Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 29, 1905, Sweiter Theil., Image 14

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    Die Spielgefährten
No ......... v. Wesen.
i In t.-t-«1x.txzt-«tx-1«1«1«14«t..txxt«tx.txxtu
sssskssssssssssssssssrsrss T
( (4. FortsetzungJ
Das Landmädchen, welches in der
bk, dietdesiaubien Lederstiefeln neben
ibsr berscheite. einen avaerupsten
Grashalm zwischen den weißen Zäh
nen, mit ungeschickter Ausführlichleit
M allerhand lanatveilige Dinge
schwerste das war durchaus nicht
sein Gener. Aber die unberiibrte äu
nendlichleit ibrer Erfcheinuna, die i
sche Natiirlichleit ihres Wesens be
rshtten ihn dennoch angenehm, als
etwas Neue-A Ungewobnte5. Er sah.
wie Alice unter seinem zwingendexi
Blick verwirrt die Augen senkte, zu
Retter-n anfing nnd jäh errötbetr. Das
sachte ihm Vergnügen
Die meisten Männer, selbst die bla
sitten und verivöhnten, sind nicht un
embfänalich für die Wahrnehmung,
das sie aesallen, und über den Ein
druck, den Wasil aus dies unersahrene
Landlind gemacht hatte, war er sich
schon bei dem ersten Zusammentreffen
im Walde llat gewesen. Ihre leuch
tenden-Augen hinnen mit so naiver
Bewunderung an ihm, sie äußerte so.
unverhoblen ihre Freude über seinen
jetzt dauernd in Aussicht genomtnenen
Aufenthalt in Dobraivitz, daß dies
seiner Eitelkeit schmeichelte und ein
gönnerbastes Wohlwollen für Licy in
ihm wachries. —- Wie leicht war es,
i
dreiem dahier-ern kleinen Ding zu im
portiren Einfache Gemeint-lasse der
Unierhaltuna. adaenutzte Scherze, hin
und wieder eine knappe Reiseschilde
runa — auf alles lauschte sie gespanntj
wie auf einen Mörchenzauber. Vonj
dem lebhaft erregten Gesicht ließ sichs
ieder Gedanke ablefen.
Solch kleines-, amiisantes Inter-!
sezzo lam Wasil von Waszczewsli i
gerade recht.
Sehr widerwilliq und nur durch
start zerriittete Finanzen dazu ge
zwungen, hatte er fich, nach einem
längeren Aufenthalt in Paris ent
schließen müssen, das alte, verwahr
loste Familienaut wieder zum Wohn
siß zu wählen. Nun versprach wenig
stens die Tändelei mit dem Nil-schen
Rachharslinde einiae Anregung in die
Langeweile des Landlebens zu brin
aen
Mit dem bestrickenden Blick, dessen
Macht er häufig erprobt hatte, beugte
er sich zu Licy nieder.
»Sol! ich wirklich das Peinigende
Bewußtsein behalten Sie von ihrem
Liedlinasplatz im Walde verscheucht
zu haben? Werden Sie nicht mehr
dorthin sehen?«
»Ich weiß nicht. «
»Auch nicht, wenn ich bitte?«
Es war das erste Mal in ihrem
Leben, daß solch ein schmeichelnder
Laut, von schönen Männetlipden ge
slii,sieki ihr Ohr traf was Wunder,
Tag er sich in ihr erwachendeg Herz
ia l
Man war jetzt an der kleinen Sei
tenvarte angelangt, die den Tannin- j
ter Garten vom Feldwege trennte.
Wasil haschte die lleine, sonnenver
brannte Mädchenhand
»Auch nicht wdnn ich bitte?« fragte
er noch einmal
»Ich weiß nicht,'· itammelte Lied
verwirrt. riß sich los, nickie hastig zum
Abschied und rannte davon. Lächelnd
bestieg Wasil sein Pferd und gab ihm
die Sporen. Wenn sie es auch nicht
wußte-set wußte es genau, daß sie;
sich bald wieder treffen würden. »
heute fand der alte Diitmer, als er
nach Feierabend vom Felde lam, das »
Abend-essen noch nicht fertig. Licy hatte ;
aanz veraessen zu bestellen, was ge
kocht werden sollte. Schließlich war«
auch der Speiselammerschliisfel ver-I
legt, es mußte viel hin und her gelau- I
fen werden« bis er sich endlich fand.
