Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 01, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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E bei-· pnpkkujsw Doktgeschichtk m
QWiefetL
In endlnfee Bliiue spannt sich der
. « Onkel über den kleinen Strandort
eins nnd verfchmilzt am fernen hori
ipnt mit dem blauen Meeresspieqeb
Zwei Ziegen weiden gemächlich am
Subentand Jn einiger Entfer
nung fest ein junges Mädchen. Eine
dicke Waepjacke, wie die Fischer sie
auf der See zu tragen pflegen, liegt
an ihrem Schooß, iie flickt die zer
ti enen Aermel, während sie zwi
fchenein mit schnellem Blick nach den
Ziegen scheut, ob diese auch nicht die
ihnen angewiesene Weidegrenze über
schritten-.
Langfam neigt sich der Tag. Jetzt
wirft die Sonne nur noch einen fein-ä
gen, goldenen Streifen iibet das
blonde, unbedeckte Haar der jungen
Hittin.
Sie hat ihre Arbeit beendet, springt
auf und greift nach der im Gras lie
genden Weidengerte. Dann ruft sie
die Ziegen, die meckernd Antwort ge
ben, und treibt sie vor sich her den«
Dorfe zu. »
Am Eingang desselben liegt, von;
den kleinen, ftrohgedeckten Fischer
wohnungen vornehm abgesondert, ein .
Ettiiches Haus mit rothem Siegel-!
Zum «Erbkrug« steht auf dem»
weißen Schild über dem Hauswi
gang Die Gastwirthfchaft gehört
dem alten Peter Maguhn und geht
seit nndenklichen Zeiten in der Fa
milie immer vorn Vater auf den
ilteften Sohn über.
Wie das Mädchen ihre Ziegen am
offenen Hofthor vorbei treibt, hebt sie
verstohlen die Augen und laßt ne
htigschnell herumschweifen. Am Pfei
ler lehnt ein hübscher-, blonder Mensch,
er nickt ihr zu. und in ihr sonnver
branntes Gesicht steigt heiß das Blut.
Aus der Thür der Gaststube tritt
im selben Augenblick ein anderer
Bursche, nicht so hoch gewachsen wie
jener, aber derber, stämrniger. Pfei
send geht er die Dorfstraße entlang,
immer hinter dem Mädchen her. Sie
merkt es wohl, aber sie wendet sich
nicht um.
Hinter dem Schulhanse, zwischen
den dichten Hollanderheckem hat er sie
mit ein paar großen Schritten er
reicht und faßt ihre Schulter.
»Was rennst denn so, Marie?
Sahst nich, daß ich Dir nachlam?«
- Sie macht sich von seiner Hand los.
»Wenn schon; soll ich darumswegen
vielleicht langsamer gehn?« fragt sie
spsitisch
«Du, sei nich so prehsch, das könnt
Dir mal leid thun,« droht er. Aber
seine Heftigteit zügelnd, fährt er«
freundlicher fort: »Bist doch 'ne
dumme Marjell, ich mein es gut mit
Dir, hab blos was sagen wollen. Du,
her-It Abend is Tanz bei uns im
Krug. Wirst doch auch kommen, was-,
Mvriechen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein,
Wilhelm, ich komme nich·«
»Warum kommst nich?« fragt er
zornig.
»Mutter leid’t nich, daß ich tanzen
geh’: und ? tolt auch blos unnütz
Geld.«
Da lacht er: »Wenn weiter nichts
im Weg is, denn komm man hin,
Marie. Wozu wiir ich dem Krug
wirth fein Aelt ster, wenn ich nich mal
fiir Dich Freibier geben könnt. «
Dreist legt er den Arm um ihre ju
gendlich schlanke Gestalt. »Hörst
wohl, Du, ich trattir Dich, ich zahl
atles.«
Sie riß sich heftig los und stieß
nach ihm.
»Ich komme doch nich, ich halss
Dir schon mal gesagt. Und nu gehst
mir aus m Weg, ich muß unsere Zie
gen eintreibenf
s »Daß die Beester, die finden allein
nach Haus.« Er hob einen Kniittel
von der Erde aus und warf ihn nach
den Thieren. »Ich hab noch mit Dir
zu reden."
