Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 29, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    ·W
Thedje Kiezlings Diamant. ·
sutnrisirte Uebertragung aus »Sit
Bits«.
Der alte Seel-dir blickte verächtlich
ans meinen TabaksbeuteL aber er
nahm trotzdem einen außerordentlichen
Posten. rollte ihn zu einem lunstgerechs
ten «Priemtje« zusammen und steckte
ihn hinter die »Kusen«. Dann begann
er sein Garn:
,,Biersig Jahre lang bin ich zur
· See gefahren, und als ’ne Regel hab’
ich gesunden, daß dieSeeleute ’ne ganz
verträgliche Sorte Menschen sind.
Aber dieser Thedje Kiesling von dem
ich jetzt erzählen will, war 'ne Aus
nahme; kein Mensch, wenn er ni »
taubfiumm war, hätte mit den zwöl »
Stunden zusammenleben können, s
ohne daß er das Verlangen gehabt;
hätte. ihm den Hals umzudrehen. Da I
war nich viel an ihn zu sehen ——’n »
großer, plumper Kerl —- abee seine«
Zunge, die that es. Nicht daß seine
Redensarten ungewöhnlich schlecht
für’n Seemann waren ———-ich bin mit
Leute gefahren. die ein Loch durch die
dickste Bohle fluchen konnten, wenn sie
richtig ärgerlich waren —, aber er
hatte das ’raus, die Leute ihre schwa
Fhen Stellen ’rauszusinden und dann
immer daran ’tumzusticheln.
Eines schönen Tages fehlte ihm
was aus seiner Koje nnd er beschul
digie Georg Lappen daß er’s genom
men hätte. und als Georgjhm höflich
genug, sagt, daß er«n Lugner war-,
sagte er: »Ich hab’ auch nie nich die
Wahrheit zu hören erwartet von’n
Mann, vereinen nich mal g’rade ins
Gesicht sehn tann.« Und Georg —
der so schrecklich schielen that, daß,
wenn er geweint hätte (was ich ihn
aber nie nich thun sah). die Thriinen
ihn höchsrwahrscheinlich den Puckel
Mntergelaufen sein würden — war
natürlicherweise wüthend. Und nach
dem spielt er immer wieder daraus
an. »Friß,« sagte er denn so recht
guåig »ich glaube, Georg kuckt nach
r .«
Da war noch ’n anderer, auf den
er’s mmer besonders abgesehen hatte,
und das war Klaus Dabelstein, der
der sicherlich die schönsten rothen
Haare hatte, die ich all mein Tage ge
sehen hab’. Thedje nannte ihn »Frau
tepp«, und stand immer da und tuckte
ihn an und hielt seine Hände über die
Augen, als wenn die Gluth von Klaus
seine hare ihn blenden thät. Klaus
wurde der reine Schatten vor Aerger
und Nachdenken. was er Thedje wohl
siir’n Namen geben tönnt’. Se waren
irr dieselbe Wache, und wenn es ihre
Zeit unter Deck war, und sie gerade
einschlafen wollten, dann rief Thedjet
««feuertopp, ich wollt’, Du decktest Dich
was überm Kovpx ich kann nich schla
fen mit'n Licht ins Zimmer.«
Und nun erst Peter, der schwarze
Koch, den wir an Bord hatten. Den
machte Thedje ganz verrückt, daß er
immer so that, als wenn es alles
schmutzig machte, waser anfaßte, in
dem daß die schwarze Farbe von ihn
abfiirben that. Einmal, als Peter
zufällig gegen ihn stieß, zegte Thedje
auf de schwarze Schmere auf senem
Hemdärmel und sagte: »Da kuck Dir
das mal an. Du Schmutzfint; warum
wäschste Dich nich?« Jeder eine, der
Lein Nigger war, hätte sehen können,
daß die Schmiere Theer war und 'ne
Woche alt, aber Peter war so er
schrocken, daß er direlt hinging und
ein Bad nahm, was, wie ich sagen
muß, sonst nich gerade seine starte
Seite war.
Es war in Sidnev, daß Thedje an
Bord kam, für die Heimreise, und die
Brig war noch nicht lange unter Se
gel, hatte er es fertig gebracht, sich
bei jedem unbrliebt zu machen. Er
schien sich aber nix daraus zu machen,
sondern fuhr fort mit seine häßlichen
Snackereien, erst eine und denn ’ne
andere. Die Geschichte wurde so
schlimm, daß bei die Zeit, daß der
alte Kahn in Sicht von Kapftadi
kam, mehr als äner in Thedje feine
Wache war, der ihn gern aus reinem
Pläfier umgebracht hätte, und er
kriegte ’nen deutlichen Wint, daß er,
wenn er keine Luft hätte, beim ersten
Sturm über Bord zu fallen, man lie
ber Urlaub an Land nehmen sollt’
und denn das Schiff verpassen.
