luft, wie der Schimmer des purpur
nen Abendroths, wie der silberne
Mondenschein in stiller Sommernacht
-—« unsiihlbar, untörverlich, und doch
sich beruhigend, besänftigend auf die
trante Seele legend, wie die weiche,
kühle Mutterhand aus die fieberheiße
Stirn des Kindes-.
Und nun war er nicht gelocnrnenl
Er fürchtete in ihren Mienen den
Ausdruck des furchtbaren Verdachts zu
lesen, wie der Vater kopfschüttelnd
sagte. Er vertraute ihr nicht, wie sie
an ihn glaubte, er liebte sie nicht,
wie sie ihn liebte, sonst wäre er zu ihr
gekommen, hätte sich vor ihr nieder
geworfen, daö Haupt in ihrem Schoß
geborgen und gebeten: hilf mir in
’ meiner herzeninotht
Sollte er dennoch schuldig sein?——
Sie schreckte zurück vor dem Gedan
s xgnßder ihr urplötzlich durch die Seele
» o .
Die furchtbaren Worte Bertha
HWiillbrandtI bohrien sich aleich glü
» henden Pfeilen in ihr herz: ,,Der da,
lder hier irn Grabe liegt, ist um Dei
» netwillen gestorben . . . weil er Dich
f liebte, mußte er sterben-«...
hatten diese entsetzlichen Worte den
Sinn, das; der Bruder den Bruder er
schlagen, weil beide sie liebten?
Sie erinnerte sich wohl, wie Franz
Groller während seines letzten Besuchs
in Wendessen sich weit mehr mit ihr
beschäftigt hatte, als früher-. Er brachte
ihr eine kostbare Brosche als Geschenk
mit, viel zu kostbar stir sie, die Toch
ter des Landpfarrerö. Er kam jeden
Morgen. uin mit ihr zu olaudern
oder ihr bei den kleinen Arbeiten im
Garten zu helfen; er erzählte von sei
nen weiten Reisen im Osten und We
sten, dass ste, welche lau-n die Grenzen
ihrer Jugendheimatb iiberschritten,«
Täteressirhtc zu srie, abe; nie-Hältm war
em tm es un un u en
Sinn der Gedanke gehn-wem daker
He liebe-. hat n il- eu Mem-M
» be ehren könne. Viel eher glaubte sie,
fda er ihre um einige Jahre jüngere
ISchwester Trade liebte. Mit dieser
i scherzte er, mit dieser neckte er sich
und spielte mit dem kaum dem Kin
desalter entwachsenen, lebhaften und
munteren Mädchen tindische Spiele.
Nur Freundschaft, so glaubte fre.
llhlte er ftir sie; Freundschaft und
.hriiderliche Zuneiguna. weilerwufzte
,dasz Fett-innern sein Bruder, sie liebte.
Freundschaft und fchwesterliche Ver
traulichteit hatte auch sie ihm harmlos
entgegengedracht
Und nun sollte unter diesem harm
lasen Verkehr Sünde, Leidenschaft
und Verbrechen verborgen gewesen
sein? Unter den Rosen die giftige
Schlange? Unter dem freundlichen
Lächeln die Aralsi, der Verrath?
Unter den scherzhaften Worten sünd
haftes Verlangen und tödtlicher Haß?
O mein Gott, wohin war mit einem
Male die fonniae Schönheit desSpiits
fommertaaes entschwunden? Diistere
Schatten schienen die Sonne, die Welt
zu umhüllen, wie lana schlepvetldk
Trauer-gewunden nnd aus den Grä
bern schienen Nebel aufzusteigen die
sich zu aespenstiscken Gestalten zusam-:
menballten und hohnarinsend die dür
ren Arme nach ihr aus-streckten
Glauben, Treue und Liebe schienen
aus der Welt verschwunden zu sein,
und Verrath, Neid, Eifersucht und
Haß erhoben ihre furchtbaren Medu
Nach ver Gewohnheit ihm from
men Kinderzeit nahm das unglückliche
Mädchen ihre Zuflucht zum Gebell Ge
tröftet und gestärkt erhob sie sich nach
einer Weile; aber auch einen festen
Entschluß hatte sie gefaßt. Der Glaube
an den Geliebten war in ihr aufs
Neue erstartt, die Zweifel an feiner
Schuldlosigteit waren geschwunden.
die Sonne leuchtete wieder hell und
strahlend iiber Gottes schöner Erde
und im stillen Frieden einer seligen
Ruhe lagen die Gräber der Todten da.
Aber ein Geheimniß loaltete über dem
plötzlichen Tode Franz Groller’s!