Obgleich sie sich sträubte, hielt er
ihre Hand sest.
»Ich verstehe nich, was Dir bei
!ommt, Marie,« grollte er. »Was
stellst Dich so obsiinatsch an gegen
mich? Die Mädchens rennen sich
nach mir die Hatten ab, aber ich frag
nichts datnach,·ich hab mir mal in’
Kopf gesetzt, ich heiraih leine, wie
Dich.« Er wars sich in die Brust
und sah sie siegesgewiß an. »Ja Du,
was meinst, das kann Dir doch wohl
passen, die Wirthin vom Erbkrug zu
werden?«
Sie sah zur Erde, um dem heißen
Blick seiner begehrlichen Augen ani
z.uweichen, nnd sagte bescheiden: «Jch
dank Dir vielmals für die Ehr, Wil
heisn aber ich mag nicht Erbseng
viet n werden«
it verrückt?« fuhr er ans,
. »Im-Ist nich? Magst nich Erbseng
« Mithin werde-IF
»Nein, Wilhelm.«
.Weiweaen sichs Den Grund will
H visit-IS Verstehst, gleich sagst den
Ins-ist«
Sie schättelte ruhig den Kopf.
»O- ht Dich— nichts an; wenn ich
W Mc Mk genug-" . .
. OR Filiri- et ask-in »mein» Dir.
U U. wich damit zufrieden geb?
,.. ist bin fv ’n Esel, daß ich
W this-? stammen dem
«Gottfrted is es. von wegen dem ver
dammten Lümmel!«
Trosig hob sie den blonden Kopf
und sagte:
»Du sollst Dich was schämen, aus
Deinen leiblichen Bruder zu schim
. Und wenn D’ es denn durch
aus wissen willst: Ja« ich bin dem
Fried gut; schon von damaliger Zeit
her, wie wir zusammen zur Kinder
lehr’ gegangen sind, und später haben
wir uns das Wort gegeben, daß wir
mal Mann und Frau werden wollen.
Der Gott ried ist zwar man bloß
jüngster « ohn, deswegen'ist er mir
über doch zehnmal lieber wie Du· Dir
hat dee Krugwirth das Grundstück
verschrieben, ich hab dafür dem Fried
mein Herz verschrieben und das ge
hört ihm nun auch sür ewige Zeit.«
Sie schob den Holzeiegel des mass
bewachsenen Bretterzaunes zurück,
Idee ein kleines Fischeranwesen be
»grenzte, wars die Thitr hinter sich zu
Hund trat, ohne noch einmal rückwärts
zu schauen, insHaus.
Dem Burschen schmollen die Zorn-»
adern an der Stirn hoch aus. Miti
derbem Fluch spuckte er den Gras-i
balm von sich, an dem er getaut hatte.(
YBandQ verdammte,« murmelten
seine breiten Lippen, »tresf ich Euch
mal wo zusammen. wahrhaftiger
Gott, ich weiß nich, was ich thu’!« —
Jm Erbtutg war Tanzmusit. Ein
halbwiichsiger Junge spielte Zieh
hatmoniia, der labme Schneider des
Dorfes sidelie dazu aus einer schrit
len, schlecht gestimmten Geige.
Die Fenster der Krugstube standen
weit offen. Lautes Juchzen, Krei
schen und Lachen schallte in den stillen
Abend hinaus-.
C- toar eine wundervoue Som
mernacht.
Den schmalen Waldsteg entlang,
der zur Diine binauffijbrt, gingen ein
Bursche und ein Mädchen. Sie hiel
ten sich eng umschlungen Das Mäd
chen hatte den blonden Kon an des
Liebsten Schulter gedrückt und
schluchzte leise
.Mariechen, trautftes, wein’ bloß
nich mehr.« bat der Bursche und ver
fuchte der eigenen Stimme Festigteit
zu geben. »Ich bleib Dir treu, das
weißt doch, und in zwei. drei Jahren
bin ich wieder bei Dir.«
»Ach Gott« Fred,« seufzte sie bang,
»was ift das ’ne tange Zeit! Wenn
Du doch lieber nich wegginast!«
Er wandte ibr sein offenes, treu
herziges Gesicht zu.
