M Märchen Stafid das Märchen am jungen Tag Mitten im Wald und lauschte. Lauschte dem Wind, Idår frisch und e Durch die Wipsel rauschte. Kam ein Bursch des Weges daher, Sah das Märchen im Walde. Sang der Wind und sang der Bursch, Daß es klang und hallte. Lauschte das Märchen deitn Wind nicht me r, Horcht auf das fröhliche Singen. Schwieg der Wind und schwieg der " Wald, Wo die beiden gingen. Nahm das Märchen den Kranz vom Haupt, Sonne war allerorten — Gab dein Burschen den blühenden Kranz — Jst er ein Dichter geworden. -.---— ----- Der wilde Garten. Novellette von Josephine Siebe ,An die gelbrothe, fensterlose Sei tenmauet einer Fabrik geschmiegt, umschlossen von schmucklosen grauen Häuserm rechten Miethslasernen, lag ein von einem hohen Bretterzaun um arenztes Stück Land, ein Bauplasz, zu dem sich bisher lein Käuser hatte sin den wollen. Dieser Theil der Stadt war reizlos Und nicht sanderlich be liebt, und das Stück Land, das einst, in den Tagen unserer Urgroßvater, der Garten eines Landhauses gewesen war, begehrte niemand. Die Kinder aus den benachbarten Höufern hätten den verlassenen Garten wohl gern als Spielplatz benutzt, aber der alte Schu ster, der den Schlüssel hatte, wehrte der lustigen Schaar den Eintritt und erneuerte zum Aerger all dieser Mii dels und Buben immer wieder die Glasschrrben aus dem Bretterzaun, so verging den Kindern die Lust, hinüber zu klettern, zumal driiben eigentlich nichts Rechtes zu holen war. Nur ein einziger Mensch betrat seit Jahren den verlassenen Garten, Anne arete v.-Olden erhielt, so oft sie wollte, von dem alten Schuster den Schlüssel. und so ging sie vom Frühling bis zum Herbst fast täglich in ,,ihren Gar ten", wie ihre Angehörigen spottend sagten. Sie spotteten überhaupt viel iiber das stille, blasse Mädchen, die Mutter und die Geschwister,-die alle etwas Lautes, Herrisches hatten, die alle sehr hochmüthig waren. Es war viel täu« schender Schein, viel Unzufriedenheit bei den Oldens, der Vater hatte als Maior seinen Abschied belommen, nun bekleidete er einen schlechtbezahlten Ehrenpvsten, der ihm viel Miihe und viel Arbeit eintrug, und kam er nach hause, so empfingen ihn Klagen und ; Vorwürfe derSeinen, seine Frau warf-» ihm vor, daß der und jener seiner Al tersgenossen bereits ein Regiment führte. Annegrete, die mit tiefer Liebe s an dem Vater hing, empfand wies ichmerzende Wunden die Vorwürfe, die den müden Mann trafen. Wie; viele sorgenvolle Tage und Nächte, wie ; viele Thränen gab es, um den äuße- ; ren Schein der Wohlhabenheit zu s wahren. Die Töchter fertigtenkmiihp s volle Stickereien fiir laraen Lohn, nur ; um der nichtigen Zerstreuuna einiger ! Gesellschaften willen, die Brüder ta-! men nie mit dem aus« was der Vater s ihnen geben lonnte und for ertenx trotzig, als sei es ihr Recht, höhere; Anlagen, und die Mutter, tdie«ei-nst’ eine sorglose Jugend gehabt nam, lehrte ans keiner Gesellschaft heim» ohne sich nicht in bitterm Klaaen iiber die Ungerechtigkeit des Schicksals zu« ergeben, das sie Zwang jahraus jahr ein das gleiche Seidentleid zu tragen. Nur Annearete ivar so anders-, sie hatte des Vaters stilles, sinniges We-. sen, ihr galt der äußere Schein so wenig und so viel dag innere Sein des Menschen. Namenloe litt sie un ter der Unrast, der Disharmonie der anderen-. Auch sie stickte für geringen Lohn, aber ihr Geld floß in die Kasse der Mutter, sie ging nie in Gesell schaften, sondern saß wie ein Aschen brödei zu Hause, aern hätte sie einen Beruf ergriffen, aber alle ihre Vor schläqe wurden als unaussührbar ver werfen. »Warte nur,« tröstete die Mutter, »bis die Schwestern verheirathet sind, dann tannst du ja noch Diatonissin iverden!'