.W Tnein Vers sind deine Stimme. Laß tief in dir nnxh lesen, Verhehl’ auch dies mit nicht, Was für ein Zauberwesen Aus deiner Stimme spricht! So viele Worte dringen An’s Ohr Uns ohne Plan, Und während sie verklingen, Jst alles abgethan. Doch drängt auch nur von ferne Dein Ton zu mir sich het, Bebt-reif ich ihn so gerne, Berges-J ich ihn so schwer! Jch bebe dann, entglimme Von allzu rascher Gluth: Mein Herz und deine Stimme Versteh’n sich gar zu gut! A. v. Platten Der Schicksals-Ring i Novellette von K. E. Francillon Bislupsti. —-.-—— 1. Als bloßes Schmuckstiict betrachtet, konnte er nicht sonderlich werthvoll sein, der alte Ring, und doch galt er dafür. Ob ihm die vielen zarten Hände, die er im Laufe der Jahre ge schmückt, diesen Werth verliehen hat ten —- alle die Hände, die er an das Haus Farncroft gefesselt hatte, damit sie fortbauen halfen an seinem Glück und seiner Ehre? Der Ring trug einen Dentspruch, nur die schlichten Worte: ,,Bindest du?'« Es hatte fast den Anschein, als sei er das Geschenk eines grübelnden Ztveislers und nicht das sinnige An gebinde eines seligen Bräutigams ge wesen. Und doch war er einst mit sei ner schönen Frage als Liebeggabe für ein holdes Wesen bestimmt. Nie mand wußte mehr recht, wann das geschehen war, aber er ward seitdem zum Eigenthum jeder Braut in der Familie von Generation zu Genera tion. Und eg war, als halte dieser schlichte Ring das Gliirl der Parris fest aus dem alten Landsitz Farncrosi. Die Familie blühte aus zu einem schö nen. angesehenen Geschlecht, das nicht nur gute Landivirthe, sondern auch vortreffliche Eheinänner sein nannte. Nie hörte man hier von einer Miß ernte, aber ebensowenig auch von ei ner unglücklichen Ehe. Lukas Partis, der siebente oder achte derjenigen, die den Ring ver schentten, stand mit seiner kleinen Braut am Fenster des ehrwürdigen Wohnzimmers. Er sah ernst und verstimmt aus. »Ich liebe doch die Hhazinthen so,«' sagte ste; ,.toarum willst du mir nicht da die Bitte erfüllen, hier vor den Fenstern ein Beet dafitr anlegen zu lassen?« »Es kann nicht sein, Marion, er widerte er, und in seinem hübschen Gesicht trat ein trotziger Zug hervor. Er war ein echter Patris —- groß, stattlich, von rein angelsiichsischer Rasse und eigenwilligem Charakter »Ja, aber warum tann es denn nicht sein? Wenn du wenigstens sag test, es soll nicht sein« so xviirde ich es verstehen — aber so —- —s- —'« Sie war tein Rassegeschöpf, ein tleines, anschmiegendeg Wesen, das nur nach den Regeln von den sich be rührenden Gegensätzen einen Partis gefesselt haben konnte. »Es ist niemals so gewesen« drurn soll es auch ietzt nicht so sein,« sagte er· »Meine Vorfahren wiirden sich im Grabe umdrehen, wollte ich hier die alte Kastanie und den Rasen aus rotten, um ein modernes Blumenbeet « « an nilsnsn »Ach Lukas, ich glaube, das könn ten sie nicht, wenn sie es auch versuch ten —- selbst mit Hilfe des Todten griibers nicht,« erwiderte sie und lachte. »Sie würden sich im Grabe um« drehen,'« erwiderte er, »wenn et was nach ihrem Tode geschähe, was zu ihren Lebzeiten nicht erlaubt war.« »Bist du denn aber sicher, daß tei ner von ihnen bor vier Wochen Frei iibungen im Grabe anstellte, damals, als du mir diesen Ring hier an den Finger stecktest?" spottete sie und hielt ihm die tleine Hand vor die Augen. Ach, er war so durchaus nicht sicher, ob seine Vorfahren seine Wahl gebil ligt hätten —- die Wahl dieser Klei nen, die so arm war und so tempera mentvotl —- ——— so ganz anders-, als sonst die sonsten Frauen und Mütter von Farncrost gewesen. »Das ist etwas ganz Anderes!