Na, wir alle dachten, er hätt’ sich
das gemerkt, denn er nahm Urlaub
und ging an Land. Zwei Tage lang
schen wir nix nich von ihm, und die
Ruhe war einfach himmlisch, und
denn, gerade bevor daß der Anker ge
lichtet werden sollte, kam er an, fliege
lig wie immer.
»Du follteft wirklich lieber unter
Des bleiben. Feuerstadt-, wenn wir im
hafen find,« sagte er, »die Leute dach
ten. das Schiff brennte, bis ich sie von
Dein Leuchtfeuer erzählen that.«
Maus faate keinen Ton nich, aber
ich fah, wie er Georg zunickte, dann
kam Peter da längs, und natürlich
hatte Tbedje auch fiir ihn ’was. »
»Seid ’ne Masse von Deine Brüder
an Land, Peter,« fingeran. »Da is
’ne geweihte Wand in ’r Stadt mit’n l
langen, schwarzen Streifen darauf,x
und man bat mich erzählt, daß der T
von die faulen Nigger this die sich z
den ganzen Tag da anlehnten und «
nach Arbeit auzguckten.«
Peter gab ihm auch keine Antwort;
kudte bloß Klaus und Georg an.
Gut. die nächsten TYe waren still
und es passirte ntx. hedje war fo
ruppia wie immer, aber ei sprach sich
skiaähkich 'raus — von dein Peter
; . ing? gis-»ide; eifziW ixrhg Was-H
« r no im r n pr —
- . wir alle in ’nen großen thtbnen wa
— ren. Wie Sein faste, was
wirklich ’n nobler Kerl, Ort-s eine
W
Schwäche fiir persönliche Redensarten,
woran er seit seiner Geburt gelitten
Thätte, ja, noch mehr, er hätte all die
- ZZeit die Absicht, uns rechtw as gutes
»Hu thun.
»Er sagte es mich im Vertrauen
und ich weiß nich recht, ob ich s weiter
sagen darf,« sagte Peter. »Aber alt«
er an Land war in Kapitadt, lies ihn«
’n betrunkener Koffer über n Weg, der
in die Diamantenfeider gearbeitet hat
te, und Thedje taufte ihn’ nen großen
Diamanten ab —- bezahlt ihn hun
dert Mark dafür, sagt er.«
»Hundert auf’ Kopp wohl eher,«
sagt Klaus. »Ich möcht’ der Kasser
nich sein.«
»Auf jeden Fall bat er den Stein,
nnd ’n schöner Stein is es, denn ich
hab’n gesehen,« sagt Hein darauf.
»Und die Hauptsache is, wenn er’n in
hamburg verkauft bat, will er jede
in seine Wache was davon abgeben.«
Natürlich glaubte tein Mensch was
davon, und wir sagten Hein, er sollt’
seine Bisage mal aus-kochen und sehen,
ob sie denn nich ’ne andere Farbe
kriegte; aber den nächsten Abend be
stätigte Thedje selbst die Geschichte.
»Ich wollte Euch alle damit über
’raschen, aber wo Hein geschwatzt hat,
s kann ich’s ja selbst schon sagen, « sagt
jet. »Wie der Nigger zu dem Stein
i ta1n, weiß ich nich; wahrscheinlich hat
er’n gestohlen, aber das geht mir nix
an. Jch hab’ ihm all meine Erspar
nisse dafür gegeben —- hundert Mart
— und hier is er.«
Damit zog er ’ne lleine Holzschach
tel aus seine Tasche und darin lag
auf'n bischen Watte ’ne trübe, graue
Art von Kieselstein ungefähr wie die
Größe von ’n Thonpfeifenlopp.
»Rumreichen will ich ihn lieber nich,
im Fall, daß ihn einer von Euch ver
liert,' sagt er und läßt wieder sein
etelhastes Lachen los.
«Sieht man wenig nach’ ’n Dia
manten aus,« sagt Klaus nnd seht,
ohne nachzudenken, hinzu: »du is ja
kein Feuer in.« ,
»Er is genau so, wie er aus r
s Erde kommt; wenn er erst geschliffen
»is, wird er mehr Feuer haben, als
HDu in Dein Haar, und ’nen ganzen
JPost n schöner aussehen,« sagt Kies
j ling. und man sah Klaus das an,daß
es ihn leid that, daß er den Mund
; ausgemacht hatte.