« »Bis zu 35 Jahren hast du Zeit da .iu,« sagten schnippisch die Schwestern Aus diesem Kreise voller Unrusries denheit, Egoismus nnd Lieblosiateit, aus dieser Welt«des Scheins sliichtete sich Annegrete in ihren Garten. Jn einer Exte, geschiemt von einem Eichen bauin stand eine halbzersallene Laube, die sich Annearete mühsam vor dem gänzlichen Verfall gerettet hatte, außer der Eiche aab es nur noch einen krumm aeivackssenen wilden Apfelbaum, der nie Früchte trug, aber jedes Jahr F blühte: eine Heele von Weißdorn und - einige hpllunderbiische waren noch da und den Boden bedertte Gras und al z lerlei wilde Blumen blühten darin, -; saluthrothe Mohnblumen, Löwenzahn » und weiße Stank-leimen Heimlich »z· ass- hatte sich-Annegrete einen Rosen stock get-sinnst der wuchs und gedieh und trieb jedes Jahr eine reichefssahl tiefre-they süß dustender Blüthen. und diesen Rosenstoct liebte sie sast mit etlichteit einer Mutter-. » in dein stillen Gatten wurde nearetei Seele weit, die Schwere Nebraska Staats Anzeiger Und THE-rollt « J. P. Windolph, Herausgeber Grund Island Nein- 29 Ocptcmbek 190) (ZwettetTlIetl) Jahrgang 26 No. ). ihres nüchternen, zutunstslosen Lebens löste sich und hier las sie auch ernste tiefe Bücher, die sie sich heimlich aus einer Volksbibliothel holte, ein Ver gehen, das den Zorn und Spdtt der Ihrigen erregt hätte. Einmal an einem heißen Junitag, an dem zwar die Sonne nicht schien, ihre Gluth aber hinter den weißen Wolken wie eine heimliche Liebe brannte, betrat Annegrete wieder den wilden Garten. Es war ein häßlicher fTag gewesen, ein Tag voller Zank und Streit, voller Klagen und Unzu Jsriedenhkih in dieser Unrast hatte Annegrete manchmal wie an ein heim ; liches Glück an den Rosenstock in dem Estillen Garten denken miissen, heute s würde er wohl in voller Blüthe stehen und voller Ungeduld diese Schönheit zu genießen, eilte sie, nachdem Mutter «und Schwestern in einen Kassee ge gangen waren, in ihren Garten hinab. »Der Schlüssel steckt,« sagte der alte Schuster latonisch, und verwun dert über dissen ungewöhnlichen Por gang betrat Annegrete ihrHeiligthum, aber betroffen blieb sie stehen —- sie war nicht allein, ein Fremder war in dem Garten. Plötzlich aber entrang sich ein Schmerzensschrei Annegretes Munde, alle ihre Rosen, ihre süß dnstenden Wunderhliithen hatte der Fremde ab aeschnitten. ",,Meine Rosen, ach, meine Rosen,« klagte sie und es war ihr, als wäre nun alle stille Freude ihres Lebens genommen, nur Leid und Trauer sah sie und auffchluchzend preßte sie die Hände vor die Augen. Erfchreclt hatte der Fremde sie an geschaut. »Was ist Ihnen, was ist ge schehen?« tief er. »Meine Rosen, meine Rosen,« klagte Annegrete schluch·zend. ,,Jhre Rosen? O weh, und ich dach te, sie blühten hier unbemerkt, darum nahm ich sie,'« rief der Mann be dauernd. Die wohllautende Stimme. die et was von dem Klang einer Glocke hatte, beruhigte Annegrete wunder bar, langsam ließ sie ihre Hände sin ten und schaute dem Fremden ins Ge sicht, ein kluges, angenehmes Gesicht, tein fogenannter schöner Mann war es, der da vor ihr stand. Aber in sei nen hellen Augen lag viel Gitte. »Sind Sie oft hier?