« sagte er ahwehrend. ,,tftwas Anderes-? Ja, dann hast du mich gegen ihren Willen gewählt, und jetzt nimmst du mir zum Trotz ihre Partei: Lukas, du hast die Wahl zwischen jenen Todten und mir, der Lehenden." »Komm, Marion, sei gut, das ist ja Unsinn! Du mußt doch einsehen, daß —— —— daß --——'« Daß er- ein unbeugsamer Starr tops wor, der nicht widerrusen konnte, was er einmal gesagt hatte, — da ran dachte er freilich nicht. »Dann also nicht! Auch-gut! Jch will meine Weniateit nicht euren gkdßqkklgm»Pti-tzipieti gegenüberstel IM- Abkt Ich basse alle todten Par tisz ich hasse sie allesannnt. Einem Ästäthgåä Staats- Anzejger Und THE-rollt J P. Windolph, Herausgeber. Grund Island Nein-» 22 September 1905 HwetterThetU Jahrgang 26 No 4 WLebenden zu Liebe würde ich meine sämmtlichen Wünsche, meine Lieb habereien —- mein Alles —-— Alles aufgeben, wenn er’s verlangte -—- und so gern —- aher den Todten mich un terwerfen — ——— nein -—— das will ich nicht! Hörst du? Jch will es nicht!« Siezog den Ring, den sie vier Wo chen lang getragen, vom Finger und wars ihn fort, daß er wirbelnd in den Abendnebel hinaus-flog »Da fliegt er!« rief sie, ,,mögen sie ihn behalten. Nur wenn du ihn suchst und ihn von neuem zu deinem Eigen thum machst, daran die Todten tei nen Theil mehr haben —- nur wenn du —- ——— ihn mir in diesem Sinne wiederbringst, will ich ihn tragen.« »Und das wird nie der Fall sein, wenn er nicht durch Zufall in meine Hände zurückgelangt,« sagte er mit starrem Blick und blaß bis an die Lippen. »Wo du ihn hingeworfen hast, da soll er meinetwegen auch lie gen bleiben!« 2. Wie hatte nur aus der so lächerlich kleinen Ursache ein so ernster Streit entstehen tiinnen2 Indessen ----- der Zusammenstosz der Charaktere sei nes stolzen, schroffen, eigenwilligen mit ihrem schnellen, hitzigen und nicht minder stolzen — hätte doch einmal kommen mässem Marion glaubte nicht« daß sein Schwur ernst gemeint sci, und doch hätte sie, alg der erste Zorn verflogen war, gern alles gethan, um die über eilte That ungeschehen zu machen. Vorläufig freilich ging sie in dem an genehmen Gefühl, »als Siegerin aus dem Kampfe hervorgegangen zu sein« allein durch die dämmrigen Felder ins Dorf nach Haufe. »Er wird den Ring finden und wir wiederbringen, und dann foll er nie mehr von den dummen Blumen hören, und ich hoffentlich auch nie wieder von den alten grauen Gefpenftern, de ren Sklave er ift. Morgen werde ich ihn wieder haben s— einen freien Mann.« So suchte ihr Stolz die im Herzen keimende Neue zu befchwichtigen; aber sie hatte nicht den Blick gesehen, mit dem ihr feine Augen gefolgt waren, als sie davonging. Er wußte wohl, was er gethan, als er fchwor, daß der Ring von fel ber in feine Hand gelangen müsse, ehe er ihn in die ihre zurückgäbr. Er hatte ein Wunder herausgefordert! Marion hatte recht: er war verfolgt von Ge fpenftern —— von den Geistern feines Geschlechts, von denen keiner jemals um Haares-breite von einem gegebenen Worte abgewichen war. Er wußte —- fo gewiß, wie er lebte — daß fein Herz eher brechen würde, ehe er fein Wort brach. Und Marions Vielleicht würde sie auch darunter lei den; aber was war ihr Schmerz gegen das bittere Leid, das feine Seele er füllte. Dadurch, daß sie das durch Ge nerationen gehegte Symbol feiner Fa milientreue fortwarf, hatte fie feinen Stolz auf’s,tieffte verletzt und ihn bis in’s innerfte Mart verwundet. Der Liebe wäre das Finden des Ringes »—s mochte er noch fo verfteckt fein — ebenfo leicht geworden, wie das Su .chen; aber gegen den bloßen Zufall war-n die Chancen wie taufend zu « eins-. wi ’ Darum War es tvoyt mehr eine seu )gung und nicht bloßer Zufall, das-, ! Lukas in der Frühe des nächsten Mor gens nach der schlaslosen Nacht, die dem ersten Streit gefolgt war, viötzE lich in dem Grase zu seinen Füßen et was Funkelndes gewahrte, das heller war als der Thau. Er sah den Ring; der schien ihm zuzuglänzem »Da bin ich, sei nicht mehr böse; wer wird denn grollen im lichten Sonnenschein?