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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 15, 1905)
- W Dämmerung. : ; VosMutt Petzold. Der Abendwind weht durch die Welt, Es tauschen die Blätter leise. Was klingst und singst du immerfort Von jenem waldummuschten Ort, Du alte Märchenweier Dann seh ich dich im Geist vor mir, Es leuchten die Augensternr. Sie leuchten durch die Dunkle Nacht, Und meine todte Liebe erwacht Und folge die in die Ferne. i Der Liebe Träume sind verträumt i Verronnm die Abschiedsthkänen. l Und doch, so um die Dämmerungszeit, l Da wird die Seele mir so weit i Von heimlich stillem Sehnen. l Lora, der Papagei. Humvreske von Reinliold Ortmann. Der junge Assefsor, der den Justiz rath Halborn während der Gerichts serien vertrat, hatte sich gleich nach Beendigung der knapp bemessenen Sprechzeit aus dem Staube gemacht, weil es absolut nichts mehr für ihn zu thun gab, und Niemand konnte es dem Bureauvorsteher Hans Eberspach verargen, daß er sich aus der Gluth hiye der Schreibstube in die erträg liche Kühle des justizräthlichen Ein psangszimmers zurückgezogen hatteJ wo sich’s hinter den herabgelassean Fenstervorhängcn in dem bequemens Ledersessel nagenehm träumen ließ. ; Hans Eberspach sah aus die Uhrj und seufzte. Noch-drei Stunden ohne » die geringste Aussicht auf eine Unter brechung dieser aus die Dauer doch etwas langweiligen Siestat Seine Gedanken, denen er sonst in solchen Stunden nicht gern Audienz ertheilte, hatten heute eine Richtung genommen, die ihm nicht gefiel. ’ Es war ihm nämlich eingefallen, daß er in einigen Tagen seinen drei ßigften Geburtstag begeben würde und die Gewißheit, daß dies Ereigniß au ßer siir ihn selbit fiir leinen Men schen aus der Welt Interesse habe lzatåe ihn ein-bischen nielancholisch ge ma t. Er tonnte sich ja eigentlich nicht be klagen. Er war terngesund und seit dem er vor drei Jahren die fünfzig tausend Mart von Tante Sidonie ge erbt hatte, lebte er in ganz behaglichen Verhältnissen Aber als geschworener Feind des Wirthshaustebens fing er nachgerade an, feines Junggesellenda feins herzlich überdrüssig zu werden. Nun hätte es ja sehr nahe gelegen. daß Hans Eberspach fich entschlossen hätte, unter den Töchtern des Landes Umfchau zu halten, ob sich nicht eine findet, die geneigt sei. seine Einsam keit und seine fünfzigtausend Mart mit ihm zu theilen. Ader daran mochte der Bureauvorfteher nicht den ten. Er hatte teine Anlage zum Don Inan, und eine einzige üble Erfah rung mit dem weiblichen Geschlecht war hinreichend gewesen, ihn für lange Zeit, wenn nicht fiir immer, zu entcnuthigen. Als Dreiundzwanzig jähriger hatte er einem Mädchen fein Herz gegeben, war Monate lang in ei nem Wonneraufch und mit einein Kopfe voll herrlichster Zukunfts träume herumgelaufen -—— und dann hatte er eines Tages turzerhand den Abschied erhalten« aus teineni anderen Grunde, als, weil seine Aussichten da mals gar zu befcheidene waren» und die Gewißheit des Brautftandes von unbestimmter Dauer der Mutter des Mädchens zu wenig verlockend er fchien. hans Eberspach hatte sich ja nach etlichem Herzeleid mannhaft damit ab gefunden, aber die Erinnerung nagte doch noch immer an ihm. Da schlug draußen die Glocke, tur zeö Parlamentiren mit einem Aa törnmling, dann steckte der Lehrling feinen Kopf zur Thüre herein. »Da ist eine Dame. die den Herrn Rechtsanwalt foder seinen Vertreter spw »Hm-« Hans Cvctspach gab Geltung, ucc Dame herein-zuführen, fuhr aber in heftiger Beftürzung aug feinem Leder feffel empor, als sie eine Minute spä ter auf der Schwelle erschien Die da vor ihm