; »Natürlicherweise wird er ’n gut
I Theil kleiner sein, wenn er geschlissen
I is,« fuhr Thedje fort· »Ich hab« den
,zweiten Steuermann so im allgemei
nen über Diamanten aus-gefragt, und
s nach dem, was er sagt, da kann dieser
hier so zwischen hundert- und zwei
i
f
hunderttausend Mart werth sein, und
vielleicht noch mehr.«
Nu rissen die Leute aber die Augen
’n bischen auf, und mehr als einer
davon dachte, daß Thedje doch trotz
» allem ein ganz famoser Kerl wär.
»Was willst Du damit machen,
Thedje?« fragt einer.
»Ich hab’ gedacht, ich wollt’ ne
große Kneipe tausen,« war die Ant
- wort, und einige von uns malten sich
; gleich 'n Bild von unbeschränktes
? Freibier aus.
s »Dann mußt Du aber jemand ha
s ben, der Dir dabei helfen thut,« sagt
! Christel Schmidt, der nie niichtern
? war, wenn er an Land war.
! »Wenn Du gedacht hast« Dich um
den Posten zu bewerben, denn iannfie
Dich die Mühe sparen,« sagt Kies
,ling. «Wirthschaften brauchen keine
rothe Lampe, Du solltest lieber Deine
Nase an ’ne Unfallstation oermiethen.«
Christel wollt’ eben seine Meinung
von Thedje in seine gewöhnliche bil
derreiche Weise ausdrücken, als ihm
der Diamant einfällt, und er noch
rechtzeitig seinen Mund zumachte.
,,Zu eins hab’ ich mich schon fest
entschlossen, und das is, daß ich Euch
alle von meine Wache trattiren will,«
fährt Thedje fort. »Wir wollen ’ne
ordentliche Bierreise machen, soviel
wie jeder trinken will, und dann fiir
jeden ·ne kleine Ueberraschung, die ich
aber noch für mich behalten will; Jhr
werdet’s nich eher gewahr werden, als
bis die Zeit da is.«
»Wo willste denn den Diamanten
verstauen, Thedje? Er sollt’ an ’nen
sicheren Platz sein,« saat Georg.
»Am sichersten wird er bei rnir
selbst sein, sollt’ ich meinen,« antwor
tei Kiesling
»Aber Du kannst doch am Ende
mal über Bord fallen. Denk doch
T bloß mal, was das siir ’n Verlust sein
würde,« sagt Georg und schielt nach
Klaus bin.
»Ein Verlust für Euch, aber, wo
ich denn ertrunken sein werd’, weiß
ich nich, ob ich davon graue Haare
kriegen werde.« antwortet Thedjr.
«Angenornmen, daß Du nu an
Bord stirbst, wer kriegt denn den
Diamanten?« srägt bein.
«Denn kriegen ihn die Fische, denn
ich werd’ ihn über Bord schmeißen,
wenn ich in den leiten Zügen liege,«
sagt Kieöling prompt.
Gui, das gab den Ausschlag, und
da die anderen Leute anfingen, eine
Art Oe inieresse an den Stein zu
nehmen, o nahmen sie Klaus und
Georg und Peter beiseite und machten
ihnen klar, wie nothwendig ej wär',
daß Thedje am Leben blieb.
Für den Nest von die Reise hat
Thedje das beauetnfte Leben, das Sie
sich nur denken können. Er wurde so
aufgepaßt, als wenn er ein zartes
Kindlein wär’. Wir machten den Mid
W
pen weiß, daß er sich eins von seine
Beine grauetfcht hätte und es ging im
mer einer von uns fiir ihn in den
Mast. Wir gaben ihn das Beste von
unsere Kost, aus Angst, daß seine Ge
sundheit Schaden nehmen lönnt’. und
wenn er nahe an die Reeling ging,
stand immer einer von uns parat, ihn »
zu greifen, im Fall daß sich daSSchifs
plötzlich auf die Seite legen sollte.
Wenn er über Bord gefallen wär’,
glaub« ich, wäre die ganze Wache hin- «
terher gesprungen. Und dabei war er »
so scharf wie immer; aber wir schluck- ?
ten alle seine Beleidigungen ’runter,
als wenn’s Komplimente wären. Es
war aber ’ne harte Zeit, und es war
etwas ganz gewöhnliches-, zu sehen,
wie Georg oder Klaus oder Peter —
die am meisten zlr leiden hatten, we
gen ihre natürlichen Gaben, so zu sa
gen —— über die Reeling hingen und
Dampf abließen Es wurde so
schlimm, daß selbst Hein froh war,
als wir in Hamburg ankamen.