« —— und unwillkürlich blieb er stehen und langte danach. Der Ring war nur noch strohhalmbreit von seiner Hand entfernt —- s- aber in der nächsten Se kunde schon überstimmte der kiihle Verstand den warmen Herzens-trieb Mit jähem Ruck richtete er sich auf und stürzte davon, als wolle er einer gefährlichen Versuchung entrinnen. Als er in unwiderstehlichem Drange nach kurzer Zeit wieder an derselben Stelle vorüberging, vielleicht mit der hetmlichen Absicht, nachzugehen, da war es zu spät! Der sRing war fort! —- Nur der Schwur blieb. Z. Herbst und Winter vergingen, und es kam der Frühling. Marion, die an einem ärmlichen Krankenlager in der Hütte saß, war noch immer Ma rion Rahne; aber nicht mehr dieselbe, die sie sriiher gewesen. Jhr Gesicht war blaß und schmal geworden, und der lachende Uebermuth war aus den dunklen Augen verschwunden ,,Es wird Ihnen komisch scheinen, Fräuleinchen, es ist ja auch ein so dummer Gedanke«, sagte die alte Frau, deren Geplauder Marion ge duldig lauschte; »aber es scheint mir immer, daß der liebe Gott die Zim merpflanzen eigens für uns Krüppel erdacht hat, und wie mein Enkel mir vorhin den Hhazinthentopf brachte, da war es mir, als ob Gott mich grüßte. — Wollen Sie nicht einmal sehen, Fräuleinchen, ob die Blume nicht schon sprießt2 Vielleicht blüht sie gerade, wenn mein lieber gnädiger Herr nach Farncroft zurücktommt. Mich wird er dann wohl gleich zuerst besuchen —"—— ich habe ihn doch auf mei nen Knieen geschaukelt —- ja, zu mir kommt er gewiß, wenn er hört, daß ich krank gewesen, so lange er fort war —- den ganzen langen, langen Winter hindurch!« Marion blickte nach den Blumen topf, ohne ihn recht zu sehen, und schickte sich zum Gehen an. »Die Hyazinthe ist noch weit zu riick«, sagte sie scheinbar gleichgiltig, »die; sie blüht, komme ich wohl noch öfter her.« Und dann setzte sie plötz lich in scharfem Tone hinzu: ,,Also Herr Parris tommt bald von seiner Reise zurück? — — Ach ja, ich vergaß ganz, Dir zu sagen, daß ich verreisen werde, da werde ich kaum noch wieder kommen tönnen.« »Ach, liebes Kind, es ist eine böse, böse Nachricht, die verdirbt mir ganz die andere gute. Wohin wollen Sie denn?« »Ich weiß noch nicht bestimmt, nach London oder ins Ausland. Sieh mal, ich muß doch irgend etwas an fangen, nun mein Mutrchen auch schlafen gegangen ist und mich nicht mehr braucht.« »Sie wollen nicht warten, bis der Herr nach Hause kommt?« fragte die Alte. »Nein, Sarab; denn was tijmmert mich Herr Patrist —- Nun lebe wohll« Sie reichte der Alten die Hand, vermied es aber, sie anzusehen. Als sie sich der Thür zuwandte, stand sie Auge in Auge dem Manne gegen über, den sie in diesem Leben nicht wiederzusehen dachte. Verstört blick ten sie einander an, beide mit todten blossen Gesichtern. »Ich hörte, Du wärest nach dem Verlust, den Du erlitten hast, fortge lzogen,« stammelte er, »ich wollte nur einmal nach Sarah sehen — —« »Ja, ich gehe schon,« sagte Marion hochmüthig. »Jetzt nach Hause und dann weiter fort. — —— —- Deine Hyazinthe werde ich nun doch nicht mehr blühen sehen, Sarab; aber das thut ja auch nichtg.