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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 22, 1905)
Eis Graer von Buchenml l Roman von IR. Z. i (14. Fortsehung). Und als ihm der Andere lachend Bescheid gethan, stellte er sich doch wieder ungläubig, um den Anderen noch mehr zu reizen, und sagte: »Glauben thu ich Dir’s doch nicht; denn ich frage Dich, wo sollte denn der Kinzel sein Geld her haben?« Aus den Andern aber schien diese direkte Frage erniichternd zu wirken; er kratzte sich hinter dem Ohr; seine Stirn runzelte sich, und er gab mit sinsteretn Gesicht zur Antwort: »höre mal, Kollege, Du bist furcht bar neugiergig.'« Seine üble Laune aber schien sich schnell wieder zu verslüchtigen. Mit einem allerdings etwas höhnischen La chen fügte er hinzu: »Weißt Du, srage doch mal den Kinzel selber darnach. Jch wäre wirklich neugierig, was er Dir daraus antworten würde.« Der Detektiv machte jedoch eine nachlässig abwehrende Handbewegung Es schien ihm gerathen, sein Interesse an Kinzel nicht allzu sichtbar werden zu lassen. Und so sagte er scheinbar gleichgültig »Daran liegt mir auch was Rech tes! Meinetwegen mag er’B gestohlen haben. Was kümmert’s mich. Aber weißt Du, was ich gern wissen möchte, LippertZ« »Nun?« « »Ich möchte wissen, ob Deine Frau noch eine ledige Schwester hat. So’ne tausend Mark Mitgift könnten rnir gerade passen.« Lippert lächelte geschmeichelt. »Bedaure«, sagte er, »mit einer Schwägerin kann ich leider nicht die nen. Aber darum kannst Du doch mal zu uns kommen und meine Alte kennen lernen.« Das war es, was der Detettiv be absichtigt hatte, und natürlich beeilte er sich, seinen neuen Freund beim Wort zu nehmen. Schon am nächsten Sonntag besuchte er den Schlosser in seiner Behausung. Inzwischen ließ sich der Jnhaber des Detettiv-Bureaus angelegen sein, über Frau Lippert und die ihr von ihren Vater angeblich zugefallene Erbschaft genauere Ertundigungen einzuziehen Der Detektiv erstaunte, wie hübsch es bei Lipvert aussah. Ein modernes Paneelsopha und ein suntelnagel neues Bertitotv fielen ihm besonders ins Auge, um so mehr, als man den beiden Möbelstücken ansah, daß sie erst vor Kurzem das Magazin des Fabri kanten verlassen haben konnten. Frau Lippert, eine freundliche, hübsche, noch sehr junge Blondine, war für die Frau eines einfachen Schlossergesellen außerordentlich nett gekleidet. Jhr nach der neuesten Mode geschnittenes Kleid war von gutem, schwerem Cheviot. Dabei trug sie viel blitzenden Schmuck: einen breiten Goldreisen um das rechte Handgelenk, funkelnde Ohrringe und eine Brosche, deren Mittelpunkt eine ausfallend große Perle bildete. Der Detettiv betrachtete das Alles mit geheimem Interesse. Unwilltür lich ging er das von der Staatsan waltschast " publizirte Berzeichniß der dem ermordeten Ameritaner geraub ten Werthstücke durch. Eine Brosche befand sich nicht darunter. Wer weiß, ob der Schmuck, den die junge Frau mit so viel Behagen trug, überhaupt echt war. Besonders die große Perle mochte eine werthlose Jmitation sein. Frau Lippen suyue sta; furchtbar geschmeichelt, als ihr der Arbeitstri lege ihres Mannes ein paar Kompli mente machte über die schöne Woh nungseinrichtung und über ihren Schmuck, und besonders die Brosche belobte er mit der selten großen Perle. »Wohl ein Erbstück?« fragte er da bei, die Perle aus nächster Nähe in Augenschein nehmend. Aber Lippert schüttelte mit dem Kopf. »Ein Geschenk von mir«, sagte er. »Die habe ich meiner Frau einmal verehrt, als mir noch Brautleute wa ren.