Wir waren mit acht Mann in
Thedje feine Wache außer ihn, und fo
bald als wir abgeheuert waren, ging
er mit uns in ’ne große Wirthfchafi,
wo er ein Klubzimmer miethete und
erft mal ’n Faß Bier und ’ne Kiste
Glimmftengel bestellte für ’n Anfang.
»Nu,« sagte er, als wir es uns alle
recht bequem gemacht hatten, «miissen
wir uns über den Verlauf von den
Diamanten klar werden. Titus is nich
so leicht. als es aussehn ut, denn
wenn ich hingeh, wie ich bin, und ei
nen Stein, wie diesen hier verkaufen
will, denn würde das allerlei dumme
Fragen gehen, und meine Geschichte
würde mich tein Mensch glauben.
Kann einer von Euch ’nen guten Vor
schlag machen?«
Wir lonnten’s nich, denn wir hat
ten nie an irgend welche Schwierig
teit gedacht, und nach ’ne ungemütli
liche Pause fragte Hän Thedje, ob er
selbst keinen Plan hätte.
»Ja, das hab’ ich wohl, aber ich
dachte, vielleicht hättet Ihr einen bes
seren,« sagte Thedje. »Mein Plan is,
daß ich mich anziehe wie ’n Patent
sakle, Platthemd, Zylinder, Braten
rock, und denn ’nen Wagen nehme
und nach ’nen Juwelier fahre. Wenn
ich ordentlich ausgetratzt hin und viel
Geld zeigen tann, glaub’ ich, werden
sie wohl keine Fragens stellen. Das
einzigste is, es wird ’nen ganzen Po
sten mehr kosten, als ich habe, um die
Sache richtig zu deichseln, aber ich
will Euch sagen, was ich thun werde.
Wenn Jhr mich das Geld vorschießen
wollt, Leute — ich werde wenigstens
achthundert Mart gebrauchen —- will
ich Euch das Zehnfache zurückhezah
len, wenn der Diamant verkauft is.
Einen vollständigeren Vorschlag kann
ich doch wohl nich machen?« «
»Und wer weiß, ob Du dann wie
dertommst?« fragte Georg.
«hör ’mal zu,« sagt Thedje und
dreht sich nach ihnf um· »Du tannst
noch zurücktreten, wenn Du Lust hast;
wenn nich, denn denl daran, wen sein
Bier Du trintst. Jch wollte gerade
diesen-Punkt tlarstellen,'« fährt er
fort. «Wiihrend ich die Sachen lau
fen geh, will ich Euch den Diamant
als Sicherheit hier lassen, und wenn
ich wiederkomme, können zwei von
Euch mitgehen, wenn ich ihn ver
taufe.« -
Das schien anständig genug, und
das Geld war bald zufammen, denn
die Schanze, tausend Mart fiir hun
dert zu machen, bietet sich ’n Seemann
nich ost. Thedje holte die Schachtel
’rau3, zeigte uns den Diamant darin
und stellte sie denn aus ein Vort.
»Wenn ich in drei Stunden nich
wieder da bin, ist er Euer,« sagt er
und grinst dabei. »Ich hab’ Mittag
essen bestellt und Jhr könnt so viel zu
trinken haben, wie Jhr wollt. Wenn-J
Euch zu warm im Zimmer wird, laßt
Klaus sein Kopp zum Fenster ’rauå
stecken.«
Na, wir hatten denn Mittagessen,
und ’n gutes dazu. Mit die Weile,
daß wir damit sertia waren, waren
zwei Stunden vergangen, ohne ’ne
Spur von Thedje. Hein meinte, viel
leicht wär’ er übergesahren und einige
von die Leute sahen ganz vergnügt
aus bei den Gedanken.
»Wenn er nich zur rechten Zeit zu
rück is, denn is der Diamant unser,
er hat’s selbst gesagt,« sagt Georg.
»Zehntausend sür jedenk wenigstens.
Es wär’ ihn ganz recht geschehen,
wenn wir gar nich aus ihn warteten;
er würd’ uns nie wiedersinden.«
»So 'ne Schanze kriegen wir nie
wieder,« sagt Klaus. der wohl an
Thedje seine Abschiedsworte dacht.