« fragte der Fremde. Annegrete nidte nur, noch erftirlte das Schluchzen ihre Stimme. Mitleidig scharrte der Mann auf das blasse Mädchen, das ihm nicht sonderlich anziehend erschien, er sagte ihr, wie leid es ihm thäte, dasz er sie betrübt habe und fragte sie, wie es komme, daß sie hier auf dem verlasse nen Flecke Rosen gepflanzt habe? Und je länger er sprach, je mehr war es dem Mädchen, als spräche ein Freund zu ihr, ein großes warmes Vertrauen wuchs in ihrem Herzen und wie es manchmal kommt, daß ein Mensch vor einem Fremden die Schleier seiner Seele liiftet, die er vor Freunden und Verwandten ängstlich geschlossen hält, so erzählte auchAnne--v grete dem Fremden von ihrem Leben, ihrer Einsamkeit in dem lauten tör menden Zuhause und von dem stillen Glück, das sie hier in dem wilden Garten fände, wie sie jauchzte, wenn der Frühling wieder käme und sie hier Zuflucht finden könne. »Ist es nicht schön hieri« fragte sie, während ein sanftes Lächeln ihr Gesicht verklärte. Der Fremde schaute sich um und sah die Dürftigteit dieses Gartens, da im Grase lagen Scherben, leere Kon servenbiichsen und ein alter Korb, Halles Dinge, die von den Küchener fstern der umliegenden Häuser hinab geworfen worden waren, er mußte idarum lächeln und sagte: er könnte , keine Schönheit sehen. f Da wurde Annegrete eifrig und f sprach ihm von der Schönheit, die sich hier ihr offenbarte, sie schilderte ihm, wie es im Frühling zu griinen be ginne, wie zauberhaft-der Apfelbaum in seinem Blüthenschrnuck aussehe und sie fand so leuchtende Farben für ihre Schilderungen, so zarte, schöne Worte, daß er gefesselt lauschte. Er wunderte sich, wie ihr blasses stilles Gesicht sich belebte, wie reizvoll es wurde. wenn sie sprach und ihn rührte die schlichte Bescheidenheit ihres Wesens, so viele Frauen, schöne, geistvolle Frauen hatte er, der Weit ereiste kennen ge lernt, von keiner a er war ein so sanf ter Zauber ausgegangen, wie von dieser. lifSie sind eine"Dichterin,« sagte er e e. Ueber Annegretes Gesicht flog rosi ger Schein, wehmiit ig schüttelte re den Kopf und ein ehnender Glanz trat in die grauen u en. »ich kann die Worte nicht nieder chreiben. Aber H— —«»«»«»-»·— »—«- j ich wollte, ich könnte eine Lebensdich terin werden, könnte Poesie, vielPoesie im täglichen Leben um mich verbrei ten, verstehen Sie mich?« O ja, er verstand sie schon, ergrif fen sah er das Mädchen an, und als er schied, da fragte er, ob er wieder kommen dürfe in diesen wilden Gar ten, und sie erlaubte es ihm, wie eine kleine Königin, die huldvoll ihrSchloß dem Gaste öffnet, ahnungslos, daß der Fremde eigentlich der Herr des Gar tens war, die Rosen nahm er mit und Annegrete trauerte ihren Wunderblu then nicht nach. Tag für Tag kam nun der Fremde in den Garten, niemand konnte die beiden Menschen sehen, die Laube ver barg sie den Blicken der Nachbarn, der alteSchufter aber, der es wußte, sprach nicht davon, denn er war ein« schweig samer Mann. Annearete erfuhr auch bald, daß der Fremde, den sie rasch Freund nannte, Ider Besitzer des Gartens war, ihm ge hörte die Fabrik und er hatte den Platz gekauft, um einen Lagerschuppen » darauf zu bauen. Aber der Schuppen blieb angebaut, für die Kinder der Fabrilarbeiter wurde der Garten ein gerichtet, das war das Hochzeitsge