« Der Detettiv mußte seine ganze Selbstbeherrschung aushieten, um die Unterhaltung im Fluß zu erhalten und sich seine Zerstreutheit und seine geheime Erregung nicht anmerlen zu lassen. Seine Blicke wanderten immer wieder nach dem Vertitoro und nach der Kommode mit dem Aussahspiegeb Welche Geheimnisse mochten hier ver sorgen sein? Am liebsten hätte er so gleich eine haussuchung vorgenom men. Am Abend begaben sich alle Drei nach einem Biergarten Lippert trak tirie wieder in seiner prahlerischen Beise, und als es an das Bezahlen ging. langte er großspurig einen hun - bertmarkschein hervor ·Des Kleingeld ist mir iotal aus Mangen«, sagte er dabei lachend, während seine Frau leicht ihre Stirn runzeltr. »Das ist wohl noch von der Erb schaft?« meinte der Detettiv scherzend. »Na gewiß doch!« bestätigte Lip pert. Der Detektiv merkte wohl, wie das Ehepaar einen Blick wechselte und wie es in den Augen der Frau warnend ausleuchtete. Als er sich eine Stunde später von den Lipperts verabschiedete und sich allein aus den Heimweg machte, rieb er sich vergnügt die Hände. Er konnte mit dem Ergebniß des Tages zufrie den sein. Eine Spur, die sicherlich auf Verbrechen deutete, war gesunden. Virtundzwanzigstes Kas pitel. Am andern Morgen begab sich der Detettiv anstatt in die Schlosserwert statt nach dem Bureau seines Ehefs, um Bericht zu erstatten und neue Jn strultionen in Empfang zu nehmen. Hier war inzwischen das Resultat der Nachsorschungen über den verstorbenen Vater der Frau Lippert eingelaufen. Das Ergebniß war oerblüssend. Der Vater der Lipvert war schon vor zehn Jahren gestorben, ohne einen Pfennig hinterlassen zu haben. Der Chef des Detettivbureaus bat aus teledhonischem Wege um Gras Dietrichs Besuch, und beide Herren hielten eine Berathung ab· Die Nach richt betreffs des Vaters der Frau Lippert konnte wohl als indirekter Be weis für den unredlichen Erwerb des von dem Ehepaar Lippert so reichlich ausgegebenen Geldes angesehen wer den. Jm Uebrigen diintte den beiden Herren, daß das von dem geschickten Detettiv gesammelte Material bereits so belastend sei, daß man die Aus mertsamieit des Staatsanwalts da raus hinlenten könne. Der Staatsanwalt vriiste sorgfäl tig die ihm übermittelten Angaben, verhärte den Detektiv eingehend und verfiigte sodann die Perhaftung des Ehepaares Lippert und eine Haus suchung bei demselben. Die letztere förderte jedoch nicht, wie der Detettiv erwartet hatte, weiteres Belastungs material zu Tage. Jin Gegentheil, außer dem Betrage von achtzig Mari, die als Bruchtheil des von Lippert ge wechselten hundertmarischeines ange sehen werden konnten, wurde nicht das Geringste gefunden. Auch das Verhör der beiden Eheleute Lipvert bewies, daß die Berhaftung doch eine voreiliae gewesen« Ueber die Hertunft des bei ihm vorgefundenen Baargeldes und der« Mittel zu den Neuanschaffungen in seiner Wirthschaft befragt, erklärte der Schlosser einfach, das Geld habe er sich im Laufe der Jahre erspart. Und als er mit dem Detettiv, der sich ihm unter der Maske eines Arbeits kollegen genähert hatte, konsrontiri wurde, da meinte er höhnisch, nach-« dem er sich von seinem ersten Schrecken und dem ersten Zornesanfall erholt hatte, den Spitzel habe er längst in seiner wahren Eigenchaft erkannt, und er habe sich den Spaß daraus ge macht, den Schniiffler zum Besten zu halten und ihm Allerlei vorzuflun lern. Was die Perle anbetraf, die fiir eine echte und werthvolle von dem gerichtlichen Sachverständigen erkannt wurde, die habe seine Frau einmal auf der Straße gefunden und sich in eine neue Brosche faisen lassen. Die sofort angestellten Ermiitelun gen erhaben in der That, daß Frau Livvert eines Tages zu