Die Spielgefährten No ooooooooo V. Wiesen. IOMOMCOPPOOIIPOP (3. FortseßungJ .Wäre dng auch der Haus« äußerte Frau Dittmek schan, ,.w ist solches Eint-ringen der Volksllassen in unsere Kreise immer nachtheilig und tadelns werth. Wo bleiben da schließlich die Standes-unterschiede. Habe ich nicht recht, Herr Pfarrers« »Daeiiber läßt sich viel ——streiten, und das wollen Dir doch nicht,« war die lächelnd und vorsichtig gegebene Antwort »Aber wo ift denn unsere liebe Alices Ich habe sie ja noch gar nicht begrüßt.« »Wer weis-« wo sie wieder stecken maa,« entgegnete die Mutter in miß muthiaem Ton. »Es ist nicht wiss-lich » das Mädchen an Pünttlichkeit nnd « Hausordnuna zu gewöhnen Jnimerl dies zwecklofe Umherltteifen und Zeit vertrödeln.'« »Heute ist doch Sonntaa,« versuchte Dittmer zu entschuldiqen. Sobald ein » Tadel gegen seinen Liebling laut winde, nahm er das Pfeifchen — wel ches er irn Zimmer teiner Frau rarrs tauchte —aus dem Munde und rückte unruhig auf dem Stuhlebin und her. Auch der Pastor lenkte ein. Mit der weichen, srauenhast zarten Hand über! sein bariloses Gesicht streichend — eine l Bewegung, die ihm zur Angewohnheit geworden war — sagte er freundlich: »Das ist die wilde, ungestüme Ju aend, die ihre Freiheit verlangt. Lassen Sie die Kleine nur sich ihrer siebzehn Jahre freuen. Das Leben zwingt uns früh genug dazu, ernst und verständig zu werden« .Nicht wahr, Herr Pastor?« stimmte Ditttner lebhaft zu. »Siehst Du, Ma riechen, das sage ich immer. Warum solt die Lisel nicht das bischen Pläsier . . . wie heißt es in dern schönen Liede: .Freut euch des Lebens, solang’...« »Ach laß doch diese altmodischen sit-tin die besaaen gar nichts.« Einge schiichtert schwieg der Zurechtgewiesenr. und gean den Gast gewendet, fuhr Frau Marie fort: »Mein Mann ist m jeher, viel Fa nachsichtig gegen Ulice gewesen und hat ihr immer den Willen gelassen.« »Im vorliegenden Fall erscheint mir das gerechtfertigt.'« begütiate derGeist liche. .Handelt es sich doch nur um einen etwas iiber die gewohnte Zeit ausardehnten Spaziergang, und wie köstlich sind ietzt zur Hochsommerieit Feld und Wald! Einem jungen Wesen, das allein. ohne Geschwister oder Ge fährtin ausgewachsen ist, pflegt die Natur die beste Freundin zu sein« Frau Marie wollte nicht widerspre chen, aber sie entsann sich genau, daß ihr seist die Natur niemals Freun din gewesen war. Von ihrem Prakti lchen Standpunkt aus erschien ihr der Sommer nur darum schön. weil Obst und Gemiise reisten. weil man die Betten sonnen und das Vieh aus die Weide treiben konnte. »Ich denke, in der Laube wird jetzt Schatten sein,« meinte Dittmer und seyte verstohlen seine Tasse auf einen kleinen Kasseeslech den das saubere Tischtuch durch irgend welchen bösen Zufall erhalten hatte, »tönnten wir nicht draußen unsere Partie spielen Wie. Mariechen?« »Ja. wenn es dem Herrn Pastor recht ist?« »Aber sehr recht; ie später der Nach mittag, desto ernuickender die Lust.« »Alle gut, dann hole die Karten, Heinrich,« gebot Frau Marie. Wäh rend die drei Alten sich eisrig der Statpartie widmeten, war Alice im Walde. Bald nach dem Mittagessen, als die Mutter ruhte. hatte sie das Zimmer verlassen, dessen Stille und stdiitnpfies Licht ihr unerträglich drü ckend waren Draußen umfing fie greller Son nenschein. Die hellen Kieswege flim merten, die feuerrothen Verbanen auf den Beeten blendetem mit halbge fchlossenen Augen schritt das Mädchen dem ungepflegten, verwilderten Pakt zu. Ader auch unter den dichtbelaub ten Bäumen brütete die heiße Son nengluth, gleichsam