Aber die anderen sagten, sie wos
ten keinen saulen Kram, und so saßen
wir denn und iuckten die Uhr an, bis
nur noch ’n paar Minuten an die Zeit
sehlten. Kein Mensch dachte an Bier,
selbst Christel Schmidt nich; jeder
von uns horchte nach Thedje, aber er
kam nich, und endlich war die Zeit
um. Eine Minute lang Konnte
keiner bewegen, nnd dann sprH
Georg nach das Vort, riß die Schach
tel runter und schwenkte sie in u Lust.
»Er is unser Er is unsers« schreit
ee nnd wir stellten und alle um ihn.
»Nimm Dich in acht, daß Du ’n
nich sallen läßt, Du hansnarri«
kreischt Dein.
»Das macht nir, wenn er’s thut;
nix kann sen Diamant kaput b
Du Torstopp,« sagt Man-.
. .
, tannste auf n Amboi legen und mit
mmer drauffchlagen.«
I irtlichi«« fagt Georg. »Na, hier
is die Probef und bevor daß einer
lvon uns ihn ftoppen konnte, hatte er
Iden Diamant auf den Fußboden ge
; legt und ftampfte mit ’n Fuß drauf.
Georg seine Füße müssen ursprünglich
fiir 'nen viel größeren Mann be
stimmt gewesen fein, und, um die
Sache noch viel schlimmer zu machen,
hatte er seine schweren Seeftiebel an.
Wir hörten einen lnirschenden Ton,
und als er feinen« Fuß aufhob, war
der Diamant-m lleiner Hausen Pul
ver.
»Da haft Du die Befcheerung«
sagt Hein.
»Oder wir, meinfte wohl«'« schreit
Georg und-· biiclt sich und hebt was
von das Pulver auf. »Das ist Glas,
weiter nix, und wir haben ihn acht
hundert Mart dafür bezahlt. Dies
war feine kleine Ueberraschung O,
wenn ich ihn jeht blos hier hätte,«
und er langte aus und stieß in die
Luft.
Na, das war klar genug, daß wir
reingelegt waren, und wenn wir da
ran denten thaten, wie wir uns mit
den Lumpen die halbe Reise angestellt
hatten, seine Arbeit gethan und ihn
gefüttert wie ’n Preisschwein, dann
giebt’s gar lein Wort, um unsere Ge
fiihle zu beschreiben. Fiir die nächsten
zehn Minuten war das Zimmer wie
’n Käfig mit wilden Thieren.
Mitten in dem Radau kam der
Wirth rein, der das Stampfen gehört
hatte, und fragte, ob wir mehr Bier
wünschten, und die Luft war so dick,
dasz er nich durchs Zimmer sehen
konnte
«Bier?« schrie Georg. »Blut woll’n
wir haben — Thedje KiKesling fein
Blut!«
Wieviel der Wirth davon hörte, weiß
ich nich, aber er lief ’rauj und lam
gleich mit ’n Zettel wieder, den er
Klaus gab, der sich ganz schwach ge
flucht hatte und gegen die Wand lehnte.
Klaus wars nur einen Blick darauf
und denn sanl er in nen Stuhl und
sing von frischem an: er lonnt' teine
neuen Worte finden. aber er brauchte
all die alten noch mal aus und brauchte
sie in ’ne neue Reihenfolge. Als die
anderen fanden. daß der Zettel die
Rechnung war für die Zimmermiethe,
das Mittagessen und all’ die anderen
Sachen, die wir gehabt hatten der
gemeine Kerl hatte selbst das nich be
zahlt — folgten sie Klaus sein Bei
spiel. Einige von die Redensarten
waren so kräftig, daß Sie fast Jhren
Hut daran hätten aushängen können,
und was die Kuer betraf, — na, der
Wirth sagte, er hätt’ nun dreißig
Jahre feine Witthschaft in die Hafen
gegend, aber er hätt’ noch nie was ge
hört, was diese Wortmalerei nahe lam
men that. atiirlich, es blieb uns nix
über, als zu berappen, und dann gin
gen wir los und suchten Thedje Kies
ling.
Zlber wir haben ihn nie gesunden!«
Die Schulreitekin.
Skizze von Gustav Wetner.
Der Zittus war start besucht. Das
Auftreten der berühmten Schmette
rin Teresa Mattoni hatte eine viel
töpftge Zuschauekmenge angelockt.