einem Gold arbeitoe mit einer.einzelnen Perle ge kommen und eine Brosche ausgesucht habe, in welche die Perle gefaßt wer den sollte. Alles das war ja zwar verdäcttig, aberes war nicht beweigträftig in der Richtung des Verdacht-es, den Rechts anwalt Gras Dietkich Buchenau gegen die Lippert’schen Eheleute wegen der Theilnahme an dem an Mr. Watson veriibten Verbrechen erhob. Wohl hatten sich unter den an der Leiche des Ermordeten vermißten Gegenständen ein paar Manschettenlnöpfe mit je einer großen Perle befunden, aber ob die in der Brosche der Frau Lippert befindliche Perle von Mr. Watsonce Mansehettentnöpsen herrührte, ließ sich nicht nachweisen. Die Staatsan waltschast hielt es deshalb siir gebo ten, das Ehepaar nach mehr-wöchent licher Jnhastirung wieder in Freiheit zu setzen, um so mehr, als die ge heime Beobachtung des inzwischen als geheilt aus dem Kranienhause entlas senen Schlossers Kinzel nicht das ge ringste Grapirende ergeben hatte. Daß die Lipperts zu ihrem Gelde aus ir gend eine unredliche Weise gelommen, erschien auch der Staatsanwaltschast siise wahrscheinlich. Daß der unehr liche Erwerb des Geldes aber zu dem Raubmorde im Grunewald in Bezieh ung stand. war doch mehr als zweiifeli hast. Jedenfalls konnten weitere Spuren, die auf irgend welche verbre cherische Handlung des Ehepaares Lippeet hinsiihrten, nur gesunden wer den, wenn man ihm die freie Bewe gung zurückgab und es heimlich be obachten ließ. Aber so sorgfältig diese polizeiliche Observirung auch betrie ben wurde, das Verhalten des Lip W tierischen Ehepaares und dasjenige! Kinzels bot keine weiteren Anhalts punkte zu einem gerichtlichen Ein schreiten. Unter diesen Umständen hielt die: Staatsanwaltfchast es für ihre Pflicht das Verfahren gegen den GrafenBvdo Buchenau den vorschriftsmäßigem Verlan nehmen zu lassen und so; kam schließlich der Tag der Gerichts Verhandlung heran. Der große Schwurgerichtssaal war überfällt, und die vielen Eintaßbegehrenden mußten sich begnügen, aus dem Kar ridar und vor dem Gerichtsgebiiude das Resultat der Verhandlung abzu« warten. Auch Gras Buchenau, der Vater des Anaetlagten, war nach Berlin geeilt. um der Schwuraerichtsverhandluna beidsuwohnen Detrich führ-te die Vertheidigung. Mit geheimem Bangen betrat er den Gerichtssaai. Seinen Bruder, der bleich, zitternd. voll Scham und ge heimer Erregung auf der nAtlage dank saß, begrüßte er mit einem Händedruck und ein paar beruhigenden Worten Die Gerichtsverbandlung begann unter lautloier Spannung des zahl reichen Publikums Aller Augen hin gen mit tiefstem Interesse an dem von » der lan gen Untersuchunashaft get-leich ten Antlitz des Angeklagten den die Zeugen taum wieder ertannten, fo sehr hatten die körperlichen und seeli schen Leiden den Ausdruck seiner Mie nen, seine Haltung und sein Wesen verändert. I Seie Antworten aut vie von Vern. Borsiteenden an ihn gerichteten Fragen ; kamen leise, stockend und stammelnd.i . Hin und wieder erschauerte die magere ; JGestalt, die matt. hinfällig aus derj Hharten holzbant hockte, und an dem strampshasten Verzerren seiner Züge» sah man. in wie peinlicher Spannung ; er seinem Schicksal entgegensah. s Als die Zeugen aufgerusen wurden, t stellte es sich heraus, daß die Modi stin Pauline Menzel und der Schlos see Kinzel nicht erschienen waren. Während der Vorsitzende sofort einem Beamten austrug, sich in die Wohnungen der säumigen Zeugen zu begeben, um dieselben herbeizuholen, gerieth der Vertheidiaer des Ange klagten in eine lebhaste Bewegung. Er warf eilig ein var Zeilen aus ein Stück Papier und händigte dies einem Boten ein mit