»Was soll ich biet, Marie? Knecht
spielen beim Bruder? Ner. das kannst
nich verlangen. Vater will sich zur
Rub seyen. der Wilhelm übernimmt
das Grundftiick, da is besser. ich fuch
mir anderwärts mein Brod. Hab ich
erft was gespart, dann komm ich zu
rück, und dann machen wir Hochzeit
nich wade, Du?«
Mit Augen, in denen noch Tbränen
glänzten, fab sie plötzlich zu ihm auf.
»Ja, Fried, so soll’siein, wenn unser
lieber Herrgott will.«
Sie batten sich bei den Händen ge
faßt und gingen still neben einander
Hbin bis da, wo der-Wald sich lichtet
Hund man Zu der höchsten, schroff ab
t fallenden Dünenfpike binauffteigt.
Tief unter ibnen fchiiumte das
Meer. Ein schmalen feuchtgliinzender
Streif ioa sich wie ein leise sickerndes
Rinnsei, vom Strande auer durch bis
ru der fteinigen Schlucht. ——"—Trieb
fand — tver da binein aeriitb ver
fintt rettungslos. Eine Warnunas
tafei beaeichnet die aefabrvolle Stelle.
Der Mond warf feinen vollen
Schein über die beiden duntetn Ge
ftalten und zeichnete sie fcharf gegen
den nächtlichen Himmel ab
Das Mädchen blieb sieben und löste
sich aus dem Arm des Liebsten.
»Es ist fviit, Fried, ich muß seht
nach Hauf’.«
»Dann bring ich Dich noch bis an
Eure Thür, Mariechen.«
..Nein. lasi.« wehrte sie. Jst-XI
wer sieht, aibt es gleich ein Eil-ede.
Gute Nacht, Fried.«
, »Gute Nacht.«
, Schnell küßte der Bursche sie noch
»ein-mal und sah ihr lange nach, wie
ssie Yo behend durch das raschelnde
Strandqtas schritt. Dann trat er
Jnahe an den Rand der T-iine. Da
lhinaus, auf das weite Meer, zog er
T in wenigen Tagen. Die Heimath war
ihm verleidet, und dennoch siel ibm
das Fortgehen schwer. Ja, wäre es
incht weaen der Marie gewesen· und
daß sie sich jetzt trennen mußten!
Sein ehrliches, trenes Herz wurde
aanz weich. wenn er daran dachte, wie
manches liebe Mal er hier mit ihr
gestanden hatte, und wie Sange es
wohl noch dauern konnte, bis sie ein
» Paar wurden. —- ·
Die Heimchen zirpten leise im Gras
und störten ihn nicht in seinem Sin
nen.
" Aber jeht kam, vom Erblrua her,
! mit schweren, ungleichen Schritten ein
Mann iiber die Düne. Sein von reich
lichem Bier-s nnd Branntweinaenus
aliihendes Gesicht trug einen erbitter
ten Ausdruck. Sobald er den
den Rücken zuwendet-den Burschen ek
tannte, rief er höhnisch:
»Das hab ich mir doch gedacht. wie
ich von Weitem zwei Zusammen nahen i
fah in der Duiterbeit, daß Du esj
warit mit Deiner Mariell!« !
Gottfried drehte sich nach dem Bru- I
der um. »Was willst Du von mirJ
laß mich in Rubi« ’
»Von eOir will ich nichts. aber hinfi
vie Makie will ich. ALTER Du nich
L immer dazwischen spielen und sie aeaen
ins-b rieth-new wiin sie mii schon
nehmen« Den Erblrunwirtb nimmt
L
eine Jede, und das dnmmliche Oesiere
und,.Getdue soll nu bald ein Und
hubenk
Er hatte sich in den Zorn hinein
geredet, und daß der Andere deiten
nicht achtete, sondern sich achselzuuend
zum Gehen wandte, machte ihn noch
yißiaer. Er vertrat ihm den Weg.
