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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 8, 1905)
Die Grafen von Yurlxnau Roman von K. Z. WWW .f v. - - « (12. FortsehnngJ Baron von Glümer-Rotienfeld er hob sich mit der ganzen Würde, die ihm das Bewußtsein feiner Bedeutung im Staate und in der Gesellschaft verlieh. « »Dann freilich erijbrigt jedes wei tere Wort,« sagte er und richtete sich zum Gehen. »Dann bedauere ich nur, daß diese Unterredung überhaupt stattgefunden hat« Er zog sich nach einer förmlichen Verbeugung vor seinem Schwieger vater und var feinem Schwager nach der Thür zurück. . »Ich aber bedanke diese Ansehun derseßung nicht,« schallte ihm die Stimme des alten Grafen nach, »denn » sie hat Dich mir gezeigt in Deiner wahren Gestalt, in Deinem ganz er bärmlichen, ordinären, rücksichtslosen Egoismus. Vornehrn mag ja Deine Kleidung sein, aber Deine Gesinnung ist nichts weniger als vornehml« Der Kammerherr verschwand. Die beiden Zurückbleibenden reichten ein ander die Hand und athmeten freier, als sei durch das Verschwinden des Kammerherrn die Atmosphäre im Zimmer wesentlich verbessert worden« Einundzwanzigstes Ka vitel. Pautine Menzel hatte mit besonde rer Sorgfalt Toilette gemacht, als- sie der Borladung in das Bureau des Untersuchungsrichters folgte. » Außer dem Landgerichtsrath, der; im Anfang der vierziger Jahre stehen mochte, war nur noch der Protokoll führer anwesend. Pauline Menzel beuchelte ein sanftes Erröthen und schlug züchtig die Augen nieder, wäh rend sich die Blicke der Beiden for schend auf sie richteten. »Sie heißen?« begann der Land gerichtsrath ohne Weiteres seine Fra: gen. - Tränlein Pauline Mensch« Die strenge Amtsmiene der beiden Beamten erhellte ein leises Lächeln. »Wie alt?« ,,Zweiundzwanzig Jahre.« »Setzen Sie sich.« Pauline Menzel verneigte sich dan kend und nahm auf einem der vor dem Tisch des Richters stehenden Stühle Platz. Die blinkenden Spitzen ihrer in eleganten Lackschuben steckenden Fäßchen lugten ioiett unter dem Saum ihres Kleides hervor. »Ihr Berus?« fuhr der Untersuch ungsrichter in seinem Verhör fort. «9·Jiodistin.« »Die wohnen oek Ihrer Mutter-» ,.Ja, Herr Rath.« Der Untersuchunasrichter erhob fei nen Blick von dem Aktenstück, in dem er bis jetzt aeblättert hatte, und nahm I die ihm Geoeniibersitzende scharf insj Auges »An welchen Beziehunaen standen! Sie zu dem Chambreaarnisten Jhrer Mutter, zu dem Grafen Bodo von Buchenan?« Fräulein Pauline Meniel markirte abermals ein Erröthen, indem sie sitt- ! fam ihr Gesicht senkte, mit den Hän den an ihrem Kleid herumftrich und auch sonsiiae Reichen von Verleqenheit an den Taa legte. »Nun? Antworten Sie!« »Ach, mein Gott, Herr Rath,« ant wortete die Gefraate mit weinerlickser Stimme. »ich weiß ja nicht, wie Sie das meinen.« · Der Untersuchunasriehter lächelte sarkaftifch So? Sie wissen nicht wie ich das meine Dann will ich mich also etwas deutlicher ausdrücken Haben Sie mit dem Grafen gemeinsam Veranügum gen besucht?« Wieder sank das hübsche Könfcken des jungen Mädchens auf die Brust Saal-, während sie verfcksiimt befahtr. »Das-en Sie von dem Chambreaar nisten Ihrer Mutter Geschenke in Em pfang genommen?« Die Blicke des Untersuchunasriebtets hefteten sich an die funkelnden Ohrrinae des iunaen Mädchens Vielleicht die Brillanten da in Ihren Odems« Die Modiftia griff sich mit einer Seberde des Schreckens an ihre »Ihr - lädt-eben »Wenn Fräulein Pauline anel?