schenk, das der Fabrikherr seinem »innan Weibe da«rbrachte, das er sich faus dem wilden Garten geholt hatte, ,,esne Wunderblume-U wie er jagte Sie waren alle sehr erstaunt, die Oldens, als Annearete ihnen ihrGliick offenbarte, die Schwestern beneideten sie und nannten sie ,,eine Heimliche«, die Mutter zürnte fast, daß nicht eine der Schwestern das Glück errungen. des Vaters mühevolles Leben aber durchsonnte von nun an das Glück des Kindes-, das seinem Herzen am nächsten stand. Und Annegrete schrieb wirklich nie Gedichte nieder, aber ihr Mann sagte doch, sie sei eine echte Dichterin, ihr Wunsch erfüllte sich, sie konnte die fei nen Goldtörner der Poesie in ihrem Heim aus-streuen und konnte es licht und warm machen und ihrem Mann und ihren Kindern das Haus in einen bliithenreichen, dufterfiillten Wunder garten verwandeln. -—q Nishi, der Japaner. Einer wahren Begebenheit nach-erzählt s von Heinr.Binder. « Es war von Japan die Rede. Der J alte Masor hatte eben die Aussagens eines Arztes über dte Kriegsiiichtigteit ! der Japaner zu widerlegen versuchH »Alle5 Unsinn, was da von Helden-l anuth und Todesverachtung gefaselt wird. Gewiß, sind tüchtige Kerle, —l aber die Sympathie ist bekanntlich stets aus seiten der Kleinen, der Schwachen. Mit dem Kriege ist’s eben so wie mit dem Leben. Siegt einer einmal, dann macht er sich von selbst immer breiter. Glauben Sie mir, meine Herrschaften, — — wenn Japan die ersten Schlachten verloren hätte, dann würde es heute anders ausse l)en.« Nach dem Major sprach ein Groß taufmann: »Ich denke, wir brechen doch noch nicht auf. Da sann ich Jhnen ja eine tleine Geschichte erzäh len. Sie ist nicht langweilig und ztann dazu dienen, uns den japanischen YVoltscharalter in verständlicher Weise zu zeichnen.« Die Gesellschaft rückte zusammen und der Sprecher begann: »Wie Sie alle wissen, wohnte ich im vorigen Jahre noch in Berlin. Jch hatte mir aus Japan einen Koch, Namens Nishi, mitgebracht. Er war bereits zwei Jahre bei mir und war nicht nur ein ausgezeichneter Koch, sondern auch ein ergebener Diener. Man findet selten beides in einer Person vereint. aber Nishi bildete eine rühmenswerthe Aus nahme. Eines Tages kam meine Frau bestürzt zu mir: »Nis«hi will fort.« Jn fast vorwurfvolletn Tone brachte sie diese drei Worte vor. »Ja ich hab’ doch teine Schuld! — Weshalb will er denn gehen?« »Wegen eines Reisiuchens!« —— Jch konnte ein lautes Auslachen nicht unterdrücken, und bat meine Frau, Nishi hereinzurufen. « Er tam leise und behutsam herein. »Halte ich recht gehört, daß Du fort willst?« »Tsa, Herr. Reiskuchen backen.« Als ich ihn fragte, ob er verrückt geworden sei, sagte.er in gebrochenem Deutsch: «Ntshi allright. Nishi muß zehn Tage Hamburg fahren. Nisbis Bruder Koch in Hamburg. Jn we nige Tage großes Fest siir Herrschaft und Nishts Bruder nicht kann Reis kuchen tochen.« Jetzt verstand ich. Der Kerl wollte Urlaub haben. Er fuhr fort: »Nishi bat hier Freund Toki. Toli hier will arbeiten bis Nishi zurück. Toti guter r J Koch. Sein Vater großer Mann in unser Stadt.« Jch wußte, daß der Toti bei der Gesandtschast angestellt war und fragte Nishi deshalb, ob sein Freund Zeit hätte. ,,Toki nicht mehr bei Akat suia, Toti keine Arbeitsplatz.« Mir wars recht, daß der andere solange aushelsen sollte. Jch fragte Nishi, wann er gehen wollte. —- ,,Aus dem tPlatz, Herr.« — »Ja, wo ist dennDein jFreund?