Währenddessen saß der alte Ditt
mer geduldig wartend auf Ver Bantt
vor dem Kaufe. Er batte eiaentlicht
noch die Abrechnuna einian Witths t
fchaflikbiicber vornehmen wollen,
merkte aber bald, daß es ihm heute
beim besten Willen nicht mebe möaiich
fein rsiirdr. Von der lanaen Isaan
faft. dem ununterbrochenen Stehen?
im Srrnenbrand traten feine Glieder E
bleib-treten der Kon dumvf und be-J
klomm-U Das berannabende Alter-;
maebte sisii doch bisweilen fckxon rechts
fählliat ,
Freilich, während der besten Lebens-: ?
iahte hatte er zu anderer Vortheil
schaffen müssen; was für itm selbe
as Kräften übrin blieb, wollte tauni
mehr ausreichen Wenn wenigstens
in gleichem Maße wie dieKkäfte auch
Irbeit und Sorae abgenommen hat-»
ten. aber diese schienen sich nur immer
n vermehren, und ein Ausfpannen
sah es nicht. Die dummen, alten Kno
Qn durften eben nicht fchlapp wet
Ien, sie mußten aushalten, mußten
vorwärts-.
-- Wie um dies gleich zu bethötigen,
« Hand Dittmet auf. griff nach der
»Ah-lebten Schirmmiite, die et, um
DAhnküblem von der schlen, ge
s « te Stirn Strom-neu hatte, und
die Stufen zum Haufe hinauf
»««Ier Mr flog ihm Lied wie
« »«"ikseMsd entgegen
EHM Lobi ftp-u auf dem
»F .- si tanzen sites-use fesällx
3«·.1k ZU e CI sum
« M bin M used-, bös-, wen
such ein bischen tät-see get-met
-I’ Tfrskvksfssr -I--I-------- I
Des alten Mannes eben noch sor
genvolles Gesicht leuchtete jetzt wieder
:... Sonnenschein dei- Glück-«
»Macht n: chtH, Ligchem hat man
gewartet schmeckt’s nachher desto
besser."
So war es auch. Sie saßen sich
ge enitber. Lim, erregt und ausge
la en lustig, wußte hundert drollige
Neuigkeiten zu erzählen; der Papa
hörte feinem Liebling zu, lachte und
merkte es nicht einmal, daß die Sappe
angebrannt war. « s
Ik It II
Jn der kleinen Dotftirche, zu deren
Gemeinde Tanninken aehiirt, ist eben
der Sonntagsgottesdienft zu Ende.
Mit einigen lunstlosen Verzierungen
läßt der Küster die Melodie des
Schlußchorals lang ausklingen
An den Banlkeiben tlappen die
Thüren, die Zuhörer——znm größten
Theil strobhaatigeKinder und Frauen
mit verdrüclten Hauben, schwarzen
Wollbsandschuben und großen Um
schlaaetückzern —- schieben einander
vorwärts der Thüre zu. Jn dem
schmalen Mittelgang, auf dessen aus
getretenen Steinfliefen helle Sonnen
flecke tanzen, kniticht der frisch ge
streute Sand unter den vielen. derb
befchubten Füßen
Leise klappernd fallen, von mild
thätiaer Hand gespendet, ein elne
Kupfermünzen in die am Hauptpfeiler
angebrachte Sammelbiichse »Für die
Armen«· Dann treten die Andachti
gen aus der feuchttalten Lust des alten
Steinhaues hinaus in den warmen,
-aoldia fluthenden Sonnenschein, und
die bliihende Herrlichkeit der Natur be
stätigt mit überzeugender Gewalt die
Wahrheit des eben gehörten Wortes
von Gottes unermeßlicher Allmacht
und Güte«
Auf dem Kirchhof. in dessen Mitte
das kleine Gotteshaus-, recht wie ein
treuer Hüter der Schlummernden,
sieht, bewegen sich ietzt die schlichten,
dunkeln Gestalten zwischen den grünen
Hügeln hin und her. Beinahe jeder
hat einen der Seinian hier arbeitet;
denn sie alle, die in diesem Kirchspiel
aeboren wurden, lebten, schafften und
starben, ruhen hier auch vereint von
ihrem Tagewerk aus. —Es ist, als
ob auf dem Lande ein großes Fami
lienband die Menschen umschlingt.
Fast alle, deren Name auf den schlich
ten. schwarzen Holztreuzen verzeichnet
steht- hat man im Leben getannt, und
allerlei Erinnerungen tniipfien sich an
gemeinsam Erlebtes.
Es ist eine hübsche Sitte, daß jeder
Kirchgiinger am Sonntag nach dem
Gottesdienst die ihm zugehörigen
Gräber besucht. Seiten geschieht es
aus Gram oder Sehnsucht; denn täg
liche schwere Arbeit und das immer in
erster Reihe stehende Sorgen fiir die
materiellen Bedürfnisse des Lebens
stampfen diese Menschen gegen nach
haltia empfundenen Seelenschmerz ab.
aber das lustige Gewire grellbunter
Blumen auf den hügeln zu pflegen
ist ein Liebesdienft, in dem die Ueber
lebenden oft ihren besten Trost finden.
