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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 8, 1905)
kwwwwwwwwwwwwdOPOOOEEGPEE II Die Spielgefi ibrten. Z; H i Ei Roman von W. Wicscid ) b f ) b f ) ) k s. Js- It .-, k. Jst-«4 .-k. .I-. .«t. .-t-. .«t. .«I-. .·I-. .I-. .-I. Je nk Is-. I-. »s-. .0. .0. .«s- i , IWIOIIUIUCIUTTT T« (1.Fortsetzung.) »Gleich siehst Dich trocken an, ver stehst? Lönas den ganzen Dielen rennt ! schon das Wasser. Muß man sich nicht rein zu Schanden ärgern über den großen Bengel! Aber wart, Vater wird Dir schon was ausziiblen, wenn er Abends nach Haus kommt, und die Vettschaft wird auch nicht mehr er lauben, daß Du mit der Alicchen spie len darsst.« Eilig wischte die Frau das Lehm tvasser von dem sauber gehaltenen Fußboden und machte sich dann daran, in der Küche einen aroßen Topf voll Lindenthee zu kochen. Doch als sie da mit vor das Himmelbett trat, fand sie die kleine Patientin fest eingeschlafen, ruhig athmend, die Bäckchen srixch und rosig, als wäre aar nichts ae cheben. Fritz waate sich nicht mehr in die Stube hinein. Er saß hinterm Hause im Kartoffelaarten auf einer Wagen deichsel und sah totz des Sonntags staates, den er trug, recht kläglich aus. Als später Frau Brunk, die den Trankeimer nach dem Schweinestall trug, an ihm vorüberkam, hielt er sie bittend am Rock fest. »Mutter, hörst, saa’s blos nicht der Herrschaft. daß ich schuld bab’! Vater kann mich meinsweaen bauen. aber saa«3 nicht der Herrschaft sonst darf ich nicht mebr mit der Licnchen spie len und das«—— der große Junae sing bitterlich an zu heulen-—,.lieber die vollsten Prügel, Mutter, als das.«—— Tanninken war keine Muster-mitth schaft. Nicht etwa, daß der Besitzer der alte Dittmer, seine Sache schlecht verstanden oder aar vernachlässiat hätte. Im GegentheiL es gab auf Mei len in der Runde keinen erfahreneren. tüchtigeren Landwirth. Auch ließ er nichts unnütz draufaehen hielt der Billigkeit weaen keinen Jnsvetton sondern bewirthschaftete das Gut al lein, nur mit Hülfe des Kämmerers sogar oft. in dränaeder Ernteieit, bei der Arbeit selbst Hand anlegend. Ru dern war er von einer unglaublichen Bedürfnisxlosiateit und brauchte für seine Person so gut wie nichts. Dennoch trotz aller Einichräntuna, aller Plackerei von früh bis svät wollte es ihm nicht gelingen, auf einen arii nen Zweig zu kommen undllelserschiisse zu erzielen. Es reichte gerade immer nur aus der Sand in den Mund. Mochten die Jahre auch wirklich gün stig sein. die Ernte aute Ertriiae lie fern. Arbeitslöbne, Abaahen, Wir-tr schaftsuntosten verschlanaen sofort wieder einen großen Theil der Ein-— nahmen, der Rest ging zur Zinsenzab luna drauf. Dittrner hatte seinerzeit beim Kan von Tanninten nur eine ganz geringe Anzahluna leisten kön ent die Hauvtiumme wurde als Hv vothete einaetraaen. Er behielt von seinem-kleinen Kapital kaum so viel in der Hand, um die ersten, nöthigsten Ausgaben zu decken. Und so blieb es auch sväter es fehlte immer und überall am Besten. . Das alte, niedrige Gutshaus war tete von Jahr zu Jahr vergebens auf den heavnaytigten Ausbau; die Ver großerung des Viehstanoes, Draini runa der Felder mutzte wegen Man gels an weldrnittetn unterbleiben, evenso wie der große, von herrlichen, alten Bäumen vejtandene Garten nur zum Theil in Ordnung gehalten wurde, weil die Arbeitskräfte zu tnapp und auf dem Felde nöthiger waren. Dittrner hätte wahrscheinlich tliiger daran gethan, mit seinen bescheidenen Mitteln statt eines überlasteten Her renfißes ein einfaches Bauerngrund stüa zu erwerben, aber er hatte zu lange als Administrator großer gräf licher