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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 8, 1905)
Jemelian, der Courier. Eine Geschichte aus dem modernen Russland von Paul Ginisth. Es war neun Uhr Morgens. Jn dem großen Arbeitszimmer, in dem er die Nacht verbracht hatte, empfing der Generalgouverneur den Rapport der Posten, die man in den verschiede nen Vierteln der ausständischen Stadt aufgestellt hatte. Er fror jämmerlich, trotz des großen Pelzes, in dem er sich dicht einhüllte, trotz des Ofens, der zum Bersten vollgepfropft war, denn sie hatten ihm Tags zuvor die Fenster eingeworfen, und ein eisiger Luftng drang durch die offenen Höhlen in den Raum. Sein bleiches Gesicht war vom Nachtwachen verdunsen, und tiefe Siicke hatten sich unter den Au gen gebildet. Die Anstrengungen und Aufregungen des entsetzlichen vorher gehenden Tages voll Aufruhr, hatten ihn feiner gewöhnlichen Ruhe ent rissen und sein Antlitz verstört; schlaff hing die Cigarette zwischen den mit den Lippen. Der Berdrusz,« sich so verwitstet zeigen zu müssen,« wo er doch sonst so peinlich darauf bedacht war, die Spuren des Alters zu ver bergen und nie anders als in sorg fältigster Toilette mit gesärdtem Haar « und Bart zum Vorschein zu kommen, steigerte noch seine üble Laune. Er öffnete die Briefe, die man ihm über hrachte, überflog sie hastig und über gab sie dann einem Adjutanten. Dann , trank er ein großes Glas Ther, warf zum hundertsten Male einen verzwei felten Blick auf die zerbrochenen Scheiben und sagte: " »Na, die gestrige Lettion hat dem Grsindel gut gethan. Es herrscht voll kommene Stille — es wird einen ru higen Tag geben. Gleichwohl müssen tvir auf der Hut bleiben.« Er unterdrückte ein Gähnen: es verlangte ihn nach Schlaf. Nach den fürchterlichen Stunden des Aufruhrs in einer Stadt, die ob ihrer Kaiser treue, ihrer Anhänglichkeit an die Re gierung so berühmt war, daß sein Gouverneurposten eigentlich für eine goldene Pfründe galt, nach dem Ge metzel, zu dem er eigentlich mehr är gerlich als wuthentbrannt den Befehl gegeben, begann seine heftige Energie, deren Vorhandensein ihn selbst in Er staunen verfetzt, zu erlahmen. Von seinen Fenstern aus fah man ein Wert der Zerstörung, die Spuren des erbitterten Kampfes, durch den man den Angriff auf fein Palais zurück pgefchlagen hatte: die Gartenanlagen waren von Pferdehufen zerstampft, das Gitter verbogen und umgeftiirzt; am Eingang des Parles rauchten die Trümmer eines Häuschens, das in Flammen aufgegangen war; die Schneedecte befleckten garftige dunlle Lachen vergossenen Blutes. »Meine Herren. Sie bleiben natür lich auf Jhren Posten im Valais« sagte der Gouverneur bei der Verab schiedung zu den Offizieren. »Das ifi wieder einmal mein Glück!« rief einer von ihnen, der Graf Michael Liagin, nachdem er miliiä rifch falutirt und das Zimmer ver lassen l:atte. Es war ein hervorra gend eleganter junger Mann, dem man es nicht ansah, daß er sich Tags zuvor geschlagen und alles rechts und lrnls nieder-gesäbelt hatte, während ec mit feinen Dragonern die Straßen und Plätze von der Vollsmenge säu berte. Er hatte sich beeilt, die Uni form zu wechseln, und es blieb ihm von dem geftrigen Handgemenge als einziges Anzeichen nur eine leichte Schramme auf der Stirn — die Spur eines Steinwurfs, der ihn auf ein Haar getödtet hätte. Er schritt wettetnd durch die Gänge des Palais: die feinen Finger um spannte zornig den Griff feines Säbels: »Der