Dittrners waren heute auch in der
Kirche gewesen, hatten dann, wie ge
wöhnlich, beim herrn Pfarrer einen
kurzen Besuch abgestattet, auf der
ariinumranlten. schattigen Veranda
sitzend, den diesjährigen Johannis
beertvein probirt und dazu von den
bekannten kleinen Zimmtkurben geges
sen, welche eine Spezialität Frau Jo
hannes, der Wirthschafterin, waren
Wiihrend das Tanninler Fuhrwerk
anaeipannt wurde, lief Alice noch in
den Psarrgarten. Dieser war kleiner,
aber bei weitern sorgfamer gepflegt
sind gehalten als der väterliche da
im.
Auf dem Balton fußen die Männer
noch im Gespräch zusammen Dittmer
trank den Rest aus seinem Glase und
wisckite sich mit dem Handriicten den
arnublondem borstigen Schnurrbart.
»Ist wirklich vrachwoll aerathen,
Jbr Johannisbeerweim Herr Pfarrer
Jch weiß nicht, wie es kommt, abee
bei uns wollen die Sträucher gar-nicht
ordentlich traaen. Möglich, daß sie
fclson zu alt sind, die Früchte werden
mit jedem Jahr kleiner, lein Saft,
teine Kraft darin, nicht viel größer
wie Stecknadellöpfe.«
»Sie müssen nur das alte Holz aus
fctkneiden und im Herbst tüchtig Dün
qer untergraben lassen,« rieth der
Pfarrhern
»Ja, wer hat dazu Zeit? Und was
den Dung anbelangt, den brauchen
wir nöthiger auf dem Felde. Er ist
ohnehin knapp genug. Wenn ich besser
adern könnte, würde auch mehr wach
sen. Der Boden von Tanninlen ist
nicht schlecht, man müßte nur was für
ihn thun. Aber es fehlt an Arbeits
träften, und ich selber bin auch schon
ganz verfchlissen, eigentlich zu gar
nichti mehr nütze.«
»Nun, nun, lieber Freund,« unter
brach der Pfarrer lächelnd diese
Selbstantlage, »das glaubt Ihnen lei
ner, der Sie kennt. Wer hat denn hier
rundes-M feine Wirthschaft so im
,Ganae wie Ste? Sehen Sie doch in
der Vorwort-chan wenn«inan z. B
dur D dran-ists .
»Bei datFttamI was ande
» res. s- tets Jahren kein Men eh
um met " t, Ime die Gefch e
mittels-I » Hoätts . . Der alte,
sauie Kerl von Hofverwaiier isi blos
froh, wenn er ieineHand zu riihren
brauch. Da wird einsack- aus dem
Gut h:tauenepreßi, solang noch was (
rauszupressen ist — Wald abgeholi
—Geireide auf dem Halm rettausnl
Der Baron mag auskväris auch im
mer viei Geld brauchen, deni’ ich mirs«
»Der Baron ist seit einian Wochen
hier; wußten Sie das nichts« fragte
der Pfarrer l
i
»Was tausend, hats noch nichts da
von erfahren«
»Jawohl, under will. so viel ich
weiß, jetzt das Gut selbfi bewirih
wir-haften.
; »He- das ifi ia schön. Sahen Sie
ihn schon? Was ist es denn für
einer?« .
» »Ein brüneiier, eieganter Mann ich s
Jschäbe Anfang der Dreißiaer Wir
trafen uns vor ein paar Tagen in der
Stadt, wohin mich Geschäfte geiiihri
hatten. Er stellte sich in sehr höfli
her Weise vorl« 1
»So so,« meinie Diiimec nachdenk
lich, während er aus der vor ihn-.
stehenden Kiste eine Zigarre nahm und
die Spitze niii dem Daumennagel ab
kniff. »Wisien Eie, Pasior, siir uns .
Tanninier wird das doch kein Um-- (
qang sein. Was: so ein vornehme, .
weiiqereisiee Herr isi für ten passe ich
alier Bauer nicht, höchstens meine
Matie.«
»Dann erwarten Sie die Rückkehr
Ihrer lieben Frau-Z« fragte Friese,
ohne auf die vorherige Aeusernng
DitiSmets einzunehm.