« ——,,Jn Küche!« —- Nishi Everbeugte sich und steckte sein freund slichsteg Lächeln aus. Dann drückte er mir, meiner Frau und unserem Baby, dessen Freund und Beschützer er war, herzlich die Hand und ging wieder leise zur Thür. Hier blieb er stehen, krcuzte unter einer nochmaligen Ver beugung die Arme aus der Brust und fort war er. — . Als Nishi draußen war, sagte meine Frau in weinerlichem Tone: »Der kommt nie wieder!«— ,,Unsinn,« sagte ihch, »der ist in zehn Tagen wieder ier.« »Abwarten,« sagte meine Frau, »ich habe mir den anderen vorhin ange sehen, der ist nicht so sauber wie Nishi.« — Jch tröstete sie, ,,zehn Tage wären sja nur eine Kleingteit.« Der Erzähler machte eine kleine Vause und fuhr dann fort: »Wenn alles mitKochen anfangen und aufhören wiirde, hätte es in unserem Hause nach Nishis Ab reise gut ausgesehen. Nishi hatte recht-: Toki war ein guter Koch. Aber er wusch weder Geschirr auf, noch rührte er sonst irgend etwas im Hause an: »Toli nur kocht.« Das war die einzige Antwort, , die wir bei irgend einem AuftragsS bekamen. Meine Frau war unglücklich und wartete ungeduldig auf den zehnten Tag. Endlich war die Zeit um. Der Tag verging, aber kein Nishi kam oder ließ etwas von sich hören. » Zehn weitere Tage vergingen. Als ich eines Morgens nach Toti schickte, um diesen über den Verbleib des Nishi auszusragen, war das Nest leer. Toti war ohne ein Wort davon igelausen Meine Frau tröstete sich in Iihrem Schmerz mit dem Triumph, Naß sie »mal wieder« recht behalten habe. Uns blieb nichts anderes übrig, als einen einheimischen Koch zu enga giren. Meine Frau versuchte mir zwar eine Köchin auszureden, ich wollte ie doch nicht von meiner Gewohnheit ab weichen. —- Wir bekamen nun einen Koch, der meinen Wein trank und mit meinen Zigarren ziemlich großmiithig nmging. Sonst war er ein verträg licher, fleißiger Mensch« der seine Ar beit gut verstand. So verging die Zeit und allmählich war Nishi aus unserem Gedächtniß entschwunden. Nach etwa vier Mona ten lag eines Morgens ein Packet bei der Post, das mit russischen Marien und Zeichen betlebt war. Jn dem Partei lag ein Brief und ein sauber aefchnitztes, ileines japanischesFischers boot. Den Brief, den ich übrigens stets bei mir trage, können Sie sich nachher ansehen, meine Herrschaften. Er ist originell wegen der unbeholfe nen Schriftzeichen, —- er ist im wahren Sinne des Wortes aber auch schön, weil eine edle Seele diese deutschen Dierogtuphen gemalt han« —— Der Ereähler hatte einen Brief aus feiner Brieftasche genommen. Er fal tete ihn sorgfältig auseinander und begann langsam zu lesen: »Liebe Herr, Mistreß und Baby! Ich schreibe Ver gebung. Nishi gelogen an Herr, Mistreß und Baby. Nishi jetzt nicht mehr lügen kann, da morgen todt. Russen Soldaten haben Nishi und sein Bruder in Rußland gefangen, weil Reiskuchen gebacken, mit dem Eisen bahnbrücke explodiren sollte. Nishi dentt oft an Herr, Mistreß und Bahn und an schöne Tage. Nishi jetzt aber froh. Russen Offizier gut mit Nishi, aibt mir Holz ich gemacht Boot siir Baby. Mit liebe Gruß Dein streue Nishi.