«Wirst wohl antworten Dut« schrie
er. Da verließ auch den Jüngeren die
ruhige Beherrschung.
«Wilhelm, ich rath Dir, halt Frie
den. Die Marie ist meine Braut uud
bleiht meine Braut. Die Marie ist
mir treu. Und wo Du Dich etwa un
tersteht, ihr nachzugehn, derweil ich
weg bin von hier. dann —-—« er
hob drohend die Faust. Aber schon
hatte ihn der Aeltere gepackt.
«Juna’, unverschämtet, willst Du
mich lehren, was ich thun sollt« Er
.fchiittelte ihn derb und stieß ihn von
Jsich. Gottfried taumelte nach rück
wärts, schwankte, nriss wild in die
Lust—und —- stiirzte mit marter
ssiitterndem Schrei vor den Augen
des Bruders in die Tiefe. —————
Der starrte. von wahnsinnigem Ent
setzen gebannt, irren Blicks auf die
Stelle, wo von der überhäugenden
Dünenwand ein Stück sich gelöst und
den Unalticklichen mitaerissen hatte.
,,Fried, Fried, aieb Antwort!« Wil
delm wars sich aus die Erde; weit
voraebeuat, lauschte er, den leuchenden
Athemzurückljaltend aus einen Laut
..Fried! Fried!" —- Aber nur die
Heimchen zirpten und die See rauschte
mit ruhigem, alrichmößiaem Wellen
schlan an den Strand. —- z
Drei ganze Jahre sind nun schon;
vergangen. Der alte Peter Maguth
ist gestorben und Wilhelm hat den!
Erbtrua übernommen Die Leute im j
Dorf meinen, die Wirthschafi ginges
zurück. Der Wilhelm kümmert sich(
nicht viel um sein Geschäft. Er hat ein »
mürrifches, worttarges Wesen, dass
leinern Gaste die Einlehr lieb machH
Seit jener arausiqen Sommeenacht,-s
wo er, qleich einem Verfolgten, über(
die Düne jagte, an Gesicht und Händen s
blutend. im unsicheren Mondlicht sichs
einen Wea durch die fteiniae Schlucht J
bahntr. ohne von dem Verunaliiclienl
eine Spur zu endecten. seit jener Nacht J
ist er wie verwandelt, ein finstererf
unstäter Mensch. Triebsand —- dasl
Wort kreist unablässia in seinen Ge-- i
danlen mit einem andern, noch weit(
surchtbareren Wort —-- Vrudermiirder8 (
War er es wirklich? ———Wer will es be
baudten?
Niemand. — Des Kruawirths jün
gerer Sohn ist plötzlich verschwunden
Man bat überall geforfcht, gefragt.
Keiner weiß Austunft zu geben. Viel
leicht ift er fortgewandert, wie es ja
feine Absicht war, vielleicht verun
glückte er beim Baden, und die See
wirst ihn irgrndwo aus. Wer tann
es sagen? —
Marie weinte in der Stille unzäh
lige heiße Tbränen um den Liebsten.
Wenn sie zusällig dem Wilhelm be
geanet, der scheu an ihr vorübergeht,
liegt eine stumme Frage in ihrem
traurigen Blick. Er tann es nicht er
traaen und weicht ihr schon von wei
tem aus. Jtnn ift fett oft, als ob er
das Mädchen baßte. Wenn aber in
schwiiIer Sommernacht der Mond sein I
ziterndes Licht durch die Fenster des;
Erbtrugs wirft, dann findet der junge !