wie eingefangen. Zirke drückende Schwüle lag in der n t. Alice öffnete die fchadhafte Pforte des grauen, rnoosdetoachfenen Lasten pnneT der Feld und Garten trennte, nnd trat ins Freie. Tyras, der große Most-und den sie zur Feier des Sonn tags von der Kette losgemacht hatte, drängte heftig nach Der Hund am Halsband haltend, schritt sie leichtfüßig vorwärts-. Ein steitrandtger Strohhut fchiitzte Stirn nnd Augen, nur auf dem goldblon den Haarinoten und dem zarten, ro ngn Nacken, den der schmale Aus fchnitt des Sommetileideö frei ließ, spielte die Sonne Wie befreit athmete das Mädchen auf. hier draußen ift es schon; ab nnd zu geht ein tühlerer Lufthanch er t die fchl anten dunkelgelben brachte-, die noch fo ftolz aufrecht sehen nnd nicht wissen, wie bald die Sense del Mitte-es sie zu Boden reisen wird. Zwischen den halt-sen in Menge Korndlnmen W III heller Flammer lustig an- i M « »Es-W s« " » n. Auch die Iehren sind m M sefttsy der Rossen durch IDOOMOMMMMMMI landaltende Dürre vorzeitig gereift, lwird in diesem Jahre wieder schlecht T»schütten«. « Doch das beschäftigt nicht die Ge danken der Borwärtsschreitenden. Sie ist es von jeher gewohnt, daß die frohen, zudersichtlichen Hoffnungen des guten Papas bei jeder neuen Ernte ebensoviel große Enttäufchungen wer den. Mechanisch rupft sie vom Gra benrand ein paar Vergißmeinnicht mit Kleeblumen, die in der kleinen, beißen Hand sofort welkend die Köpfe hän gen lassen. Der Felsweg ist jetzt zu Ende, ein fchmaler Fußsteig führt in den Wald. Er bildet die Gutsgrenzr. Der jensei tige Forst gehört zum Nachdargut Do bratvitz, das gegenwärtig unbewohnt ist. Das junge Mädchen setzt sich aus ruhend ins Heidetraut, streift den Hut von der heißen Stirn und hängt ihn an die Zweige eines niedrigen Hasel nußstrauches. Auch der Hund, nach dem er noch eine Weile bald biet-, bald corr yerumgetchnupperr, ureut sich zu Füßen der Herrin aus und legt feinen Kopf aus die breiten Vorderpfoten. Tiefe, lautlose Sonntagnachmit tagsstille ringsumher-. Um einzelne, höher stehende Grasrippen kreisen die Mücken. Wenn sie dem Hunde nahe kommen, zuckt er blinzelnd und läßt die weißen Seitenziihne sehen. Lich, die Hände um tie Knie ge schlungen den Kopf an den rothbraus nen Stamm einer alten Fi chtchegetehnt, träumt mit offenen Augen vor sich hin. Wovon, hätte sie selber nicht sa gen können. —- Kannte sie doch nichts von der Welt als die väterliche Schvlle und keine Menschen, außer den weni gen, unter denen sie ausgewachsen war. —.Wie ein immer gleichlaufen des Uhrwert vergingen die Tage, so lange sie sich entsinnen konnte, nur durch die wechselnden Jahreszeiten un terschieden. — Es war schön in Tan ninten, niegend in der Welt konnte es s schöner sein. Der tiefe, grüne Wald» der Garten mit den vielen BlumenU die sie lieb haben und pflegen durfte der Thraå und vor allem der gute, gute Papa —- das alles hatte sie 34 eigen Und trotzdem iarn es bisweilenl über sie wie ein ungestümes Sehne-« ein ungeduldiges Harren — ja, wo rauf denn nur-? Wenn, so wie jetzt. nur die Mücken tanzen, Sonnenstrah len die kleinen Blumen tiiiien unr Schmetterlinge einander haschen — dann war es plötzlich da, das seltsam Verlangende Gefühl in ihrem jungen Herzen. — Zu duman Der Inn-« war viel klüger: er schlief. Schlusen ist gut gegen die Langeweile. Lich wollte auch versuchen zu schla fen. Sie drückte die Augenlider ekne Weile fest zu aber es nützt nichts-. Gegen ihren Willen horcht ihr-, Gt auf das Zirpen der Grillen und den leisen Lockrus eines Vogels-. Jetzt raschelt es hinter ihr, ein iro ckener Zweig tnackt. Thras hebt schnuppernd die Schnauze und beginnt leise zu knur ren. Was spürt et du« ein Eichhdr1« chen oder gar einen hasen2 Neugie rig wendet das Meädchen den Kopf zur Seite; aber in demselben Augenblick springt auch schon der bund aus un wiithend einem Mann entgegen, der zwischen den Stämmen hervor auf die Lichtung tritt. Er ist kaum imstande sich den unvermutheten Anareiser mit dem Stock vom Leibe tu halten. »Verdammte Bestie, ich merke dich . . . .