« — Als ich den Brief gelesen hatte, meine Herrschaften, stahlen sich zwei Thzänen der Rührung in meine Au »gen. ----- Jch sage das ohne Scham. — »8.Ill)er es geht noch weiterwdie Ge schichte ist noch nicht aus« Zwei Wo T cken darauf reiste ich mit meiner Frau i nach Nizza Wir trafen dort mehrere russische verwundete Osfiziere an, die zur Erholung und Kräftigung auf Staatslasten dort heilten. ——— Ein jun aer Offizier wohnte in unserem Hotel Er war ein gebildeter', anstelliaer Mensch, der übrigens fertig Deutsch sprach. So wurden wir bald gute Freunde. Er war in der Schlacht ani Jalu verwundet worden. Eines Abends saßen wir aus der Terrasse und· Thronser so hieß diesenOfsizier. mahlte uns von seinen Erlebnissem »Wie jeder von Ihnen wohl weiß,« so sagte er, »ist die sibirische Bahn nn sere tuäehtiaste Stärke und gleichzeitig unsere größte Schwäche, und keiner wußte das besser, als die Japaner-. Daher war ihre größte Sorge, diese Bahn auszureißenund die Brücken zu zerstören. Ungefähr 500 Werst nach dieser Seite hin vom Baikalsee ent fernt, fließt ein tiefer Fluß von Nor den nach Süden. Er ist von einer hohen Steinbriicke überspannt, die un gefähr 80 bis 100 Meter lang ist. Ueber sie führt unsere endlose, einglei sige Bahn, und an dem westlichen Ufer des Flusses liegt das StädtchenRensi. Hier war ich stationirt, um mit 50 Mann die Brücke zu bewachen und den Bahnbetrieb zu beaufsichtigen. Ich stellte Wachen an beiden Ufern und unter den einzelnen Brückenbogen aus. Jede Nacht kontrollirte ich diese Wa chen und schärste ihnen die größtes Wachsamkeit ein, unter Hinweis aufi die unendlich große Bedeutung dieser ( Brücke. Jn der Nacht zum 14. April ging ich wieder über die Brücke. Es war ein geradezu grauenhaftes Wet- s ter. Schneesturm und tiefste Dunkel- s heit. Als ich ungefähr in der Mittel der Brücke angelangt war, hörte ich ein s leise tlingendes, rhythmisches Ge- z räusch. Es tlana, als ob jemand mit ; Stahl an Stein schlägt. Jch stand still und horchte athemlos. Ungefähr 15 Minuten lang. Aber nichts regte sich mehr, es herrschte Todtenstille. Ich fand aus, daß ich mich auf dem seitlichen Handtpfeiler der Brücke be fand, der bereits auf dem Ufer stand. Ich aina weiter und fragte sofort den Posten an diesem Pfeiler, ob er dieses Geräusch vernommen babe Er hatte nichts gehört. Das war wahrscheinlich, denn der Vseiler war hausboch Ich aing wieder zurück und beugte mich über das Geländer. Es war nichts zu hören und zu sehen; —— nur der Sturm heulte und trieb mir eisiaen Schnee in das Gesicht. Jch hatte mich nicht getäuscht; das wußte ich be stimmt. Ich wußte auch, daß mein Schicksal besieaelt sei, wenn die Renstbriicke in die Luft slieaen würde. Jch wartete voller Ungeduld auf-den arauenden Moraen. Als die Dämme rung auflam, ging ich von der Brücke und beobachtete den Pseiler mit mei nem Glas. Jch bemerkte, daß oben, in Thurmhöbe, wo sich das Eisenwerk mit den Steinen verbindet ein Bün del laa. Und turie Zeit darauf be weate sich dieses Bündel lanasam. — Jch wußte genug. —--«Jch ließ meine Leute mit Leitern und Stricken hin untertlettern. Als sie zurücktamen, brachten sie zwei Japaner, zwanzia Pfund Dynamü, zwei Meißel und zwei Häinmer mit. Ich sah mir die beiden Kerle mit einem Gefühl an, das ein Gesülil von Achtung und Mit leid war. Wir hatt-en sie nach Recht und Gesetz selbstverständlich zu erschie ßen. Jch sraqte sie aus und erfuhr, daß der eine sehr aut Deutsch sprach. Dieser mußt-: mir erzählen, wie er nach Ren-Ist aetommen war. Sie bat ten sich beide an die Vusfer des letzten Wagens eine-J Militärzuqes reklam mert, —- kurs vor den Stationen ab aesvrunaen, dann