verdammte Aufflandl« fchimpfte er wüthend. Aus Mangel an Platz, da alle Ge fängnisse überfällt waren, hatte man eine Schaar von Gefangenen, ein Häuflein Elend, das sieh nun felbft L fchon über feine aufflaclernde Kühn heit verwunderte und rengnirt in sein Schicksal ergab, in einein der in neren Höfe untergebracht. Viele von ihnen, die verwundet waren, lagen trohig auf dem Boden umher; lei densgewohnt, wie sie es waren, jam merten sie nicht einmal. Ein scharfer Geruch entströmte diesem tläglichen Haufen, der nach einem kurzen Au genblick der Hoffnung, nun wieder in » seine stumpfe Trostlosigleit versank. ; Den Grafen Liagin erfaßte ein flüch »F tiger Ekel, als er an den Gefangenen i’voriiberfchritt; das Elend ist wider wärtig, und dieser schöne Mann haßte alles Widerwärtige. . Den ganzen Vormittag durchmaß "e ärgerlich die Länge des Palais, er szt darüber, daß seine Stellung als djutant ihn dazu zwang, in Unwa teit auf die Befehle des Gouver urö zu daran. Andere waren doch m mindesten zu irgend einem äuße Dienst befohlen! Rings um das » lais herrschte Todtenstille, da die , - rasen, die dazu führten, abgesperrt Ef-: Osten. . »Was hast Du denn, Mischta?« « fragte einer seiner Kameraden. »Bist Du neevös wie ein Frauenzimmer?« »Mein Lieber, verfchvne mich mit Deinen Witzen«, entgegnete der Dra gonerleutnnnt, »ich bin heute wirklich nicht in der Laune, sie anzuhörenX Gegen ein Uhr, nach einem kriegs miifzigen Frühstück fand sich der Graf bei dem Gouverneur ein, um sich eine außerordentliche Vergünftigung zu erbitten. Der Gouverneur schlief noch. Da wurde Liagin ungeduldig, schrieb ein paar Worte auf ein Blatt seines Notizbuches, steckte es in eins dienstliches Couvert, ließ seinenI Wachtmeister kommen und sagte: ,,Laffen Sie einen der Leute aufsitzen und sofort diesen Brief befördern.« »Ein Befehl, Herr Leutnant,« sagte der Unterofsizier, begab sich in die Wachtstube und gebot einem der Ka valleristen: ,,Jemelian, mach’ Dich auft« Jemelian war ein gutmüthiger( Kolon mit einem ileinen blonden Schnurrbart, vorsprinaenden Backen tnochen und wasserblauen Augen; der Dragoner mit dem sonnverbrannten Gesicht war von einer kindlichen, fröhlichen Harmlosigteit, die den« Bauernburschen verrieth, der hinter dem schneidiaen Soldaten steckte. Er sattelte sein Pferd, ließ sich von dem Wachtrneifter die Adresse vorsagen, denn er konnte nicht lesen, wiederholte sie dreimal, um sie sich recht gut einzu prägen, steckte den Brief in seine Cu riertasche und ritt ab Jn scharfem Trab lreuzte er den menschenleeren Platz, durchbrach den Truppenkordon, der den Adelsklub umgab, und bog in die Verditsiaja ein, sonst die belebteste Straße der; Stadt, die nun verödet mit hastigj verschossenen und verrammelten Lä-; den dalag. Auf den Gesichtern der» spärlichen Fußgänger lag noch dieT Bestiirzung über die Greuel des ver-; gangenen Tages-. Vor der Brücke,1 welche die Stadt in zwei Hälften theilte, lagerten Soldaten· Jemelian erkannte Kameraden und grinste be-; lustigt, als er sie fo auf dem Trottoiri sitzen fah. I Nachdem er die Brücke Passirt, ritt: er den Semenstiprospekt hinab. ! Plötzlich schien es ihm, als sähe er int der Entfernung in der Nähe der Er loseriirche eine Voligbeioegung. HauJ fen sammelten sich an und strömtent bedrohlich der großen Vertehråader zu, nachdem sie die militäriich abge sperrten Straßen umkreist hatten. Nach den Stunden der Betäubung, die der gewaltsamen Niederwerfung