dem Austrag, eine Droschte zu nehmen und die Notiz schleunigst dem Inhaber des Detektiv , dureaus »Ist-aus« zu überbringen Jn Uebrigen waren die Zeugenaus ! sagen höchst belastend. Die Angestell ten des Tattersall »High lise« bekun deten einstimmig, daß das Wesen des kAngetlaaten am Tage der Ermor dung des Amerikanerö ein höchst aus sälliaes gewesen sei, und dasz er eine höchst befremdende Erregtheit und Verstörtheit an den Tag gelegt habe. die ihn sehr verdächtig habe erscheinen lassen. ; Auch die Zeugen, die über das Vor leben des Angeklagten vernommen wurden, konnten nur Belastendes und Ungiinstiges aussagen Es wurde durchaus überzeugend festgestellt, daß die Lage des Anaetlagten zum Zeit « puntt des Raubmordes im Grunewald zeine höchst bedrängte gewesen. und ’ daß die Annahme, er könne den Mord fin einem Anfall von Verzweiflung vollführt haben, wohl berechtigt er scheine. Der Staatsanwalt gruppirte in sei jnern Plaidoher alle Belastungsmw tmente chronologisch und übersichtlich i Er bemühte sich nachzuweisen, daß Niemand anders als der Angeklagte t den Mord begangen haben könne. Der Revolver und die in seiner Wohnung Iaesundene Krabattennadel des Ame ’rikaners wirkten in dieser Richtung :vollkommen über-zeugend, ganz abge sehen von den anderen Nebenumstän den. Die Angabe des Angelsagten daß er die Krabattennadel geschenkt und daß ihm der Revolder gestohlen worden sei, könne man wohl, ohne ihm Unrecht zu thun, als bedeutungslose Ausreden bezeichnen, um so mehr, als ia der Angetlaate auch nicht den Schatten eines Beweises fiir seine Behauptungen bieten könne. Er —- dre Staatsanwalt — rniisse daher den An trag stellen, den Angeklagten als schul dig des vorsätzlichen Mordeö unter Ausschluß mildernder Umstände zu oerurtheilen. Und nun erhob sich der Vertheidiger, um unter der gespanntesien Aufmerk samkeit des Auditoriums seine Rede »Hu beginnen. Er sprach mit Wär-ne und rnit der Kraft der Ueberzeugung Auch er begann seine Rede mit einem Rückblick aus die Vergangenheit des zAngekiagien Er beschönigte nichts ; und entschuldigte nichts. Ja, der An geklagte sei leichtsinnig und gewissen los gewesen, und er sei von seinem Vater aus dem hause gewiesen und nach Amerika geschickt worden. Kum mer und herzeleid habe er seinen El tern zugefügt. Dennoch ständen die Angehörigen des Angeklagten, der hier zum Mörder gestempelt werdens sollte, in dieser Sache treu zu ihmJ Gerade sie, denen der Charakter degi Angeklagten und sein innerstes Wesen ’ ia besser bekannt sei, als irgend einein Fernstehendem seien von der Schuld losigteit sesi überzeugt, denn sie wüß- « ten gar wohl, daß er sieichtsinnig sei, aber nicht roh und brutal, und daß er ein Verschwender sei, aber kein seiger, hinterlistiger Meuchelmärder. Wenn irgend ein Mensch auf Erden Grund habe, dem Angeklagten zu zürnen und ihm alles Schlimme zuzutrauem so sei dies sein eigener·Bater, der unter dem Leichtsinn seines Sohnes schwer gelitten; aber gerade er—der» greise Vater des Ungluckitchen aus der Antlagebant —- habe nicht Bedenken getragen, zu dieser sür ihn ja unend lich ausregungsuollen und peinlichen Verhandlung zu erscheinen, um den unschuldig angetiagten Sohn durch seine Gegenwart zu stützen und vor aller Welt durch sein Erscheinen in diesem Saale iund zu thun, daß er von einem glücklichen Ausgang des Prozesses fest überzeugt sei. Keine Macht der Weit würde den von den strengsten Grundsänen beseelien Edel mann veranlaßt haben, hier zu er scheinen. Auge in Auge mit dem un nachsichtlich von seiner Schwelle ge-! wiesenen Sohn, wenn er auch nur einer Spur des Verdachts