« « Der Untersuchunaerichter leate auf das Prädikat das er dem Namen der Auin vorsetie, einen ironifchen Nacht-met Die Modistin warf ihren Kot-f mit til-M Ruck in die Höhe: ein-Ausdruck i i ! i von Trotz bebevsrfckite ihre Mac. F »Na doch,« faaie sie fa« fchnivmfcks »Gebt-Denke darf man doch annehmen. : Das iff does- erfaubL « Haben Sie sich nicht assan « fnbr der Unserfnckmnasrirbjer stmm fort T »das der Anaefcksuldiafe über feipe’ Kräfte aina, wenn er Ihnen solche Geschenke wachte?« Ueber feine Kräfte? Nein! Er W hoch ein Art-H« i Der Unterksichunqsrichter Iächeliej siedet satte-Müh W so Und da meint-n Sie. als ( W Ist-den ibw »M- unbewewa M Miit zu Gebote« «IreM-ts! Er bat doch vornehme WUVEU Wieder fah tm- Usferkvchtmqsticks M Ue Inn Gen-»Wetsißende mitj , UDOMAIN-thust Blick an. Ws I « »Sollte Jhnen nichtbekannt gewe . sen sein, daß Graf Buchenau von sei ’nen Verwandten keinerlei Unterstütz ung erhielt?« Die Madiftin vermied den Blick des Beamten. »Keine Ahnung!« gab sie mit echt berlinifcher Underfxorenheit zurück. »Sie wissen, unter welchem Ber dachte der Graf steht3« schlug der Be amte jetzt das Hauptthema an. »Mein Gott, ja. Jn der Zeitung ftand es ja, und ich war ja auch da bei, als er —« »Als er —?« »Na, als der Kriminalfchutzmann kam und ihn mitnahm.« Der Untersuchungsrichter schlug einen faft gemiithlichen Ton an. »Nun erzählen Sie uns einmal, wie sich Graf Buchenau benahm, als er am Tage des Morde-S nach Hause tam.« Die Zeugin griff sich an die Stirn, als müsse sie sich erst besinnen. . »Ach so. Na ja. Jch machte ihm die Thür auf, als er llingeltr. Und da kriegte ich einen ordentlichen-Schreck. Denn ganz blaß sah er aus und der ftöri. »Herr Gott, wag ist denn das?« fragte ich. Aber et schüttelte nur den Kopf, stürmte an mir vorbei und schloß sich in feinem Zimmer ein.« Der Untersuchungs-richtet gab dem Brototollsijhrer ein Zeichen und dil tirte dann. »Und nachher?« fragte er weiter. »Nachber? Na, dann kam ein Schutzmann,,einer in Unifortn, und bestellte, daß der Graf sofort zur Po lizei tornmen sollte —- zur Verneh mung.« »Und wie benahm sich da der Graf?« »Er war ganz anders. Garn sanft und weich war er geworden, ich möchte lagen, faft gerührt. Er drückte mir die band, — fo recht ausdructsvoll und fliifierte mir zu: Mister Watson ist er mordet, der Ameritaner Und dann gina er.« Der Untersuchungsrichier hatte feine Rechte an das eine Ohr aeleat, um besser hören zu können. Wieder dil tirte er dem Protolollfiibrer. um dann mit feinen Fragen fortzufahrern »Und am Tage der Verhaftuna?« Die Modistin schlug wieder die Hände ineinander »Na. wenn ich noch daran denke. Nb liefi den Herrn ein und dackte an nichts Böses. Nicht ’ne blasse Abnuna hatte ich ja. dasi er vom Kriminal war. Ich siihrte ibn also in des Gra fen Stube. Die Ihiir blieb aus. und da börte icki den Grasen aus einmal schreien: »Wie. Sie wollen mich ver haften? —Mick1?- Ich bin Gras Bu chenau. Jcki werde mich beschweren! Was fällt Ihnen denn ein?« Als nun der Beamte in Livil tunen Protes-, machte und ian eneraisch ersuchte ibm zu solaen wurde er mit einem Male aane rubia. Blase war er furchtbar-, nnd als er dureb den Korridor ainq, schwankte er wie —wie ’n Betruntv ner. Und wie et mich ansah! Den Vlies veraesz’ ikb im ganzen Leben nikssi.« Die Svkeckkende sinlua schaudernd ihre Winde vor ihr Gesicht. .Und Fie?