Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 22, 1905, Sweiter Theil., Image 16

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    W
Falscher Verdacht
Ists Nitsch, Esq., leidet schrecklich.
—- Generalpkobe des neuen
Flächen-Osters.
Mister Editeri
Nämlich de Küchenfe!
Mister Editer, gestern um die Zeit
sitt Jch’s nit gedenkt, daß Jch heint
noch unner de Lebende wandel, son
dem yen "
schur gedenkt, es
thät e promi
nentes Fjunerell
gewtve, bei dem
Jch atmet die
Anweide aw
tver not im Cos
fin gewese wär,
so daß Jch net
emol hätt sehe
könne, wie viel
Käerädfches es
gewefe wärn.
Atso fchun seit
Ich aus Juropp
zurück bin, hot
die Aitt Mich ge
battekt, daß der
alte Kücheofe nix
mehr taugt. Jede
Taa bot sie kom-J
plähnt drütvwer, obwohl daß sie de·
ganze Sommer of course blos die neue
Gltäntsch juhst, wo sie deswege hot
imschaffe müsse, weil es billiger tim
me tdät, wann sie aach im Winter
statt der Kohleräntsch die Gäsräntsch
brenne thät, weil’s in der Küch any
watm genug wär. Also feinelli
Fels Jch blos-Joamit4Jch Mqi Ryh
po, Lucien ussgemaazr un oen oe
Tschalli gefragt, wer bie beste Leit
.»sein, Estimäts dervo ze verlange. Un
dann ben Ich Estimäts verlangt un e
Räntsch getaaft. Es bot e Heidegeld
qetoscht. Es ist e hohe Ränsch mit
eure Art vun Dach drüwwer un mit
ganz neie moberne Jmpruvments un
neimodische anentschens.
Jn Konsequenz bewo, daß Jch dem
Wenn gesagt ben, Jch wollt de Ose
erst End von September oder Anfangs
Oktober eingesetzt bawwe, is der
Mann am Dienstag der vorige Worl
gekimme un bot gesagt, er tbät de Ose
m annere Tag, also am Mittwoch,.
einsetze. Er tbät schun srüb timme, un
am balwer Zwölse that Alles fertig
r.
Die Atti war erscht in Verzweif
lung, weil am Mittwoch der Waschtag
war un der nit bot verschobe wern
könne, in Konsequenz weil die Wasch
ftau kein annere Tag frei bot, der
Wann bot awwer der Alti tlier ge
macht, baß, wann sie warte thät bis
End of September-, es ihr passirn
fis-unt, daß sie bis November warte
müßt, un daß es dann viel länger
dauern thät, un der Ofe thät rostig
-wern bis dahin, un lauter so Sache.
Un es tbät ja blos e paar Stündche
dauern. un sie thäte sehr cärvoll sei,
daß tei Schmutz in’s Haus timme
that, un alles Mögliche, so daß die
Atti seinelli tonsenteb hat, es am
Mittwoch mache ze lasse. Wir hawwe
nämlich im Keller aach Waschtobs, un
da tbät sich die Such trotz dem Wasch
tag ganz gut mache lossc.
Mister Editer, den Mittwoch vergeß
Ich im ganze Lewe nit. Jch wär ja of
course sofort ausgerückt un hätt
Meinsclbst zum Tfchalli adschornt,
awtver die Atti war in so erer Ber
fassung daß Jch alle Aageblick en
Sntptviset - Aettempt oder sunscht e
Marthe-Tragödie expetted heu
Also of course vun halb Zwölf ser
tin wern war aar tee Reb. Noch nit
emol um halb Zwölf Nachts. Am(
Dunnergtags Nachmittag sein sie fet- (
iig gewese. (
Un e Schmutz! Des heißt, eS war
see Schmutz, sonern e Kombiniischen
vun Dreck lexcjus Mei Frentsch), Nuß,
Uefches, Staub, Kohledösi ukt sunfti
gem Mätter aus of Platz.
Die Alti mit der Assiftenz von zwei
Schruppfraue, wo punltschelli um
halber Zwölfe aetimme warn, for
Alles wieder rein ze mache, un die
Waschfrau hawwe die ganze Zeit nix
gethan, wie die Händ üwwer’n Kopp
gesammeschlaar.