Wirth aus teinem Lager teine Rude.j
Er liiuft hinaus auf die bobe Dünej
oder macht sich ein Boot los und ru- ?
dert in die See hinein, weit und im- .
mer weiter, bis der Strand vor sei-«
nen Blicken verschwindet Erst wenn.
seine Arme vor Anstrengung matt»
die schlaflosen Auan endlich müdef
werden, gelinat es ihm, fiir kurze Zeit s
die naaende Pein zu vergessen. Wa- t
rum will denn heute das Mittel gar l
nicht heiseur Die umhe, vie ihns
binaustrieb, wir-d immer heftigem
seine Sinne werden immer wacher.;
Es liegt Gewitterschwiile in der LuftJ
das rnaa der Grund sein. Fern am ;
Horizont kommt es dunkel heraus. die i
Wolken ballen sich zusammen und ver- x
decken den Mond. Es wäre ratlisam’
umzukehren. aber dem jungen Krug
wirtb- graut vor der enaen Schlaf
kammer. Mit unsichtbarer Gen-kaltl
hielt ibn die See heute fest. daß er sein i
Boot aegen die immer stärker werden- I
den Wellen treibt, in tolltübner Lust;
an dem Kampf mit dem Element. Der1
Wind ist umgeschlagen, er webt start»
von Westen; jetzt wetterleuchtet es in?
der Ferne. Einige Setundsen langj
erhellt sich die Meeresfläche. Weitl
hinten auf den Schaurntiipfen tanztI
ein schwarzer Punkt. Was ist dastss
Ein Meerzeichent —Nein, das muß’
ein Boot sein. Mitbelm späht hinaus,
doch die Dunkelheit ist zu groß, sie.
läßt nichts erkennen. Da —- wiederj
ein areller Wetterschein —- ietit siehts
man et deutlich, ein Boot ist in Gesl
sahe. Der iunae Kruawirth rudertt
aus Leibeitriistenz «Welle urn Welle
durchschneidet er, ob auch te starke
Strömuna sein Fahrzeug den Art-?
aenblitt umzureißen droht. Dumpr
rollt der Donner, pfeifende Windstöße «
Wen til-er das Meer-. Dem student- .
. rinnt der Schwei von der Stirn i
reis- vkutt aus-e « k u rat-i nie-is
nach. Näher und immer näher kämpft
er sich an das andere Boot heran. Ob
er et noch rechtzeitig erreicht? Es liegt
ganz auf der Seite ein Mann, so
scheut es, tramvtt sich an die Ruder
bank an. »Mit-! hoio!« —- Keine
Antwort kommt von drüben.
Jetzt —- endlich ist es aelunqerr Mel
streift an Mel.
Mit Aufbietunq aller Kraft packt
Wilhelm den Obnmächtiam und ierrt
ihn zu sich biniiber. —- Das leere Boot
reisen die Wellen mit sich fort
w» G»-«-te ist noch immer be
wußtlos, Will-eint bei-at iirks tu ihm
bei-Miet- nnd taumth mit eisiem cel
lenden Aufschrei zurück: «Iried!« —
Ct wirft sich über den Bruder, zit
ternd, tchluchzendr Jst es wahr? —- Ja
ja, er ist erlöst von aller Qual — er
ist kein Mörder! —Mit der Nacht war
das Gewitter vorübergezogem In
wundervoller Klarheit bricht der
nächste Morgen an.
Im Dorf wissen sie es schon alle,
daß der Gottfried zurückgekommen ist.
Die Gaststube im Erbtrug wird heute
nicht leer von Neugierigen, die ihn
über sein damalige-Es Verschwinden
aussorschen und von seinen Erlebnis
ien hören-wollen Und immer wieder
erzählt er es, daß ihn plötzlich die
unwiderstehliche Lust angewandelt, in
die Welt hinauszuziehem daß er auf
einem gerade in See gehenden Schiff
eine gute Stelle gesunden, in aller
Herren Länder herumgefahren sei
und lohnenden Verdienst gehabt habe.
Hätte aber der Wilhelm ihn, den
Wiederkehrenden, gestern nicht mit
eigener Lebensgefahr errettet, dann
würde er die Heimath nie mehr ge
sehen haben. Er reicht dem Bruder
die Hand, der sie fest in die seine
schließt.