« »Zum-» Tyras, willst du nicht gleich herkommen, Tyrag!" ruft Lin-, zu Tode erschrocken Was bat nur der 1 Hund-? Er ist doch sonst gar nicht böse. »Tons, Tvras!« Aber das Thier gehorcht nicht, es ist wie außer sich, und muthig sprin«t nun das Mädchen selbst hinzu. packt den sich heftig Sträubenden am Hals ring und zerrt ihn an ihre Seite. »Solch ein vermaleides . . ·« De: Fremde betrachtet erst prüfend sei-en eleganten Sommeranzug, in den die spitzen Hundezähne ein kleines Lochi gerissen haben, und dann, nachlässigs den Hut lüftend, das junge Mädchen,. welches sich, hochroth im Gesicht, noch immer mit dem widerspenstigen Tytas abmüht. i »Vesbindlichen Dank fiir Jhre Hülfe, gnädiges Fräulein, aber man sollte diefen gemeingefiihrlichen Köter wirklich lieber an die Kette schlie en als ihm Gelegenheit gehen, harm vie Spaziergänger anzufallen.« Es lag etn gut Theil Aerger in den rückständ los ausgesprochenen Worten. Lied stihlte sich schuldig, denn sie hatte Tyrai losgemacht »Ach, bitte, verzeihen Sie! Er ist sonst so gehorsam, der hund, t be greife nicht, was ihm heute . . . ter J en«wirtlich den schönen R zer rt ens , Biene verschiichtett zu ihm tmtsc . ,fma die Sache an, dem Manne Spa th- W und er sibernahm nun selbst die Bertbeidignng des Misse thätets. »Schadet nichts, mein Fräulein; das Malbeur ist nicht der Rede werth, nnd da das Vieh mich doch nicht kennt, kann nran es ibm eigentlich nicht wei ter iibel nehmen. Jcb bin ersi vor wenigen Tagen nach hause gekom men.« »Nach Hauses Wo ist denn das?« ragte sie so unverhoblen neugierig, daß ein belustigtes Lächeln iiber sein schmales Gesicht flog. »Mein-»Ja Hause« liegt gar nicht weit von hier; ich vermuthe, das Rit teraut Dobrawitz wird anen bekannt sein« Dann mit leichter Verbeu gung: »Mein Name ist von Wass czewsti.« »Ah —- wirklich?« »Wundert Sie das, mein Fräu lein?« »Nue weil Sie bisher nie aus dem Schloß wohnten; es hieß. Sie wären immer auf Reisen· Sind Sie nun Zurückaetotninen?« »Es scheint io,« spöttelte er. Sie wurde alijhend roth. »Gott, wie furchtbar dumm ich frage! Ich meinte, ob Sie ietzt immer hier bleiben wer den auf Ihrem Gut?« »Fürs- erste jedenfalls. Die Fremde Ist schön, aber ich merte eben, daß auch die Heimatb ihre Reize hat« Das Mädchen nickte lebhaft, sie war W harmlos, um seine dreiste Schmei :t;elei zu verstehen. »Nicht wahr, bei uns ist es sehr lpiibschZ Jch bin nämlich auch hier zu Hause. Jch heiße Alice Dittmer, und meinen Eltern aehört Tanninten, wis sen Sie wohl, das Gut jenseits der breiten Fahrstrasze. Wenn man aus dem Walde heraus-tritt, lann man drüben über dem großen Noggenseld las-on ein Stückchen vom rothen Zie geldach unseres Hauses fehen.« , »Dann sind wir also Nachbarn!« äußerte er. Ganz dasselbe hatte Licn eben sagen ;·,rollen, nun freute es sie, daß er es Jus-sprach »Ja, ganz nahe Nachbarn,« niclte sie vergnügt. Er war, iin Gespräch langsam vor wärts schreitend, an ihrer Seite ge blieben; nun hatten sie den Ausgang »des- Waldes erreicht. Vor ihnen laa »die weite, stille Ebene, an deren hori Ironi sich der glühende Sonnenball ium Untergang neigte. »Mein Gott. so sviit ist es?