« Sie beugte sich über die Alte, um Abschied von ihr zu nehmen. Lukas war an das Fenster getreten und blickte auf den Blumentopf, ohne zu sehen, daß da die Pflanze stand, die eine so große Rolle in seinem Leben gespielt hatte, daß sie die Veranlassung zur Trennung zwischen ihm und Mai . rion geworden. Sie wollte also fort, augenschein flich, weil er · in dem Glauben, sie« ssei schon fort ———- nach Hause gekom furen war. Ein ferneres Zusammen treffen würde ihm also erspart blei sben, und das war gut. Denn er; smertte jetzt bei ihrem Anblick, wies »sehr er sie noch immer liebte, während - Isie ihn zu verachten schien isarahs Blumentopf. Da saßten sie? i Seine Finger berührten aufgeregt I — ihnt unbewußt —— plötzlich etwagi !Härtereg, als es die sprießendens Blätter der Pflanzentnolle sein lonn ( »ten, und er hätte nachher daraufj schwören mögen, daß er ein zauber- j seines Wispern vernahm: »Da bins ich und bringe Dir Dein Glück wie ’ der, das Du in thörichtem Eigensinng » von Dir wiesest!« —--- -—- « ! Zuweilen geschehen doch noch Wu» ider aus der Welt. War es nicht einJ Molche-T daß der Ring, der ver lStreit entbrannte, wieder alles gut t machen wollen? »Bindest Du?« las Lukas-. Er wandte sich zu Marion und hob das glänzende Kleinod hoch; aber heller als dieses strahlten seine Augen, in ihnen glänzte lauter Sonnenschein. »Du gehst nicht fortl« sagte er und breitete die Arme aus Aufschluchzend sanl sie an seine Brust. Und beide ischwuren sich in dieser Stunde, nie wieder in kindlichem Eigentvillen auf hre Rechte pochen zu wollen So wur den sie trotz ihrer Verschiedenheiten ei ines der glücklichsten Paare im alten Hause FarncrosL als hatte die Htmzinthe, um die derl schinähte und wieder so heiß herbei s gesehnte in diese Blumeneroe gerieth und ungesucht und ungefunden ins ,,Jck höre allenS!« Humoresle von K. Avenell. ,,Mutti, ist es immer noch nicht Vier Uhr?« fragte der sechs-jährige Kutt ungeduldig. »Der Müller wollte schon um Dreiviertel hier sein und sich meinen Geburtstagstisch in Ruhe ansehen. Bitte, Mutti, zieh schnell den Phonographen noch einmal auf nnd laß ihn Leue, liebe Lene singen, das Lied gefällt mir am besten!« Es klingelte, Kurt flog nach der Entreethür, kam aber gleich mit sehr langem Gesicht zurück. »Es ist Frau Bagemiihl, Martha hat sie in den Salon geführt. Jch habe gestern und heute wirklich kein bischen getobt, Muitichen!« Kurtchens Mut ter ging mit etwas klopfendem Herzen in den Salon, denn der Besuch der Wirthin bedeutete gewöhnlich Aerger. Frau Bäckermeister Bagemühl, eine tleine, kugelrunde Frau, Ende der Fünszig mit hellblonder, gescheitelter Perrijcke, und sehr regelmäßigen, fal schen Zähnen paßte sehr wenig, in dem mausgrauen Mohairkleid mit der gestärkten Halsrüsche und der umle ganten schwarzen Alpalaschürze, in den kunstsinnig eingerichteten Salon der Frau Berger. »Bitte, nehmen Sie doch Platz, Frau Bagemühl," bat die junge Frau liebenswürdig »Eigentlich nicht gerne, Frau Ber ger, auf ihren stilisirten Sesseln habe ich immer Angst, das Genick zu bre chen. Haben Sie die einzeln »vor alt« gekauft, weil sie so verschieden sind und so verschossen in der Farbe? Aber wag ick sagen wollte, ist Jhr Mann schon ins Theater?« »Ja. mein Mann hat Probe, er hat wohl gestern Abend ein wenig lange geijbt,« sagte Frau Ella, »aber sehen Sie, er studirt jetzt den fliegen den Holländer und da « »Nee, des-halb lomme ich nicht,« unterbrach die Wirthin, »obgleich das ewige Gesinge mir auch ost ein Weuel ist, denn ick höre und sehe allens, aber das habe ick ja gewußt, daß Jhr Mann nicht zu seinem nnd« meinem Vergnügen singt, als ich ihm die Wohnung vermiethet hab:.