in seiner Seele Raum geben müßte wenn er nicht in jeder Fiber seines Seins von » der Ueberzeugung durchdrungen wäre, adß mit dieser. Anklage deni Ange klagten ein schweres Unrecht zugefügt worden sei. Er, der seine unerbitt liche Strenge gegen seinen Sohn iiberzeugend genug bewiesen habe, würde der Erste sein, den Schuldigen sür schuldig zu erklären und ihn mit leidslos seine-n Schicksal zu über lassen. Es war von sensationeller Wirkung und verfehlte seinen tiefen Eindruck auf das Auditorium so wenig wie aus die Geschworenen, als der Vertheidi: ger sich bei dieser Stelle unterbrach und aus die ehrwürdige Greisenaesialt deutete, die sich in ihrer stattlichen Größe erhob und dem Angeklagten zunickte, dem bei dieser Handlung, die einer Rehahilitirung durch den schwer getrüniten und nunmehr ver söhnten Vater gleichsam, die Thränen aus den Augen stürzten, und der nun, die Hände vor sein zuckendes Gesicht flagåno in ein lautes Schluchzen aus dra . Und nun geschah noch etwas Außer gewiihnliches, das die Spannung des Auditoriums und das Interesse aller Anwesenden auf einen fieberisch hohen Grad steigerte. Ein Bote, der von dem Gerichtde ner in den für das Gericht abgetheil ten Raum hineingeführt wurde, näherte sich dem Vertheidiger und überreichte ihm ein zusammnegesalte tes Blatt Papier. Der Vertheidiger las, und ein triumphirendes Lächeln trat auf seine Lippen. Er wandte sich dem Angeklagten zu, sprach ein paar Worte zu ihm und nahm dann seine Rede wieder auf. Es lag jetzt etwas Sicheres, Siegesbewußtes in feinen Mienen und in de mTon feiner Stimme. Er ging nun den Jndizien zu Leibe, auf denen der Staatsanwalt seine Anklage aufgebaut hatte. Die Kravattennadel, die der Angeklagte wenige Tage vor der Ermordung des Ameritaners von diesem geschenkt er halten habe, sei von den Bekannten, insonderheit von der Geliebten des Angeklagten, nicht bemerkt worden. Es sei eine Regung falschen Stolzes gewesen, die den Angellagten veran laßt habe, zu verheimlichen, daß er ein solches Geschenk von einem feiner Schüler angenommen habe. Was nun aber den Revolver betreffe, der zum Aauvtargument der Schuld des An aetlagtcn benutzt werde, so sei gerade aus dem Umstande, daß der ganz un zweifelhaft dem Angeklagten gehö rende Revolver in der Nähe des That ortes gefunden worden, zu schließen, daß der Angeklagte an dem Morde unmöglich betheiligt gewesen fei. Könne man denn vernünftiger Weise annehmen, daß der Angeklagte so thö richt und unsinnig handeln würde, sich bei einem von ihm geplanten Morde einer Waffe zu bedienen. die ja doch als die feine retognoszirt werden mußte, und würde er sich selbst gleich sam als Mörder denunziren, indem er dieses, sein unleughares Eigenthum in der Nähe der That hinlegen oder liegen lassen würde? Nein. der Ne volver sei dem Angellagten aus seinem Zimmer entwendet worden, und der Mörder habe absichtlich sich dieses Re volvers bedient und ihn in der teuf lischen Absicht unweit des Schauplatzes des Mordes niedergelegt, um den Ver dacht auf den völlig fchuldlosen Be sitzer des Nevolvers zu lenken. Der Vertheidiger fügte diesen Aus führungen einen kurzen Bericht bei über die von ihm mitHülfe des De tettivbureaus in Szene gefehten Be obachtungen und über die Ergebnisse derselben und schloß mit den Worten: »Ich bin der Ansicht, meine Herren Geschworenen, daß der Schuldige in einer ganz anderen Richtung zu suchen ist, und ich kann der Staatsanwalt schats den Vorwurf nicht ersparen, die Anklage voreilig gegen den Schuld losen gerichtet zu haben· Die Staats anwaltschast hätte zunächst die von mir geiundene Spur