aesvartei. weiter aeschlichen. « und kurz darauf sich wieder unter den Waaen bis zur Ab fabrt versteckt arbaltent —- Xch sraate ihn, wie er das Dnnamit bätte trans vortiren können ohne daß eH erploi dirte. Er lachte, antwortete aber nielit darauf. Sie waren in Rensk des Nachts an Seiten anf den Pfeiler geklettert nachdem sie Vorber alles ausgelundsctastet hatte-n. Als wir sie entdeckten, waren sie schon drei Tage an der Arbeit. Ich fragte ibnt »Wie aedarttet Jsbr denn tveqziikonis men bei der Erptosion?« ——- Jsch werde in meinem smnzen Leben die Antwort nicht vergessen, die er mir mit rubizfler Miene gab: »Meine Bruder nnd ich nicht wegkommen, mit in Lust gehen!« Kann man sich größeren Helden miitb denken? —- Jch wartete mit der Vollstrectung des Urtheils noch meh rere Tage. Der eine, Namens Nishi, bat mich darum. Er schrieb einen fa nanischen Abschiedsbrief an seine Ge liebte in sit'okio nnd einen Brief an ei- s nen deutschen Herrn. Dann schinitztel er noch ein kleines Schiff nnd über gab mir alles zur Besorauna. lfr nannte trir eine Adresse in Berlin die ich mir notirte, nnd an die ich später das Boot nnd den Brief sandte. — Dser Tar, an dem diese beiden Bur schen. die ich achten nnd ebren mußte-, zur Richtstätte geführt wurden war nsohl der schwerste meines Lebens-. Der Krieg ist ja nransam, » aber dieser Tag war einfach schrecklich. Sie hatten irgendwo ein paar weier Klei der ausgetrieben, in denen sie wie Kinder aussaben Als der Seraeant sie Vorsiihrte, brachte er einen in Seide gestiaten Plan der sibirischen Eisen bahn mit, den man bei einem der beiden gesunden hatte. Rensk war daran mit einem rothen Kreuz be zeichnet. Ich sah sie beide an, aber keiner zuckte mit einer Wimper. Der eine von ihnen sagte: ,,Viele genug solche Karten, um Ruszland zu fin den!« — Sie starben beide ruhig. — Der eine sogar mit einem Lächeln.« Der Ofsizier war zu Ende. Er stand auf und ging zum Rande der Terrasse. Sie können sich denken, meine Herrschaften, mit welchen Ge W fühlen ich dieser Erzählung gelauscht habe. Ich ging auch wortloö fort. EErst am andern Tage zeigte ich dem Offizier den Brief Nishiö: Er war natürlich uber das Spiel des Zufalls höchst erstaunt und in treuem Geden . ken an einen braven Todten weihten Hmir dem gemeinschaftlichen Freunde s ein stille-J Glas. · W Ein Roman aus dem Leben. Anläßlich des Auftretens derSchul reiterin Adrienne de» Holstein in dem in Keil gastirenden Cirkus Beletow wird den »K. N. N.,, aus Heligenhafen geschrieben: ,,Vor wenigstens zehn Jahren erregte unser Fischerftädtchen Hdie Nachricht, daß eine Tochter des Fischer-Z Adrian bei Nacht und Nebel das Vaterhaus verlassen habe und spurlos verschwunden sei» Jch kannte das Mädchen und wußte, daß es gern die kleinen Atrobatentruppen, die sich alljährlich hier sehen ließen, besuchte und» auch fiir Theatervorstellungen ungewöhnliches Jntereffe zeigte. Das behagte aber dem Vater nicht, der auf diesen ,,.Kram« verächtlich herabfah. Infolgedessen blieb Zank und Streit nicht aus-, bis auf einmal die junge Adrian Heimath und Vaterhaus ver ließ. Lange hörte man nichts von ihr; wie dies immer so zu sein pflegt, wollte diefer und jener sie gelegentlich aus einer Reise in einer groß-en Stadt gesehen haben. Doch war das alles wohl müßiges Gerede. Erst nach zwei Jahren lief ein Brief von ihr bei ihren Familienangehörigen