Besitzungen in ausgedehntem Wirtungötreise geschafft, um sich mit kleinlichen Verhältnissen vertraut ma chen zu können. So quält er sich lieber frisch und unverzagt auf seiner Scholle und wenn auch nicht mehr dabei her auskam als das Sattessen, hielt er sich doch für einen beneidenswerth glück lichen Menschen· Jn gewissem Sinne hatte er ein Recht dazu. Durch Umsicht, Energie und unermüdliche Thötigteit war es ihm qelixkaem sich vom einfachen hof Infpettor zum unumschränlten Ver walter ausaedehnter Besitzunqen her aufzuarbeilen Seine letzte Stellung bei der verwittweten Baronin Wenal auf Wenkitten bot ihm völlige Selbst ständiqkeit, während hohes Gehalt und Tantiemen, durch aroße Spar samkeit unterstützt, ihn im Laufe der Jahre ein hübsches kleines Kavital anfammeln ließen. Immerhin würde dieses zum Anlauf eines eigenen Gu tes nicht hinreichend gewesen und der brave Dittmer bis an fein Lebensende Adminiftrator geblieben fein, wenn nicht ein unvermuthetet Lotterieqe winn den kühnften. geheimsten Träu mereien seiner Phantasie greifbare Gestalt gegeben hätte. Und wie der bescheiden Mann, der bijlana sich und seine Leiltunqen weit unterschäth seit dein Besitz des Gel des eine gewisse wohlthuende Hoch Mng vor sichs selber empfand, so Mit er such in den Augen anderer . ,« mehr Ansehen ethaltn Æsch e zu "Wenn die Barnnin fest nach Feier tbend den täglich-en Wirthschaftskaps M entsegenneslnm merkte man kaum, — III s- tatt einem Untersebxnen I· TTTTTTTUIIIIIOIU s sprach, so freundschaftlich lordial war der Ton, welchen die alte Dame an schlag. Zum Schluß hieß es immer: »-Hoffentlich werden Sie uns noch nicht zu bald verlassen, mein lieberl Herr Dittrner; Sie wissen ja, ich un-· erfahrene, alleinstehende Frau kann Jhre Hülfe gar nicht entbehren. Was sollte aus Wenlitten werden ohne Jhre leitende Hand« Dann oerbeugte sich der Unentbehr liche in seiner kurzen, ungeschickten "Art, murmelte etwas von »vorläuig keine Rede —- gern ferner —- treue’ Pflichterfüllung —«, ging hinauf ini seine Stube und zerriß den BriefHH welchen er am Morgen einem Güter-’ agenten wegen einer zum Kauf aus gebotenen Vesißung geschrieben hattes Ja, die Baronin hatte recht, Sein-s mer über mußte er jedenfalls noch auf s dem Posten bleiben. da war gar zu-s viel zu thun und wirklich schwer pas sender Ersatz zu finden. Zum Bin-s ter konnte sich ein Nachfolger eher ein- I leben und in Muße sich mit den Ver- s hältnissen vertraut machen.——-Mit derj Aussicht, bald eigenen Grund undi Boden zu bewirtschaften, konnte man; sich schon noch ein Weilchen für! Fremde schinden, meinte der Glück-; liche. « Die atre Baronin Luengr yatie ncy Besuch eingeladen. Eine Nichte zwei-J ten Grabes, ein armes, nicht mehr ganz junges, adeliges Fräulein, das.« elternlos, in der Verwandtschaft von einein zum andern geschickt wurde und bei den verschiedenen Familien eine nicht gerade deneidenswrthe Gajc- , frundschaft genoß. - Jn Wentitten war sie früher auchT einmal gewesen, aber der selbstsüch-« tige, launenhafte Charakter der Tantez und der verbitterte, wenig anschmie-j gende der Nichte hatten schlecht zu-! einander gepaßt und die alte Baroninj dies tn ziemlich unverblümter Artj markirt. « Um so seltsamer mußte dein da mals schroff verabschiedeten Mädchen ietzt die uninotivirte, dringliche Ein ladung erscheinen, welche die Arme, Abhängige natürlich nicht ausschla gen durfte. An sich war es auch ver lockend genug die Enge der drückend heißer-» nach dein Hof gelegenen Man fardenstube in der das adelige Fräu-! lein vom Morgen bis zum Abend saß und gegen geringen Lohn Mono grarnnie in