« Schüchtern sorjchre die junge Frau weiter: »Gut Kurtchen wieder . . » Pserdebahn über meinem Bett ge jpielt,«-ergänzte die Alte. »Ja, hat er nebenbei und auch Jhr Hund hat friih um 5 Uhr laut gebellt, aber davon rede ich erst gar nicht. Weil Sie so hübsch und so jung sind, legt sich mein Oller schon immer ins Mit tel fiir Sie. Er läßt Jhnen ja auch Jhr Hamburger Feinbrot hacken, das macht auch nur Arbeit, und bringt nicht ein! Ja, ja, ick höre und sehe allens!« Frau Bergers Geduld kam etwas ins Wanken. »Warum haben Sie sich also heraufbemiiht, Frau Baaemül)l?« »Dat werde ict Ihnen gleich sagen! Die Wirthschast mit Jhre Mädchens paßt mir nicht. Was zu viel ist, ist zu viel! Seitdem Jhre beiden hier immer mit himmerblaue und rosen rothe Waschtleider, Spitzenhäubchen nnd ausgeschnittene Lackschuhe mit tfohe Hacken wie aufs Theater herum laufen, wollen meine Christine undI der Räthin ihre Minna auch hell ge ben! Als ob die Mädchens in dem Aufzug arbeiten und scheuern tön ncn!« - »Ich kenne es von Hamburg her nicht anders, und halte darauf, daß Die Mädchen . . .« »Halten Sie, was Sie wollen,« är gerte sich die Wirthin, die nie einen anderen ausreden ließ —-— »Aber ick -—— ict verbitte mir jeden Verkehr zwischen ihre Damens mit meiner Christine und der Frau Rath ihrer Minna. Die Haare wollte sich »Meine« gestern brennen, wie Jhre Martha, nächstens empfängt sie auch Herrenbesuch in der Itiiche, wie die Ida. Jst das auch in Hamburg Sitte?« Frau Berger fühlte, wie der Aerger sie Packte und entgegnete sehr be stimmt: ,,Jda ist f; Jahre bei mir und ist seit einem Jahr mit einem Brieftriiger Verlobt, daß weiß ich« —— —— — ,,So wissen Sie auch, daß er jeden Abend zum Besuch kommt und bis tief in die Nacht hinein bleibt?« »Nein, er kommt durchaus nicht täglich, sondern nur mit meinem Wis sen und nur, wenn ich selbst zu Hause bin und geht auch stets vor 10 Uhr fort. — Jch finde durch allzu große Strenge zwingt man die Leute nur zu Heimlichkeitem mir ist es lieber der Mann kommt mit meinem Wissen in die Küche, als das Mädchen steht heimlich mit ihm aus der Treppe! Und jetzt entschuldigen Sie mich, Frau Bagemühl, mein Kurt hat Geburts tag, hat seine Freunde eingeladen und ich muß mich um die kleine Gesellschaft kümmern. Ich werde mein Mädchen bitten, nicht mehr mit Christine und Minna zu verkehren« — Frau Bagemijhl stand so rasch auf, daß der Sessel umflog, und sagte spöttisch: ,,Bitten ist jut," sehr jut! Bitten Sie auch Jhren Hund, daß er Nachts nicht mehr bellt. Zu Kutten seinem Ge burtstag gratulire ich Jhnen auch’und wünsche Ihnen, daß er manierlicher und gesitteter wird; als er die Masern hatte, war er noch am nettesten. Adjes auch!« Wie erlöst war Frau Ella, als end lich die Wirthin verschwunden war. Um den Eßtisch herum saßen 14 kleine Knaben, jeder mit einem seinge zogenen Scheitel, jeder bis an den Hals in einer großen Serviette ste ckend, jeder in der Linken einen Guß zwiebacl haltend und mit der Rechten Chololade löffelnd. Gesprochen wurde gar nicht. Frau Ella war diese Ruhe etwas beängstigend. Leider blieb dieser Friede nicht. Hans Müller rief Plötzlich über den Tisch: , »Du, Berger, deine Mania sieht aber gar nicht aus wie eine Frau, son dern wie ein Fräulein!