Sie bat gar nichts darüber ge
schrieben; scheint wohl, sie tann noch
nicht ablommen. Es bleibt immer
dasselbe Leiden mit der alten Taute,
mal ein bischen besser und daan gleich
wieder ichlechterk
«Ein echtes Wert christlicher Barm
herzte-leih das Ihre-Frau da erfüllt, «
äußerte der Pfarrer warm
Der Tanninter Wagen fuhr vor
und Licy tam aus dem Garten zurück,
um sich zu verabschiedem
»Als-I heute Kommen Sie nicht zu
uns herüber-« Pnftotcifen3« erkundigte
sich Dittmer die weiße, weiche Hand,
die ihm entgegengeitrecki wurde, mit
seiner breiten rothbraunen Faust
herzhaft schüttelnd.
»Es läßt sich nicht machen, ich habe
noch zwei Amtshandlungen am Nach
miitag.«
»Ro. dann axfo adieu. —Fahr zu,
Will-ein«
f Der iisnae Gespannt neckt, welcheri
sam Sonntag als Zeutscker fungirte
Fund zum Zeichen seiner Würde, trotz
J der drückenden Aunusibitzh einen gro
kßeu blauen tiragenmnntel trust- spitzte
die Lippen und schlug mit dem rechten
Zügel dem Handpferd auf den Rücken.
Das Gefährt, eine auggediente mit
verblichenen Sitztissen und vielfach
aeflicktem Schutzleder versehene Kut
sche, rollte schwerfällig vorn Hof, der
Landstraße zu
Alice hatte sich in die Wagenecke ne
driickt und in wohliger Müdigteit die
lAunen geschlossen Während sie mecha
nisch die meißgetaltten Steine zur
fSeite des Weges zählte, wirbelten und
» kreisten ihre Gedanken immer nur um
ldie eine Frank: sollte sie heute zur
Waldhöhe gebeut» —- Und warum
nicht? —«ES war sonst ihr täglicher
Spaziergang gewesen, und gerade am
Sonntag war es im Hause so still und
langweilig. Der Herr Pfarrer kam
nicht, Papa saß über seinen Wirth
schaftsbiichern —- toag sollte sie be
sinnen?
Am frühen Morgen, ehe zur Kirche
gefahren wurde. hatte sie Herrn von
Waszczewski aus dem TanninlerWege
vorüberreiten sehen, der Richtung der
,Stadt zu. Also war er nicht daheim
und kam sicher nicht in den Wald.
Tag war gut. sonst würde sie nicht
hingeben gewiß nicht-— Lirn hatte
längst aufgehört, die Chausseesteine zu
zählen; sie hielt die Augen geschlossen,
ihr Herz klopfte sehnsüchtia, sie glaubte
Wasils durch-dringenden Blick zu ern
vsinden und seine Worte zu hören:
»Auch nicht, wenn ich bitte?«
»Heda, Bruntin, wollt Jhr mitfah
ren? Halte mal 'n bischen an, Wil
helm.« Dittrners lauter Bierbaß ritt
telte Licu aus ihren Träumen.
Der alte Herr winkte der Frau sei
nes stimmten-, die, Regenfchirrn,
Gesangbuch und Taschentuch in der
Hand, das schwarze Kirchentleid hoch
aufgesteckt, so daß der selbstgewebte
rothe Wollenrock bis zur KnieehiiheI
sichtbar wurde, den schmalen Fußstegz
neben dem Grabenrand entlang.
schritt. ·’
Grauer Wegstan bedeckte hier das
turze, halbverdorrte Gras und legte
sich in dicker Schicht auf die Leder
stiesel der Frau. Greller Sonnenschein
brannte aus voller Mittagshöhe auf
ihre braune Stirn und den hellbloni
den, reichlich qeölten Scheitel nieder·
Dittmer hatte sich vorgebeugt und
nickte freundlich.
»Ihr kommt wohl auchaus der
Kirche, Brunlin'i«
«Iawohl, gnädiger heer Unschliis
sin und verlegen stand dieAngeredete
neben dem Wogen
»Ja, dann steigt man ein; bei spl
cher site geht es sich schlecht« Ditt
mer schlug seinen Leuten genübee
stets eines Ton woh hllltoo en r Vet
Manch-gings derivkhmher der Autori
In
m FW Mi-«
Mfachru mich-« n, versteiu sinder in
i ntete en
auf ihm-Zeit artiI ihnen nweeden wii
reud die cmädiqe Franzite hochinii th
Hielt-e- und mehr geer tet alt gelteb
n»Stil- msglichst e eusanrmens
Wend, um die chaft nicht In
belästigen-. nahm nu Or nl
schmalen Missit ein, und Kutsche,
W
die schief in den Federn hing. wie alte
Leute in schiotterigen Kleidern, tunl
pelte weiter.
»Seid Ihr allein in deriiirche ge
wesen? Wo mithin denn denMann?«
erkundigte sich Tiitrner. · .