Dann is awwet die Alti uff e aute
Eidie aelimme, wo sie e Bißle erheitert
bot. Sie is nämlich zu alle Nachbars
fraue aelaafe, hat die feeindlichsi er
sucht, uff en Aaaeblick bei Uns erei ze ?
steppe un sich die Sauerei (exiul;s noch j
emol Mei Frenticky azeauckr. Des hol
die Sifuäfchen noch bedeitend ask
mütliliclier aemacki. Blos die Alii is
eBisxle besser ufiaeleat aeworn Sie
bot sich nämlich driiwwer acfreit, das-,
die Nachbarsweiber e Bißle vun dem
Dreck in ihre eigene Wolfnuna trage
tbätr. See? —
Well, Mister Editer, des is ooch
vorbei aeaanae, un am Samstag war
iiemlicki Alles wieder in Ordnung.
Amt-er gestern, Misier Editet, ge
stern am heiliqe Sunntaa is Mei Po
nischment gelimme. Geiteen hat die
Ilti de neie Kächeofe veobiet, bei Din
net dtnff ze tpche und mer howeve,
Tit-til du Deiniu room zugespetrt is,
Optik die Altt en neie Röa derfor
last will, in der Kitchen gegesse.
Löwe Sie sich en Beariss macke
M der Dit? Un detzu der Schmell
«j zum dem neie Die un Schwulst un der
» Mär Laun, un dann des Eise — e
N » wde . Fizkafßtttth
ga use n kenn ,
. MM Mise! Mit SEND-Ut
W
carnlrnng un die Alti war ichort ge
rönnt am Eis, also lei kaltes Bier im
Haus. -
Mister iEditer, ob Sie’s glaabe or
nit, die Generalprob vum neie Küche
Ofe wär beinah Mei Tod gewese.
Glücklicher Weis is es mir gelunge,
glei nach dem Dinner Mei Flucht ze
bewertstellige, un Jch fein nach Neu
York fbeim Brooklyner Tschalli hätt
Mich die Alti geholt, weil e Gewitter
war), un da hen Jch Mich so nach und
nach wieder erholt.
Blos Nachts, wie Jch heimaetimme
bin, da hen Ich en kleine Rückfchlag
gekriegt vun die Hitzschlagansijll vum
Mittag. Mei Gang is unsicher ge
worn un Mei sung dick un unfolaiam
un uff der Trepp bin Jckx hinqefalle.
Die Alti hol of course es an de Wei
geblämt. Nit emol de Sonnftrohl derf
mer hawwe, Milter Editer, mitous
unwördiqe Jndignities un hämische
Susvifckens ausgesetzt ze sei. Js es
nit förchterlichZ
Jhne des Nämliche wünschend
Mit Rigards
Yours
John Nitsch Esa.
Jch fein brint noch e Bißle dissi,
trotzdem Jch drei Quetlchewässerle ge
packt den.
Rufsticse Volköspiele.
Beim russischen Volke lind öffent
liche Belustigungen, besonders-»in den
Dörfern, sehr beliebt. Ein in den mei
sten Dorffchaften übliches Spiel ist
das Eimerichwingen Zwei in die
Erde gesteckte hölzerne Gabeln tragen
eine lanae Stange, an der ein Eimer
voll Wasser hängt, fder von zwei Män
nern m »»tchwankender-Bewegung ge
halten wird, indem sie mit zwei Stä
ben dagegen stoßen. Von der Spielge
sellschaft muß einer nach dem anderen
unter dem Eimer seinen Weg machen.
Wer hierbei begossen wird. hat verlw
ren und erheitert die anderen um so
mehr, je heftiaer ihn das Wasser gie
troffen hat. Wer ungeniißt hindurch
lommt, hat sein Spiel gewonnen.
Das Kastromaspiel ist besonders im
Gouvernement Smirbirst und Pensa
herkömmlich. Alte jungen Mädchen
versammeln sich dazu in ihren All
tagstleidern an einer bestimmtenStelle
draußen vor dem Dorfe,ermählen eine
sogenannte Kastroma, die sich mit ge
neiatem Haupte in den Kreis der Ge
nassinnen stellt, die ihr zuerst unter
tiefen Verbeugungen huldigen. Dann
legen sie die Kaftroma auf ein Brett
und tragen sie unter Gesang zum na
hen Fluß, wo sie mit ihnen zusammen
ein Bad nimmt. Nach demselben geht
es im Zuge unter Gesang und Heiter
keit nach Hause zurück, alle ziehen ihre
Festtleider an. und ein lustiger Tanz
beschließt das Spi·e1, das aus der Zeit
der Bekehrung der Rusien durch den
Empfang der christlichen Taufe
stammt. , '
Sehr alt ist das JarilofpieL Sonn
tags früh erwählt die Dorfgemein
schaft einen Mann, der, in einen bunt
farbigen Kaftan gekleidet« mit Bän
dern und Glöckchen behangen wird,
endlich setzt man ihm eine bunte Pa
riermiitze auf den Kopf · und bemalt
ihm das Gesicht. So ist er der Ja
rilap der in tollen Sprüngen umher
tanzt, singt und sich zum Besten hal
ten lassen muß. Zuletzt aber tammen
alle jungen Mädchen und Burschen
des Dorfes, verbeugen sich tief und
tanzen vor ihm, um ihn dann am
Abend unter Singen und Jubeln nach
Hause zu aeleiten.