weiter und bis an das Ende verfolgen sollen. Ja, meine Herren Geschworenem ich glaube, daß der wahrhaft Schuldige bereits gefunden und vielleicht in die sem Augenblick sich schon in den Hän den der Behörde befindet·« Ein Staunen und Raunen ging durch das Auditorium; auch durch die Reihen der Geschworenen ging eine sichtliche Bewegung; befremdet, sta gend sahen die zwölf Männer, die über das Schicksal des Angeklagten zu ent scheiden hatten, einander an. Mit erhöhter Stimme sprach der Zeätheidiget die Schlußsähe seiner e e: »Meine Herren Geschworenen, es wurde bei Beginn der Verhandlung konstatirt, daß die beiden Zeugen Bauline Menzel und der Schlosser Kinzel sehlten. Der Bote, den derbere Vorsitzende aussandte, ist unverrichte ter Sache zurückgetehrL Die beiden Gesuchten sind nicht in ihren Wohnun gen und sind auch sonst nicht zu er mitteln gewesen. Ich- meine beeren Geschirr-teuern bin in der Lage mit zutbeilen, wo sich die beiden Zeugen befinden. Von dem Detettivbureau «Argus" ist mir die Meldung zuge gangen, daß der Schlosser Kinzel sich in Gesellschaft der Pauline Menzel nach Hamburg begeben hat. Der De tettiv, dein von dem Bureau »Argus« die Beobachtung des Schlossers Kinzel aus meine Veranlassung übertragen worden ist, depeschirt nun aus Ham bUta, daß er und ein Beamter der Vvvi bin sofort bnachrichtiaten Krum nalpolizei die genannten beiden Aus reißer aus Schritt und Tritt verfolge. Meine herren Geschworenen, ich be haupte angesichts dieser höchst verdäch tigen Flucht der beiden hier vorgela denen Zeugen, daß der Schuldige in diesem Mordprozeß nicht dort auf der Anilaaebanl sitzt; ich behaupte, der Mörder des Amerilaners Watson be findet sich in Hamburg, im Begriff, sich aus einem Ozeandampser einzu schissen, um sich der strasenden Gerech tigkeit zu entziehen. Und ich schließe nun in der sicheren Erwartung daß Sie, meine Herren Geichworenen, heute überhaupt zu keinem Spruche werden kommen können, denn ich meine, der Prozeß, der uns beschäf tigt, tann heute überhaupt ein Ende nicht finden, er wird erst zu Ende ge führt werden können, wenn der Schlosser Kinzel dort« — der Spre chende deutete auf die Anllagebant — »Was genommen haben wird.« Ein Brausen ging durch den Saal. Der Vorsitzende hob beschwichtigend und warnend die band gegen den Zu hörerraum, denn es hatte den An schein, als ob die aufgeregte und bis zum Aeußersten gespannte Menge in laute Kundgebungen ausbrechen würde. Die Geschworenen steckten die Köpfe zusammen und besprachen sich eifrig. Der alte Graf Buchenau, der auf der ersten Bank des Auditoriums einen für ihn reservirten mlatz inne hatte, sprang auf seine Füße. Er winkte mit der Hand zu seinem älteren Sohne hinüber, der mit leuchender Brust, in stürrnischer Erreaung hinter den Schranken des nkAlageraumes stand. Von dem Gesicht des greifen herrn strahlte frohe Bewegung. in nigste Rührung. Unter lautloser Aufmerksamkeit aller Anwesenden trat jetzt der Ver theidiger an den Tisch des Gerichts hofes heran und überreichte dem Bor sißenden das ihm vom Detettiv-Bu reau zugeschickte Telegrarnnn Der Borsitzende zog sich alsbald mit seinen beiden Beisitzern zur Berathung zurück. Die Frage war, ob die Ver handlung hier abzubrechen und zu ver taaen sei, oder ob der Prozeß zu Ende geführt werden sollte. Indes erhob sich ein lebhaftes Flü stern in dem Saal. Eine fieberhafte Spannung prägte sich in Aller Mienen aus, und eifrig diskutirte man aller seits die Bedeutung des sensationellen Zwschensalles. Da plötzlich lam, noch ehe der Ge richtshof zurückgekehrt war, abermals ein eiliger Bote in den Saal hereinge