Taschentücher stictte, mit’ dein Aufenthalt auf Schloß Wertm ten zu vertauschen, und schon nach wenigen Tagen mertte Marie von Dötnhosen. daß sie diesmal nicht alsf lästiger Eindringling. als die dienst-? pflichtige Gesellschafterin, sondern als gleichberechtigte hauågenossin und liebe Verwandte behandelt wurde. Sie war solch warmer Freundlich keit zu wenig gewohnt, um nicht fo fort einzusehen, daß irgend ein Hinz tergedanle dieselbe veranlaßte, und bald wurde ihr auch klar, welchen Plan die Tante verfolgte Gewiß nicht ohne Grund rühinte dieselbe in ihrer Gegenwart immer wieder die außerordentliche Brandeit und Tüchtigkeit des Oberinspettors Dittmer und konnte sich gar nicht ge nug thun, das Mädchen glücklich zu Preisen, welches er dereinst erwühleni würde Auch war es seither nie geschehen, ! daß Dittnier Sonntags nach Tische· aufgefordert wurde, den Koffee ge-; meinfchaftlich mit den Damen einzu-; nehmen, eine Neuerung, die im Grun- I de allen Betheiligten gleiche Unbe-i quenilichteit verursachte. Ader die? alte Baronin opferte heldenmiithigl das gewohnte Rachmittagsschläfchenl und gähnte nur ganz verstohlen hin-l ter dem vorgehaltenen Taschentuch,l während ihr Gegenüber sich in seiner breiten schwerfälligen Redeweise müh sam aus s ldigem Respekt eine oft stockende Un haltung abquältr. Fraulein von Doxnnosen ver-euere» den Kassee; und während sie Dittmer die große, blaugeblümte Tasse hin überreichte, bemerkte sie wohl, wie plump, kurzsingerig und rauh die Hand war, Die sich ihr entgegenstreckte Bäurisch, unvornehm sal) der ganze Mensch aus mit seiner gedrungenen, untersetzten Figur, dem kurzen, roth btaunen Vollbart, der beginnend-en Glatze und den blauen Allem-elfs augen. Auch konnte er den Vierzigen nicht mehr fern sein« wenn er sie nicht etwa schon überschritten hatte. Aber dieser Mann würde binnen kurzem eine Heimath zu bieten haben, Haus, hos und Unabhängigkeit Fräulein Marie lächelte freundlich, was sie nur « äußerst selten that. und als später die Tante sie ausserdem, Denn Dittmer nach den neuen Gartenanla en zu führen und seinen Rath betres s der Anpslanzungen einzuholen, erräthete sie sogar ein wenig. Beide schritten nebeneinander durch den sommerlich bkiihenden Garten, zwischen süß bus tendem Gesträuch, aus dem die Ging-« drossel sehnsüchtig girrte. und mähten sich redlich- allerhand Bemerkungen1 W iiber Tagesbegebenheiten, Erntetag-J siebten oder Witterungöoerhiiitnisse auszutaujchenz doch wenn der gute Obetinspeitor sich nach dem Abend essen verabschiedete, wollte ei ihm fcheinen, als sei der Sonntag der an firengendste Tag der ganzen Woche ge wesen. Der Juni neigtei sich zu Ende, das Korn fing schon san zu reifen, aber die Pläne der alten Baronin keiften! noch immer nicht Sie hatte es sich nun mal in den Kon gesetzt, an der armen Verwandten ein »gutes Wer-P zu thun, indem sie ihr zu einer Ver sorgung verhalf. Mit dem Eifer un beschäftigter Frauen hing sie dieser Jdee nach und tam sich sehr edel vor in dem Bestreben, die Partie zustande zu bringen. Da alle bereitwillig gebotenen Ge legenheiten in dem Busen ihres pflicht getreuen Beamten gar keine zärtlichn Regungen entfachien, ging die Für sorgliche zu energischem Angriff iiber »Wenn Sie sich nun bald antaufen, mein lieber Ditimer, dann seben Sie sich aber auch nach einer braven Le bensgefiihrtin um. Jn Its ren Jahren muß man keine Zeit versäumen, und ein Landwirth ohne Hausfrau, ba geht nicht, glauben Sie mir.