stand, war- leine andere als die, mit der sich soeben alle feine Gedanken beschäftigt hatten, und die er seit sechs Jahren beute zum ers sten Male wiedersah. Sie war ein bischen fchmalet und bleicher, als er sie in der Erinnerung -l)atte, etwas Mitbes, Verhärmtes war auf ihrem Gesicht, aber hübsch und anmutbig war sie noch immer. Hans brachte zunächst kein Wort über die Lippen, . -die Befucherin aber, die ihn in dem dämmerigen Zimmer nicht sogleich er kannte, fragte: »Der herr Justizratb ist, wie man mir sagte, verreift —- habe ich vie Ehre mit seinem Herrn Vertreter?« Da raffte sich Hans Eberspach energisch zusammen »Nein, Fräulein Burghardtl —- Jch bin nur ein simpier Bureauvorsteher. Aber es wird mich aufrichtig freuen, wenn ich Jhnen trotzdem zu dienen vermas.« "« Yebmska Ztaatssgnzeiger Und THMQ J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island. Nebe» 15. September 1905 ( Zweiter Theil.) Jahrgang 26 No. Si. Ein Ausruf des Erschreckens war ihr entschlüpft. ,.Verzeihen Sie, Herr Eberspachl Jch war natürlich nicht darauf ge faßt, daß gerade Sie —’— —« » »Gewiß, Sie tonnten es nicht wis- j sen· — Aber da Sie nun einmal das ; Mißgeschick hatten, möchten Sie mich: nicht über den Zweck Jhres Erschei nen-S unterrichten?« Er ftaunte über sich selbst, daß er so gelassen reden tonnte, während ihm doch gar nicht derart zu Mufhe war. Sie aber ließ sich wirl ich täuschen, öffnete ihre lleine Hand tasche und reichte ihm ein Aktenstück. »Die-z hier habe ich soeben belom men.« Seine geiibten Augen hatten sofort erkannt, um was es sich handelte. Es war eine Klage, angestrengt von dem Hauseigenthümer Gotthils Rinlel ge gen die Mietherin Fräulein Eise Burghardt auf sofortige Räumung der Wohnung wegen gröblicher Ver letzung der lontrattlichen Bestim mungen. Der Verhandlungstermin ! sollte bereits am übernächsten Tages stattfinden. I ,,Eine Exmissionsllage!« sagte Hans Eberspach ohne sein Erstau nen zu verbergen. »Ja, um alles in der Welt, wie sind Sie denn dazu ge tommen2« »Es ist wegen meines Papageiss — meiner herzigen Lokal Der grausame Mensch verlangt, daß ich das Thier abschafse, weil er sich durch sein Ge plauder gestört fühlt!« Hans Ebersbach kannte diesen Pa pagei sehr gut. Und es war eine Zeit in seinem Leben gewesen, wo er ihn ebenfalls fiir das herzigste aller thie rischen Geschöpfe gehalten hatte· Das war seit dem Tage gewesen, wo Eise den Vogel gelehrt hatte, ihn mit dein Zuruf: »Griiß Gott, lieber Hansl« -zu empfangen, und wo dng gelehrige Thier überdies aus eigener Initia tive darauf verfallen war, die ihm schon seit längerer Zeit geläufigeAus sorderung: ,,Gieb Kiifzchen!« jedes » mal vernehmen zu lassen. sobald ihm die Unterhaltung zwischen den beiden Liebenden in’s Starken zu gerathen schien. Enthält denn Jhr Miethsvertrag eine Bestimmung· die Ihnen verbie tet, einen Papagei zu halten?« sraate er so nüchtern, wie eg etwa der Herr Justizrath selbst gethan haben würde. Und Fräulein Else nickte traurig. »Ja. Aber es ist alles nur ein Racheatt. Denn drei Monate lang hat er an dem Geplauder meiner Lora nicht den mindesten Anston genom men.« »Und wofür, wenn es erlaubt ist, danach zu fragen wofür will er sich jetzt an Jshnen rächen?« Eine heiße Röthe stieg in Elses Wangen aus. »Er hat mir einen Heirathsantrag gemacht,« hauchte sie kaum vernehm lich, »und hat es mir sehr übel ge nommen, daß ich ihn abwies.