Beim Reigenspiel erwählen sich die
Mädchen aus einer Dorfschaft die an
aesehenste Schöne zur sogenannten
Aeltesten und bringen ihr unter Ge
sang ihre Huldigung dar, indem sie
sich an die Hände sassen und einen
Kreis um sie bilden. Außerhalb des
Kreises treten die Mädchen zwei und
zwei aus, indem sie vor- und rück
wärts Schreiten und dabei von Liedern
der zuschauenden Eltern nnd Kinder
begleitet werden. Außerdem kennt
man auch noch die Koorododiscänzh
die auch nnr von Frauen ausgeführt
nnd von Gesang begleitet werden.
Woran man tu Betst-u stirbt.
Bei dein gegenwärtigen Besuche des
Schahs von Persien in Paris wurde
bemerkt, daß in seinem Gefolge ein
gewisser Mahmud Khan fehlte, der bei
dem letzten Besuche mitgewesen war.
Ein Pariser Journalist, der sich des
Mannes gut erinnerte, erkundigte sich
nach ihm. »Mit ist Mahenud Khan?« »
fragte er einen der persischen Hosleute. «
»Was ist aus ihm geworden?«—»O!«
lautete die Antwort. »Der ist todt!«—— j
»Ach, der arme prächtige Mensch!
Das thut mir leid! Aber er war noch
so jung und schien in der besten Ge
sundheit. Ja, der Tod verschont tei
nen!« —- »Gewiß!« bestätigte der
Perser. »Er ersreute sich vorzüglicher
- Gesundheit!« — »Ist er lange trant
;aetvesen?«« — »O nein! Nicht lange!
Er starb ganz plötzlich!« —- »Ach!
Wie kam das? Jst er verunglückt?«—
Der Perser schien ein wenig verlegen.
Dann sagte et achselzuckend und ent
schuldigend: »Der Großtoefir konnte
ihn nicht leiden!« ’
siehest.
Fräulein Bertha hat sich soeben mit
einein reichen Finanzen-tun verlobt.
»An-lieh die erste Bitte darfst Du
mit nicht abschlagen, nicht-wahr, wir
halten unsere Verlobung geheim?«
«Warunr denn, Zucker-hule
»Gehst Du, ich möchte sie meinen
Freundinnen selber mittheilen!«
Ewig wirst Du dann genesen.
Die Geschichte einer Mutter. Von
Heinrich Kinder.
Jn der kleinen Stadt herrschte in
allen Kreisen Aufregung. Die Ander
son kam Die gottbegnadete Sängerin,
der die ganze Welt zu Füßen la
Es war Mittag. Eine alte anie
schritt über den sonnenbeschienenen
Marktplaß. Jhr Blick fiel aus das
brennendrothe Plakat an der alten
Anschlagsäulr. Es war wahrt Die
Anderson lam. Groß und unbarm
herzig stand es dort zu lesen. Die alte
Dame mußte sich stützen. Sie lehnte
sich an einen Brunnen und blickte zu
der Säule hinüber. Ihre Augen hat
ten einen starren Ausdruck angenom
men. Sie konnte es noch immer nicht
fassen. —- Warum mußte die Wunde
wieder ausgerissen werden! Sechs
Jahre war es her, und doch, wie
schwer, wie schwer lastete jener un
glückliche Tag heute wieder aus ihrer
Seele! —- Jshr Sohn, ihr einziger,
war in der Großstadt und studirte.
Dort lernte er die Anderson kennen.
Und er lernte sie lieben. Und eines
schönen Tages starb er an dieser Liebe.