Was die Zwei jene Nacht mit ein-—
, ander geredet haben, als sie glücklich
Ilandeten und Gottfried wieder zum
TBewußtfein gekommen war, das er
H fuhr Niemand. Während von Neuem
das Gewitter tobte, saßen sie bis zum «
Morgen beieinander. Wilhelm konnte »
die Augen gar nicht von dem Bruder ’
lassen. «Fried,« murmelte er immer
wieder-, »verzeih mir. Du weißt nicht,
was ich ausgestanden hab', feit Du
weg warft.'« »Den! nicht mehr daran,
Wilhelm, denk, daß Du mir das
Leben gerettet haft·« .Und,« fragt
jener zagend, »fag mir, wie tam es,
das; Du damals nich versunken hist
im Triebfand?« »Unser Herrgott hat
wohl diee band iiher mir gehalten,«
lautet die Antwort. »Ich bin an
einer umgestiirzten Tanne hängen ge
blieben, aber vorn Schreck sind mir die
Gedanken vergangen. Erst gegen
Morgen bin ich zu mir gekommen und
hab mich mit Müh nnd Noth heraus
gearheitet. Dann war ich voll Trotz,
wollt nich mehr nach Haus zurück,
sondern hin zu Fuß bis Memel ge
wandert und hab mich da gleich auf
ein Schiff verdungen.« »Aber wa
rum haft Du denn nich ein einziges
Mal geschrieben?« fragte der Aeltere,
und Gottfried fühlt den Vorwurf
wohl.
Tief auffenfzend, als hätte auch er
eine heimliche Sorge auf dem Herzen
getragen, sagt er:
»Sollft es wissen, Wilhelm, wes
wegen ich all die Zeit nichts von mir
hören ließ. Das Wort, was Du da
mals gesagt haft, »die Marie wird
den reichen Erbwirth wohl nehmen,
wenn ich nich im Weg wär,« das
Wort is mir nich mehr außein Sinn
gegangen.«
’ »Fried,« gesteht da der Andere nnd
legt die ehand auf des Bruders
Schulter, »ich will Dir’s man sagen,
ich hab die Marie dazumal schlecht
gekannt, der ihre Lieb hat Stand ge
halten von Anfang bis auf den heu
tiaen Taa.« —
Nur wenige Wochen find seit
Gottfrieds Heimlehr verstrichen, da
aiebt es im Dorfe wieder Tanz.
Diegmal ist’s aber ein Hochzeitgsest,
Fried und Marie sind das glückliche
Brautpaar. Sie ist nun doch die Erb
trugtvirthin geworden, denn Gott
sried bat denselben, aus des älteren
Bruders Wunscis mit diesem gemein
sam übernommen. Der Torstrug hat
seitdem seinen alten guten Nus wieder
erhalten. Nur etwai- hat sich ge
ändert: Das Schild iiber der Haus
thüre ift verschwunden nnd hat einem
neuen Platz «emacht. daraus stebt mit
großen Buchstaben: »Gasthos zur
Eintracht."
—
’S Gegengist.
Humoreste von Hans Horina
»Meine Herren!'· sagte mit schon et
was unsicherer Stimme Herr Schna
eteri, »lassen wiss genug sein siir
heut’ Abend; ich geh z’ Haust« und
erhob sich zum Fortgehen. »Lho!«
ertönte es von allen Seiten des lusti
gen Stammtischeo »in1 blauen Och
sen«, »der Schnackerl will schon gehen
— o je, der sürrcht’ sich vor seiner At
ten, dasz er einen Krawall triegt!«
»An Krawall trieg’ ich z’ hart-ist«
erwiderte Herr Schnaclerl entrüstet,
»so, und ich wett’, daß mir meine
Alte, wenn ich z’ haus tomm’, selbst
noch a Maß Bier bringt!« —- »Aus
schneider, Prahthans!« riesen die lu
stigen Zerhgenossen durcheinander.