des Aufstandes gefolgt waren, rotte ten sich die Massen nun aufs Neue unwillig zusammen, ohne in ihrer Verzweiflung der Ziichtigung zu ge denken, die ihrer schlecht organisirten Emvörung doch unausweichlich folgen mußte. Eine Schaar von Ausgereg ten, unter der es auch zahlreiche Ver wundete«gab, durchbrach die Schran ken, welche die öffentliche Gewalt« Tags zuvor aufgerichtet hattö, und er-: goß sich planlos in die Straßen, ins denen man sich gestern nicht geschlaJ gen hatte, und die nicht militärifch be setzt waren . Das Schmettern der Trompeten jenseits der Briicke verrietd Jemefian,! daß der Ausstand, bemerkt wordens war. Aber er hatte den Befehl, dass Schreiben in seiner Curiertasche zui überbringen; alles Uebrige ging ihmi nichts an, und so verfolgte er seineni Weg. Ein kurzer Galopp brachte ihni bis dicht an die Schaar der Aufstän-I dischen mit den verstörten, jammervol- l len und doch kntschlossenen Mienen. Naiv rief er mit feiner gutniiithigen, rauben Stimme: . »Platz da! . .. Platz da!« . . . Und die ersten Reihen öffneten sich wirklich instinktiv, in aewobnheits: niäßigem Gehorsam vor der Autori tät, der sich selbst jetzt noch geltend machte. Aber gar bald erblickte diese von gewaltsamen Maßregeln zum Aeußersten getriebene Menge in Je melian den Soldaten, den Feind, das Werkzeug der Machthaber und einen von denen, die Tags zuvor das Volk niedergemeyelt hatten. Der Haß ver zerrte die wüsten Gesichter. Ein Weib mit einem braunen Kopftuch dessen Augen wie im Fieber brannten, fiel dem Pferd in die Zügel; Jemelian wiederholte noch immer ruhig: »Man da! Platz da . .. !« Aber die seindseligen Triebe waren entfesselt; Jemelian wurde umringt, drohende Stimmen riefen ihm-Schmä hunaen zu. Ein alter Mann, dessen settige Blouse von Bajonetten zerris sen worden war, ries mit stumpssinni-s gem Lachen: »Da haben wir ja Einen -—-— da haben wir ja Einen!« Ein Fabritarbeiter, der einen Knüppel in der Hand trug, hieb damit nach dem Knvalleristen Jemelian gab seinem Pferd die Sporen, damit es vorwärts sprengen und die Leute zurückdrängen möge. Eine Fluth von Menschen wälzte sich aus ihn, schwere Hände leg ten sich ihm aus die Schultern, lähm ten ihm die Arme. Er ries noch: »Briider, laßt mich durch —- mich tust die Pflichtt« Aber grollende Stimmen antwor teten ihm: »habt Jhr gestern Mit leid gehabt, Du und-die Deinen?« ,,Niedee mit ihm!« brüllte ein buck liger Vagabund Berbissen stürzten sich diese vertornmenen Menschen, aus die man Tags zuvor geschossen hatte, aus dieses Opfer, das der Zufall ih nen in die Hände lieserte. Jemelian nahm alle Kraft zufammen, um sich zu vertheidigenx dieser schlichte, vonl Diszipiin durchs-sum Mensch sit-« terte fast mehr fiir seinen Auftrag als für fein Leben. Er versuchte den Sä bel zu ziehen. Der Säbel wurde ihm unter liirmenden Verwünschungen entrissen; ein Mann hob ihn auf, zückte die Spitze gegen ihn und zerriß ihm die Uniform. Das Blut fpritzte hervor und wirkte förmlich berau schend auf die Menge. Vergeblich wehrte sich Jemelian. Das Pferd, durch Messerftiche verwundet, brach. unter ihm zu fammen, der DragonerI wurde aus dem Sattel gehoben, mit Fußtritten bearbeitet. Eine junge Frau, deren Mann man eingesperrt hatte, riß Jemelian einen Stiefel vom Fuß und bearbeitete ihm das Ge- ’ sieht mit dieser improvisirten Waffe; von der urtheilslosen Raserei der Grausamkeit ergriffen, fielen die Elenden über den Unglücklichen her. Ein wahrer