Er hatte sich erschossen. —— Wie die
Mutter dann an seiner Leiche weilte,
wie sie in seinem bescheidenen Zimmer
herumkramte und wie sie sah, daß er
nur siir die Anderson gelebt hatte.
daß er sie geliebt, daß er sie vergöttert,
daß jede Lebensregung ibr und ihrer
Kunst geweiht war, —- Sa verfluchte
sie die Künstlerin und nahm gebrochen
Abschied von ihrem todten Liebling
Sechs Jahre Vergingen so. Die Zeit
hatte vieles geheilt. Und beute wurde
die Wunde, die dem Mutterherzen ge
schlagen war, rnit talter. unbarmher
ziger Hand wieder ausgerissen.
Mit aufzehrender Ungeduld erwar
tete die alte Frau den Tag des Gast
spiels. Sie wußte nicht, was sie ma
chen sollte, und sie sann hin und her,
wie sie diesen Tag verbringen wollte.
Sie beabsichtigte sortzureisen, dann
wieder wollte sie zu der Künstlerin ge
hen und ihr die zarten Worte entge
genwerfen, daß sie die Mörderin ihres
Sohnes sei. Ratblos ging sie vorn
Hause fort, still tam sie wieder heim
und setzte sich weinend in das stille»
Stäbchen, .-as durch eine Linde, die
ibre Zweige bis vor die Fenster reckte, l
verdunkelt war. ;
Und der Tag kam. Die alte Frau T
hatte in der Nacht keinen Schlaf ge- s
fanden. Ja der Frühe schau ging sie ;
fort. Wohin sie lam —- iiberall wurde ;
sie gefragt, ob sie denn die große;
Künstlerin nicht hören wolle. Wie ge- J
betzt tam sie Mittags zu Hause anJ
Allmiihlich war der Gedanke in ihr«
ausgestiegen, in das Konzert zu ge-;
ben. Sie schalt sich selbst wegen die- f
fes Vorbabens. s
Der Nachmittag tam herauf. Wie- ’
der ging sie vor die Stadt, durch die
Lindenallee nach dem Friedhof hin
aus. Lange blieb sie dort. Und als
der Abend kam. als sie wieder zu
Hause war. da hielt sie’5 nicht länger
aus —- sie mußte hin. Sie mußte sie
sehen und hören. Scheu setzte sie sich
in eine Ecke.
Eine Symphonie wurde zuerst ge
spielt. Es flimmerte ihr vor den
Augen, sie glaubte von einem Traum
befangen zu sein. Der Beifall der
Menge rüttelte sie empor: ietzt mußte
sie kommen, —- das Programm, auf
dem es ja zu lesen stand, zitterte in
den Händen der alten Frau. Und sie
sam, —- empfangen von dem Beifall
des Hauses, den sie gar nicht zu be
achten schien. Wie träumend wareni
ihre ernsten Augen in den Saal ge- s
richtet. i
Und sie beaann zu singen. Es klang
so feierlich, so wunderbar, als würdet
der Duft fremder, diiihender Gärtenj
herüberaetraaen. Die alte Dame laß .
zitternd und starrte aus die Sängerin,
wie aus ein überirdisches Wesen· Jhr
wurde immer feierlicher Fu Muthe.
Heiße Tbriinen stieaen ihr in die
Auaen. Sie glaubte in einer Kirche
zu sein, in der die Orael alte, längst
vergessene Weisen spielt. Leise und
wie trostbrinaend klangen die Worte,
die von dort herüberschalltem
»Ewig wirst du dann aenesen,
Wenn die Rosen blühn —
Die Sängerin verbeugte sich leicht
und wallte abtreten. Das Publikum
ließ sie nicht gehen. Und die alte Dame
saß da und weinte. Es larn über sie
wie Herbstsonnenschein, der alles der
aoldet, was uns aus dem Wege des
Lebens draußen weh that. —- Das
Kinderschicksal stand jeht ganz anders
vor ihrer Seele, und in dem aeöngftig
ten, verwirrten Herzen der Mutter er
wachte eine milde Rührung. eine ver
stehe-ade, verzeihende Ruhe. — —
Und wieder hob die Künstlerin zu
sinaen an. Wieder klang und jubelte
es in den Saal hineini und wieder
wollte der tosende Beifall kein Ende
nehmen« —- das Konzert war aus.