« Der ahnungålofe Heirathstandi dat stotterte ein paar seht verlegene, aber purchaus zustimmende Worte. Die gnädige Baronin brauchte nicht zu wissen, daß er selbst schon an der gleichen gedacht hatte. Aber wo eine Frau finden? — Durch die Zeitung — auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege, ba es an Damenbeianntschaft seh-it? — Nein, das widerstrebte seinem bediich tigen soliben Sinn. Oder sollte er sich in der Nachbar schaft umsehen? —- Tborheit7 da gab» es nur ganz vornehme Familien, sie; hatten zudem nur Söhne oder Kinder jiingeren Alters. me fiel auch die Wirtbschasterin der Baronin ein, eine tüchtige, for sche Person. Sie sah recht appetitlich aus in ihrem steif gestärkt-en Lein wandlleide, dein Schlüsselbund auf den breiten Hüften und dem straff über die volle Buste gespannten Lag» der weißen Schürze. — So harmlos! der gute Dittmer war, er mußte es ? doch merken, was sitt zärtliche Blicktj ihm Mamsell Minna zuwarf und wie . via seit einiger Zeit die Schinten- » schnitte aus seinem Frühstüetbrotj waren. s Sie würde gut siir ihn sorgen, und s die Wirthschast verstand sie auch. s Aber nein, er konnte andere Ansprü che machen, wenn er mal erst Guts-s bösitzer war; so etwas paßte nicht siir i i n. , Alle weiblichen Wesen seiner Be kanntschaft — es waren ihrer aller dings nicht viele —- ließ der Heiraths lustige in Gedanken vor sich Revue passiren, nur aus die ihm zugedachte Braut verfiel er nicht. Zum Aerger der Barvnin verstrich ein Tag nach dem andern, ohne das menschenfreundliche Projekt zu stir dern, und die Laune der alten Dame verschlechterte sich merklich, wie im- s mer, wenn etwas ihren Willen treuzs ! te. Sie liebte diese Art souveränens Wohlthuns, die nichts kostet und da-; bei, der Vorsehung gleich, das Schick- J »sal der Betheiligten lenkt. Troß des albern steisen Benehmens der armen» Verwandten und trotz des unerhört schwersälligen Begrisssverniögens des biedern Oberinspettors war sie sests entschlossen, die beiden »gliicllich zu machen«. —- Wie häufig bei mehr rei chen, unabhängigen Menschen, trat in dem Charakter der Barvnin auch da, wo sie es-wirtlich gut meinte, ein Zug von Despotisnius vor, der sie ohne weiteres aus ihr Ziel zusteuern ließ. Man saß an einem drückend K ßen Hochsornrnerabend aus der sc randa des herrenhauses. Das Abend- i essen war vorüber. Die Baronin legte Patiente; ihr dürrer Zeigesinger tippte bald aus diese. bald aus jene Karte, wobei der lange Nagel ein un angenehrn trahmdes Geräusch verur sachte. Fräulein von Dörnhosen hä telte schwei end an einem Kopslissens einsah, eisrtg als gäbe es ohne einen solchen überhaupt keine Rachtruhe," und auch der Administrator war be scheidentlich verst mint, da fein mit gewissenhafter « eitschweifigteit er statteter Bericht über ein jüngst gebo renes Zuchttalb lein weiteres . land wirthschastliches Gespräch angeregt hatte. - Endlich schob die alte Dame, sicht lich befriedigt, ihre Karten zusam men; die Patience war glatt aufge gangen. Ditttner, dein längst die Müdigkeit in allen Gliedern zuckte, glaubte nun den Augenblick gekommen, wo er sich empfehlen dürfe. Ein paarmal räu sperte er sich, scharrte verlegen mit den Stiefeln und stand dann unge schickt hastig aus« »Wenn die Frau Barvnin erlau ben, na, da möcht’ ich nun wohl ge horsamst gute Nacht . . . « » Weiter kam er nicht, denn die Prin- J zipalin unterbrach ihn mit .den War-: s ten: « ( »Bitte, mein lieber hert Dittmer,; Vielleicht haben Sie noch eine Viertel- » stunde Zeit, ich wollte gern mit Ih-? nen wegen des Anbaues am Kuhsiall einiges berathen.