Rausch riß sie mit fort; sie wurden förmlich erfinderisch, um ihrer Leiden durch unerhörte Martern an diesem Soldaten zu rächen. Je melian stöhnte unter den Hieben, den Wunden, aber trotz feiner entsetzlichen Qual beherrschte ihn nur ein Ge danke: der Gedanke an den empfan genen Befehl; mit seinen zitterndem erlahmenden Händen versuchte er noch, feine Curiertasche zu schützen. Ein schmächtig-er Gassenjunge hob den Revolver auf, der ihm im Kampf ent fallen war, ehe er fich der Waffe be dienen tonnte, und jagte ihm unter den frohloctenden, schadenfrohen Zu-: rufen der Menge eine Kugel in diej Schläfe. j »Was sollte er denn überbringen?«1 fragte neugierig ein Alter, »Gewiß den Befehl zu einem neuen Blutbad!« Er beugte sich iiber den Leichnam, löste die verlrampften Finger, öffnete die Tasche und entnahm ihr den Brief, den Jemelian bis zum Tode so verzweifelt vertheidigt hatte, und der die Auffchrift »Gräfin Alexandra Serastow« trug. Dann lag er die Worte: »Ich sehne mich nach Dirk Zärt liche Grüße. Mit-ina« W Der schöne Jean. Erzählung von Helene Lang-; Anton. » t Gräfin Meterau war eine deri schönsten und liebenswürdigsten Frauen Wiens. Zum Leidwesenl ihrer vielen Verehrer hatte sie sich seit dem Tode des Grasen von der Geselligkeit zurückgezogen, um in ih rem eleganten Palais am Franzens: ring ein ihr konvenirendes Leben zu führen: Grund genug. daß sich die liebe Gesellschaft erst recht mit ihr be schäftigte Das letzte Ereigniß ihres Hause das viel besprochen wurde, war dasl Engagement eines Kutschers, ders durch seine vornehme Erscheinungs seine guten Maniren, seine tadellose Jügelfiihrunsg allgemein auffiel undf Neid eregte. Man pries ihn als dass Muster, die Krone aller Nosselenler.! Gräfin Meterau dachte andersl über ihren seudalen Kutschen Nur mit Widerwillen hatte sie ihn trotzt der guten Zeug-risse engagirt Wäres die Verlegenheit, in welche sie durch! die Erkrankung ihres alten Kutschers gerathen war, nicht so groß gewesen,j wäre er nie in ihr Haus gekommen Er hatte etwas in seinem Blick das ihr unangenehm war: und je hervor-i ragender er seine Sache machte, je» mehr er von allen Seiten ge obt und sie um ihn beneidet wurde, destoi widerlicher wurde er ihr. Er hattel eine Aufmerksamkeit an sich, die aus-i dringlich wirkte, und ein devotes Lächeln auf dem Gesicht, das ihr wiei die vertörverte Jmpertinenz erschien. Denn die lauernden Augen« die jedem festen Blick auswichen. der schleichende, saeriiuschlose Gang, kurz, der ganze Mann war ihr unheimlich. Sie hätte viel darum gegr « k. wenn sie nur den geringsten Grunu gesunden, um ihn zu entlassen; aber er ließ sich nichts zu Schulden kommen. und so blieb er, »der schöne Jean«, wie er im Hause von den Leuten und in der Nachbarschaft genannt wurde. Wie tam es nur, daß sie bag Un behagen, welches- sie Vor ihrem Kut scher hatte, nicht losmerden konnte? Jn den letzten Tagen hatte sie beabs achtet, daß ihre Kantmerzose. ein hüb sches, munteres Mädchen, immer mit Jean zusammen stand nnd iiiisterte. Augenscheinlich hatte der geschmeidige Mann ihr Herz erobert. Das junge Mädchen that ihr leid, denn sie traute Jean nicht. Doch da sie sich prinzipiell nicht in die Privat angelegenheiten ihres Dienstversonals mischte, um jeder Vertrautichteit vor zubeugen, sprach sie tein Wort dar über. . Nur als sie eines Abends Luise mit Jean aus ihrem Schlaszimnier treten sah, verwies sie dies dem Mädchen energisch und fragte, tvie Jean