Die Mutter ging durch die stillen
Straßen, aus die der Mond lange
Schatten wars, in ihr altes haus. Ja,
das war herrlich ewesen. Jetzt ver
stand site wie i r Sohn die lieben
konnte. Sie saß lange, lange an dem
kleinen Fenster unter der Linde und
starrte hinaus zu dem sternmbdsgten
Himmel. —- Und wenn rhfe Thr« en
fielen, dann suchte sie Trost rn« dem
Erinnern an die Zeit, da die kdsilrche
Zeit, die der Todte in seiner Liede zu
diesem herrlichen Geschvps durchlebt
haben mußte. «
Allmählieh sand sie ihre Ruhe me
der. Gereitet, stand das Bild ihres
Liebling-« in schönem, reinem Lichte
pp- usren Augus- Ja, an solcher Li
wiire auch sie gestorben. — ,
Am nächsten Morgen fand die An
derson ein Keines Couvert zwischen
ihrer Post-»Sie öffnete es. Auf einer
Visitenta "" standen in ecliaer Schrift
-folgende - rte: Haben Sie herzli
loben Don - fiir den aestriaen Abend.
iCr hat mir Ruhe und Frieden ge
»btachk. —- Eine Mutter, die Jhnen
verzeiht.«
i
Ver Adler und die Schwalben.
"Beobachtet am 16. Juli 1905. Von
Professor Dr. Arnold Dodel.
Nachmittags wars um 1 Uhr, bei
ßer, sonniger Sommertag. Um den
hohen grauen Campanile von San
Lorenzo kreisten glückliche Schwalben
paare; denn in den Maueriöchern der
hoch in’s Blaue ftrebenden Umfassun
gen des Thurmes war es lebendig von
Zungem Schwalbenvolst, —- alles im
Säuglings- respektive Aetzungsalter.
Jn kurzen Intervallen schwenkten die
fliegenden Schwalben von ihrer son
nigen Laufbahn ab, gegen das Mas
siv der Thurmseiten, rasch zu ihrem
Nest huschend um dort an die weit
tlaffenden hungernden Schnäbel ihrer
Schwalbentinder Jagdbeute abzuge
ben. Fliegen und Mücken und alter
hand anderes Jnsettenvolt, was ihnen
beim Schwärmen um den Thurm
quer in die Flugbahn gerathen war.
Eins, zwei, drei — so verließ jeder
Schwalbenvater, jede Schwalbenmut
ter, so da den Jungen ein Stück Nah
runa in’s Mauerloch gereicht hatte,
rasch wieder die Thurmmauer und
lreiste von Neuem um den Campa
nise. Osfenbar war es die Zeit des
Mittagessens auch fiir das Schwal
benvoll, — das sah lehr gemiithlich
und sonnig und lustig aus.
Wer möchte nicht Schwalbe sein
und munter seine Kreise um einen
wetterharten Glockenthurm ziehen.
Fliegen und Miicten im blauen Luft
meer haschen’ Ja, so ein Schwalben
leben am Eamvanile: die reinste Poe
ste! Alles, was an dem Thurm
schwelgte in Glück und Lust. Es ist
aber doch zu heiß, urn vor Lust
schreien und jauchzen zu tönnenz denn
die Wetterfahne hoch oben iiber der
tupferbedeckten Kuppel ist von Siid
nach Nord gerichtet und das bedeutet
zu dieser Tage-s- und Jahreszeit —
trovische Wärme· .
Unten über dem grünblauen See
kreisen Adler. Jn majestiitischen Be
weaunaen ziehen sie ihre ab- und aus
steigenden Sviralen, ganz nach Will
tiir und Laune, bald dahin, bald dort
hin-.steuernd, dem Zufall überlassend,
ob ihnen diese Tageszeit einen Fisch
an die Oberfläche des Sees bringe,
aus daß sie ihn im Fluge von der
Wasseriläche weahaschen und dann
auch im Weitersluge verschlingen.
Auch diese Segler der Lüste sind zu
beneiden: sie sind wahrlich die Könige
des Lustmeerk Und ihr Flug ist eine
stolze Bewertung siegreich und geistv
lratisch. erhaben und vollendet raub- i
thierhast. wie es das Sprichwort sagtJ
Da sährt einer dieser Adler vom
See hinweg, in stolzer Spirale höher
steigend über die Niederungen ders
Stadt und hoch hinaus über die Halde l
mit der Kathedrale und ihrem maleri- ;
schen Camvanilr. Wenige Sekundenl
genügen: er zieht schon seine Kreise im z
Zenith des Glockenthurmeö. Sein Er- ;
scheinen bringt nun raschen Wechsel in
die Szenerie. Die vielen aliicklicken
Schwalbenpaare ziehen plötzlich wei-’
tere Kreise und erheben sich schwam
weise in die Lust. hoch» iiber den
"Thurm: die Schwalben umkreisen den
Adler ohne Lärm und drängen sich ge
legentlich wie aus Kommando dicht
an seine Seite, manchmal auch guer
ihm in die eigene stolze Flugbahm
namentlich dann, wenn er Miene
macht, sich dem Camvanile zu nähern.