« » Verwundertsah Dittmer die Spre W chende an. Die Mangelegenhett war längst in allen Einzelheiten er wogen, Maurer und Zimmerleute be-— retts bestellt. Dennoch folgte er- ge borsam der Voranscheitenden ins Zimmer, wo sie mit liebenswürdiger Dandbewegung aus einen Stuhl wies und selbst in nächster Nähe Platz nahm. - »Sehen Sie, Herr Oberinspeitor, was den Bau betrisst. müssen wir uns jetzt wirklich beeilen. Mit den Hand werkern haben Sie doch Kontralt ge macht, nicht wahr i« ·,.Vorige Woche schon, Frau Baro nrn·« - »Und Ziegel sind auch bereits an gefahren?« »Alles parat. Von uns aus ist al les im Gang.« « »Das ist mir lieb," versicherte bie alte Dame mit etwas newöser Hast. »Die Zeit drängt; der Sommer ist bald vorüber, dann kommt der Win ter ——« »Jawohl, Frau Baronin, so ist es,« Pslichtete Dittmer tiefsinnig bei. »Ach, dieser böse Winter,« seufzte die Herrin von Wenlitten und ver suchte, melancholisch one-zusehen, brachte aber nur einen mißvergniigten Gesichtsaugdruct zustande· »Ich denie mit Grauen daran, wie einsam ich an den langen Abenden sein werde. wenn meine Nichte, meine gute Marie, mich wieder verläßt.« Der Abministrator nickte theilneh menb, obgleich er nicht recht begriff, in welchem Zusammenhang der An bau des Kuhstalls und die Abreise des gnädigen Fräuleins standen. »Nicht wahr, Sie können mir das nachempfinben?« suhr die Baronin eifrig fort. »Sie haben ja das liebe Mädchen genau kennen gelernt. Solch ’anspruchslosen, pflichttreuen, mitth schaftlichen Sinn findet man heutzu tage selten. Meinen Sie nicht auch?« »Gewiß, gewiß,« beeilte sich Ditt mer zu versicheru. Es war richtig, er hatte das Fräulein immer fleißig an einer endlos langen Spitze häkeln und mehrmals sogar die Blumen begießen sehen. »Warte isi umsichtig und praltiich, recht fürs Land geeignet,« erklärte die Tante in nachdriictlicher, beinahe her-« ausfordernder Weise. Dittmer sah Verständnißlos verlegen die Prinzi palin an. welche offenbar eine Muße rung seinerseits erwartete. »Frau Baronin sollten denn . . . . ich meine, wenn ich an Stelle von Frau Baronin wäre, dann möchte ich« doch das gnädige Fräulein Marie fiir immer bei mir behalten.« Der alten Gnädigen runzeligeö Ge sicht erstrahite in Wohlwollen, und ihr dürrer Zeigefinger hob sich schalt hast drohend. »Ei, ei, seht Einmal an; also das möchten Sie —- meine Marie — fiir immer. —« Dann dem ganz Verhliifs ten die band hinstreciend: «Nun, lieber Dittmer, da ist nichts zu erschrecem weil Sie sich mir gegen irber verrathen haben. Jch merkte schon längst, wie es zwischen euch bei den steht, und gehe gern meine Zu stimmung. Ein ehrenwerther, strebsa mer Mann und haldiger Gutsbe sitzer darf seine Hand ungescheut ie dern Mädchen bieten, auch wenn das selbe einen altadeligen Namen trägt. Und dann, ich täusche mich nicht« Ma ries herz gehört Jhnen,« siigte sie et was leiser, mit verheißungsdollem Lächeln hinhu. Jehi sprang Dittmer, der bisher wie versteinett dagesessen, mit einem Ruck empor. Alles Blut war ihm in den dicken Schädel gestiegen, sein her-z hämmerte, und große Schweißtropfen standen auf seiner Stirne. «Gniidige Frau Baronin —- stnd so giitig —- und das gnädige Fräulein. . . Jch —- ich hätte mich gewiß nicht ge traut . . . .« »Aber Sie lieben meine Nichte und begehren sie zur Frau?« »Wenn das gnädige Fräulein mich · . . .