« inauirirte der Unter srrssunasricktee weit-r. .Was hatten Sie denn fiir ein« Empfinduna nlä er nun so an Ihnen vorbeischtitt?« Die Modistin liese wieder ihre Hände sinken. Ach? Na. mir war. als wenn — menn mir ’ne eTodter-bemi- sxner den qtriefen subt. Gana eiskalt iiberlies’3 mich. Und ich Ratte ordentlich ’n Grauen vor ihm. Mir war's-. als sähe Leb ordentlich das Blut an seinen Hän en.« Die Modistin lächelte wieder ver schämt. Der Untersuchunasrichter beugte sich weiter vor: in seinen Mienen vereieth sich die stärkste Spannung: ein leises, teiurnvbirendes Lächeln spielte um seine Lippen. »Fräulein Meinen-« k Die Modistin ließ ihre Hände sin en. »Den- Ratt-V Der Beamte sacht-er Zeugin scharf in die Augen. »Sie hatten also gleich den Ein druck, als ob der Gras dieTbat, we aeu der et verhasiet wurde, auch wirt lieb begangen habe?« Fräulein Vauline Menzel sah ganz verdutt drein. »Den Eindruck? hat« ich ldenn das neiaai2 Mein Gott, das hab’ ich ja doch nicht so armeini. Sie müssen wissen, Herr Nath. ich bat-e nun ’mal io ’ne lebhaite Phantasie Und ich ieb’ immer aleich Alles io deutlich vor mir. Aber es iii ia doch gar nicht möalich. Ich bitte Sie, ein Graf — nein! Und er war doch immer io gut und so weich, und nun soll er io was aetban haben.« »Das sind Betrachtunaen, die sich nachher bei Ihnen einiiellten«« be merkte der Untersuchunaörichter. »Aber im Moment der Verbaiiuna erblickten Sie in ihm den Mörder.« «Den —?« Ein abermaliaer siebt lirber Schauer-, der ihren Körper schüt telte, unterbrach die Modiiiin. »Mein Gott« wiFrT denn ein Wunder-, Herr Ratt-? Ich war ia io erschrocken, als et nun plöslich abgeholt wurde, nnd da W ifuhr mirs durch den Kopf: Verrat-in vielleicht ift er’i elber gewesen Und als es dann am bend in der Zeitung stand, die Jndizien —« »Ja, die Jndizien,« fiel der Unter suchunatzrichter ein. «Erinndrn Sie sich, ie eine Krabattennadel mit einem Saphir bei dein Grafen bemerkt zu habenlk «Mit nein Saphirit Ja, darüber habe ich ja schon so viel nachgedacht herr Nath. Es stand doch in der Zei tung. Aber ich lann mich nicht besin nen. Möglich ist’s ja freilich, daß er so ’ne Radel aehabt hat. Er hatte ja ein ganzes halbes Dutzend.'· «Jedenfalls hat ee Ihnen nicht er zählt, daß ihm Mister Wation eine goltcge Nabel zum Geschenk gemacht a « »Nein. Herr Rath. Denn daran würd ich mich ja ganz bestimmt erin nern.«« Der Untersuchungs-richtet nickte und diktirte wieder dem Protokollführer. Dann wandte er sich abermals zu der Zeugin. »Wir kommen nun zu dem Revol ver. Haben Sie unter den Sachen des Grafen je einen Revolver bemerkt?« «awohl, Herr Rath. Er lag in io ’nem aelben Eichenholzlasten in der Kommode.« »Der Anaeschuldiate behauptete, daß ihm der Revolver in der Woh nung Ihrer Mutter abhanden gekom men ist· Wie erklären Sie sich das?« »Ja Herr Rath, wie soll ich mir das erklären? gzch habe ihn nicht ge nommenJ Des Untersuchunasrichters strenge Mienen erheiterten sich. »Das alaube ich Ihnen aus«-Z Wort. Nun saaen Sie einmal, welche männ lichen Personen haben bei Jhnen, ich meine, in der Wohnung Ihrer Mutter verkehrt?'« ,,Niernand. Herr Rath,« lam es Prompt aus dem Munde der Modistin. Der Untersuchunasrichter nahm seine strengste Amtgmiene an. »Sie faaen die Unwahrheit.