« Kurt hielt dies für eine Beleidi gung, sprang auf und gab dem Müller eine Ohrfeige. Dies schien das Signal zu sein für eine allgemeine Keilerei. Bäche von Chotolade flossen über das Tischtuch, nur mit Mühe gelang es der energischen Martha einigermaßen Ruhe zu schaffen. — Frau Berger zog jetzt den neuen Phonographen auf — das hals. - — Gewiß eine Stunde lauschten die Kinder. Die Arie des Figaro und das Lied von der letzten Rose wurde bald abgesetzt, denn viel besser gefielen die Couplets von der kleinen Frau und dem kleinen Kohn und die Gassenhauer Lene, liebe Lene und Kille, iille Planlow. Aber immer wieder mußte Frau Ella eine Walze ausziehen, welche sie der ordinären Redensarten wegen zuerst nicht kausen wollte. Dies war eine drastisch aus gesiihrte Grunewaldszene, bei welcher ein Schlächtermeister sich gründlich mit seiner Frau zanlte, ihr Prügel anbot, wosür sie sich mit den schönsten zoologischen Schimpsworten bedankte. Martha, welche bei dem Aus- und Einpacken der Walzen hals, verstand es einzurichten, daß gerade diese Speltakelszene immer wieder an die Reihe lam. Plötzlich aber wollte Hans Müller wildes Pferd spielen, Otto Schulze oeranstaltete einen Jndianerlrieg, und andere Knaten rasten als Feuerwehr durch die Wohnung und der Rest gab eine Cirlusrorstellung. FrauBeraer athmete erst aus, als es 7 Uhr schlug und das wilde Heer nach Hause zog. Am liebsten hätte sie sich jetzt auf das Sosa gelegt, aber da sie sich mit ihrem Mann um 8 Uhr bei Kempinszti rerabredet hatte, blieb keine Zeit mehr. Rasch zog sie sich eine mattblaue Bluse an, welche der schlan ken, blonden Frau sehr gut stand. Martha, welche Hut und Jacke brachte, bekam den Befehl. Kurt gleich zu Bett zu bringen und den Phonographen gut fort zu setzen. Als Frau Ella zu Kempingti kam, fand sie ihren Mann in heiterster Stimmung mit ein paar Freunden bei einer Flasche Sekt. «Prosit, Ella, mein Kind, unser Kurt soll leben«, rief er vergnügt. Herr Bergen eTn großer, brünnetter sehr lebhafter Herr, bildete einen eigen artigen Gegensatz zu der sanften, zierlichen, blonden Frau und man mußte ejss ganz natürlich finden, daß er sie stets ,,mein Kind» nannte. Viel wurde getrunken und mehr noch ge lacht und erst sehr spät kamen Bergers nach Hause. Sie waren kaum in ihre Wohnung eingetreten, als es heftig gegen die Entreethür klopfte. — Ver-— ger öffnete selbst. Vor ihm stand die Wirthin mit einer Laterne, neben ihr der Bäckermeister im bunten Schlafrock. Müde und ängstlich guck te ine tvasserblauen Augen über die g e Hornbrille fort, während seine Frau erregt rief: »Ich höre und sehe allens, und da rum haben wir Ihnen aufgepaßt, denn selbst sollen Sie sich überzeugen, dan der Briesträger auch ohne Jshr Wissen und Nachts im Hause ist. Und wie hat er mich beschimpft, der Brief träger, ja er und Ihre Mädchen ——— nicht wahr Bagemiilxl?« »Ja, Lenchen, aber . . .« »Widersprich mir nicht, Bagetniihl. du hast eg selbst gehört, wie der Mensch gerufen hat: Keile soll sie ha ben und wie die Jda geschrien hat. olles Kamel und oller Affe! Und er W hat noch gesagt, von einer ungebilde ten Person kann man nicht mehr ver langen. —- Aber selbst sagen werde ich’s Ihnen, daß ick so viel Bildung habe, wie Sie alle zusammen nicht·.« Ohne zu fragen eilte die Wirthin mit der Laterne durch das Eßzimmer. Kaum öffnete· sie die Thiir zum Hin terkorridor, da ertönte laut und deut lich der Gesang einer Männerstimme an ihr Ohr: »Lene, liebe Lene, sei doch wieder gut, ist ja gar nicht schene, biste so in Wuth!