« stottert der Erwiihth —- Wie ist das schnell und unvermuthet ge kommen! «Nun, dann sollt ihr euch haben. Ich wußte, ihr seid beide zu zaghaft, inan muß euch ein wenig helfen,« scherzt die alte Dame. Sie ruft Ma »rie herein und eröffnet-ihr feierlich, der Herr Adinlnmralor Unmer yaoe soeben um sie angehalten. Das Mädchen ist etwas blaß. aber ruhig und durchaus nicht überrascht Ohne Zaudern legt sie ihre feucht tijhlen, fchlantcn Finger in die heiße hand, die sich ihr schüchtern entgegen streckt. Der Bund fürs Leben ift ge schlossen. Eine halbe Stunde später sind die Lichter irn herrenhaufe erloschen. Die alte Gnädige hat sich sehr befriedigt zurückgezogen, während das Braut paar noch eine Weile nebeneinander( auf der jetzt vom Mondlicht zaube rifch umflutheten Veranda sieht. Aber sie wußten sich nichts zu sagen, die Situation war zu neu. —- Das Schweigen wurde peinlich, und zu bräutlicher Zärtlichkeit fehlte dem gu ten Obertnfpettor vorläufig noch der Muth. Nur feft und fefter drückte er die Hand feiner Erwählten, bis sie ihm diefelbe ent og und mit dem ge wohnten «Gute acht« ins haus ver fchwznd Nun fuchte auch Dittmer fetn Zimmer auf. Er fühlte sich todt rnilde, wie zerschlagen, aber die Erre gung ließ ihn nicht schlafen, das W pochgesiihl des Dankes gegen sein Schicksal und alle die verworrenen Bilder künftigen Gittckei. I s Ganz so rosig, wie Dittmer sich die Zukunft an kenem Abend ausmatte, gestaltete sie ich nun freilich nicht doch ließ sein frohes, zufriedenes Ge müth es ihn taum empfinden. Jm Spätherbst, kurze Zeit nach sei ner Verlobung, hatte er Tanninten ge tauft und gleich daraus Marie von Dörnhosen geheirathet. Die alte Ba ronin gab der Nichte mehrere aus rangirte Möbel, überzähligethausx geräth und eine Menge guter Lehreni mit in die neue Wirthschaftx Für al les andere mußte Dittmer sorgen. Er that es gern; es war ihm eine Lust, vom Tagesgrauen bis zum spä ten Abend zu schaffen, dem eigenen Grund und Boden des Lebens Noth durft und Nahrung abzuringen. Wenn er durch seine Felder ging, de ren Saaten kräftig grünten, wenn er seine Gutsleute, die das Beispiel des Herrn anipornte, willig und eifrig bei der Arbeit sah, spürte er etwas wie Herrscherstolz. Beim Betreten des Hauses verflo gen solche hochgemutiten Empfindun gen schnell. Hier fühlte er sich nie; recht behaglich, nie recht hingehörigl wenigstens nicht in jenen Zimmerm die das Reich feiner Frau waren. Ma- l ries pedantifche Sauberleit duldete tm— dort — mit Rücksicht aus Fußboden und Gardinen —- weder das kurze Tabatspfeichchen noch die unvermeid lich derben Wirthschaitgstiefel ihres Mannes; daher zog dieser, vom Felde kommend, sich am liebsten in seine eigene, sehr primitiv eingereichtete Ar :beitsstube zurück, deren schiesgesesse ;nes, noch aus der »Jnspeitorzeit«( ;stammendes Roßbaariofa durchaus-l Iteine subtile Behandlung dran-( spruchte. Die Eheleute waren sich im Laufe » der Zeit wenig näher getreten. Außer Iden wirtbichastlichen Angelegenheiten jdie über Tisch besprochen wurden wußten sie sich auch jetzt noch nichts in sagen. Frau Marieg gleichmäßig tiihles Wesen hinderte jedes innize Miteinander-schließen und Tiittsxez Tobgleich der ausschließlich Gebean, Estand ihr gegenüber immer unter dem iDruck einer gewissen Unsicherheit und Iverlegenen Unterordnung f (Forsetzung iolgt.) --—--.-.- s ! Die Pariser Lumpensarmulen ! Wenn man, von der Pariser Oper ilommend, den Boulevard des Italiens auf feiner linlen Seite verfolgt, wtrd »der Blick des aufmerksamen Beobach Tters durch den malerifchenhintergrund Eeiner Seitenftraße: der Rue Lafrtte -gefesfelt. Ueber dem torinthifchen Periftyl der Kapelle Notre Dame des Lorette erhebt sich wre ein Wollenfchloß der blendend weiße, die Höhe von Montmartre trönende Bau der Basilita von Sacke Coeur. Beide Kirchen scheinen in der verjün aenden Persveltive nur ein einziges, vhantastisches Bauwerk zu bilden. ; Diese einer Fata Moraana gleiche Er - scheinuna ist so verlockend. daß man versucht wird. die Boulevards, die in iihreni dichten