Jn den Logen zeigten sich Unähn
men der Kavalletie-Regimentet neben
Damen in diitinguirt einfachen Tos
letten. Hier und dort bemektte man
woht auch eine auffallende Schöne
mit leuchtendem, roth gefärbtem haak
und blitzendem Diamantschmuct. Da
ztvifchen bewegten sich Kavaliere, de
ten Kleiderfchnitt nach neuester Mode
und innig sicheres Auftreten unjchwek
den Sport- und Weltmann verra
then. Mit strahlenden Blicken schaute
«ein Bocksischchen, dessen rothe Wan
gen von teiner Großstadtluft ange
kränkelt waren, den Künstlern in der
Manege zu und stimmte mit silber
bellem Lachen in das dröhnende Ge
lächter des Vaters ein, der eine un
bändige Freude über die harmlosen
Scherze des Clown-B empfindet. Der
wettetseste Pelerinenmantel und der
grünliche Hut mit Spielbahnseder
kennzeichnen den herrn Papa als zu
der Klasse der Agrarier gehörig. Und
dort der dicke Großschliichtermeifter
mit den vielen Ringen an den Fin
gern: mit welchem Verständnisz er
den schönen, in Freiheit vorgesiihrten
Trakehner musterte. Er verstand et
was von den Pferden, schickte er doch
selbst seine Traber aus die Renn
bahn.
halb verborgen hinter einem Pfei
le: saß ein Mädchen. Ein dunkles
Trauetileid umschloß die ebenmäszige,
schlanke Gestalt. Das schöne, schars
geschnittene Antliß war bleich, die
Augen waren wie vom Weinen leicht
gethhet und die Mundwintel wie im
Schmerz abwärts gebogen. Theil
nahmloi zurückgelebnt hatte sie die bis
herigen Vorführungen an sich vorüber
heu lassen.
seht seste die Musik mit einem
slotten Galopp ein und herein
sprengte aus einem mächtigen Gold
suchtscetesa Mattoni im tuappen
Reitkleide, den kleinen herrenhut aus
dem vollen Blondhaot.
Ja den Logen folgte man mit ge
spannter Aufmerksamkeit nnd mit
Or
W
Kennerbticlen jedem Tritte des edlen
Vollbluts, dessen seines Köpfchen von
rothgoldener Miihe umwallt war
und dessen geblähte Nüsiern sich blut
roth stirbten.
Beim Auftreten der Schulreiterin
Mr Leben in die Einsame hinter dem
Pseiler gekommen. Sie neigte sich
vor« die Augen begannen zu glühen
die Wangen rötheten sich und der
Athem kam rasch über die halb geöff
neten Lippen. Jhr brennender Blick
hing unverwandt an der schlanke· Ge
stalt unten in der Manege und dem
schönen Pferde, das sich willig der
Leitung der kleinen Faust im Leder
handschuh fügte. Dann löste sich
langsam Thriine auf Thriine aus den
Augen und rollte über ihre Wangen
herab.
Die Vorbereitungen zu dem Haupt
ftiick des Abends, dem Riesensprung
wurden getroffen.
Die Manege wimmelte von rasch
zugreifenden Stalldienern, es ent
wickelte sich jene eilsertige Geschäftig
keit, mit welcher binnen wenigen Mi
nuten die Arbeit grschehen ist. Auch
der übexeisrige Clown, der allenthal
ben half und stets im Wege war, der
Länge lang hinschlug und unmoti
virt Radau machte, fehlte zur Unter
haltung des Publikums nicht«
Das Mädchen hinter dem Pseiler
hatte kein Auge siir die Vorgänge im
Zirlus. Dicht an der Brüstung doch
halb vom Pseiler verborgen, stehend,
die Hände krampshaft um die rothe
Polsterung der Varriere geschlossen,
so stand sie traumberloren und starrte
in wette Ferne-n
Der große Moment des Abends
nahte. Die Menge glich einem klei
nen See. Ein Holzgeriist thiirmte sich
ander Seite des Zuganges nach den
Ställen. Fansarengeschmetter be
grüßte die Schulreiterin, die auf ih
rem Goldsuchs auf dem hohen Postu
mente erschien. Aller Blicke hingen
an ihr. Ein Schenkeldruck, ein gleich
zeitig kaum merilicher Hieb mit der
Gerte, und Roß nnd Reiterin flogen
in weitem Bogen durch die Lust und
tauchten in dem schmutziggrau schim
mernden Wasser unter. Ein Augen
blick athemloser Spannung. Da
tauchten sie schon wieder auf und das
edle Thier erklomm mit seiner Bürde
das andere Ufer und hielt. zitternd
und triesend vor Rässe, doch unver
sehrt. Donnernd brauste rer Applaus
durch den Zirkus·
Das bleiche Mädchen war auf ihren
Sitz zutückgesunien. Sie hatte beide
Hände vor das Gesicht geschlagen und
ihre Brust hob und senkte sich in un
terdrücktem Schluchzen. Dann zog
sie den dichten Schleier Vor das Ant
litz, stand aus und ging mit schleppen
sdem Gang, den einen Fuß nach sich
zziehend, dem Auggange zu.