« rief das Mädchen erschrocken. »Was wird Mutter sagen?'« «Wollen Sie schon heim?«« »Ja, sa. ich muß schrecklich eilen; ich- glaubte nicht —- die Zeit ist so sehr schnell vergangen. Adieu, Herr von Waszrzewsli, und sein Sie dem Th ras nicht mehr böse.« »Wie könnte ichs Ich bin ihm dankbar." Dies-mal verstand sie ihn, erhalte sie bei den Worten so sonderbar ange sehen, mit den tiesliegenden, saszinis rrnden Augen. Als er alter den Kopf des Hundes zu tätscheln versuchte, schnappte das Thier zähnesletschend nach der schmalen, weißen Hand-. ; »Psui, du garstiges Vieh!« Ein zor niaer Schlag Liens traf den Unver- « iesserlichen j »Lassen Sie ihn nur, gnädiges « Fräulein, ich hoffe, rnit Thras noch » bekannter zu werden und mir allmäh- » lich seine Freundschaft zu erringen. j Aus Wiedersehen!« i Wasil von Waszczewsli grüßteehe- ; erbietig und sah ein paar Augenblicke der eilenden Gestalt im statternden, hellen Sommertleide nach. — Ein hübsches kleines Abenteuer. Das Mii del war wirklich allerliebst. . Wie Lich, athemlos vorn schnellen Laus. im Gutöhos anlangte, stand das - Schimmelsuhrwerl des herrn Pastors schon vor der Thür, und der geistliche « Herr war gerade im Begriff einzu steigen. Das junge Mädchen erblickend, rief ; er mit freundlichem Scher : »Nun, da I hätten wir ja die kleine arti-streiche rin! Jstes wohl recht, sich nicht eher blicken zu lassen, als bis ich sortsahre?« " »Ach, lieber here Pfarrer, ich : wußte doch nichts von Ihrem Besuch, sonst wäre ich ganz gewiß zu hatt e » geblieben,« entschuldigte sich Lich. »Auf jeden Fall durftesi Du nicht sv lange anebleiben,« verwies die« Mutter streng, während der alte Ditt rner, unbeholfen das erhilite Gesicht der Tochter streichean fragte: « »Warst wohl bei der stickigen Orf ix Zalde eingeschlafen, nicht« Lise- » Sie umginq die Antwort, Inixte und drückte zärtlich die, ihr entgegen aestreckte Hand des verehrten Lehrers. »Es thut mir zu leid, daß Sie schon fortfahren, herr Pasior.« »Ja wirklich, Sie sollten zum Abendbrod bleiben," nöthigte Frau Marie. »Danle, danke, es läßt sich diesmal nicht machen. Jch habe der Johanne versprochen, bei guter Zeit zurückzu lommen. Sie hat Katauschen gekocht, Hund wenn ich da nicht pünktlich i wäre · « .« o ’ »Also mit der hauömamsell ist man nicht besser dron wie mit der Frau, sie führen beide ein strammes Regi ment,« erlaubte sich Dittmer zu scher zen. wofür ibn ein Zurechtweisenber Blick der Ebelpälste so ort bestra te. »Den — willste wohl eben, Schimmel,« knurrte aus dem Kutsch bock Gottlieb Schwotttr. « Das pblegnkati che Thier hatte zwar nicht die gering e Neigung ezeigt, lich in Bewegung zus ewi, a r der arrer, der seinen utscher enou annie, verstand den Wink und eilte sich mit dem Abschiednebmem I Sobald der Gast sort war, ging W man ins Zimmer, und Lieh tru mit Hülfe des Dienstmädcheni das änd tiche Abendessen au . Schweigend wurde die Milchfuppe verzehrt; Aiice fürchtete eine Fortseyung der mutter lichen Strafprediat, und Dittmer war iiberhaupt im Beifein seiner Frau we nig gesptächig, da seine Aeußerungen gar zu oft überhört oder scharf geta delt wurden. Bald nach dem Essen wünschte man einander »Gute Nacht«, denn aus dem Lande, wo das Tagewerk schon sehr zeitig beginnt, pflegt man, auch wäh rend der schönsten Jahreszeit, früh zur Ruhe zu gehen. Nur Licy schlich sich, ehe sie ihr kleines Giebelftiibchen aussuchtr, noch einen Augenblick in den mondheschie neuen Garten hinaus. Jhr war so froh Zumuthr. Wenn sie ietzt doch laut hätte jubeln dürfen! Aber nein, Mut ter konnte es hören, und was sollte die wohl davon denken. An der Ecke des Hauses stand die Hundehiitte, neben der Thras lag. Das Mädchen tauerte sich zu ihm nieder, sauste ihn an den Ohren und drohte ihm mit der Faust. J »Du schlechter, unaezoaener Hund, treißt du auch, daß ich dich gar nicht mehr leiden tann!