« . Hans Eberspach war ein gutwil thiger Mensch, aber es war ein echter —- ja, beinahe leidenschaftscher Haß, den er in diesem Augenblick gegen den Herrn Gotthils Ninkel empfand. »Es thut mir unendlich leid, Fräu lein Burgharbt, aber ich fürchte, daß Sie sich entweder zur Ausgabe der Wohnung oder zur Abschaffung des Papaaeis werden entschließen müssen. Es sei denn, daß man den Versuch machte, eine gütliche Einigung mit diesem ——— diesem Herrn Rintel« -— er mußte ordentlich würgen, um den Namen herauszubringen —- »herbei-« zusiihren.« »Nein --— nein! s-— Niemand soll dem abscheulichen Menschen ein gutes Wort geben. Und von Lora trenne ich mich nicht. Sie ist ja das einzige Wesen, das ich noch auf der Welt habe und das ein wenig Zuneigung siir mich empfindet.« Der Bureauvorsteher räusperte sich und blickte angelegentlich nach dem Fenster. Eine geraume Weile war vergangen, ehe er fragte: »Wenn der Mann aber ein obsie gendeg Erlenntniß erstreitet — wird es Jhnen dann nicht sehr unbequem sein, die Wohnung vielleicht schon nach Verlauf weniger Tage und un ter Zahlung der Miethe für ein vol les Quartal verlassen zu miissen?« Da lonnle sie ihre Thräncn nicht mehr zurückhalten und verbarg das Gesicht in den Händen. »Aus die Straße geworfen!« schluchzte sie. »Nein, das ertriige ich nicht —- das könnte ich nicht über leben.'« Wieder eine lange Still-. Und dann einige unsichere mit halb abge wandtem Gesicht ausgesprochene Er wideeung aus dem Ledersessel: »Es ließe sich ja vielleicht noch ein I anderer Ausweg finden. Aber ich weiß allerdings nicht, ob ich wagen dars, ihn in Vorschlag zu bringen. Jch meine —- hni! —- wenn Sie sich entschlössen, den Papagei irgend je mandem sozusagen in Ausbewahrung zu geben, bis -— bis Sie in Ruhe nach einer anderen Wohnung Umschau ge halten haben —- oder bis —- hm! — hm!« Fräulein Else schüttelte traurig den Kopf. »Jch weiß niemanden, dem ich Lora anvertrauen möchte. Und das Thier würde sich auch zu sehr grämen, wenn es mich nicht mehr sähe.« ELange Pause. »Würden Sie — würden Sie ihn auch niir nicht anvertrauen, 0fräulein Else?«« »Oh!« »Ich meine —- verstehen Sie mich nicht falsch —— ich meine —- — Aber er schien selber nicht recht zu wissen, was er meinte, denn er blieb mitten in der beabsichtigten Erklärung stecken und dabei war er ebenso roth im Gesicht wie sie. »Das geht doch nicht, Herr Ebers pach," sagte sie leise, »und es ist wohl auch gar nicht Jhr Ernst.« Dieser tränkende Zweifel gab ihm all seinen Muth zurück. ! »Und warum sollte es nicht mein Ernst sein? —- Jch würde Ihnen so gar im Gegentheil herzlichen Dank dafür wissen, denn auch ich — auch ich sühle mich sehr einsam in meinen vier Wänden. Und ich habe das Thier . lieb gehabt « — damals --— ich J meine —— —« i Da war schon wieder eine Klippe. I Und ein paar Minuten lang sahen sie einander vorbei, während ihre Herzen pochten, daß man es in der : « Stille deg Zimmer-Ei hören konnte Aber das Mädchen war tapferer als der Mann. - »Wie gut Sie sind! -—— Jch werde Ihnen das nicht vergessen. —-— Und ich habe so schlecht an Ihnen ge s handelt.« l Siedend heiß drängte sichs dem Bureauvorsteher zum Herzen und dann wieder zum Kopf empor. »Ach was-! Davon reden wir jetzt nicht. Jch habe gesagt, daß ich mich freuen werde, Jhnen zu dienen, Und das ist mein heiliger Ernst. —-— Geben Sie inir Lora in Pension, und ich ver spreche Ihnen, daß ich sie wie meinen Augapsel hüten werde. Wenn Sie einverstanden sind, hole ich mir den Papagei aus der Stelle und setze mich dann gleich mit diesem Hauswirth auseinander.« Fräulein Else hatte sich noch ein wenig gesträubt,« aber eine halbe H Stunde später stiegen sie doch zusam men die Treppe zu ihrer bescheidenen Wohnung empor. Es war nicht mehr viel zwischen ihnen geredet worden, und ihre Augen hatten es nach Mög lichkeit vermieden, sich zu begegnen. Aber als Eise die Thiir des Vorzin1 merg öffnete, ries aus der Tiefe deg selben eine helle durchdringende Stimmc »Griisz" Gott, lieber Hans!