« Pauline Menzei erröthetr. »Aber. Herr Nath,« ftammelte sie. »Ich mache Sie darauf aufmerk fam,« iaate der Richter, feine Stirn drohend runzelnd, »daß Sie hier vor Gericht stehen und die Wahrheit, die lautete Wahrheit, zu tagen haben. Was hat es- fiir eine Bewandtniß mit Jlstem Bruder? Warum wohnt der nicht bei Ihrer Mutter?" «Jch habe ja überhaupt keinen Bru: der, Herr Rath« Der Unterfuchunasrichter lächelte. »Sie haben keinen Bruder —- fo! Dann sagen Sie mir also, wer hat denn das-Recht, sichs in dem Zimmer des Miethers Ihrer Mutter in dessen Abwesenheit bequem zu machen, dort seine Riaarre zu rauckten und in Jhrcr Gesellschaft Bier zu trinken?« Dies-mal brauchte Fräulein Pauline Menzel das Erröthen nicht zu erbeu cheln. Jhr Gesicht war förmlich in Gluth aetaucht, und ihre Blicke bohr ten sich fefi in die Soitien ihrer über einandergeschlaaenen Füße. Antworten Sie!« mahnte der Un terfuchunasrichter streng. »Mein Gott,« ftotterte sie. »das ist ia man blos unser früherer Schlaf bursche, der Einzel, der ab und zu ’rnal aus alter Anhänglichkeit bei uns vorspricht.« »Aus alter Anhänglichkeit —- so. Wie kommt es denn, daß Sie den Kinzel als Ihren Bruder ausaeben?« Jn» Fräulein Paulinens Mienen rana ein Lächeln mit einem letzten Rest von Verlegenheit. »Weil — mein Gott, Herr Rath, ich dachte, es wäre dem Herrn Grafen am Ende nicht recht, wenn er erfiihre, daß der Kinzel -imn1er noch zu uns kam. Und als dann einmal der Herr Rechtsanwalt, dem Grafen Bodo fein Bruder, den Einzel bei uns traf, da fuhr es mir so heraus: das ift mein Bruder! Es war man ja blos sozu faaen eine Nothtüar. weil ich dachte, er könnte es vielleicht dem Herrn Gra fen Bot-o wiedererzählem Und ich wollte ja doch nur dem Aerger aus dem Wege gehen.« Der Untersuchungsrichter lächelte wieder. »Ich verstehe. Sie befürchteten, der Graf Buchenau möchte. eiferfiichtig werden. War-T nicht fo, Fräulein Messen-« o Die Modifiin lächelte verichämt. »Nun. ja doch, Herr Raib.« »Also aus alter Anhänglichteit lam der Ringel. Aus Anhänglichkeit an Ihrer Mutter oder an Ihnen, Fräu lein Menzel?« Die Modistin schien sich durch die Fraae nicht verletzt zu fühlen. Jm Ge aentheiL sie verzoa ihr Gesicht Zu enem abermaligen Lächeln, während sie prnmpt erwiderte: .,Wolsl an uns Beiden, Herr Natb.« Der Untersuchunasrichter »die-sich auf seinem Stuhl steif in die Höhe. blickte wieder ernst, obwohl nicht streng und büllte sich gewissermaßen aanz in die Würde seiner amtlichen Stelluna. «Nun denken Sie einmal recht nach Friiulein Menzell Ereianeie es sich, daß der Kinzel auch zuweilen in Ihrer Abwesenheit kam?« Die Modiitin dachte einen Augen blick nach: dann erwiderte sie fast ichallhaftc »An der Regel wol-l nicht« here Rath« »Alle in der Regel nicht: aber es könnte doch voraetommen seini« Sie Durste mit den Achseln. »Bist-lich isi’i ia. Aber ich-glaube U taum, Herr Rath « »Ich auch nicht« erwiderte der Un teriachunaieichier trocken, um dann weiter zu fragen: Idee Kinzel kam wohl nur, wenn Graf Buche-san nicht arm-send wars« s »Nun Herr Rath. Jch mochte nicht, daß die beiden Männer einmal zusam mentriisen.« Der Untersuchungsrichter sah mit seinen kalten, sorschenden Augen, die Einen förmlich durchbohren konnten, zu der Zeugin hinüber. »Ja, warum untersagten Sie denn nicht dem Kinzel die Besuche liber haupt?« Die Modistin sah einen Augenblick verlegen zu Boden. »Er hätte sich die Wohnung ja nicht verbieten lassen, Herr Rath,« antwor tete sie sodann. Der Untersuchungsrichter nirlte. »Er hatte eben ältere Rechte, der Kinzel.