teucht. Der Bertheidger stürzte ihm voll Erwartung entgegen. Es war ein Brief tür ihn, den das DetektiosBm reau an ihn abgesandt hatte und der eine turze Notiz und ein Telegramm enthielt. Mit fliegenden Blicken über laiz der Vertheidiger Beides, stieß einen lauten Ruf des Triumphes aus und übergab dann Beides dem Ge richtsdiener mit der Aufforderung,es sofort dem Gerichtshof zu überbrin AUT Zwei Minuten sväter lehrte der Gerichtshof in den Saal zurück. Aller Augen richteten sich aus den Vorsitzen: den, der nun das Wort nahm: »Mir ist soeben ein aus Hamburg eingetroffenes Telegramm zugestellt trsorden, das siir die vorliegende Sache von größter Bedeutung zu sein scheint und das folgenden Inhalt hat: Rinzel und Pauline Menzel toeben von hie siger Polizei verhastet. in dem Augen blick, als sie sich nach New York ein schiffen wollten. Kinzel versuchte in die Elbe zu springen, wurde aber da ran verhindert. Bei Kinzel wurde ein rothes Porteseuille mit Stielerei. wahrscheinlich Watson gehörig, vorge tunden. Inhalt achtbunvert Mart. Außerdem goldene Uhr mit Mono ararnm C. W. und Stempel The Pro vidence Watch Comvanh. Angesichts der Verhastung des Rinzel,« schloß der Vorsitzende, »beschließt der Gerichts hos, die Verhandlung bis aus Weite res zu vertagen·« Die Spannung und Aufregung des Publikums war eine so hochgradige, daß sie sich nothwendiger Weise ent laden musztr. Ein lautes Bravo er hob sich brausend in der Mitte des Auditoriums. Der alte Graf Buche nau stieg aus die Bank, aus der er ge sessen, und von da über die Schran ten hinweg in den für die Gerichts verhandlungen abgeschlossenen Raum. Mit eilenden, jugendlich schnellen Schritten eilte er aus die Anllage banl zu und schloß vor allen Anwe senden seinen älteren Sohn in die Arme. Ein noch stürrnischeres, lauteres Bravo ertönte im ZZuhörerraurn, der sich nur langsam entleerte. Filr zwei Zeugen aber batte die Vertagung der sensationellen Ber handlung ein sebr unwilliommenes NachsvieL Der Schlatter Livvert und seine Frau wurden an der Thitr von einem Gerichtkdiener verbaslet und abermals in das Untersuchungsge fängniß abaesiibrt tSchluß folgt) Witte soll zum russischen Manier Minister ausersehen sein« Vaszte er nicht besser zum »Handels«-Minifter? k —-«.» ---.-z.«-.---—-— Lettttre der satt-used Die Hauptanelle ihrer geistigen Kräfte, die sie in verwegenen Finanz unternehmungen hethätigen, schöpfen die ameritanischen Millionäre aus ihrer Lettiite. »Mein ganzes Leben lang, seitdem ich auf der Distriktschule in Oswego lesen gelernt habe,« er zählte Mr. Rockefeller, »din ich ein un ersättlicher Leser gewesen, nnd diese Gewohnheit bat mir nicht nur eins der größten Vergnügen bereitet, das ich je kennen gelernt habe, sondern es hat auch viel zu dem Erfolg deigetragen, den ich errungen habe-« Diese Liebe zn den Büchern hat sich Rockefeller auch jetzt noch bewahrt, und er betrach tet eine eifriae Lettüre als die beste Gmnnaftit des Geistes und das treff lichste Mittel, den Verstand zu schär fen. Jn seiner großen Bibliothek ste hen lauter vertraute Freunde seiner Mußestunden, und er nimmt niemals ein Buch aus einem Fach, ohne es zu lesen. »Schon als ich ein kleiner Junge war,« erzählte der Diamantentiinig Cecil Rhodes, »war meine Lesewuth fast ein Laster; jeden Augenblick, den ich freie Zeit hatte, benutzte ich dazu, wahllos Bücher zu verschlingen; alles, was mir unter die Finqer kam, das las ich, und ich muß sagen, daß diese Gewohnheit, die ich auch jetzt noch in gleicher Stärke habe, neben manchem Schaden doch einen ungeheuren Nutzen für mich gehabt hat.