« Und da -— es wußte teines von ihnen, wie es geschehen war —- da hielten sie sich in den Armen, wie einst in den Tagen ihrer jungen Liebe. ,,Else! —--— liebe Elset s— Soll-ich den Papagei fiir Dich bewahren, big Du kommst, um fiir immer bei rnir zu bleiben wie er?« Sie hatte leine Antwort, sondern verbarg das glühende Antlitz an sei net Brust. Lora aber rief: ,,Gieb Kiißchen!« Und Hans Ebers-nach fand wie einst, daß es der herzigste bunte Vogel unter der Sonne sei. ....—--· Auch etne russifche Niederlage. Als der Rritntrieg ausbrach, befand sich die berühmte sranzösische Tragö din Rachel in Petersburg wo sie in einer Reihe von Vorstellungen austrat nnd Triumphe erntete. Nach ihrer letzten Gastrolle veranstaltete die Elite der Stadt ihr zu Ehren ein Bankett. Als das Fest zu Ende war, trat ein rnfsischer Offizier, ein Fürst Ro densti. zu der Künstlerin und sagte zu ihr in spöttischem Tone: »Wir tvols len Jhnen nicht Adieu, sondern auf Wiedersehen sagen, denn hoffentlich werden wir bald in Paris Jhre Ge sundheit in schäumendem Champag ner aus-bringen tönnen.« »Mein Herr«, versetzte die Tragödin lächelnd, »Frantreich ist nicht reich genug, um alle feine Kriegsgefangenen mit Champagner zu bewirthen.« Das Verständniß reicht oft weiter als der Verstand. N - Der letzte Wunsch. Von Fanny Belten - Herrinann. Jm Antlageraum des Schwinge richts zu V. steht eine seine, schmale, schwarzgelleidete Männergestalt mit blassem, leidendem Gesicht, das in grenzenloser Furcht zu Boden gelehrt ist — der Hilfslehrer der Sexta des städtifchen Gymnasiums Dr. Starck. Das Verbrechen, welches ihn vor die Gefchworenen gebracht hat, ist so un geheuerlich, daß halb B. herbeigeeilt ist, Zeuge der Verhandlung zu sein, in der Urtheil gefällt werden soll über diesen Menschen, dieses Nichts, dieses jetzt schon in Todesangst ver gehende Geschöpf, das ein blendend schönes, lebenspriihendes Weib gewor det, das schon als Mädchen der Lieb ling der guten Gesellschaft gewesen war, und als Gattin dem schlichten schüchternen Unterlehrer zu einer Be deutung verholfen hatte, die er gar nicht verdiente, die er nie zu wiirdigen verstanden. Gemordet, elend gemordet, erstochen mit einem gewöhnlichen Brotmesser, das zufällig auf dem Tisch lag — hingeopsert in einem lächerlichen Af selt von Eifersucht! Ach, es gab lei nen Ausdruck von Verachtung, der fähig gewesen wäre, die Stimmung zu kennzeichnen, in der sich Richter und Publilum vor diesem sei-geti, er bärmlichen Mörder zusan menfandenI Irin Lehrer ein Mörder! Von lsjemissensdissen und von cis-braten gefoltert, stehk er da und weist sich nicht zu vertl,eidigen. Wes-Z er stammelnd vorbringt, sind unglück liche unzufammenhängende Worte, welche die Stimmung der Geschwore: nen vollends gegen ihn kehren, ohne daß sein Vertheidiger, ein junger, un geiibter Anwalt, es zu hindern ver mag. Sie nehmen ihn für einen heim tiielischen Ductmäuser, der nicht ein mal in diesem Augenblick, wo er den -Spruch über seine That in aller Au igen lesen konnte, auch nur Scham Darüber-empfand dass er nichts, abs folut nichts gegen die Todte vorzu bringen vermochte. Wie er immer still und schüchtern gewesen war, ganz im Einklang mit seinem Aeußern; wie er selbst aus dem Platz, den sein Fleiß ihm erobert hat-— » te, bemüht war, unbemerkt zu bleis ben; wie zärtlich er das schöne Wesen geliebt hatte, das sein eigen geworden war; wie