Nicht allein das Geheimnis-z der That,
das Geheimnifz, wer der Mörder ge
wesen, sondern vor Allem das Ge
heimniß der Beiveggrlinde dieser
furchtbaren That. Vergeblich hatte
sich das Gericht bemüht, dieses Ge
heimniß aufzudeclen. Das Leben des
Ermordeten war wohl voll von Aben
teuern aller Art aewefen, war er docks
ein unruhiger Kopf, den es in die
weite Welt hinausgetriebem aber alle
Spuren. welche man verfolgte, verlie
-fen im Sande oder führten zu einer
harmlosen Aufklärung Jetzt aber
hatten die Worte Bertha Wiillbrandts
ein grelles Schlaglicht auf dieses Ge
heimniß geworfen. Auch der Unter
fuchungsrichter hatte nach der Nich
tung hin, welche das Sctxlaglicht be
zeichnete, geforscht, aber nichts ent
decken lönnen. Mit einem Male zeigte
sich ietzt die Spur! Etschreckend deut
lich. so daß Käthe förmlich davor zu
rückbebte, obgleich sie fest entschlossen
war, die Spur zu verfolaen.
,—.—
Bertha Wijllbrandt kannte das Ges
heimniß dieser That. Ihre leiden
schaftlichen Worte bewiesen, daß Liebe.
Eifersucht und Haß dein Mörder die
tödtliche Waffe in die Hand gedrückt
hatten ——— nun handelte es sich darum,
denjenigen zu finden, in dessen Seele
die Handlungsloeise des Erschlagenen
jene Leidenschaften erwecken mußte.
Er mußte der Mörder sein!
Noch einmal erbebte Käthe vor dem
Gedanken, den die Worte Bertha
Wiillbrandt’s in ihr erweckt hatten.
Wenn die furchtbare Antlägerin den
noch recht hätte! Wenn die Spur aus
Ferdinand hinwiese» .. aber mit einem
Male schüttelte sie diesen Gedanken ab
unk- es leuchtete hell in ihrer Seele
au .
War es nicht Beriha Wiillbrandt’H
Aussage vor Gericht gerade gewesen,
welche Ferdinand in entscheidender
Weise entlastet hatte? Hatte das Ge
richt nicht gerade auf Berthas Aus
sage hin Ferdinand freigesprochen?
Die Antlage, welche.Bertha soeben
erhoben hatte, mußte mithin einem
Anderen gelten. Wer war dieser An
dere — diese geheimnißvolle Person,
die ncht zu entdecken war?
Bertha Wiillbrandt tannte siel
Rathe sprang auf. Ihre Wanaen
glühten. Ihre Augen blitzten. Ihrem
Vater wollte sie alles sagen, damit die
ser das Gericht verständigte —Berthn
Wiillbrandt mußte zu einem Geständ
niß gezwungen werden!
In diesem Augenblicke ertönte in
der Ferne der langgezogene Ton einer
Dampfvseife und das tattmäszige
Dtampfen und Keuchen der Lokomo
tibe klang herüber.
Das war der Zug, wlcher Bertha
Wiillbrandt fortführtet Wohin —
Räthe wußte es nicht! Sie verschwand
in der Welt und mit ihr das Geheim
niß der That.
Köthe raffte sich aus und eilte nack
Haus, um sich mit ihrem Vater zu be
rathen.
Unglücklicherweise war ihr Vater
über Land gefahren zu einer dienst
lichen Konferenz. Er kehrte erst gegen
Abend zurück.
Was sollte Käthe beginnen? Mit
ihrer Mutter konnte sie iiber ihren
Plan nicht sprechen, die einfache alte
Frau wiitde sie zum verstanden
haben, jedenfalls wli sie aber nichts
unternommen haben, ohne mit ihren
Gatten zu sprechen.
Einen Fremden in das Vertrauen
ziehen? Nein, das durfte sie nicht.
Ein Rechtstundiger war in dern Dorfe
nicht vorhanden, die einfachen Bewoh
ner des Dorfes tonnten the nicht ra
then und helfen
« Rathlos stand sie da. Eine, bren
inende Ungeduld versehrte tie. Sie
,
MVMMIUUWMWI ·
nis in der band sn ha , glaubte
den Geliebten retten, ihm Ruhe und
Frieden wiedergeben zu lisnnem und
doch mußte sie nnthätig bleiben, wii
rend diejenige, welche ihr den Schlii -
selgegeben, das Ge tmniß mit jeder
Stunde, mit jeder inute weiter und
weiter mit sich sortsiihrte. -
» Gegen Abend hielt es sie nicht mehr
im Hause. Sie eilte aus die Land
straße, ihrem Vater entgegen. Alb sie
zu der Mannen-Ame lam, die von
der Hauptstraße zum Gutshos ab
zweigte, suhr der Wagen Ferdinands
im raschen Trabe an ihr vorüber.
Sie sah Ferdinand im Wagen
sitzen, sest in die Ecke gedrückt, bleichen
Gesichts, die Lippen sest zusammen ge
drückt, die sinsteren Augen starr in die
Ferne blickend.
Wie ein Wink des Schicksals «er
schien ihr diese Beaeanung Ihm, ihm
wollte sie Alles saaen —ihrn wollte
sie Alles anvertrauen!