« ———llud dann-— mit einem Mal umschlang sie das Thier unaestiim mit beiden Armen und drückte ihr Gesicht in sein zottiges Fell. Frau Dittmer war verreist. Die alte Baroniu Wenat hatte wieder einen Aniall ihrer Herttriimpfe gehabt, und dann wurde stets die Nichte zur Pflege hinbeorderL Es war merlwiirdig, wie bereitwil lig die sonst wenig mitleidige Frau dem Wunsch der Kranten immer nach tam. Mann, Kind und die eigene Wirthschaft ließ sie sofort im Stich, um in Wentitten die Stelle der lei denden Hausherrin zu vertreten und dieser jede mögliche Hülfe und Er leichterung zu bieten. In solchen Zeiten tonnte Marie Tittmers scharfe Stimme weich und theilnehmend klingen, ihr schroffes Wesen wurde mild und gefügig, jeden leisesten Wunsch der Kranlen wußte sie ihr von den Augen abzulesen. Noch niemals hatten Tante und Nichte sich in nahe gestanden wie in diesen letzten Jahren, welche der Fünfundsiehzig jährigen häufig fchwere körperliche Leiden auferlegten. , Marie war tlug genug, die Kranie ynicht nur zu pflegen, sondern auch so »vie! wie möglich zu zerstreuen, denn Jrnit unsiiglichem Grauen wies diese Jeden Gedanken an den Tod von sich. Aus tindiichem Aberglauben sprach ’sie nie über die testamentarifchen Be Jitimmungem welche sie getroffen. nur nsenn sie sich ganz schwach und elend «fiihlte, hatte sie die tiihle Hand der Nichte mit ihren zuckenden Spinnen finaern umtlammert und angstvoll erfleht: »Verlaf; mich nicht. Marie, ich irill nicht allein bleiben, ich fürchte n«ich: und ich will auch teinen Fremden um michs haben, denn die denlen nur daran. wie sie mich betrügen und he siehlen können. Wenn Du aber bei mir bleibst, wird es Dein und Deiner Alice Glück sein.«« Und Marie Dittmer blieb. Mit iöher Willen-kraft die eigene Erschö rfung belämpfend, durchwachte sie die Nächte am Kranienbeth unterzog sich jeder Handreichung, ertrug täglich un zählige Launen und Quälereien. Sie hatte nie verstanden, Alice ihre Mutterliebe durch Lieblofungen und zärtliche Worte zu heewifen, hier he thötigte sie sie, indem sie jedes Opfer brachte, um ihrem Kinde das reiche Erbe der Großtante zu sichern. Jn Tanninten hatte man inzwifchen mit der Ernte begonnen. Wenn friih um 5Uhr zur Arbeit geläutet wurde, war der atte Dittrner schon auf den Beinen und gönnte sich teine Ruhe. bis das lehte Futter aufgeladen und der letzte hatrn vorn Felde herein war. Er hätte so gern durch Fleiß und an gestrengte Thötigteit erseht, was ihm der himmel durch gute Ertröge nicht gewähren wollt-· Jm hause wirthschaftete während der Mutter Abwesenheit Lich fröhlich herum, und wenn auch iekt manchmal nicht« alles in der gewohnten Ordnung ;hergrng, wenn oft etwas vergessen oder Hvertehrt gemacht wurde, der gute Papa Iwar stets zufrieden und fand ej im Grunde viel behagticher als unter dem ttttischen, tadelnden Blick der stren en Hausfrau. Uneingeltandenerma n flehlten sich Vater und Tochter von seinem steten Zwange befreit, und be- " isonders in dein Gemüth des jungen Mädchens sang und klang es wie lau ter subelndes Frohlocken Sie war seit jener Begegnung mit Wasil Wazczetvsti nicht mehr in den Wald gegangen; eine eigenartige Scheu hielt sie davon zurück. Doch kürzlich, als sie vorn Felde tani, wo hin sie dern Vater sein Vesperbrdd gebracht, da er durch den Gang nach Hause teine Zeit verlieren wollte, war ihr aus der Landstraße ein Reiter in scharfem Trade ent egengetomrnen. Sich vor denr au wirbelnden Staub zu lchiiiiem trat Liry zur Seite. So svrt mäßigte der Reiter das Tempo; er hatte das junge Mädchen erkannt, schwenkte lebhaft den hut und sprang im nächsten Augenblick vonr Pferde. Also doeh endlich!