Jn die ganze lustige Bande dieser
kleinen Vögel ist stiller Todegmuth
aesahren. Jede Bewegung des Raub
vogels wird mit entsprechenden strate
gischen-Betregungen der Schwalben
beantwortet. Bald gelingt es den
letzteren, ihren vermeintlichen Erb
seind vom Thurm in die Ferne abzu
driingen. Allein er kehrt nochmals-zu
rück, zieht abermals seine Sviralliiuse
iiher der Wetterfahne und wird nun
von einer verdoppelten Gegnerzahl
verfolgt. Waren es vorher fünfzig
Schwalbenpaare, so sind es nun hun
dert, die ihn von allen Seiten um
J schwirren und gelegentlich ihm aus den »
i Leib rücken. Gegen solche Uebermacht,
i von Kleinen in riesiger Mehrzahl kann !
! der einzelne, und wenn er noch to grokz
wäre, gar nicht auf die Dauer auf
kommen. Das iit auch im Reich der
Lüfte eine Unmöglichteit. Der Adler «
hat dies bald eingesehen· Nach weni- .
gen Augenblicken glitt er von seiner
ipiraligen Bahn ab und floh in gera
der Linie gegen die Berghöhe von
Porza und Sen-Bernardin Und erst
geraume Zeit später kamen die
Schwalben-Eltern wieder zum Cam
panile zurück. irohlockend ihre trieb
lichen Nester wieder besuchend und ib
re Jungen weiter ätzend, als wäre
nichts Stdrendes und Bedrohliches ge
schelten
Was braucht der Adler, dessen ge
wohnte Nahrung drunten im See zu
finden und iiir den Geübten leicht zu
haben ist, nach jungen Schwalbeniim
dern sich Gelüste aufsteigen zu lassen!
Jeder möge seine Kreise ziehen: der
eine um den Campanite, der Andere
über dem iischreichen See! »Nimm iiir
alle hat die Erde!« Das habe ich nie
so lebhaft empfunden, wie heute, da
michs die kleinen Schwalben gelehrt
haben, wie viele Kleine mit geeintern
starken Willen auchim Stande sind,
W
den frevlen Muth des Störtsten zu
brechen. Gesegnet seid ihr, Schwal
ben von San Lorenzot -
Der Letzte seines Stammes.
Ein deutscher Reichssiirst« von des
sen Reichsfiirstenthum gewiß die we
nigsten Deutschen etwas ahnten, ist
soeben in England gestorben und da
mit zugleich sein durch mehr als eines
seiner Mitglieder berühmt gewordenes
Geschlecht fiir immer erloschen.
Des Fürstentitels bediente sich zwar
der siebente Carl Cowper in seinem
Leben nicht, sondern er begnügte sich
mit der Würde eines großbritanni
schen Peers, nichtsdestoweniger ist es
Thatsache. daß er das Recht gehabt
hätte, ihn seinem Namen vorzusehen.
Die Familie Cowper stammt ausder
Grafschaft Sussex, und ihr Ansehen
und ihre Grasentrone datiren von je
nem William Col-oben der am Anfang
des 18. Jahrhunderts als Großsiegeli
bewahrer und Lordtanzler die engli
sche Politik leitete und in der Zeit
! zwischen dem Tode der Königin Anna
i und der Thronbesteigung Georgs i»
Ides ersten Königs aus dem Hause
i Hannover, auch zu den Regenten Eng
« lands gehörte. Einen Cowper erhob
JKaiser Joseph li. aus Gründen, die
s sich leider der Kenntniß der Nachwelt
entziehen, zuerst am 21. Januar
1779 in den Grasenstand und am 31.