« Fräulein Pauline Menzel besahte nicht, aber sie verneinte auch nicht. Der Untersuchungsrichter lehnte sich behaglich in seinem. Stuhl zurück. »Aus Alledem lann ich wohl den Schluß ziehen,« subr er mit einem Anslug von Wohlwollen fort, »daß Sie Jhren alten Verehrer, den Sie sich wahrscheinlich sür den Ernstfall in Reserve hielten, in der Regel in dem Zimmer des abwesenden Chambregar nisten empfingen. Verhält es sich so?" »Meistens wohl, Herr Rath.'« Der Untersuchungsrichter nahm eine etwas strafsere Haltung an, und auch feine Miene wurde wieder eine stren gere. »Ich lomme ietzt zu einer wichtigen Frage,« hob er an, »und ich ersuche Sie ernstlich, sich in dieser Beziehung recht sorgfältig zu prüfen. Geschah es wohl Zuweilem daß Sie den Men schen, den Kinzeh in dem Zimmer des Chambregarnisten allein ließen?« »Raum, Herr Rath.« Die Antwort kam prompt. »Aber die Möglichkeit wäre doch vorhanden?« fragte der Untersuch ungs-richten , blsie Zeugin überlegte einen Augen i . »Mein Gott, ja, Herr Nath. Es mag ja wohl ’mal vorgelommen sein, das; mich Mutter aus ein paar Augen blicke abgerusen hat« »Auf ein PaarAugenblicke also nur? Und Sie sind sicher, daß der Kinzel niemals eine längere Zeit im Zimmer des Grafen Buchenau allein gewesen ist«-« »wanz sicher, Herr Ratt-.a »Nun sagen Sie einmal: Was ist dieser Kinzel fiir ein Mensch?« Fräulein Menzel hielt es fiir ange bracht, ein versiändnißloses Gesicht zu zeigen ,,Jch weiß nicht, wie Sie das mei nen, Herr Rath?'· »Nun, ich meine zunächst in Bezug auf seinen Charatter.« .Meni Gott, er ist -’n bischen hitzig. aber doch sonst ein ganz guterMensch.«« »Und was ist er seiner Profession nach?«' »Er-blossen Herr Nath.« ,.Wo wohnt er und wo ist er in I Arbeits« »Er ist Grunewaldstrasie 8 bei dem »Maurer Schröder in Schlafstelle und arbeitet in der Werkstatt des SOLO-l iermeisters Werner in Wilmersdorf.« Der Untersuchunasrichter winkte dem Gerichtsschreiber, sich die Notiien Zu machen. und entliesz dann die Reu ain, die sich mit einem ioketten Knix empfahl. ( l Zweiundzwanzigstes Ka-; p i t e l. s Am folgenden Tage fand die Ver nehmung der Wittwe Menzel statt, die sich wesentlich tiirzer gestaltete, als die ihrer Tochter. Die alte, etwas stumpfe Frau wußte über den Grafen wenig zu bekunden. Er habe sich fast nie zu Hause aufgehalten, sei mit ihrer Tochter viel ausgegangen und im Uebrian ein netter, freundlicher Herr aewesen. Der Schlosser habe bei ihr zwei Jahre in Schlafstelle gelegen, aber sie habe ihm getündigt, weil sie von dem Bermiethen an feine herren sich rö szere Vortheile versprochen habe. fIder Kinzel sei auch nach seinem Fortgange häufig zu Besuch gekommen ihrer Tochter Pauline wegen, die er habe heirathen wollen. Es sei aber noch nicht dazu gekommen, weil der Kinzel ihrer Tochter wohl nicht aenua verdient habe. Im Uebriaen sei ei des Grasen wegen zwischen ihm und ihrer Tochter nicht selten zu Streit und hader ge rornrnen. Jedentalls tei Kinzel auf den Grafen eiferiitchtia gewesen. Der Graf habe den Rinzel nie zu Gesicht bekommen, denn habe er wirklich ein mal die Wohnung betreten während der Anwesenheit des Nin-rel. io habe der Letztere sich stets in der Küche auf aehalten. Daß Kinzel mit ihrer Toch ter oft im Zimmer des Chambreaar nisten aewelen, tönnesie nicht bestrei ten. Aber obsiinzel sich ie allein in des Grafen Zimmer aufnehalten Und Geleaenbeit aehabt habe, den Pistolen lasten Zu entwenden, tönne sie nicht anaeben. Auch dem Verbör des Schlosses-s Kinzel fah r Untersuchunasrichter nicht mit a dannten