dazu käme. Das Mädchen stammelte in äußer ster Verlegenheit Worte wie: daß sie. um nachzusehem ob alles in Ord nung zur Nacht wäre, das Zimmer betreten hätte« daß ihr Jean scherzend gefolgt wäre, aber nur einige Minu ten darin verweilt hätte — und bat schließlich unter Thränen die Gräsin um Verzeihung mit dem Versprechen, daß es sich nie mehr wiederholen werde. « deDie Gräfin ließ es dabei bewen n. An den darauf folgenden Abenden war die Gräfin nervös und konnte schwer einschlafen. Der Gedanke, daß Luise mit Jean ein Liebesverhältniß eingegangen oder wenn auch das nicht, so doch in gutem Einvernehmen stände, berührte sie peinlich. Sie wurde immer aufgeregter und unsicherer, schlief schlecht, was ihre Laune auch nicht besserte. Eines Abends war sie besonders spät zu Bett gegangen und lag noch mit offenen Augen, als sie plötzlich ein leises Geräusch wie das Auf klinken der Thür hörte. Sie glaubte, es wäre Luise, die ihr etwas Außer gewöhnliches zu melden kam, und wollte schon rufen, als sich die Thür leise öffnete und sie beim matten Schein der kleinen Nachtlampe Jean erkannte, der sich hereinschlich. Schnell schloß sie die Augen. Sie hörte ihn herankommen, er leuchtete ihr mit der Nachtlampe ins Gesicht. Sie rührte sich nicht. Sie athmete ruhig und tief, wie Schlafende es zu thun pflegen. Er war ihr so nahe, daß sie seines Mundes Hauch verspürte, und mit verzweifelter Anstrengung zwang sie sich, leine Bewegung zu machen. Sie wußte genau, sie fühlte es. Von diesem Augenblick hing ihr Leben ab Eine Bewegung, und der Mann vor ihr würde sie kalt machen. Er entfernte sich von ihr und schritt nach ihrem Schreibtisch zu, auf welchen er die Lampe setzte. Ohne sich zu riihren, hatte sie die Augen halb geöffnet und sah seinem Begin nen zu. Er erbrach geräuschlos die Schublade des Schreibtische5, woraus man ersehen konnte, daß er es nicht zum erstenmal that, nahm Werth papiere nnd ihr Portemonnaie her aus, welches sie vor dem Schlafen gehen stets in der Schublade verschloß. Er wuszte Bescheid. Dann erbrach er das-kleine Schrankchen in der Ecke, in tvelchem ihr- kostbarer Familien schmuck, bestehend aus den herrlichsten Brillanten und Perlen, sich befand. Er nahm. die Juwelen heraus und verschloß wieder den Schrank so ge räuschlos, wie er ihn aeöfsnet hatte. Dann schlich er sich nochmals an ihr Bett, beleuchtete sie abermals, über zeugte sich wieder von ihrem festen Schlaf, schlich sich dann behutsam zur Thüre hinaus und klinkte diese so leise zu, daß nur ihr vom Todesschreck verschärstes Gehör es hörte. Sie lag noch eine Weile aanz still; als sich nichts mehr regte und sie an nahm, daßer lanae fort sei, sprang sie aus dem Bett, verschloß die Thüren von innen und ließ die Schlüssel stecken. So erwartete sie den Morgen. Sie überlegte. Sollte sie Lärm schla gen? Nein, dann würde der frecheDieb mit seiner Beute sofort entfliehen und sie wäre um das werthvollste gebracht, was sie besaß. Ihre Geistesgegenwart hatte ihr das Leben aerettet, warum sollten Klug heit und Unerschrockenheit ihr nicht das Verlorene zurückbrinaen Sie saß die ganze Nacht aus und überlegte hin und her. Endlich schien sie einen Ent schluß gefaßt zu haben. Als es Tag wurde und Schritte, ge diimpfte Stimmen ihr bewiesen, daß die Dienerschaft schon thätig, schloß sie die Thüren aus und legte sich wieder nieder. Sie liest sich nichts merken, saate Luise, als diese ihr den Thee brachte, freundlich »Guten Morgen« und