Januar 1788 in den Fürstenstand des
heiligen römischen Reiches deutscher
Nation. Diese beiden Würden aehcn
nun mit dem Tode deg Carl Cowper
unter. Auch dieser letzte Carl Cowper
ist politisch in seinem Leben hervorge
treten, und von 1880 bis 1882 hatte
er das wichtige Amt eines Vizetönigs
von Jrland inne. — Daß die deutsche
Reichssiirstenwiirde auch an Auslan
der verliehen wurde, ist übrigens be
tanntermaßen gerade im 18. Jahr
hundert mehrfach vorgelommen. So
hätte zum Beispiel der jeweilige Her
zog von Marlborouah die Berechti
gung, den Titel eines »Fiirsten zu
Nellenbnrg« tnach einer ehemaligen
schwäbischen Landgrasschast, deren
Hauptort das Städtchen Stockach ist)
zu führen. iDenn sein berühmter Abn
herr. der Sieger von Höchstädt, war
vom deutschen Kaiser -17«6 mit dem ·
Reichssiirstentbum Mindelbeim be
lehnt, das später gegen Nellenburg
vertauscht wurde. Noch zahlreicher
aber sind die Verleihungen deutscher
Grasen- und FürstentitcL ebenfalls
im 18. Jahrhundert, an russische
Großwiirdenträger gewesen.
-
Ein Held ver Alpen.
Der Schweizer Führer Leopold
Grand wurde durch den Orden der
französischen Ehrenlegion ausgezeich
net, und diese Ehre traf teinen Un
wiirdigen. Grand lebte viele Jahre in
einer kleinen Hütte auf dem tleinen
Santt Bernhard und rettete unzähli
gen Reisenden das Leben, die ihren
Weg verloren hatten oder von Stür
men und Lawinen überfallen worden
waren, ohne das Hospiz erreichen zu
können. Jm Jahre 1887 rettete Grand
fünf Reisende, die in einem Schnee
sturm verweht waren, vom sicheren
Tode. Er erhielt dafiir eine silberne
Medaille. Jm folgenden Jahre em
pfing er vom König von Italien das
Verdienstkreuz, weil er das Leben von
sechs Jtalienern gerettet hatte. Einige
Jahre darauf kamen Grund und sein
Sohn einer Gesellschaft von Als-im
sten zu Hülfe, die von einer Lawine
begraben worden waren. Während
der Vater eifrig an der Rettung der
Verungliickten arbeitete, fah er den
Sohn plötzlich vor feinen Augen ver
schwinden und lautlos in die Tiefe
versunken Als der arme alte Mann
sah, daß sein Sohn unrettbar umge
kommen war, sagte er ein Gebet und
ging dann wieder an die Arbeit, die
Leute aus de"n Schnee herauszuwer
ben, und trug sie dann einen nach dem
anderen auf seinem Rücken nach der
Hütte, die fast eine Meile entfernt
war. Noch im Jahre 1900 rettete er
einen Trupp Soldaten vom Tode,
und es ist tein Jahr verflossen, ohne
daß der tapfere Greis nicht mehrere
Menschenleben gerettet hätte.
Zum poselfchniz.
Laßt die tleinen Vöglein fingen
Und sich froh zum Himmel schwingen,
Laßt fie Nester bau’n und brüten,
Doch vertreibt sie von den hüten.
Schwer bestraft den Vogelfangen
Der uns raubt die tleinen Sänger;
Wer mit Nuthen sie und mit Netzen
Föngt, verfalle den Gefetzen.
Wer den Sängeen ·fchafft Bedriing
mik,
« Weg mit ihm in das Gefängniß,
Alles andre wird nichts nützen;
iStrenaer Richter laß ihn sißem
f Doch was soll man denen sagen,
l Die auf bitten Vögel tragen,
Die zulieb’ der armen Mode
Schuldin find an ihrem Tode?
Was foll mit der Maid geschehen,
Die mit Voaetht wir fetten.
Die, um tbörtcht sich zu fchmücten,
Uns zerftitrt das Lenz-Entzücken?
Gegen die verkehrte Sitte
Hilft nicht Mahnung oder Bitte;
Alles andre tann nichts niinern
Lieber Jüngling« laß sie —fihen!
M M.
An »Sa, die zwei Jahre, die Du
eingesperrt warsi. haben Dir ärlir Zitt
gethan?« —- Cinbrecher: » a, «
glaubst nicht, wie meine Nerven her
unter waren!«
Gitter statt-.
A.: »Mir ist nichts mehr zuwider
als eine so gelehrte Frau.« — Q:
»Hast recht, Emili Wenn Du ’mal
heiäathest so nimm eine, die zu Dir
pa ."
Unter Schalk-few
»Na, Dein Vater dürfte ein sehr
finsteres Gesicht gemacht haben, als er
Dein Schulzeugniß iakk!« — »Ja
wahl «- ein Startfinstereg!"
i
Arn Theater
A.: »Warum weinen Sie .denni'
Das Stück ist doch aar nicht so eith
rend?" —- B.: »Ach. ich weine um
das Geld, das ich für den Schand
ausgegeben«
Seine Auttassnnn.