Erwartunaen entaeaen. Seiten hatte nach feiner An sicht ein Verbrechen bezüglich der Thä terlchaft klarer aeleaen, als das an Milter Watson beaanaene. Die Ver nehmuna des belckmldiaten Grafen Bodo von Buchenau hatte ausdrücklich eraeben, daß derselbe weitere Gegen stände nickst vermißt habe, als den in der Nähe des Thatortez aefundenen Revolden Das-. der— Schlatter aber sish von dem Eisenthum des Grafen aerade nur den Revolder angeeignet haben sollte. war doch kaum anzuneh-( men. « l Der Schlatter Mir-et war auch ins der Sonntaastrackst, die er en feiner l Vernehmung vor dem Untersuchungs ritlxter angelegt hatte, tetne einneh W mende Erscheinung. Freilich, daß er bestrebt gewesen« gewisse unangenehm wirkende Eigenschaften möglichst zu verdecken, hätte Jeder, der Kinzel sonst kannte, wohl bemerkt. Bon dem Schnapsgeruch, der dem Schlosser sonst anhastete, war heute nicht das Ge tikmste zu bemerken. Offenheit hatte KZJIM sich heute seines Lieblingsge trankes gän lich enthalten und seinen Athem dur gewisse Mittel, wie das Kauen von Kasseebohnem zu verbes sern gewußt. Jn seinen Mienen machte sich ein sanstmiithiger, bescheidener Ausdruck bemerkbar-, der Kinzels Freunde sicherlich, wären sie Zeugen desselben gewesen« mit höchstem Stau nenersiillt hätte. Der Untersuchungsrichter ließ seine Blicke forschend über den verlegen und schüchtern vor ihm stehenden ungelen ten, kräftigen Burschen gleiten, der in seiner äußeren Erscheinung das Bild eines biederen,« harmlosen Menschen machte. »Sie heißen?« begann er. »Karl- August Kinzel.« »Sie sind von Beruf Schiosser und arbeiten zur Zeit in Wilmersdors bei dem Schlossermeister Werner?« »Jawohl, Herr Rath.« »Nun sagen Sie mir einmal. Kin zel, in welchem Berhiiltniß stehen Sie zu der Modistin Pauiine Menzel in Halensee?« Des atvße Mensch lächelte verschämt wie ein Knabe. Dann erhob er sein Gesicht und sah dem Beamten treu herzig ins Auge »Sie ist meine Braut, Herr Rath.« »Jhre Absicht ist, die Pauline Men zel zu heirathen?« »Jawohl, Herr Raih.«« »Und warum iit noch immer nichts daraus geworden?« s Der Schlosser drehte seinen Hut in den Händen, leuszte leise und erwi derte: »Ja. Herr Rath, an mir liegt’s nicht« sondern an der Paulinr. Ich bin man nur ein einsa er Schlossergeselle, und sie mag woh glauben, estönnte am Ende doch noch ’n Besserer kom men. Und da schiebt sie unsere Hoch zeit immer von einem Terrain aus den anderen aus. Aber bis jetzt ist noch Keiner gekommen, der es ernst gemeint hat« und da duldet sie mich eben noch.« Der Untersuchunggrichter blickte er staunt auf; das schien ja ein ganz ver ! niinstiger Mensch zu sein« dieser Kin Esel. Jedenfalls schien iibertriebene Selbstichötzung nicht seine schwache Seite. Eiter hätte man ihm wohl eine weitgehende Anspruchglosigteit und Gutmiithigteit nachsagen können, die schon mehr in das, was der Volls mund Schlasmiitzigteit nannte, aus arme. »Sie waren ftiiber in Schlafsteile bei der Wittwe Menzel,« fuhr der Un tersuchungsrichter fort. »Frau Men iel bat anen gekündigt« und seit Sie ibre Wohnung verlassen bat-en, ist dort ein Graf Bodo von Buchenau als Chambregarnist eingezogen. Das ist Ihnen bekannt, KinzeL nicht wahr?« »Jawobl, Herr Natb.