ein, worin sie mittheilte, daß sie sich als Schul reiterin in einem Cirkus ausgebildet habe, und daß es ihr sehr gut ginge. Bald konnte sie auch praktische Beweise ihren Worten folgen lassen, indem sie 'größere Geldsummen nach Hause sandte. Dann vergingen wieder ein paar Jahre, in denen die Familie von ihrer Tochter Nachrichten aus der ganzen Welt empfing; als Fräulein Adrian, die inzwischen den Künstler namen Adrienne de Holstein ange nommen hatte, in Kopenhagen oder Hamburg austrat, besuchte sie ihr kleines Gebiirtsstädtchen und führte eine völlige Versöhnung mit Eltern und Geschwistern herbei. Dem Vater pachtete sie eine rentable Landstelle, nach der er sich schon lange gesehnt hatte, und der Schwester, einem un aewöhnlich schönen, stimmbegabten Mädchen, ermöglichte sie die Ausbil dung als Sängerin in Berlin. Die Schwester lernte in Berlin ein adeli ger Dragonerleutnat kennen und lie ben. Er mußte um die Tochter des Fischer-s heirathen zu können, seine siarriere ausgeben. Die Hochzeit fand in unserem Orte vor zwei Jahren statt. Jetzt lebt das Paar in Paris seinen künstlerischen Neigungen. Der frühere Offizier ist aus dem besten Weae, sich als Maler einen Ruf zu schaffen, und seine Frau unterstützt und fördert ihn bei seinen Arbeiten.« Glück und Unglück. »Ihr meint, daß ich immer glücklich gewesen bin!« erklärte schmunzelnd der reiche Kaufmann Hamid im Freunde-streife. ,,Glücl nnd Unglück reichten sich stets brüderlich die Hände, wie ich dies gleich beim Anfange mei ner Laufbahn erfahren mußte. Da mals war ich ar:n, jung und fröhlich, und ich heirathete ein schönes Weib-« »Da tratst Du also vollkommen gliictlich?« unterbrach ihn Abdallah. »Nicht ganz — denn dieses schöne Weil-s hatte einen bösen Mund und ein noch böseres Herz ——-« »Das machte Dich gewiß sehr un aliicklicli?« l »Nicht so sehr s— denn sie besaß zweitausend Zechinen!« »Zweitausend ZechinenZ Da konn test Du sorglos leben!« »Gewiß, wenn ich mir nicht Ka meele dafiir einaehandelt hätte, die flimmtlich von der Klauenseucbe da hinaerasst wurden!« »Für-wahr, ein schreckliches Pech!« »Nicht so schrecklich, denn ich erzielte siir die Häute mehr, als mich die le benden Thiere aelostet haben!« »Da konntest Du wirklich von Glück sagen!« »Mit nichten! Denn ich kaufte mir für das aanze Geld ein schönes Haus, welches beim großen Erdbeben, das unsere Stadt heimsuchte, spurlos Vom Erdboden verschwand!« »Das war sicherlich das größte Unaliick Deines Lebens?« »Gewiß, doch aab es auch hier ein Glück dabei: Mein böse-«- Weib be fand sich im Hause drin!« »Bei Ihre Homzeit in Ber lin!« Eine hiibfche Geschichte hat sich in der Mark zuaetraaen. Der Kron prinz fuhr dieser Taae mit drei Os fixieren im Automobil dnreh das Ost havelland. Jn der Nähe dies Dorfes Maria brannte aus freiem Felde ge aen Abend eine Strohmiete. Der weithin sichtbare Fieuerschein hatte auch den Kronprinzen veranlaßt. nä her heranzukommen und das Auto niobil zu verlassen. Ein Junge, der mit anderen Dorfbewohnern in der Nähe stand, erkannte aber den Kron ; Prinzen und machte seine Schulkame raden aus ihn aufmerksam. Der Kronprinz hatte dies bemerkt und staate- den Knaben, woher er Ihn kenne-, und der Junge antwortete treu herzig: »Jet· habe Jhnen schon bei Fehretbochzeit in Berlin zu sehen ge neg .« Nach den jüngsten Erfahrungen kann man Zufriedenheit nicht von Frieden ableiten.