»Gniidiaer Herr, er wollt’ beut’
früh ein’ Brief an unsern Fritz schrei
ben. weil der immer so sehr bitten
thut, wir möchten ihm altes von zu
Haus benachrichtigen.«
»Was macht denn der Fritz, wie
achtkz mit dem Studiren?«
»So recht wissen wir dasja nicht,
anädiger Herr; er ist doch all lang’
nich mehr hier gewesen. Aber un
menschlich ilug wird der Jung’ wohl
schon sein. Er schrieb letzthim daß et
wieder Exanien bestanden hätt’ und
ioär’ nn Reserendar dei’s Gericht.«
»Seht doch an, schon Reserendae.
Da könnt Jhr aber stolz aus Euren
Sohn sein, Bruntin,« lobte Dittmer.
Verschäint glücklich sah die Mutter
vor sich nieder und zupste an den
Spitzen ihrer schwarzen Baumwoll
liandschube. Sie hätte gern noch mehr
vom Fritz erzählt, getraute sich aber
nicht recht.
»Am nehmt Ihr blos das viele Geld
keer für den Jungen ?« fragte Dittmer
weiter. »Jhn all die Zeit aus der
Universität zu unterhalten, muß hei
denmiißig gekostet haben. und jetzt ar
beitet er doch a ch noch immer ohne
einen Groschen ehalt.'
»Von uns aus brauchen wir hskipon
lang« nichts mehr siir ihm zu za en.«
erklärte die Frau stolz. »MeineSchwe
ster. die Bäcker Blau, bei du« er so
lang’ gewohnt hat, die ist dem Iris
so gut wie ihr eigen Kind. Wenn er
nich sein« Kopp siir sich gehabt hätt’,
konnte ers-die ganze Bäckerei mit volle«
Kundschast übernehmen, aber er wollt'
doch nu mal nich. Er hat immerzu
Stunden gegeben, damit er sich was
verdient, und die Tante sagt, eswär’
gar nich nöthig, sie will sür ihm sor
gen. bis er eine seste Stelle und gu
tes Brod hat«
»Seht doch an, Bruntin, das freut
mich herzlich, da seid Jbr ja aller
Sorge los. Dann ist es wirklich ein
Glück iiir den Junaen gewesen, daf;
er damals von lkicr fort, auf-· Gom
nasinni tani."
»Das meinen tvir auch, gnädiaer
Herr. lind der Fritz hat uns auch gar
nicht vergessen in derStadt: er schreibt
immer solche schöne Briefe. daß er
mit feinen Gedanten tierdentt und
wenn tvir alt sind, tvird er für uns
sorgen, und in Tanninlen möchten wir
einen jeden grüßen, auch-wenn das
Fräulein es nicht iibel nehmen —
auch das Fräulein Alirchen."
»Du, Lieschen, hörst Du nicht2Dein
früherer Soieltamerad schickt Dir
einen Gruß,« wandte sich Dittmer an
Sien.
Sie Jöste den Blick von dem fernen
Waldsauin, der aus schwerem, wei
ßem Dunstkreis duntel hervorichims
nierte; auf das Gespräch hatte sie gar
nicht acht gegeben.
»Der Fritz Brunt läßt Dich müssen
und Referendar ist er gewordrn,« wir
derholte Dittmer, utn der Mutter eine
Freude zu machen.
«So.?« Licts nickte zerstreut.
»Ich glaube, das Mädel schläft uns
unterwegs ·n, was Lischen?« fragte
der Alte. rotz seines böuerischen
Aussehens und feiner ungeschulten
Manieren besaß er einen natürlichen
Herzenstatt und den unbeivußten Jn
stinlt für das Empfinden anderer.
Auch jetzt war es ihm, als müsse er die
alrichgiiltiae Antwort Licys vor Frau
Brunt motioiren.
»Die Hitze ist heute zu toll; zur
Nacht aibt das sicher ein Gewitter.
Saat doch Eurem Mann, Bruntin.
er soll nachsehen, ob auch die Stall
luten alle sest verschlossen sind.«
,,Ja:oohl, aniidiger Herr, dafür
wird er schon sorgen.«
»Barbarische Temperatur!« Ditt
rner zoa sein großes, buntes Taschen
tuch, trocknete Stirn und inneren
Mützenrand und wischte auch rund um
den Hals-. der roth und glänzend über
dem beengenden, sonntäglichen Steh
tiaaen hervorauoll·
Das Gespräch irn Wagen ver
stummte.