Frau: »Na. Alter, Du scheinst trie
der mal verschiedene Grogs getrun
ten zu haben.« « Mann: »Me, Mut
ter, keine verschiedenen, sie waren alle
von Rum.« -
Ein Jnduftrirritten
A.: ,,Sehen Sie sich das Schwert
an, ich werde den Tag nie vergessen,
an dem ich es zum erstenMale aus der
Scheide zoa.« —— B.: »Wo war das?«
-— »Auf der Auttian, auf der ich es
getauft habe."
Aufritt-ein«
Schwiegersohn lzmn Schwiegerva
ter nach der Hachzeit): »Ich muß Sie
bitten, mir den Rest der Mitgift ehe
ftens jliissig zu machen, ich brauche es
dringend . . . da hätte eg eher mit der
Frau nicht so geeilt!«
Praktisch.
A.: »Du hast also Deinem Freun
de, dem Dichter Federl, zu seinem
Geburtstaae ein Automabil qeschentt?«
—- B.: »Ja, weißt, jetzt fährt er den
ganzen Taa ans und liest mir nicht
mehr seine schlechten Gedichte vari«
Schnell gehalten.
Gatt: »Sie, Herr Wirth, was ist
denn das? Der Braten ist eiskalt
und das Bier aanz warm!" —- Wirth:
»No, nachher stellen’s halt’g Bier auf
den Braten a Weil, na wird’s Bier
tali und der Brat’n warm.«
Ein Stichlzrsspler.
Fräulein: »Ach, hören Sie aus,
Herr Doktor, Sie sind ein unausslehi
licher Schmeichlet!« — Herr: »Ich,
ein Schmeichler? Jhnen kann man
ja gar nicht schmeicheln. Sagt man
zum Beispiel, daß Sie einem Engel
gleichen, so schmeichelt man doch nur
den Engeln!'«
Die Ernst-zuni.
Assessor (einen Jugendfreund vor
stellend): »Siehst Du, liebes Weih
chen, das ist ein alter Jugendireund
von mir. Wir studirten zusammen,
wohnten zusammen. und wenn det
eine tein Geld hatte . . .« — Freund
(ein«iallend): »Dann hatte gewöhnlich
auch der andere leins."
Aus det- Gebirg-reise.
Gatte: »Hier aähnt ein Adam-OF
—- Gattim »Nein Wunder-; «
Deine Unterhaltung wird ja immer
langweiliger.« ·
Sprüche mit AnwendunseIU
»Ich sitze in der Wolle,« —- sagte
Rentier Müller, da war er schwer mit
Gicht geplaat und über nnd über in
Wolle gepackt.
Erklärt
»Du wolltest doch die kleine Ams
hoss heirathen —-— woran hat sitt-I
zerschlagen -— hat sie zu wenia Gelt-W
— »Nein — zu viel Verstand!«
Schon möglich.
Nichter: »Jn des Angellaaten Ta
schen hat man dieses Fiinsdollar-Gold
stück gesunden. «"t dies vielleicht
Jhr’s, Herr Zeus-« ' --- Zeuge: »Ja,
das kommt mir betannt vo-r.«
Viel-K einiges-. (
A.: »Saaen Sie mir doch einmal.
was thun Sie denn eigentlich. daß
Sie so dick werden?m —- B.: ,,Nichis!«
Bosheit
Parlamentarier: »Nun, was sagt
man zu meiner aeltrigen Rede über
die Nothlage der Landwirthschait," —
Journalist: »Sie hat allgemeines
Mitleid erregt.«
Zur Bequemlichkeit
,,Großartig, diese neuen Hänlert
Wasserleitung, Telephon, Kanalila
tion, elektrischec Licht —- ja, loaak
die Gläubiger hab' ich im Hausei«
Seine still-hu
Sonntagsreiierz Da schreiben die
Leute immer von Erfindungen lenk
barer Lastschiffe, Sie sollten lieber
lenkbare Pferde erfinden.
Rath eines einsetleilchten Juni-stellen.
Onkel: »Du willst heiratheni« —- «
Neffe: »Ja, lieber Onkel!'« —- Onkk
«Thu’s lieber nichts Der Spaß lostri
viel Geld und lann unter Umständen
50 Jahre dauern!«