«Wir wetten mit Dir um a ganzes
Faßt Bier, daß Dir Deine Frau keine
Maß bringt; die sieht ja doch gleich,
! daß Du heut’ schon mehr als eine ge
trunken hast.« Irr Schnackerl hielt
aber sn aller Er unen die an ebotene
Wette und tortelte nach hau e. Bei
» der Wohnungsthiire empfing ihn
; schon seine Gattin mit dem getoghnten
Hsermom »Aha, alter Wirthshaus
I senden hast Dich von Deinen saube
Wren Freunderln wieder net trennen
I können .. . .!« Der helmgetehrte er
jvtdette ganz gegen seine Gewohnheit
; diesmal nicht ein Wort, sondern
! machte ein sehr ernstes Gesicht. Er
ile Hut nnd Stock ab nnd begann
? se ne Stiefel ausznziehen Seine Gat
Ftin staunte. «Wa« hast denn, red’t«
fuhr geth- endtieh an. »O nir, wie
u so neinneschteth ächzte ihml
Schnarierl nach einer Pause mit
schwacher Stimme. !
»Aha! vom vielen Brinlen!« bel
serte seine Frau. Er aber machte blos
eine abwehrendeBewegung und hauch- s
te vor sieh hin: «’s wird dald ans sein
mit mir; ich hab’ das Leben satt und
hab mich drum vergistet!« — »Um
Gottes willen, Franzh versiindige
Dich net und mach’ net solche Wihel«
»Na, na, na,« erwiderte er mit gebro
chenerStimme, »ich haW stärkste Gift
g’nommen, was giebt —- »aqua de
stillata!« —- ,,Jessas, Jessasl Franzi,
was ist Dir denn eing’fallen; ich
werd’ g’schwind den Doktor holen.«—
»Der kann nix mehr helsen — mit
mir is’ ausl« stöhnte Schnackerl und
lsinlt zu Baden »O Gott, o Optik
f jammert die Frau und ringt die
» Hände; «Franzl, sag, gibts denn gar
tein Mittel gegen das schreckliche
E »uqua destillata — mein Gott und
Herr! Franzi, lieber, guter Franzi,
« red’, oder ich stirb vor Angst!«
Schnaclerl blieb stumm und nach
einer Weile sing er an zu ächzen, wo
bei dem der Schaum aus dem Mund
trat. Seine Frau rannte verzweifelt
im Zimmer umher und rief alle Hei
ligen zu hilse, bis sich endlich Schna
clerl scheinbar mühsam ausrichtete und
rief: »Alte, ein Mittel gibts-« mich zu
retten-—abet ich weiß doch, Du bringst
mir’g nicht ....!« -—— ,,Red’, sprich
sag’s, um Himmels willen, ich hvl’
Dir Alles, meinlieber, guter, armer
Zwale —- »Na, alsdann, ich will
irs sagen: das einzige Gegenmittel
sür aaua destillata ist — frisches
Bier!«——- »A Bier!?« Mein armes
Manni, warum hast Du das nicht
gleich gesagi!« riesFrau Schnackerl er
Ieichtert ansathmendngleich mein lie
oer Jranzi werd· ich Dir eines bannt
und eilte, so wie sie ging und stand,
ins Wirthshaug zum »blauen Oel
sen«. Unterwegs machte die gesinn
stigte Frau noch einen Riß an der
Nachtglocke des Dottors Weinlein
denn sie dachte bei sich. ein Arzt könne
bei solch einem schweren Falle nichts
schaden.
Herr SchnackerL der seiner Gattin
leise nachgeeilt war, batte eben noch
Zeit, an ibr vorbeizubuschen und ins
Extra immer des «Blaisen Ochsen« zu
treten, als auch schon dieselbe an den
Schanitisch trat und in fieberbafter
Aufregung ein Maß Bier verlangte.
Kaum batte aber Frau Schnaclerl die
Wirthsstube wieder verlassen, da bra
chen die Zechbriider in ein schallendes
Gelächter aus und Herr Schnackerl
mußte beim rasch anaezapften Bier
faß, das er nun gewonnen, seine List,
die er angewandt, erzählen. —
Frau Schnackerl eilte indeß mit der
Maß Bier nach hause. Der aus dem
Schlafe geweckte Dottor Weinlein
hatte aber mittlern-eile schon sein Fen
ster goeöfsnet und spähte die Straße
hinab. »Was giebt’ö, liebe Frau?«
fragte er und betrachtete voll Staunen
das im Nachtgewande mit einem Bier
irug in der hand daftehende weibliche
Wesen.