Sie erhob die Hand. Ferdinand sah
sie nicht —- sie wollte rufen, sie wollte
sich vor die Pferde stellen —doch da
war der Wagen schon an ihr vorüber
nnd bog nach der entgegengesetzten
Seite der Straße ein —den Seiten
wea verfolgend, welcher zum Bahnhof
führte.
Jetzt rana sich doch ein Schrei von
ihren Lippen. der Kutscher wandte sich
um—und jetzt, jetzt erhob sich auch
Ferdinand und blickte zurück, einen
Anaenhlick schien es, als wollte er an
halten lassen, doch dann erhob er nur
He Hand wie sum Abschiedsqruß und
sank aus den Sitz zurück.
In der Ferne ertönte das Pseisen
der Lolomotive, der Kutscher hieb aus
die Pferde. daß sie in raschestemTemvo
dahin rasten ——bald war der Wagen
den Auaen Käthens entschwunden-—
Lanasam lehrte sie in das Eltern
haus zurück. Neue Ciweisel stieaen in
ihr empor wi- die Schatten derNacht.
die sirh allmählich aus die Erde nie
derienktem
Wes-halb war er entslahen2 Diese
Frasse auiilte sie ohne Unterlaß nnd
naaten an ihrem Glauben an ihrem
Nertmnen spie die unanshiirlich an
iniilende Meile an dem Felsen.
iFortsetzung folat.)
-(-—--—-—
Speimvörter für Armee-.
Jni Gaulois theilt Miguel Sama
ccig einige Sprichwörter fiir Auto
mabilisten mit, die er, dem Zuge der
Zeit folgend, aus vorhandenem Ma
terial für Autlerzwecke brauchbar ge
macht hat. Einiges fei hier wiederge
geben: Sag mir den Preis deines Au
tomobils, und ich werde dir sagen, wer
du bist. —- Der stärkste Motor ift im
mer der beste. —- Drr Automobilis
mus: Wer du auch fein magst, hier
steh deinen Herrn; er ist’,s ee wars
oder wär es gern. —- Wer weit fah
ren will schone fein Benzin. —- Ab
fahren ift gut, zurücklehren ist besser.
— Ein Dummer findet immer einen
Diimmeren. der in iiberautelt. —
Der Menfch denlt, r Motor lenkt.
Frankfurrer Wirt-steten
Die Wiener und alle anderen Bep
ehrer der Frankfurter Würsteln konn
ten in diefen Tagen eine höchst eigeiv
artige Feier begehen: die Gedächtnis
feier der vor genau 100 Jahren er
folgten Erfindung der Frankfurtet
Würsteln. Der Erfinder und erste
Erzeuger der Franlfurter war der
Fleifchfelcher Johann Lahner, der in
Wien in dem Haufe No. 274 arn
Schottenfeld, heute Neustiftgasse No.
111, fein kleines Geschäft betrieb. Lah
ner kam ini Jahre 1798 als junger
Mann aus feinem Heimathsorte nachst
Frankfurt nach Wien, wo er nach eini
gen Jahren in dem genannten Haufe
einen Selcherladen errichtete· Dieses
Saus wurde die Geburtsftätte der von
Lahner im Jahre 1805 erfundenen
Franlfurter Würfteln, die steh alsbald
einer großen Beliebtheit erfreuten.
Schon in den Zwanziaeriahren durf
ten die Frankfurter bei den Hofjagden
nie fehlen, und Johann Lahner und
dessen Sohn Jofef Lahner waren es,
denen die beständige Lieferung ihrer
Erzeugnisse für den arfammten Wie
ner Hof übertragen wurde. Die aller
arößte Verbreitung aber fanden die
Frankfurter Würsteln erst unter dem
Sohne Jofef Lahner. der 1833 das
Geschäft seines Vaters übernahm und
mit demselben in das eigene Haus an
der Ecie der Blindengasse und Lerchen
ielderstrafze überfiedelte. Johann und
Josef Lahner waren auch gute Musi
ler, und mit dem Walierfiirften Lan
ner und dem Opernsiinger Erl ver
«:and sie innige Freundschaft Johann
Bahnen der Erfinder der jubilirenden
Franlfurter. starb 1845. und sein
Sohn Josef 1864, beide als reiche
Leute· Das Geschäft. das durch den
Vater der Wienerfsranlfurter berühmt
Jetoorden ist, eristirt heute noch im
Hause Kaiserstraße 99 und wird von
dem Urentel Herrn Franz Labner ge
.e1tet. »
Nachdem der Professor Piaering es
ausaerechnet hat, daß der Mond aus
der Gegend des Stillen Ozeans von
der Erde abgeschleuderftvurdy scheint
es klar, daß die Ver. Staaten und
Japan das erste Anrecht auf unseren
Salletiten haben. sobald et zur Ver
theilung kommt.
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» van D. Rockefelless Haupt tert
sent eine·Petiitte. Auf den Zs neu
brav-Ist er keine, da hat kk Hun
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