Gewirr von Menschen iund Wagen dem Blick oft saurn eine iFernficht von zwei Metern bieten, zu verlassen, um sich der Führung des wohltbuenden Bildes. das von Mont niartre herunterleuchtet, an·iuver trauen. Je näher man jedoch diesem Ziel kommt, um so nüchterner werden die Eindrücke der unmittelbaren Um aebuna, und je höher man in der Nichtuna der Basilita von Saere Coeur nach Montmartre hinauf tornint. um so ärmer, finsterer, schmußiaer werden die Straßen. Die luftiae Erscheinuna heiterer Welten vracht der Rue Lasitte hat sich wie ein Irrlicht über einem Sumpfe verloren. Verwundert und erschreckt blickt man um sich: Häuser, die aus ihren Fugen zu aehen scheinen — Fenster-, deren Liiden windschief in ihren Angeln hängen. mit Papieren und Fetzen von Stoffen in allen , arben verstopft und verhängt —- die hüten, soweit sie nicht durch völliae Abwesenheit glän zen, meist schlecht verwahrt und ohne Schloß. Man fürchtet hier offenbar die Diebe nicht. Die enae, von Schmutz starrende Straße ist mit beladenen und unbela denen Karten versperrt. Lints und rechts, längs der Haus-much liegen hausen von Lumpen, Knochen, Blech biichfen und Unrath aller Art. Wir befinden uns in einem Viertel von Lumpensarnmlern- Ein tiebriaeiit schwarzes Gerinnsel zieht in einer tie fen Rinne durch die Mitte der Straße. Vor seiner Tltiir liegt schlafend, den Kon auf einem Hausen Lumpen, die Füße in dem Rinnsel, einer ihrer Be wohnen ein Grautops. lana ausge streckt. Sein mit Absiillen beladener Harren steht vor ihm. Er ist ioeben zurückgekehrt und sucht ein wenia von dem versäumten Schlaf nachzuholen Es ist bald Mittag, und seit Ulbr Morgens ist er bereits auf den Bei nen, die Absall- und Kehrichttasten vor den häusern durchsuchend. Ein paar häuier weiter ist eine Frau in eine ichreiende Blase gekleidet, von ihren drei balbnaejten Kindern um geben, beichäitint, ihren Karten abzu laden. Da bebt ein Junge von etwa sechs« Jahren, dessen aanze Kleidung in einem abaeichnittenen Frauenrock kbestehn triumpbirend einen Gegen and empyr, den et anscheinend site - ich rette-mitt. Es ist ein zerbrochenes Spielzeug, aber von augenscheinlich vornehmer herrunft Ich nähere mich W der Szene und vertheile einigi Sout stitcte unter die Kinder. »Wer-et« sa die Frau· »Er hilft bereits tiicht g mit, wie Sie sehen, ·il snit trier«,er hat sein handwert schon los-« Wel cher Stand ist so elend, tn dem»dai Kindesalter nicht feine Freuden hatte! Das Kind lernt hier das elterliche Handwerk mit dem Laufen und mit Luft: Es findet in den Wagenladuns gen des Morgens sein Spielzeug, häufig auch seine Nahrung. Indem ich das Argot der Spreche rin zu verstehen trachte, das sich voll ständig in den Auf-drücken ihres Me tiers bewegt, fehe ich, wie das tleinste der Kinder, ein schwarzer Junge von drei Jahren, sich einer gefundenen Orangenschale bemächtigt und sie gie rig an die Lippen führt. »Um Got tes willen!« rufe ich unwillkürlich nnd mache einen Schritt nach dem Kleinen. »Thut nichts,« sagt die Frau mit einer abwehrenden Gri masse, indem sie selbst ein totelett artiges Stiick Fleisch aus einem da mit vertlebten Zeitung-Spanier heraus zuschälen versucht, das sie unter un nennbaren Gegenständen des Wagens hervoraezogen hat. »Wir Lumpen santmler nähren uns, wie wir tön nen·« Damit geht die Frau mit ihrem Fund in das Haus-, der, wie ich mich durch das Fenster ihrer Partei-re wohnung iibezeugen tann, dem Pot an sen hinzugefügt wird. Hier leben Also Menschen von den in den Müll täften gefundenen Knochen, Fleisch ud Gemüseresten. Ihrr Kleider stam men aus derselben Quelle. wobei wohl manche von