« »Und ebenfalls betannt diirste Ih nen sein, das; Pauline Menzei. die Sie selbst als lere Braut bezeichnet baben, mit dem Grasen Buchenau Tanzlotale besucht bat. Oder wissen Sie davon nichts-W Die Mienen des Zeugen Kinzel be berrschte ein Zug trübseliger Resigna tion. «Jawobl, Herr Rath. auch das ist mir bekannt. Jch habe ja der Pauline oft genug Vorstellungen gemacht. Aber sie ließ nicht ab. So’n Mädchen, Herr Rath. ist vergnügungsiiichtig und nimmt mit, was sie mitnehmen tann. Denn bernach ift’s doch damit vorbei. wenn sie mal erit verbeiratbet ift. Aber anständig ist sie. Herr Rath. Dafür leg’ ich meine band ins Feuer. Es war ibr ia blos darum zu thun, zu tanzen, wo alle ibre Freundinnen tanzen geben; und da ich nicht immer mit tonnte, so mnfite sie eben mit’m Findern geben. Aber anständig ist ie.'« Ein leises. ironiiches Lächtln um fdielte die Mundwintel des Unter fuchungsrichiers, und im Stillen sagte er sich, dan ibm eine größere Schlaf miihr. als dieser Kinzel da offenbar war, noch nicht vorgeiommen sei. »Nun tagen Sie mal, Kinzel,« fuhr er in dem gemiitblichen, wohlwollen den Ton fort, den er Leuten aus dem Volke gegenüber anzuschlagen pflegte, sofern sie seine Strenge nicht durch unangemessenes Betragen herausfor derten; «nun batten Sie wobl ’n rech ten Haß auf den Grafen, nicht?« Der Schlosser machte ein fast er schrockenes Gesicht. « »Ich, here Rath Ach nee, wo werd’ ich denn! Warum denn? Der Graf wußte ja doch gar nichts von mir und daß ich der Pauline ibt Bräutigam war. Die Pauline bätte sich ja doch nicht mit ihm einzulassen brauchen. Aus die Pauline tann ich ja doch höchstens böse sein, aber doch nicht auf den Tieren Grafen.« Der Untersuchungsrichter nickte. »Sie sind ein vernünftiger Mensch, Kinzel,« äußerte er mit einem noch er höhten Grad von Wohlwollen »Sie beurtheilen die Dinge von der richtiaen Seite. Also auf den Grafen hatten Sie teine Piete — wie man to zu sagen pflegt?« . »Im Geringsten gar nicht, Herr i lRatb.«« » Das kam wieder so treuherzig, fast - tchafötöpsia beraus, daß der Unter-( suchungirtchtek sich eines Lächelns ; nicht erwehren konnte. »Sie waren mit Ihrer Braut oft in des Grafen Zimmer, nicht wahr, Hin-el?n - Dann-by here Rath, der-»Mir tch; Ietgentlich war mtr’s gar nicht reOi. W Aber Pauline meinte immer, ich sollte doch nicht so zinrperlich lein. Wa denn dabei wär«, wenn der Graf nicht zu hause wär’l Die Schlafstube, wo Pauline und Mutter drin schlief, war talt, und in der Küche saß die Alte. Und —- na ja, Herr Ratt-, zwei Braut leuie, die haben —doch am Ende nrchi gern einen Aufpasser bei sich.« Der große Mensch lächelie verleäen und blickte in seinen hat« an de en Krempe seine Hände berumfingerten. oich verliebe, Kinzel Sie waren also wiederholt in Graf Buchenans Zimmer. Da bat Ihnen denn wohl Jbre Braut Allerlei gezeigt, was oihre Neugierde erreaie. Jch weiß, der Graf hatte ein paar schöne Reiipeiilchen, die eine mit einem silbernen Pferde lopf, und iiber seinem Schreibiilch binaen ein paar Säbel und Dolche nnd alte Neiierpistolen· Das haben Sie wohl Alles ordentlich in Augen schein genommen, Kinzel?« Des Schlossers breiter Mund ver zog sich zu einem Grinlen. · »Nein, Herr Raib, dazu haii’ ich Ia teine Zeit nicht. Sehen Sie, Herr Raib, wenn ich lam, war es immer schon spät, und lanae durfte ich nicht bleiben; das litt die Pauline ihre Mutter nichi. Na, und da bin ich denn aar nicht dazu gekommen, viel auf die Sachen von dem Grafen zu achten. Denn warum? Wir baiien immer was Besseres zu thun, Her-r Ratb.