Aus dem harten, ausgediirrten
Lelnn der Landstraße klapperten die
Pferdehufe in gleichmäßigeni Tattz
trockener Staub träufelte u beiden
Seiten auf. Kein erfrischen r Luft
zua. Nur ganz leise bewegte sich hin
und wieder ein Baumblatt und ein
» zelne vorstehende halnie des auf dem
Felde in Dorten zusammengefeßten
« Getreides.
l Gutsbof erreicht.
Nach -halbstiindiger Fahrt war der
« Leichtfiifzig sprang
Lien aus der alten Kutsche, währen
Ditttner deni Knecht einschiirftr. die
warmnetoordenen Pferde, die morgen
wieder zur Feldarbeit heran-nahten,
stät u füttern und sorgfältig abzu
r n.
Frau Brunt lnixte und bedankte sich
nochmals «siirs Mitnebmen«. Zögernd
stand sie ein paar Au enblicke —denn
Fritz ·hötte es getoi recht gefreut,
wenn rlzn das Fräulein-then auch ein
enal gruszen ließ —aliee Altar spielte
gerade mit Tit-rat der bei ihrem Un
bliel ftiirtnifch an der Kette risz und
sich tote narrtsch vor Freude gebärden
Es var nicht ntls, nicht biise
Ubiicht,« das I Mai-In seinen
Gruß fiir den einstiqen So l efidrten
hatte —- ste dachte nur nicht aran.
Mc Dittrner seine Stube betrat,
sauber unter den ain Botman an
netorninenen Posiiachen einen eies
- ner Fest-. Sie sitndete in lna den
rten ihre Itii stir den nii sten
can on. Der nte Gesundheittzni
stand hatte sich tote schon hör-i , so
auch diesmal wider alle Voraus uns
W
plödlich gebessert und der Arzt dor
liiufig jede Gefahr fiir beseitigt erklärt.
Es war taum zu begreifen, welche
Lebenskraft der kleine, mumienhafte
Körper der Greifin in sich barg. Neun
undsiedzig Jahre alt, stets tränielnd,
stets klagend und doch dem Tode im
mer tragend.
Dittmer freute sich aufrichtig der
günstigen Nachrichten. Sein gutmüthk
ger, harmloser Sinn verstand auch den
schneidend ditteren Ton nicht, der
durch die wenigen Zeilen feiner Frau
hindurchtlang
Bei Tische erfuhr Licts, daß die
Mama morgen nach Haufe käme. Nun
gab es fiir das Mädchen noch allerlei
zu thun und zu ordnenf denn der
Mutter scharfer Blick priiste »enau,
und sie hielt mit dem Tadel ni t zu
rück. wenn nur das geringste imhause
vernachlässigt oder versäumt war.
Der ganze Nachmittag verging in
geschäftliche-n Treppan und Treppab.
Endlich meinte Alter fertig zu fein,
steckte den lleinen Band ,,Lyrische Ge
dichtc« zu sich, eine Sammlung harm
loser, ientimentaler Poesien, -die sie
zur Einieanung erhalten hatte. in
Mußesiunden mit stets neuem Ent
riicken durchlas-A und schlüpfte ins
Freie.
Noch stand der Tag auf ieinerHöhe,
aber die Sonne war hinter Wollen
c-,etreten, der Himmel dunkel umzogen.
Alice achtete nicht daraus. Leichten
Schrittes gina sie vorwärts, an den
lvärlichen, mit weltrnden Sommer
lslumrn bestandencn Ralratten vor
über-, die schmalen, grasbemachsenen
Gattenweae entla:s.q, aus welchen als
Bari-spie des Herbstes icon hin und
miedet ein abgestorbene-« Baumblatt
tag.
Den Garten hinter sich lassend, he
trat das Mädchen die Landstraße, die
sich wie ein grauaelhes Band zwischen
den Feldern hinziehi. Ueberall heute
tein Laut, tiefe Sonntagnachinittaas
stille. Selbst die Vögel sind ver
ftumrnt, nur ein paar Feldmiiuse
haschen durch die Roggenstoppein.
Geradeaus geht es nach dem Walde,
welcher, einer dunklen Felswand
gleich- hinter den lichteren Weide
fliichen aufsteigt.
Links zweigt sich ein schlecht aehal-:
tener Fahrweg ab, der an dem Ritter
gute Dobrawih vorüber auf die
Chaussee führt.
tFortfetzung folgt.)
- -———--.--.--————-·
Poe fünfzig Jahren.
Vor einem halben Jahrhundert, arn
8. September 1855, wurde das Schick
sal einer Festung besiegelt, deren Ver
theidigung die ganze civilisikte Welt
in Erregung und Spannung gehalten
hatte. Es war das Völkerringen um
SewastopoL Den Russen standen
Franzosen, Engländer, Piemontefen
und auch Türken gegenüber. Seit dem
Jahre 1852 ioüthete der Nim
trieg. Rußland war gegen Ende des
Jahres 1854 entschieden in die Besen
sive gedrängt worden, deren festen
Rückhalt der Heer und Flotte schützen
de, am Südweftende der Keim gele
gene Kriegshafen Sewastopol bildete.