T Ein Stallmeisier begegnete ihr in
Iden Gängen. Er irat zur Seite und
xgriißte mit jener achtungsvollen
Scheu, die man dem Leid entgegen
bringi, während sie stumm dankend
vorüber schritt.
»Wer war das?« erkundigte sich,
hinzutreten-, ein aller Herr, ein stän
diger Besucher des Zirlus.
«Eine frühere Kollegin, die be
rühmteste Schulteiterin ihrer Zeil;
gegen sie ist die Matteni nur eine
Stümperin«, lautete die Antwort.
»Aber sie scheint nogojung zu s ·n.«
»Kautn Ende der anzig. in
unglücklicher Sturz auf einer Probe.
Es ist lange an ihr herumgedolieri
worden, schließlich blieb sie lahm. Sie
lan sein Pferd mehr besteigen.«
,, ·e Aerrnsie, und was thut sie
jetzt?«
»Sie ift Näherin iMi Weiß
waarengefchäft. Sie hat noch eine
tranie Mutter, für die sie mit großer
Liebe forgt. Aber vom Zirtug kann
sie nicht lassen. Der Direktor, dessen
Zugftück sie einft getvefen, hat ihr aus
Gutmüthigteit einen Freiplatz einge
räumt. Da sitzt sie Abend für Abend
und wartet auf das Auftreten der
Schulreiterin. Dann geht sie heim
und foll oft ganze Nächte hindurch
nähen nnd sticheln.«
Das fchrille Glockenzeichem das
den Schluß der Pause ankündigte,
machte der Unterhaltung ein Ende.
Nachdenilich ging der alte herr auf
feinen Platz zurück. Am anderen
Abend war er wieder im Zirlus. Er
ließ fein Opernglas in die Runde
wandern. Nach langem Suchen fand
er, was er zu fehen erwartete: das
schlanke Mädchen im Trauerileid, das
tslaffe Antlitz und die dunkeln Augen,
die .wie gebannt an der Schuleeiterin
in der Manege hingen.
Bergleichend folgte fein Blick dem
ihren.
hier wir dort: Jugend, Schönheit,
Können. Diefe genießend und im
Vollbefih der Kraft — jene ausge
schlossen, fortgewtefen vom Tische des
Lebens und das Detz doch voll het
ßer Sehnsucht nach dem einft Besesse
nen.
«Menfthenfchickfale«, murmelte er
vor fich hin und ließ das Glas sinken.
sen der Sah-einen
A.: «Sag' mal, was ftectft Du denn
da in die Weftentafche?«
Q: «Einen Zahnftocher, vielleicht
leitdkt mich Jemand zum Mittagessen
e n «
W
Große Geistesgegenwart.
—
Humoreske von Th. M ii lle r.
Die Bürgergefellschaft Harmonie«
tultivirte unter andern gesellschaftli
chen Veranstaltungen auch ein Lied
habettheater. Schade war es freilich,
daß unter den Mitgliedern nicht im
mer jene Einigkeit zu herrschen pflegte,
welche ein gedeihliches Zusammenwir
ken bedingt.
Seil-strebend stand dabei im Vorder
grunde der bekannte Rollenneid, und
es war oft recht betrüblich, mitansehen
zu müssen, wie manchmal sogar bei
offenek Szene sich Dinge ereigneten,
die nicht dazu angethan waren, die in
nere Einigkeit erstatten zu lassen, son
dern direkt auf das Gegentheil hinari
bit-ten
So hatte sich Herr Meier einmal
den beiden des zur Ausführung kom
menden Stückes erträumt, und was
bekam er? Eine elende erbärmliche
«Charge«, eine Dienerrollei Meier
fchiiumte und war aus feinen Neben
bubler Müller, der den helden —- na
türlich durch seine Jntrigantentiinftet
—- erhalten hatte, entsetzlich geladen.
Mit einer Feindseligteit sonderglei
chen gegen sich selbst zermarterte er sein
Gehirn. »diesen Kerl« auf den Tod zu
blamiren — und er fand etwas!