obenhin sie ihm geantwortet hatte aus seine guälenden Klagen; wie isie seine philiströsen Kleinglauben verhöhnt hatte bis zur Empörung, bis-Z zum Wahnsinn, trotz slehentlicher Bitten, bis zu jener fürchterlichen Ses tunde, in der er ihr mit einer Handbe: wegung den Tod gab, ohne jede Ab sicht, sie zu tödten ——— das alles rang mit dem Schrecken, den er nachträg lich darüber empfand, und blieb un gesagt, selbst in seinem Stammeln, »unter der Leidenggewohnheit, unter jder lebenslangen Duldung, unbeanst s tet zu bleiben. Erst das Urtheil löste ihm die Zun ae, das harte, furchtbare Urtheil: fünfzehn Jahre Zuchthaus — und auch nur zu dem einzigen Schrei, der nun doch einige Bewegung Unter den Zirhötern hervorrief: »Mein Kind! Was wird auCJ Inei nem kleinen Kinde tverden!« sk It- st Und dieser einzige furchtbare Aus schrei einer namenlosen Angst ist nicht ohne Erfolg geblieben. Eine Dame der vornehmen Welt hat sich des tleii nen verlassenen Wesens angenommen, und ist damit in die entsetnteste welt stiidtische Residenz gezogen. In einer tnrzen Unterrednng, die ihr mit dein Verirrtheilten quoiihrt wurde, hat Dr. Starck sich verpflichtet, nie-: inalg wieder sein Vaterrecht gel tend zu machen, völlig aus sein blind zu verzichten nnd keinen Angen blid nach seiner Freilassnng jeninlg zu versuchen, sich seiner Tochter, der eine sorgfältiger Erziehung und eine glückliche Zukunft zu Theil werden sollte, zu erlennen zu geben. Er sollte zweimal im Jahre Nachricht erhalten, im übrigen aber fiir todt gelten; auf da sein Kind niemals auch nur eine Ahnung erhalte, was an seiner Wiege Entsetzliches geschehen war. . . . . It· It- Il Jm Burean der Theateragentur E. der Reichshauptstadt sitzt über sein Pult gebeugt ein kleiner, ältlicher, schon stark ergrauter Mann mit seinem blassem Gesicht, emsig mit der Ab schrift von Schauspielrollen beschäf tigt. Er achtet nicht der witzigen Be merkungen seiner jüngeren Kollegen um sich her —- er sieht nur zuweilen ängstlich aus die große grobe Wand uhr. vie ihm vis-a-vis hängt, und de ren schwere, klobige Zeiger langsam, ach! wie langsam, gegen Elf vorriicken. Um elf Uhr ist seine Mittagspause. Da zieht er mit merkwürdiger Hast die großen Schreibärmel von seinem sadenscheinigen schwarzen Gehrock Und nimmt seinen Hut, ohne aus die scherz haften Anspielungen seiner Mitarbei ter zu achten, und verläßt sanft, träu merisch vor sich hinlächelnd das Bu reau. Es ist das einzige Vorrecht, das er sich von seinem Chef erbeten hat; um dieser wenigen Viertelstunden der Freiheit vor den Anderen willen kam er des Morgens eine Stunde früher, und hätte bei dringlichen Arbeiten lie ber die Nacht verbracht, als jene frü here Mittagspause geopsert; er würde keine Minute länger gewartet haben. Dafür war er die Piinktlichkeit und Regelmäßigkeit selbst und saß lange vor den anderen schon wieder an sei ner Arbeit. Mochten sie ihre Bemer kungen iiber ihn machen, ein Drama oder einen Roman oder ein Geheimniß in seinem Leben wittern — was galt es ihm! Einmal die Thür hinter sich zu, ge wann er das Freie und ging, zitternd aufathmend, mit seinen kurzen schnel len Schritten die Straße hinab, bis er zur Vorstadt hinaus war und in die glänzenden Anlagen des vorneh men Stadtviertels einbog. Es gab keinen Moment des Zauderns fiir ihn bis zu einem kleinen Baumbestand ganz zu Anfang auf der rechten Sei te, von wo er alles sehen konnte,"ohne selbst gesehen zu werden. Dort erst siihlte er sich, nach einigen ängstlichen Blicken uiu sirh ber. sicher vor unbem fener Neugier, die ihm sein Gebeimniß hätte entreißen können. Er brauchte