setzte noch hinzu, daß sie die Nacht fest und köstlich geschlafen hätte. Beim Frisiren fragte sie nach diesem und jenem im Hause, unter anderem auch nach Jean. Sie beobachtete dabei durch Lin Spieael scharf des Mädchens Ge inin Nein, es war nicht im Einverständ nis-. und wußte nichts von dem frechen Diebstahl. lfs hatte vielleicht in seiner Dummheit den Aufenthalt der Juwe len verrathen, mehr nicht. Luise erröthete, als die Gräfin Jean erwähnte, und stotterte flehend: »Ach, anädiae Frau Gräsin haben mir noch immer nicht verziehen. Ich will auch aar nichts mehr von ihm wissen. Ich saate es ihm eben auf der Treppe.« Die Gräfin athmete erleichtert aus. Er war also noch nicht entslohen, er war noch da, sie konnte ihn noch errei chen nnd ihm seine Beute wieder ab nehmen. Sie tröstete Luise, daß es nicht so·b«o«se aemeint sei, daf; Jean ein hübscher Mensch wäre, und wenn sie sich aerne hätten - aus eine kleine Aug-steuer käme es ihr auch nicht an. - lilliickstrahlend sah das innae Mäd chen sie an und liißte ihr dankbar die Hand. Die Gräsin hatte das in der Hofs nuna aesaat, daß Luise nichts Eiliae res thun würde, als dies Jean mitzu theilen. Sie wollte ihn sicher machen. Als die Gräfin eine Stunde später nach dem Gauten aina, tam ihr Jean entaeaen. So korrekt, tadellos und eleaant wie immer. Er blieb stehen und verneiate sich tief. Sie dankte und saate: »Seien Sie doch so aut, Jean, einmal in dem Wagen. den wir aestern benutzt haben, nach-Zusehen Ich habe mein Vorte monnaie verloren. Vielleicht liegt es im Waaen.« Sie sagtees leichthin, ohne die ge ringste Aufreanna, als wäre dieSache aanz unbedeutend Nichts ver-rieth in dem blassen Gesichte Jeans, als er sein »Ja Befehlt« vorbrachte. was in ihm boraina. Nur als sich die Griisin zum Gehen wandte, sah er ihr trium phirend nach. Das acsiohlene Geld war eine Baaatelle für sie, die sie gar nicht beachtete, das sie verloren zu haben alaubte. Von dem Verluste der Juwelen, bie sie jetzt im Sommer ohnehin nicht trug, wußte sie noch nichts. Sie sah aar nicht nach ihnen. O, über die Soralosiakeit der vorneh men Frauen! Jean zuckie heimlich die Achseln. Auch das Angebot, von dem ihm Luise erzählt, machte ihn ganz sicher und amiisirte ihn zugleich. Er dachte aar nicht daran, sich zu binden. Die Gröfin wandte sich noch einmal zusriick und befahl ihm, um ein Uhr vorzufahrm Sie hätte einen Besuch am Graben 12 zu machen. « Pünktlich um ein Uhr fuhr der Wa aen vor. Die Gräfin stiea mit ihrer Gesellschafterin ein und befahl: »Gra ben 12, Baronin Wonskh.« Die Gräfin war auf der Fahrt sehr still, sehr blaß und ihre rechte Hand hatte sie in der Tasche, in welcher ein kleiner Revolver steckte. Sie wußte, daß um diese Zeit der Graben sehr belebt war, und sich die Wagen nur im Schritt bewean konnten. Darauf hatte sie ihren Plan gebaut. Jeans ganze Aufmerksamkeit mußte sich im Trubel auf seine Pferde richten und so konnte er nicht sehen, daf-, sie den Polizisten herbeiwinkte und ihm etwas zuflüsterte. Er nickte, winkte sich einen Zweiten herbei, der eine schwana sich auf den Bock, der andere in den Waan und ehe Jean noch wußte wie ihm ge schah. sagte die Gräfin laut: »Perhaften Sie ihn, er hat mir Peute Nacht meinen Schmuck gestoh en.