« Auch Mr. Pen bodh hatte ähnliche Anlagen. »Als ich noch ein Knabe war,« so theilte er mit, »war mein Onkel, der in einein halben Jahrhundert rs zu einem Ber miigen von 81.0,000 gebracht hatte, auf mich wüthend, weil ich das Geld, anstatt es zu sparen, in theuren Bü chern und Zeitschriften anlegte. Jch aber meinte, daß ich keinen Nutzen da von hätte, Geld zu sparen, bevor ich nicht meine Kenntnisse vergrößert und meinen Verstand geschiirft hätte. Und so habe ich es denn hauptsächlich durch ausgedehnte Lettiire, die mein Onkel fiir ein mäßiaes Spiel hielt, zu ebenso viel Tausendpfundnoten gebracht, als er Schillinge hatte.« Mr. Nussel Sage, der glückliche Ei genthümer— von etwa 50 Millionen, will diese ebenfalls nur seiner Liebe gzirn Lesen verdanken. »Das Streben nach Geld hat mich nie davon abhalten können, viele Zeit den Büchern zu widmen,« so äußerte er sich. »Seit-W in den arbeitsreichen Tagen meiner Anfänge habe ich immer noch in spä ten Nachtstunden oder sonst früh, wenn sonst niemand wachte, Zeit ge funden, eine ausgedehnte Lettiire zu pflegen. und ich habe bemerkt, dasz das Lesen von Büchern ein Kapital anhäuft, das tausendfältige Frucht trägt. Meine Lettiire war sehr unzu sanimenhiingend, und ich habe mir we nig von dein geniertt, was ich las, aber sie hat ihren Zweck erfüllt indem sie meine Denltnaschine bewealich und gut funktionirend mackte.« Der Waarenhaustönig John Wa naniater meinte «Friiher galt Lesen fiir jeden Geichäftsmann als eine furchtbare Zeitverschwendung, und meine Vorliebe fiir Bücher hat mit viel Ungelegenheiten und Spott einge tragen; doch habe ich mein Lebtag ab les, was ich nur unter die Finger bo tommen konnte, immer durchgeleseih und wenn vieles davon auch werthlos war, so fand ich doch in allem ein we nig Nutzbringendes, das mir Wasser aus meine Mühle leitete. Wenn ich heute einen Jungen sehe, der sein er spartes Geld auf Bücher und gute Zeitschriften verwendet, dann weiß ich, daß er es gut anlegt und sein Glück machen wird.« Mr. Carneaie ist ein betannter Bü cherlv11rm, der sich nur unter Büchern wohl fühlt und viele Millionen aug gegeben hat, um anderen die Möglich teit guter Leltüre zu erleichtern, die er in seinen jungen Tagen sich unter so großen Mühen und Entsagungen verschasen mußte. Pierpont Morgan ist ein Bücherliebhaber anderer Art, denn er hat für viele einzelne Bücher in seiner wundervollen Bibliothet un geheure Summen ausgegeben· Doch er ist nicht nur Bibliophile, sondern auch Büchertenner. »Der Werth der Lettiire," hat er gesagt, »iann nicht gut überschätzt werden« jeder Mensch muß lesen, der sein Gehirn zu irgend einer Art nützlichen und werthvollen Strebens brauchbar machen will. Für mich sind Bücher unschiitzbar und ich habe noch niemals einen Mann ge lannt, der viel Geld erworben hiitte und nicht zugleich ein Büchersreund gewesen würe.« Der australische Millioan Even Entom den man lange für ungebildet hielt, hat noch aus seinem Todtenbette als das Geheimnis seiner Reichthümer einen lleinen Hausen von Büchern und Zeitschriften bezeichnet. »Dab,« sagte er, «ist die Wiege meines Glücks. Diese Blätter haben mir Ideen gege ben, und mir in meinen frühen Küm vsen um Gewinn und Ansehen als treue Helser zur Seite gestanden.« Und dies hohe Lied der amerikanische-r Dollariiiesten auf Bildung und Let türe aivselt in den Worten, die der verstorbene Cornelius Banderbilt an die Studenten richtete: »Pflegen Sie in sich die Gewöhnung an gute Let tiire zu einer bestimmten Zeit an ie dem Tag: sie Lein iann Reichthum und Macht verzæassen Jeder große Mann bat B er mehr geliebt als Deuan ·