ja nur wenige Minuten zu warten, oft einen Augenblick nur; aber das Herz schlug ihm bis zum Halse, und die Aufregung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. So wartete er in seinem sicheren Versteck, einzig bemüht, sich nur noch mehr zu Verbergen, wie wenn er sich schämte, hier zu sein. Und doch würde er um keinen Preis der Welt verabsäumt haben, ihn täglich um diese Stunde auszusuchen. Noch wenige Sekunden.... dann acht ein Beben, ein Zittern durch die kleine Gestalt und über das leere alte Gesicht gießt sieh ein leuchtender Schein Vom Eingang der Anlagen her kam in Begleitung einer Erzieherin ein junges, hochblondes, elegant gekleide tes Mädchen von etwa 17 Jahren, das eine kleine Ledermavpe trug: es lehrte von einem wissenschaftlichen Fiursus, wo es seinen regelmäßigen Unterricht enivsing, nach Haufe zurück. Lächelnd, im vollen Liebreiz von Jugend und Anmuth ging die Schöne vorüber, im lebhaften Gevlauder m’it ihrer Begleiterin, die zarten Wangen von innerem Leben rosig überhaucht. Wie hatte Regimens Adotivniutter ihr Versprechen gehalten! Ja, sie war glücklich — sie ahnte nichts von dem Vorgegaugenen: war voll Liebcnswür digkeit und Frosinm war sicher die Freude derer, denen sie angehörte, und beherrschte sie ihrerseits mit der gan zen Allmacht ihrer Anmuth. Dr· Starck segnete den Gehorsam, mit dem er der damals im äußersten Jammer und Elend eingegangenen Verpflichtung nachgekommen war, als er gefchworen hatte, für immer auf seine Vaterschast zu verzichten. Nein! Wie sollte ihm der Gedanke kommen, ihr zu entdecken, wer er war. Was » lonnte ihr auch das Geschenk eines fol J then Vaters nützen, wie er es wart i Aber sehen, sehen wollte er sie zu weilen — sehen, ohne selbst gesehen zu swerdeu! Ohne auch nur im entfernte sten ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Diese stumme Zärtlichkeit des Vater i lierzeus hatte man ihm nicht verbieten lkönnen —-— sie blieb sein Recht. Und strotz aller Schrecknisse, sich entdeckt zu i sehen, hatte er sich allmählich mit allen Itiieusohnheiten Reginas heimlich ver traut gemacht; mit den Stunden, wo sie in Begleitung ihrer Grzieherin kam und ging. Und diese Minuten ängst licher Erwartung und flüchtigen Se heus füllten seine ganze elendeExistenz aus, einzig unterbrochen von seinem niedrigen Borderwerb. Ju diesen wes nigen Augenblicken lebte er sozusagen ein Stückchen Leben seiner Tochter-. Nur ein Ehrgeiz, ein letzter Wunsch brannte noch in ihm-sie einmal spre chen zu hören, einmal ihre Worte an sich gerichtet zu wissen, ein einziges armseliges Mal den ganzen weichen Wohlklang ihrer Stimme zu verneh men. Und wäre es selbst, als die all tägliche Folge eines ganz banalen Be gebnisfes, ein einziges »Ich danke schön, mein Herr« gewesen, wie man es so oft, so tausendfältig am Tage im Boriibergehen hört fiir den unbe deutendsten Dienst aus Höflichkeit.» Und eines Tages ist sitt Dr. Starck auch dieser Augenblick gekommen. Zu ihrer gewöhnlichen Stunde sah er sie kommen, lachend und plaudernd mit ihrer Begleiterin; sie hielt ein Buch in der Hand, und just in dem Moment, da sie an ihm vorüberging, entglitt es ihr. Bevor sie noch die Zeit gehabt hatte, sich danach zu bücken, war Dr. Starck in einem Ueberschwang von Freude hervorgestijrzt und hatte es aufgenom men und ihr dargereicht. Jn jäher Ueberaschung war Regina zurückgepralli. Sie hatte den Mann, der so Plötzlich vor ihr stand, siir einen dreisten Bettler genommen. Und fast hart, mit abweisender Ge bärde, sagte sie: »O, wie Sie mich erschreckt haben!