« - Wild sah Jean um sich, und wollte ! vom Wagen herunter springen. Die Polizisten hielten ihn fest. Die Gräfin befahl: »Sie fahren jetzt direkt nach der Polizei, ohne jeden Widerstand, sonst lnalle ich Sie wie einen tollen Hund nieder,« und sie hielt dem Tieferschreck ten die Mündung der Pistole entgegen. Zähneknirschend aehorchte Jean - Eine Stunde später hatte Gräfin Meterau ihren Schmuck, ihre Papiere und ihre Börse wieder. Die Börse schenkte sie Luise, die vor Scham und Reue in Thränen zerfloß. Ganz Wien sprach tagelang von der Unerschrockenheit und dem kühnen Streich der schönen Griifin. Man bewunderte sie. Am meisten Baron Reinmo, den die reizende Frau end lich erhörte, mit der Begründung, daß das Bibelwort recht hätte: »Es ist nicht aut, daß der Mensch allein e1.« Wie wird man alt? Jeder Mensch soll hundert Jahre leben, das ist die Lehre, die Dr. Mul heron in einem Vortrag vor einer gro ßen Zuhörerfchaft vertiindigt hat. Nur ererbte Schwäche will dieser Arzt als Entschuldigung gelten lassen, wenn jemand früher zu sterben sich unter fängt. Nach der Meinung dieses Arztes hat der Mensch noch Viel vom Thier zu lernen, denn auf zoologische Untersuchungen gegründet ist diese Sache überhaupt. Das Leben eines Thieres ist im allgemeinen, wie Dr. Mulheron festgestellt haben will, im mer fünfmal so lang wie seineWachs thumsveriodr. Ein Pferd zum Bei soiel erreicht seine volle Größe mit vier Jahren und lebt zwanzig Jahre, ein Elefant wächst bis zum zwanzig sten Jahre und lebt hundert Jahre. Warum sollte nun der Mensch, der auch etwa bis zum zwanzigsten Jahre wächst im Durchschnitt nur vierzig bis fünfzig Jahre erreichen? -— Den Hauptarund des fruhzeitiaen Todes oder lveniasteng einen der Haupt ariinde sieht Dr. Mulheron im Zu vielessen. Ein Mensch,· er fünsund zwanzia Jahre alt aervor en ist, sollte nicht drei volle Mahlzeiten am Taae zu sich nehmen. Der menschliche Kör ner irerde bei seinem Angaana siir eine Lebensdauer von hundert Jahren angaeriistet, und eg lieae an einer Verletzuna der Naturaesetze durch den Menschen selbst. wenn er nicht »so lanae vorhalte. »Ich alanbe,« ruft der Arzt weiter aus. »dan die Krank heit von Gott verordnet ist. Wenn der Mensch der Natur aehorchen lernt, dann wird er am Ende feines hun dertiiihriaen Lebens dahinschminden, ohne eine Krankheit kennen aeleint iu haben. Die röniiichstatholische Kirche hat aetviise Fastenreaeln aufaestellt, die eine volle Mahlzeit nnd alvei leichte aeftattien Diese Vorschriften sind ohne ciweifel vortrefflich nnd der ein-— eiae Tadel, den wir Aerite daaeaen äußern liinnten, beeiiae fich daraus, daf-, diese Reaeln nur fiir ein Bekennt nis-» und auch fiir dies nnr aus sechs Wochen im Jahre aelten.« — Gebannten-litten Was man Takt nennt, ift oft nur Taktik. Mancher verdankt feine bösen Jahre nur bösen Jahraänaen. Gegen die Titelfucht hilft kein Ge: heimrathssesrum Nicht jeder steuert, der dag Steuer in der Hand hält. Nur was in uns iveiterlebt, ist ein Erlebniß. Den Kannibalen wird es leichter, manchen Menschen zu verdauen, als uns. Das Schlimmste an der Uebel-fül luna aller Berufe sind die vielen Un berufenen. , Die neue Zeit hat schneidiaere, abeA auch schattiaere Menschen als die alte. Auch unsere Gedanken machen Toi lette ie nach der Gesellschaft. in die wir sie führen. « Unter Dienstboten. ,,Hör’ ’mal, Marie, mai hier ste: »Oiitet Euch vor den Schönen, Rost und Motten fressen!« — Jott sei Dank, meiner ißt nur Ge bratenes!« Aus dem Briefe eines D«.ater8. ,,. .. und dann vergessen Sie nicht· wenn Sie mir Jhre Tochter lsur Frass neben, daß Sie mich zum Glücklich sien aller —- Unsterblichen machen.