« Schmunzelnde Einfalt und unbehol fene Berleaenbeii paarten sich in den Mienen des Schlossers. Der-Unter fuchunasrichier unterdrückte den Lach reiz, den die Treuberzialeii des-Schlos iers in ihm erweckte. und fragte ernst, feinen Blick durchdrinaend auf den ihm Gegenübersitzenden befirnd: »Aber den gelb-braunen Kasten werden Sie doch bemerkt haben, Kin zel, in dem Graf Buchenau seinen Re volver aufbewahrte, ein länglicher Kasten aus Eichenholz. Der Revolver war ein Armee-Revolder, wie ibn die Ofiiziere haben, mit silbernem Be: ichlaa und mit dem Monoaramm des Grafen. Erinnern Sie sich doch ge nau. Kinzel!« Der Schlosier griff sich an dieSiirn nnd ichs-en anaesirenai nachzudenken. Nach einer Weile fchiiiielie er mit dem Kopf. lFortsehung folgi.) — Cim- Geblieben-Theorie. Wie Erdbeben entstehen hat kürzlich - ein Negerprediger herausgesunden. ! Nach dem Observer faßte er seine Er »tliirung iiber vulkanische Störungen in folgende Worte: »Die .Erde, meine » Lieben, dreht sich um Achsen, wie wir alle wissen. Da etwas nöthig ist, um die Achsen zu schmieren. wurde, als die lsrde gemacht wurde, Vetroleum in ihr Jnneres gebracht. Da kommt aber jetzt die Standard Oil Conipanh und holt sich das Petroleum, indem sie Lö cher in die Erde bohrt. Tie Erde steckt jetzt aus ihren Achsen und will nicht mehr so gut herumgehen, denn die Achsenlöcher sind heiß, gerade so wie es manchmal bei den Rädern der Eisenbahnwagen ist ——- und wenn das der Fall ist, meine Freunde, dann passirt immer etwas.« « Preuhilche Schiedsgerichtb « Eine amtliche Uebersicht über die l Geschäftsthätigkeit der Schiedsgerichte "siir Arbeiter Versicherungen im ver flossenen Rechnungsjahr giebt ein Bild von dem außerordentlichen Um fange, welchen die Wirksamkeit die ser Jnstanzen allein in Preußen ange nommen hat· Bei den dort bestehenden sechzig Schiedsgerichten —- einschlieszlich der jenigen der Eisenbahn - Direttionsi bezirle und der Knappschastgvereine »—— waren insgesommt 83,293 Streit lsachen eingegangen. Davon konnten 68,437 theils durch Urtheil, theils durch Vergleich, Anertenntnisz, Zu rückziehung der Klage oder aus andere Weise endgiltig erledigt werden; lit 008 blieben unerledigt und 848 wa ren nicht anrechnungsfähig, weil sich nach der Eintragung in die Prozeß ,liste die Unzuständigleit des Schieds gerichts herausstellte. Jm Durchschnitt betrug das Ber hiiltnisz der unerledigten zu den ein iaegangenen Anträgen etwa 16 Pro zent. Zur Schlichtung der Streitsa lchen waren 3715 Sitzungen ersordert ;lich, darunter 1051 außerhalb des lSitzes der Schiedsgerichte. Somit sentsielen aus sede Sinung durch schnittlich 18 erledigte Streitsachen. ; Naturgemäß gingen die smeisten Antrage bei den Schiedsgerichten der Jndustriebezirke ein, wobei allerdings fuverlassige Vergleiche wegen der ver chiedenen Größe der einzelnen Be zirke kaum möglich sind. An derSviIe stand Oppeln mit 7631 Streitsachen; dann solgten Bochum mit 4772 Bres »lau mit 4749, der Stadttsreis Berlin mit 4057« und Berlin-Rea.-Bez. zgzotfsgam mi:itm4060«ß , Ihr-end Dissseli or iever nimä erne a 53904 lieseete. as g Z u Jedenfalli lassen diese All-weise er- « ’ sehen, daß die Schiedsgerschle in einer Angelegenheit, welche für Arbeiter lreise von großer Wichtigleit ist« ein recht ansehnlichei Pensum zu bewälti· gen hatten. Zwischen Kaiser Wilhelm und On sel Edward stimmt nichts als die Ver stimmung. fis Jene 161 Norweaer. welche gegen eine Trennung von Schweden siinnns ten, haben wahrscheinlich Freunde sn Schweden, die sie mitunter besuchen möchten. l