Seine Rolle verlangte, daß er dem
verhaßten Müller einen humpen Wein
zu reichen hatte-—und dieser Moment
sollte seiner Rache dienen — —- denn
Miiller mußte, seiner Rolle nach, diesen
humpen leeren!
Meter trank also vor der Ausfüh
rung den guten-Wein, den er Müller
reichen sollte, heimlich selbst aug,
mischte dann für Müller in dem Becher
ein Gebrün zusammen . . . ein Ge
bräu . . . schweigen wir lieber davon!
Und dazu murmelte der Erbärmlich-r
noch: »Wohl betomm’s!« und lächelte
sein infamstes Lächeln!
Die für Müller verhängnißvoll
werden sollende Szene war da.
Meier als Diener reichte ihm auf ei
nem stlet den Humpen mit dem . . .
»Trans« und seine schwarze Seele
machte in seinem verruchten Körper
vor Freude die tollsten Sprünge.
Müller nahm den Humpen mit groß
artigem Anstand von dem Tablett,
setzte ihn an den Mund, und die Ve
wegung seines außerordentlich üppig
entwickelten »Adamsapfels«, bezw.
Kebliopfes zeigte den Zuschauern, daß
er sich einen gewaltigen Schluck ein
verleibt haben mußte.
Meiers Gesichtsausdruck zeigte das
Höchste an reiner Freude, was ein
Menschenantiitz überhaupt auszudrü
cken imstande ist: — «ganz aus dem
Häuschen«, hieß der Grad.
Aber die Besiie in ihm hatte zu früh
triumphirt; fie glaubte Müller schon
gänzlich vernichtet — dieser war jedoch
Häher und schlagfertiger, als es sich
Meter geträumt hatte
Allerdings, es tann nicht geleugnet
werden« Müllers Mienenspiel war ein
-
höchst dramatischer-. Der entsetzliche
Geschmack ließ ihn den Mund weit
über das Maß des Schönen ausma
chen und die Augen bekamen sogar
einen höchst unintelliaenten Ausdruck
—- aber es waren diese Symptome
fabelhafter innerer Ueberraschtheit
und gewaltiaer Abneigung nur den
dritten Theil einer Minute sichtbar
und ebenso waren die würgenden Be
wegungen des so sehr entwickelten
Kehltopses uin teine Selunde länger
zu beobachten s— dann hatte sich der
Liebhaberniime gefaßt, und in gewal
tigem Schwunge hatte er dein Tie
ner, Herrn Meter, den Nest des
Trankeg in das Gesicht geschleudert
und donnerte in seinem getvaltigsten
Tone:
»Schust, Tu hast die falsche Sorte
erwischt!«
Natürlich raste das Publikum vor
Avptaus, und Meier zog sich als der
stärker Blaniirte zurück... er hatte
Müllers Geistesgeaenivarl bei Weitem
zu gering eingeschöntt
W
Pflamenwuetliiöåetnter Azetnlens
Zwei Professoren der Cornell Uni
versität, Bailey und Crah, haben Ver
suche gemacht, nni die Wirkungen des
Aretylenlichtö auf Pflanzen festzustel
len. Es wurden Lilien, Kalteem Erb
sen und Nadieschen zu- deanperimen
ten herangezogen. Um den Einfluß
desAcethlenlichts genau beurtheilen zu
können, wurden gleichzeitig Pflanzen
derselben Arten theils bei gewöhnli
chern Tageslicht, theils bei völliger
Dunkelheit gehalten und beobachtet.
Es stellte sich heraus, daß dasWachh
thum der Pflanzen sehr wesentlich
fördert wurde, wenn sie ta s g:
Sonne, Nachts deni Aectylenli t aus
geseht wurden. Ein Sa Nadies n
entwickelte sich dabei mit oppelter
schwindigleit, 37 so gezogene Rai-iet
ehen wogen 136 Gramm, während R
nur bei Tageslicht ehaltene nur Sl
Gramm wogen, at o weniger als die
Halfte. An den Erbsenpflanzen wa
ren bei den rnit Aeethlenli t be adel
ten schon Blüthen und tle ne ten
entwickelt, während zu gleicher Zeit bei
den nur vom Sonnenlicht bestrahlt ge
wesenen noch nicht einmal Knospe
sichtbar waren.
Moder-ne Gewissen-.
Um ganz sicher zu gehen, sollten die
Bauten nicht nur das Geld, sondern
auch ihre —-· Kassirer einsperren.