« eie Wasil Waözrzewsli triumphirend. ie war sehr roth geworden. Er aber wartete weder ihre Antwort noch ihre Justini mnna ah, sonden schloß sich ihr ohne weiteres —- den Trensenziigel liber den Arm hängend — aus dem Wege an. Habe ich Sie neulich durch irgend ein-as erzürnt, gnädiges Fräuleins« Sie sah ihn mit großen, verwun derten Augen an. uRein, ewiß nicht, Herr von Waszzczews i; wie kommen Sie aus den Gedanken-P · »Ich fürcht-tu er, wen Sie vie Wuldböha von der Sie sagten» es Wckkk Jht Lieblingsplatz, nicht wieder besucht haben.« »Woher wissen Sie denn dass-« .Sehr einfach, weil ich jeden Tag lbort gewesen bin.« wie überhaupt der Umgangston mit swie überhaupt der Umaangston mit jiungen Männern. Sie wußte nichts qu antworten als ein verlegenesx »Ach, Sie waren dorti« ! »Natürlich, und ich würde gewiß noch wochenlang täglich bingepilgert sein, wenn nicht mein Glücksstern mich deute zufällig in Jhre Nähe geführt Mitte. Nun dars ich Sie wohl noch ein Stück Weges begleiten, nicht wahr?« Sie nictte und dachte im Stilten: »Gewiß ist es ihm zu einsam in sei nem alten Schloß, er möchte wohl ein mal mrt jemand plaudern,« und dabei fühlte sie sich stolz beglückt, daß er au ihrer Gesellschaft Gefallen sand. Um ihn recht gut zu unterhalten, tramte sie bunt durcheinander alle ihre kleinen Erlebnisse aus. Von dem guten Papa erzählte sie, vom hochwiirdigen Herrn Pfarrer-, vom buckeligen Dorf-« tchullehrer und von der blinden Orts armen, die jeden Sonntag Mittag essen im Gutshos bekam, erzählte vom alten »Pündeljuden« Abram Tadratz, der ab und zu mit seinem Kram von bunten Bändern, Tüchern und Ga lanteriewaaren ins Dors zu kommen pflegte, und vom unartigen Thras, der jetzt immer an der Kette liegen mußte. · Wasil Waszczewsli hörte scheinbar interessirt zu, während seine unstäten, dunllen Augen musternd aus seiner Begleiterin ruhten. Er war ein feiner Kenner weiblicherSchiinheit. Wie viele Frauen hatten schon seinen Weg ge lreuzt, wie vielen hatte er Liebesworte zugesliistert, wie vieler Herren gewon nen! Das waren kurze Episoden in seinem vielbewegten Leben gewesen, en die er später nur gelegentlich als an mehr oder minder angenehme Er innerungen zuriickdachtr. » Entsetzung solgt.) H --—---—--— l Der Zar und seine Familie. Seit mit der Ermordung Plehwe’s die russische Revolution ihren Aus-i gangspunlt überschritten hat« um sich in unabsehbare Weiten inauszuwäl sen, sind die Augen aller Welt aus den regierenden Zaren gerichtet, erwartet man von diesem Herrscher eine That, die eine Wendung bedeuten müßte zum Guten oder Schlechten Aber Kaiser Nitolaus schwankt un entschlossen zwischen Reaktionären und tstesorrnern, bis die furchtbare Branduna ihm iiber dem Haupte zu sammenschlaaen must. Die Persönlichkeit des Zaren ist ein wahres Musterium, das bis-her nicht erariindet werden konnte. Aber in einem soeben erschienenen Buche von Alexander Ular ist eine Schilde runa des Zaren und seines Hofes aeaeben worden, die wenigstens Man ches, wenn nicht Alles-, was in