« Und der kleine alte Schreiber beugte da gergraute Haupt in demüthigein tVekzichr Mit einer Ohnmacht käm pfend, wendete er sich ab, und schleppte sich unter den Bäumen davon, aus daß Niemand die schweren Thränen sähe, die iiber sein hageres, bleiches Gesicht flossen. — Wettrmnen und Humor-. Die eben abgeschlossene Attomobil Rennwoche in Brighton ist an glän zenden, aber auch an humorvollen Einzelheiten reich gewesen. Unter den am Rennen theilnehmenden Damen war eine durch ihr wundervolles roth braunes Haar aufgefallen, das sich in ihrem Nacken zu einem mächtigenKno ten zusammenschlang. Die Trägerin dieses herrlichen Hauptschmuckes be fand sich Unter den Ersten, die als Sieger dein Ziele nahten. Da — nahezu im letzten Augenblick, löste sich der vielbewunderte Lockenknoten, löste sich nicht nur, sondern trennte sich gänzlich vom Haupt der Trägerin und iflog durch die Lüfte davon. Ungeheure ;Heiterkeit von Tausenden der Zu schauer, das donnerndste Hurrah und ’Gelächter erschallte. Die Besitzerin des davongeblasenen Lockenschmucles " ließ sich durch diesen schrecklichen Zu fall nicht beirren. ,,Lieber die Haare vom Kopf verlieren als das Rennen«, schien der Entschluß dieser modernen Atalante zu sein. Unentwegt und jetzt von gewaltigem Jubel umtost, raste sie weiter, überholte alle Konkurrenten und ging als Siegerin durch’s Ziel. « Am letzten Tage der Rennen führte ein wohlbekannte dortiger Theater Direltor einen ungeheuren Possen streich aus. Jn aller Frühe wurde plötzlich wie wahnsinnig am Telephon im Rohal York Hotel geläutet, wo die Direktoren der Rennbahn und die ge fammten Herren von der Presse lo girten. Eine Hiobspost kam: ein Hauptrohr der Wasserleitung sei ge platzt und die Fluthen hätten die halbe Rennbahn weggeschwemmt! Al les stürinte aus dem HoteL Viele spragnen gerade erst aus dem Bett. Einen von diesen sah man in Unter kleidern auf seinem Rad davonjagen, der Unheilstätte zu. Mit erhobenen Bleistiften und aktionsbereiien Ko daks langten sie an, eine Völkerwan derung von Ningierigen trabte hinter drein -— um zu finden, daß alles nur ein Witz gewesen. - Gelungen-: Ausrcdr. Richter: »Was bezweckten Sie da« mit, daß Sie mit Ihren Kneipgenos ien in fast allen Straßen friedlichen Viiraern die Fenster einwarfen?« Student: »Wir wollten dem Gla sertonareß, der am anderen Tage in unserer Stadt zusanimentrat, eine Aufmerksamkeit erweisen.« Faniose Sühne Komnierzienrath (Chef eines alten, reichen Handelshauses): »Deinen Sie sich Serr Graf, da habe ich zufällig iii unserer Familienchronik gelesen, daß einst Ihr Ahne, der Raubritter Bolko, auch einen meiner Vorfahren ausgepliindert hat!« « Graf: »Das muß ich sofort wieder aut machen UNich bitte um die Hand Ihrer Tochter!« Einwand. »Das Haus« das meine Frau mit in die Ehe brinai, ist ganz hübsch, aber leider bat ec- sehr niedrige Stuben.« »Was thnt’"g. Ducten wirst Du Dich doch müssen!« Zu vicl verlangt ,,Sie haben die Jagd wieder ausge geben, Herr Ziviclel?« »Ja, sehen Sie: das erste Jahr hab’ ich, weil iet) sleifzig auf die Jagd ge ganan bin, an die angeschossenen Treiber entsetzlich viel Schmerzensgeld zahlen müssen: das zweite, wo ich das Jagen deshalb sein ließ, hat mir die Gemeinde ’ne Bombenrechnung über Wildschaden präsentirt, und heuer verlangen gar die Treiber Schwerter satz dafür, daß sie nicht angeschossen s« wurden. Wink. Student lan seine Eltern schrei bend« welche Bauersleute sind): ,,. . . Schickt mir nur von demSchwei nerl, welches-Ihr schlachtet, hübsch viel, ich sreu’ mich schon Maqu . . Sollt’s eiber zu viele Umstände machen» . .. dann könnt Ihr mir’s auch per Post anrveisung schicken!«