« Durch die Blume. Herr: »Was thut denn meine Frau noch immer im Toilettenzimmer?« — vae: »Die anädiae Frau wird gis-Z erscheinen, sie aiebt sich nur n schnell einen juaendlicijen Aniirich!« Logik. Herr (zu einem Bettler): »Murren. Sie doch nicht, daß des Lebens Güter ungerecht vertheilt wären Mei nen Sie, daß Ihnen jemand etwas schenken würde, wenn Sie solch-’ einen Bauch wie ich hätten?« Unbewnfzi. Hausfrau idie zum Ge uristag ein paar Vasen geschenkt bekommt: ), »Wei che große Frei de liebe Freundin, Sie mir mit diesen Vasen bereiten Die wünschte ich mir jedesmal, wenn ich sie im .)0 Cents- Bazar im Schaufem ster stehen sah!« Symbolisch. Ein junger Arzt ist stets vom« Cy linder bis zu den Schuhen grau in grau gekleidet. Eines Tages wurde er gefragt, warum er immer in grau ginge, worauf er antwortete: »Ja. wissen Sie, grau ist die Theorie, und Praxis hab’ ich nicht« O diesc Fremdwörteri Frau Rentier Mener (zu ihrem Manne, nach-dem sie im Concertgarten das erste Stück mit angehört haben): »Nun, Emil, wie hast Du die Atustik gefunden?« — Herr Rentier Meyer: »Die habe ick noch jarnich jesehen, Ju steten.« Boshast. Hausfrau: ,,Lina, mån hat mi. erzählt, daß Sie, währ d ich auf Reisen war, in meiner Wohnung mehrmals Gesellschaften gegeben ha ken. Was waren das für Leute, die Sie hier zu sich kommen ließen?« Hausmädchem »Es waren nur Leute, an die mich verwandtschaftliche Bande tniipften.« Hausfrau: »Na, nach dem zu ur theilen. wag mir zu Ohren gekommen ist, muß das ’ne nette Bande sein.« Protest. Anwalt lam Schwurgericht): »Auf diese Aussage aebe ich nichts-; der Zeuge ist dafür bekannt, daß er fiit einen Schnaps einen Meineid schwört!« Zeuge: »Das ist eine Lüge, ich trinke aar keinen Schnaps!" Unerwartete Antwort. Er: ,,Lisbeth,- meine Liebe zu- Dir hat mich schon um all’ meinen Ver stand gebracht.« Sie: »Ach, Paul, dann will i mir doch noch überleaen, ob ich Dich heirathe, denn einen verrückten Maus mag ich nicht!« Im Provinztlseatek. Gast (zum Restaurateur eines Pro vinztheater5): »Der Akt muß doch schon gleich wieder beginnen, da kann ich die bestellten Würftel unmöglich mehr essen!« Restaurateur: »O, noch aanz auf haben’s Zeit, ich halsg schon dein Re aisseur aesaat, damit er nicht eher an fänat!« Schwer-er Dienst. »Was hat denn bei Euch im Ge schäft der Direktor zu thun?" »Der kommt Morgens um 10 Uhr ins Vnreau und staat, ob etwas do i »Und wenn nichts da ist?« »Dann aeht er zum Friihschovpen.« »Wenn aber etioag da ist?« »Dann acht er auch lznin Friihschopi .« pell neige-stört. Schwäher: »Sie wiirdiaen alle meine Ausführunan keiner Antwort. Herr Professor. Ich erscheine Ihnen wahrscheinlich alg lästiaer Besuchen der Sie dlog in Ihrer Gedankenarbeit stört!« Gelehrter: »O nein, teineesweasl Sprechen Sie nur unaenirt iininee weiter, ich hore ja aar nicht zu!« Entfernt terrihlc. »Nun, Emth Ihr habt ja Schik lerfeier aehabt, da wurden, wie is hiire, Verschiedene Gedichte vorgetra asein « Nun, kannst Du mir sauer-« wo loinnit das vor: » da werden Weiber zn Hniinen?« »O das weis-. ich schon, liebe Tanttz das kommt in den besten Familie-V I« dok. Ursache nnd Wie-fung. Diener liir sich): «Merkwiirdi . seitdem der Herr Kommerzienrat seine Ahnenaallcrie ausgestellt hat, ZD er aar so leicht in Harnisch zu bric aen.« Umschtiehen. « Junaer Gatte: »Ella, wenn wer auch eine Köchin haben, aber im sind nun dsrei Monate verheirathet und ich möchte so aerne einmal ou Dir Getochtes essen!«