Nuß land unserer Taae und in Petersburg im Besonderen vorgeht, verständlich macht. Ular weist nach, daß die Ro manoss-Holsiein-Gottorv’sche Dyna stie, die mit Peter dem Dritten be aann. deaenerirt ist von Generation zu Generation. Peter der Dritte hatte eine beträchtliche Wassersucht nebst Säuferwabnsinn. Seine Erb schast übertrua er aus seinen Soan Paul. der ein Ebileptiter war und schließlich als Wahnsinniaer endete. Alexander der Erste, Vanks Sohn, zeiate auszer dem Größenwahn seiner Großmutter Katharina einen zur Karritatur verzerrten Tiefsinn, den Ular, der Franzose, einen deutschen Tiefsinn nennt. Ihm waren die zwei indischen Schwächen der Dnnastie Hol stein-Gottord eiaent Gedächtniß schwache und eine eiaentbiimliche Ab art des Mystizismu3. Seine ganze Reaierung besteht demnach aus zu sammenbanalosen Entscheidungen und Tbriinem Bald wiithia, bald semi mentai. stets nach der mnstischen Jn sruration suchend. wenn sein armes Hirn dem logischen Faden der Dinge nicht solaen konnte, aerietb er immer in Verzweiflung, wenn er persönlich etwas zu entscheiden hatte, und ließ bei bösen Nachrichten stets seinen Tbriinen freien Laus; er weinte bei ieder Gelegenheit —- und zum Schluß verfiel er aus Gedächtnistschwiiche in den Mostiztsmui, der allmälig bei Verlangsamung der Gebirnsuntttonen zur Gewohnheit magischet Schicksals beseaaunaen führt« Sein Nachfolaer hätte Konstantin, der zweite Sohn PCUUL fein müssen da Alexander der· Erste teine Söhne hinterließ. Konstantin hatte von sei nem Vater eine derartige Gehirn schwäche aeerbi, daß ein anständiges Benehmen bei offiziellen Anlässen siir ihn das Maximum der miialichen An sirenauna darstellte. Er überließ den Thron seinem Bruder Nikolaus, des ien Charakterhild in der Geschichte schon länzst festgestellt ist als das eines Menschen, der nicht nur an An siillen von Beriolaunaswahm von sinnioser Grausamkeit aeaen Thiere litt, sondern auch eine lebhaft an die chinesischen Borer erinnernden masti schen Griißenwahn an den Tag legte, der den Glauben an seine Unverwund barieit nach sich zog und ihm den An schein einer unglaublichen Thattrast nah. Mit seinem Sohne Alexander dem Zweiten tritt die Dynastie müht-logi scher hänomene sozusagen in unsere Zeit e n. Er hatte, sagte Ular« nicht s nur alle alten Schwächen der Holfteins s Gottorp aeerbt, sondern auch noch — eine besonders gefährliche Eigenschaft bei einem von einer aewifsenlofen Kafte überwachten Selbsiherrfeher— den aus Zartheit und philosophischer Untlarheit zufammenaeflosienen Idea lismus feiner Großmutter, der Köni ain Louife. Der Verkehr mit dahins lofen Jdealen beherrschte seine Politik wie fein intimeö Leben. Alles be weate ihn tief durch das Mißverhält nifi zwifchen der Wirtlichleit und fei nen Ideen. So entwickelte er sich, wie feine eigenen Brüder von ihm sagten, zum ,,Alexander dem Weinerlichen«. Er erfetzte die Weite feines Verständ nisses durch die Tiefe feiner Gefühle. Mit der folgenden Generation be ainnt eine Phafe physischen Nieder aanaeg die nur zu oft bei epilepti lchen Familien die letzte vor dem Zu fanuuenbruch ist. Die Tuberlulofe niit allen ihren furchtbaren Einflüs ien auf das Gehirnleben, mit den plötzlichen Sprüngen von völliger Aratbie zu heftigfter Anstrengung, dem unloaifchen, unberechenbaren Stiinmnnasumfchwung, den baroclen und viel zu schnellen Jdeenasociatio nen, der eiaentbiimlichen Amnäsie, die die Zwischenalieder in der biel zu rasch durchlaufenen Tonleiter von dem eriten vaaen bis zu demselben aufs Aeußerfte getriebenen Begriff