« Doch wer beschreibt ihre Enttäusch ung, als sie in der Küche nur die bei den Mädchen fand und die»Männer stimme ihr aus einem großen Blech trichter entgegen dröhnte. Jda und Martha fuhren entsetzt in die Höhe, als Frau Bagemiihl so plötzlich vor ihnen stand. Diese beruhigte sich erst vollständig, als die Mädchen betheuer ten, das-, sie den Phonographen nur zu ihrem eigenen Vergnügen ausgezogen hatten und daß weder das Lied von der Lene noch das Schimpsen eine böse Absicht gewesen sei. Frau Ella gestand, sie habe ganz vergessen, die .Bestellun·a der Wirthin den Mädchen auszurichten Jetzt bat Herr Berger die Wirthgleute gemäthlich ins Eß zimrner zu kommen und dort ein Gias Moselwein zu trinken. Er selbst zog jetzt eine Walze nach der andern auf und hatte sein Vergnü zgen an dem naiven Staunen seiner ? Gäste. l Als der Phonograph mit blecherner Eintönigkeit das Liedchen sang: »Trinke, Liebchen, trinke schnell, trin ken macht die Augen hell«, that Frau Bagemühl einen großen Schluck, drückte Herrn Berger kräftig die Hand und erklärte seierlichst: »Ich höre und sehe zwar sonst al lens, aber diesmal — —- habe ich mir ver — ver —- vergalloperiert.« Das Weinen. Folgende Aus-spräche über das Wei nen stellt die Zeitschrift »Das Aeu ßere« zusammen: Viele Wittwen be weinen ihren Gatten solange, weil Das Weinen so blaß und so interes sant macht. (Charles Blunt.) — Männer weinen nur, wenn sie ihr Theuerstes verloren haben, Frauen auch, wenn sie etwas Theueres be lkommen wollen. (Mark Twain.) — IDes Mannes Thränen sind immer echt, des Weibes Thriinen meistens falsch (Balzac.) — Der Frauen stärkste Waffe ist die Thräne. (Mad. Recamier.) — Wir Frauen weinen öfter aus Affektirtheit als aus wirk lichem Schmerz. (Mad. de Stael.) — Frauen ertragen den. Schmerz mann haster als der Mann, und doch wei nen sie so viel mehr. Woher mag das kommen? (Prof. Albert.) —— Män ner, die weinen, sind unausstehlich, Frauen, die weinen, unwiderstehlich. (Scribe.) Beim Magus-. Aus Koburg wird geschrieben: Bei »dem Einzug des jungen Herzogs soll ;sich ein nettes Stückchen zugetragen haben. Der Bürgermeister einer klei nen Gemeinde vom Lande wurde dein !Herzog als dieser die Grenze derStadt b,etrat vorgestellt Der Himmel war Hsriichtig blau und die Sonne lachte lerrlich hernieder. Der Bürgermeister Ijedoch hatte keinen Sinn für diese me Iteorologischen Thatsachen; seine Kar ltofseln und sein Heu lagen ihm mehr am Herzen als das schönste Wetter Unbesangen ging er auf den Herzog zu, reichte ihm die Hand und sagte: »An Nagen, Herr Herzog, brauchet mar halt tacht nothwendig!« Hoffentlich hat der junge· Fürst die sen Wink verstanden und sogleich An ordnung gegeben, daß es tüchtig regne. — Die neucfte Hutmode König Eduard’s. Die Huthändler und Hutfabrikan ten London-·- und von Paris sind in der größten Aufregung und Bestät zung. Die Hutmoden des verflosse nen Sommers sind noch in voller Blüthe, da kommt die Alarmnachricht aus London, daß König Eduard der Siebente beim Rennen in Epsom eine neue Hutform getragen hat. Die Ele gants Londons wollen sich jetzt nur noch mit dieser Facon schmücken, und die Elegants der französischen Haupt ftadt wollen ihren Londoner Kollegen nicht nachstehen und bestürmen die butläden nach der neuen, vom König Eduard lancirten Hutsacon Begri ftern kann man sich nun fiir diese stobfbedeckung gerade nicht. lkss ist ein seidener Hut von hoher, sehr hoher Form mit sehr breitem und ganz slachem Rande, so daß man sich bei seinem Anblicke in die Zeit vor fiins zig Jahren zurückversetzt glaubt. Mißttauisch. Standesbeamter czur Braut, wel che das Protokoll unterzeichnest soll): ,,Lassen Sie doch Ihren Bräutigam so lange log, bis Sie hier unterschrieben J haben.« »Nein, nein, der wollte eben aus tneisen!« Gast ider ein nicht mehr ganz fri sches Stiict Fleisch bekommen habt »Sie, Herr Wirth, das Karobonadl ist nicht frisch!« Wirth (erstaunt): »So —-- da müs sen’g wahrscheinlich die Speistarten von vorgestern erwischt ham!«