Seit dein 5. Oktober 1854 wurde leh
terer zu Wasser und zu Lande von den
Verhiindeten eingeschlossen, die iiber
etwa 130,000 Mann mit etwa 500
Geschiißen verfügten, während die
Vertheidigung sich auf nur etwa 50,
000 Mann, aber 1000 Geschiihe und
auf die fin jene Zeit mustergiiltig zu
nennenden Forts. auf Batterien der
von Westen- nach Osten sich erstrecken
den Reede und ihrer Ausbuchungen
stät-te Dagegen bestand die Verthei
digungslinie an der Land- und Süd
feite vor der Krimexpedition noch gar
nicht und war zur Zeit der Landung
der Truppen der Verbiindeten eben
erst in Angriff genommen. Dem Ge
nie des Jngenieuroffiziers vorn Platz,
Tottleben, blieb es vorbehalten, eine
Reihe von Werten angesichts und sogar
meist unter dern Feuek des Feindes zu
errichten. Vollendet war iedoch he
reits der Malatoffthur1n, der deshalb
seiner günstigen Lage und feiner außer
ordentlichen Festigleit halber mit sei
nen anliegenden Werten bald der
Brennpuntt von Angrisf und Abwehr
wurde.
Bereits am 18. Juni 18.«5 war von
günstigen Stellungen aus ein Sturm
auf Fort Redan unternommen und
hatte den Verbiindeten etwa 7000
Mann gekostet, ohne werthvollere Gr
gebnisse zu erzielen. Aber er hatte
eine Menge Lehren ertheilt, namentlich
wie ein entscheidender allgemeiner
Sturm nicht anzupacken sei, Lehren,
die besonders durch den Höchsttommam
dierenden der französischen Truppen,
General Pelissier, dem thatstichlichen
Führer der verbündeien Armeen. be-l
herzigt wurden. Noch rechnete man!
im rufsifchen Hauptauattier nicht mit
einem bestimmten Zeitpunkt, wo der!
Kampf um Sewastopol aufgegebens
werden müßte. Aber immer schwieri- ;
ger ward den Feuerschlünden des Fein- :
des gegenüber die Aufgabe des Verthei- z
digers hinter den gelockerten Böschum ;
gen und zu unsörmlichen Oeffnungen’
gewordenen Erdschaeten. !
Nacht file Nacht waren Tausende von;
Arbeitern mit Iortfchaffen der Trüm- ;
mer, mit Wiederaufbau der Schatten ;
und Bis-schien en beschäftigt, sie fielen i
den franzdsfchen Geschossen zum I
Opfer, und der nächste Tag zerstörte i
wieder die Früchte ihrer Anstrengun- .
gen. Bei Freund und Feind herrschte i
das gewitterschwangere, hellemmendel
Gesllht, daß die nunmehr 11 Monate
dauernde Belagerung baldigst an ei
nein Wendepuntt antangen müsse. 1
W
Auf der Seite der Berbiindeten fürch
tete man die Wiederholung jenes groß
artigen Aussallsunternehmens, das
am W. August die Rassen weit in die
setndlichen Stellungen des rechten
Flügels geführt, aber schließlich mit
ihrem Rückzug unter Verlust von etwa
8000 Mann geendet hatte. Der An
greifer bemerkte ferner den Bau einer
riesenhaften Brücke itber die Reede von
Sepastopol von Siid noch Nord, die
nur einem etwaigen Rückzug der· missi
schen Armee dienen konnte. Auch der
Ausbau einer zweiten Vertheidigungs
linie hinter den angegriffenen Werten
entging dem Angreiser nicht. Anderer
siits waren die aus den französischen
Laufgriiben vorgetriebenen Sappen
Anfang September dem Graben des
Malatoss-Weries bis auf 85 Schritt
nahe gerückt, und man hörte das un
heimliche Geräusch des gegenarbeiten
den Mineirrs, dessen Ausgabe es ist,
die feindlichen Angriffs-arbeiten von
unten her in die Luft zu sprengen.