ouslöfcht, mit der krankhaften Reiz barteit endlich, die noch fortwährend diese schon anormalen Prozesse durch ) bricht und das Chaos zufammenhanzp Tlofer Gefühlsbeweaunaen ersetzt: das ganze tlinifche Bild der tubertulöfen Vinchoie tritt auf, um nun die Dyna ; ftie nicht mehr zu verlassen. Der iiltefte tSohn Alexander-B des Zweiten, »Ni tolai, war an Tuberkulose zu einer Zeit gestorben, als der zweite Sohn, Alexander, nicht mehr die tiesen Spu ren einer niederdriickenden Erziehung wettmachen konnte, die ihm gerade iede Möglichkeit, mti Lust oder Ber ständniß eine Herrscherrolle zu spie len, hatte nehmen sollen. Seine na türliche, schon lranthaste Blädiatett war zu einem Grade aroßgetiichtet worden, der sie einem wahren Verfol aunaswahn nahe brachte. Aus dem Vorheraehenden leitete dann Ular die Psycholoaie Nikolaus des Rweiten her. Die Krankheits aeschichte der Donasiie Odium-Got torv erklärt im letzten Grunde die schweren Witten, die Rußland zer reißen. Diese Kraniheitsaeiehichte allein macht den beispiellosen Moras mus beareiilieh. in dem Nuszland da hinveaetirt. Sie allein auch kann die seltsamen Handlungen des Fürsten entschuldiaen und erklären. der aller Wahrscheinlichkeit nach den Zusam menbruch des moskowitischen Selbst herrscherthums zu betrauern haben wird. Nikolaus der Zweite ist ledig lich eine äußerste Erschktnlmassvtm jener iahrhundertelanaen Nimmtin luna. Die entsetzliche Erbschaft, die auf ihm lastet, hätte einem Privat manne das Recht aeaeben, in einer Heilanstalt ein rubiaes Dasein. sern dem Getriebe der Welt. zu verbringen. Das Unaliict —-—siir ihn und siir die Welt » wollte es, daß er auf seinem Platze sich befindet. Am meisten ähnelt Nitolaus der Zweite seinem Großvater Alerander dem Zweiten. Dieselben Gedächtniszliickem dieselben krampsartigen Zufälle. dieselbe Ge siiblsweichheit an falscher Stelle. der selbe Widerspruch zwischen der Semi mentalität des Gläubinen und dem stolzen-Troß des Gesalbten: kurz, die aesammte Psncholoaie Alexanderg des Rweiten erscheint bei seinem Enkel wieder. Bloß daß bei Nikolaus dem Zweiten alle vsnchischen Fehler ent setzlich vertiest sind. W »Sag’ ’mal, Papa, werden die Schülerinnen in den Hochschulen eben so bestrast wie in anderen Schulen?« »Ja, mein Kind; sie müssen oftmals das essen, was sie selbst gekocht ha ben.« i i I Der Mensch beurtheilt die Dinge lange nicht so sehr nach dem. was sie wirklich sind, als nach der Art· wie er sie sich dentt und sie in seinen Jdeengang einpaszt. I I I Die Japaner sind als gute Nachah mer bekannt und in der Krieg-lauft haben sie den Preußen so ziemlich alles abgeguckt. Aber mit der Schnurrbatt binde sind die japanischen Ossiziere bis jetzt nicht ausgerüstet i es · Eine Verbriideruna in Vortsmouth, N. H» wäre wichtiger. als die iu Portsmouth in England. I I I Bofton hat in 10 Jahren um rund 100,000 Einwohner zugenommen — tein Wunder, daß auch die Bohnen von Jahr zu Taberthefurer werden. Kinder-Logik »Nein, harrt-, das darfst Du nicht thun. da im Grase herumlaufen. Sonst kommt der Po lizist und arretiri dich,'« sagt die Wär terin zu ihrem kleinen Schutzbefohles nen· »So. Aber er muß doch auch auf das Gras gehen, wenn er mich kriegen will. Und dann wird er auch arreiiri.« o i · Urn sich gegenseitig die kalte Schul ier zu seigen,«hiitie ed eigentlich taum noch des«britiichen Flottenbefuchö in Swinerniinde bedurft. ( i- i v Da fchlii t einer im Ernste vor, u allen wichsfgen Aerniern nur ver si rgibeie Manner zu wählen. Ja, ol len wir denn ein Fraueneegirneni be Jornmeni