den Dienstboten verschenlte Stücke mit unterlnusen mögen. Angewidert setze ich meinen Weg und meine Beobachtunnen fort, indes ein zunehmendes Gefühl physischen und geistigen Unbehaaens rnir die Brust bellenintt. Ein finster blicken der Mann in weiter, sammtener Plu derhofe stamvft mit aller Kraft Zei tunagnapier in eine Kiste. Die Groß hiindler zahlen 1,25 Frant fiir bun dert Kilo. Eine große Kiste daneben enthält Lumpen, die zur Papierfabri tation dienen werden. Davor liegt ein Haufen altes Eisen und Kupfer; es wird einaeiamioizen uno mir in an derer Form wieder in den Dienst der Menschheit Altes Schuhwert, das wieder an die Lederbändler zurückaedi. versperrt den Einaana des nächsten Hauses. An anderer Stelle nimmt ein unaeheurer Haufen von Konserven und Sardi nenbiichfen die halbe Straße ein; er wird an die Svielzeuafabritanten ab aeliefert werden —- lauter Einnahme quellen der Lumpensammler, die ibrg Waaren an die Großsortirnenter ab liefern. Diese Großhiindler find el, die nicht selten zu Vermögen gelangen. Knochenbaufem nach verschiedenen Qualitäten fortirt, bilden die Schiihe eines anderen Bewohners. Eine Reihe von Söcken davon füllen den schmalen Hausflur an. Ich lasse mir ihrHtBee stimmunaen von einer Greisin erklä ren, die mit ihren zitternden Händen in den Säcken herumwühlt. Die Sud ventnochen werden zu Messerftieten und Handhaben aller Art verarbeitet, die fetteren zu Gelatine und Klebe stoffen. Die Oranan- und Citronen schalen werden das halbe Kilo mit einem Sau bezahlt. Sie dienen zur Snruvfadritation. Die alte Frau zeigte mir eine Kiste voll davon, aroß aenua, um mir den Geschmack an allen Smuvfabrilaten Zeit meines Lebens zu verderben. Ich tebrte um und ließ mir von dem Alten« der noch soeben im Binn ftein aeschlafen hatte, und jetzt damit beschäftiat war, seinen Blechlon darin zu svülen, erzählen, daß im letzten Winter in der Straße ein Junge ar itorden sei, weil er ein mit Rattenaist bestrichenes Stück Brod aus den Ab fällen aezoaen und verzehrt hatte. Eine Frau ftarb an einer Wunde. die sie sich an der scharfen sianti einer Fisch tonservenbiichse zuaezoaen hatte. Solche Fälle sind durchaus nicht sel ten: »Die kleinste Kratzwunde tann gefährlich werden,« fuhr der Alte fort, »denn wir leben unter laufend Gefahren der Anfteekuna. Aber die meiften unseres Handwerts wissen ei nicht und tommt eine Krankheit oder ein Todesfall, so fegen sie das auf Rechnung eines ünaltictlichen Zufalls.« Der Alte lächelte bitter. Das Privi leaium des Alters und der Erfahrung zeitiat wie in jedem Stande auch in dtefem seine Philosovhen· Inzwischen war es auf der Straße lebendia »ne rvorden, die Bewohner traten nach vol lendeter Mahlzeit aus den Höuierm und ich konnte noch bemerten« daß fast alle Männer. Frauen und Kinder mebr oder weniger mit baut- oder Augenlranlbeiten behaftet sind. -0.-- -- -- --· Je mehr der Mann trinkt, desto weniger bleibt der Frau übrig stir Den Stode i i it »Mein Freund muß sein Geld sehr sauer verdienen," saate Lehmann, da war sein Fuqu peitnbändler. »Der verheirathete Mann sei bös licher, aiibe seinen Sit der Dame in der Straßenbahn, er zöae im Fahr stubl den Hut ab. er sei zu allen - Dienstleistungen aus deni Pienir be reit. Der Lediae neuen wolle be wundert werden« s reibt eine Dame. Sollte dieses weibliche Jemand aus schließlich Ehenriinnm deren Frauen in der Sommersrische sind, getroffen hoben? s I I »Es-wessen Ida bat Sie gestern start verwest-sah als Papa saate, Sie mäeen ein Narr.« — »So? Und was trat sie da erwidert?« —- »Daß mag einen Menschen nie nach seinem sen seern beurtheilen müsse.«