Unter solchen Umständen beschloß
General Pelissier im Einvernehmen
mit General Simpson, dem Kommun
dierenden der rnalischen Truppen, den
entscheidenden Sturm siir den 8. Sep
tember. Punkt 12 Uhr brachen die
Ztnrmtolonnen der Franzosen mit
Trommelllang und vive l’empereur!
aus ihren Laufaräben hervor. Jn we
nigen Minuten sind sie an und im
Hauptgrabem die besonders lonstruir
ten Leiterbrnaen und Lenern ersuuen
ihren Zweck, und die äußere Bastion
Kornilosf wird ohne allzugrosze Opfer
von den Zuaven Mac Mahons genom
men. Trotz der gewählten Tageszeit
ist es gelungen, die Rassen zu über
raschen,·nnr die Regimenter der ersten
Linie sind in den Werten, und auch
diese thaten ihren Wachtdienst nur
wie gewöhnlich und waren zum Theil
beim Mittagessen Aber das franzö
sische Vorbrechen alarmirte sie sofort,
in wenigen Minuten sind sie gesam
melt, und war den Franzosen der erste
Schritt oerhöltnifzmäszig leicht gewor
den, so war« der zweite desto theurer
zu ersaufen. Ein mörderischer Kampf
entbrannte zwischen dem Negirnent
Praga und der Brigade Deraen um
den Besitz der inneren Bastion Zwar
pflanzt Mai- Mabon um 12:30 Uhr
am linken Schulterpnntt die Fahne
aus, weiche Pelissier benachrichtigen
soll, dass er sich in der Bastion glaube
behaupten zu können, und das Zeichen
zur Eröffnung des Angriffs aus die
anderen Fronten zu geben bestimmt
ist, aber er ist sich wohl bewußt, das
noch opfervolle Anstrengungen seiner
braven Trupp-en nöthig sind, um seine
Zuversicht zur Wahrheit werden zu
lassen. Noch vier Angrisfe waren in
dem Zeitraum bis 3 Uhr an dieser
Stelle nöthig, um etwas Terrain zlt
gewinnen. Es kam ferner hinzu, daß
der englische Angtiss auf die Reak
sront vollkommen mißlang die eng
lischen Trupden zeigten sich stark be
einflußt durch die Furcht vor den Mi
nen lwie denn der s. Sept. 1855 nicht
gerade einen Ruhmestag der englischen
Heeresgeschichte darstellt). Der fran
zösische Angtiss auf die Stadtseite
endlich verzögette sich durch Mißver
ständnisse bis 2 Uhr, und auch hier,
wo General Trochu verwundet wurde,
gewinnt man keinen Fuß breit Erde.
Dagegen war es unterdes Mac Ma
hon gelungen, schrittweise immer wei
ter vorzudringen, die in der Malalosss
thurmruine sich heldenhast wehrende
Besatzung durch brennende Schanz
törbe herauszuräucherm die Behaup
tung der eroberten inneren Bastion
durch Erdarbeiten zu sichern und sein
stolzes Wort: »J’h suis, j’h reste!«
einzulösen Und dieser Erfolg ent
schied das Schicksal der Festung.
.-.
Der Palast eines Lands-ries
träger-L
Der Palast eines Landbriestriiger3,
noch dazu in einem selteam phantastis
schen Stil von ihm se bst erbaut, —
diese wirllich einzigartige Merkwür
digkeit ist jüngst, wie ein englischer
Correspondent erichtet, in Frankreich
im Departement Drome entdeckt. Der
Briestriiger hat seinen Feenpalast
wirtlirs Stein sitr Stein mit eigener
Hand gebaut. Er hat allerdings 26
Jahre zu dem Wert gebraucht· Aus
seinen Wegen über Land sand er ei
nes Tages einen merkwürdig geform
ten Stein, der in vielen leuchtenden
Farben spielte. Da er mehrere solche
Merkwürdigkeiten sand, beschloß er,
sich daraus ein Wohnhaus zu bauen.
Er ist jetzt 69 Jahre alt, und hat 26
Jahre lang jede Mußestunde diesem
Lebenswert gewidmet.
Zum Bau verwandte er nur die von
ihm selbst gesammelten, vielsarbigen
und seltsam gestalteten Steine nnd
3500 Sack Kalt und Cernent, die ihn
etwa 81000 tosteten. Jetzt enthält
sein Palast 1000 Kubitmeter Mauer
werl, das er selbst ausgeführt hat.
Der Palast hat vier Franken von 80
nnd 35 Fuß Länge und ist 20 bis 35
Fuß hoch. Eine Iront ist die einer
arabischen Moschee, die sich über einem
Buddhistentemvel erhebt, eine andere
ahmt ein Sehn-eher Chatet nach, ist
jedoch in sarb gen Rieseln ausgeführt,
und andere Theile erinnern an einen
römischen Tempel nnd ein mittelalters
liches Schloß
Seine Sommerserien wird seht
wohl der Präsident im Winter im
Weißen hause nehmen müssen.
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