»Ach, Herr Doktor, ich bitt’ Sie,
kommen S’ schnell mit, mein Mann
bat sich vergiftet!« wismerte es ber
aus. »Mit was bat er sich denn ver
giftet?« rief der Doktor überrascht
O Gott, mit dem schrecklichsten Gift·
was es aiebt, mit aqua destillata!«
Der Arzt, welcher ob dieses furcht
baren »Giftes« nur mit Mühe seine
Heiterleit verberaen lonnte, fragte
nun voll Neugierde, wer denn der Un
gläckliche sei. Doch als er den Namen
des ihm persönlich wobltetannten
Herrn Schnaeterl börte, lachte er:
»Aber, liebe Frau Schnaeterl, das ist
ja ganz unmöglich. Wie-»ich Ihren
Mann kenne, nimmt er aanz sicher
keinen Tropfen aaua destillata . . . ! —«—(
»Aber, Herr Doktor... S« —· »Nein,
nein, liebe Fran, io ’n:a5 krinat Fjerr
Schnaclerl nicht iiier die Lippen, dsnn
aqua deitillata heißt aui am daeiitlkir:
reine-z Wasser!« Sprache und lasan
lachend dar- Fenlter zu. --—
Frau Schnaclerl stand erit irie re
iteinert da: endlich dämmertk ei- in
ihr, was iiik einen Uli ihr Mann ne
trieben »Aber wart’«, riei sie spli
thend. »das Bier irieait Du iicker
nichts« und damit trant sie voll Zorn
die Maß ielblt ans-.
Herr Schnackerl hatte seine Wette
acwannen, aber feine Frass hat ils-n
feine Schlechtialeit nie verzieren nnd
wenn er des Nachts wieder anaeizi·.1
ielt nach Haufe lam, da iina ihr Ser
mon regelmäßig mit den Worten an:
»Aha, ’s Geaengift... !«
Enge-stets sitt-it.
Von der Kaiserin Eugenie erzählt
Madame Oktave Feuillett, die Wittwe
des berühmten Novelliiten, einen lehr
sympathischen Zug· Die jetzt ins acht
zigite Lebensjahr gehende Thronge
fährtin Napoleons des Dritten weilt
zur Zeit wieder in Paris und wohnt,
wie immer, völlig unbeachtet, im ho
tel Continental, wo ihre Zimmer nach
dem Tuileriengarten ehen, der Stätte
ihres Triumphes un ihres Sturzes.
Oft schon hat man sich gewundert, daß
die Kaiserin ben Ort nicht scheut, und
Madame Feuillet brachte dieser Tage
bei der Kaiserin die Sprache darauf,
selbstverständlich in der zartfiihlenb
Wei e. Einen-Augenblick zsgerte bie
Katlferin mit der Antwort, bann aber
tagte sie mit Thränen in be- Au
gen: »Ich« Madame, dort hat mein
Sohn gespielt, und ich will immer
wieder kommen» so lange ich nochi
lebe.«
W— ...
s
» schadaefaitqtem
’ Das internationale Schachturnier
zu Ostende giebt Veranlassung, einige
interessante Coisodentaus der Scha -
weit rn uiheilen.
Es rsste nicht allaemeins bekannt
sein, daß die Königin Luise eine eifri
e Schachspielerin war und als »aus
ige Frau von Paretz« diesem Spiel
mit Vorliebe huldigte. Als sie mit ib
rern Gemahl den Thron bestieg, wurde
ihr bei der Köniasbuldigung in Kö
nigsberg durch eine Deputation der
Konigsberger Bernsteinarbeiter ein
aus Bernstein tunstvoll gearbeitetes
Schachspiel überreicht, wofiir sich die
königliche Schachspielerin dadurch re
vanchirte, daß sie der Zunfi der Kit
nigsberger Bernsteinarbeiter 68 große
Huldiqunasmcdaillen überreichen ließ.
Auch Friedrich der Große spielte gele
entlich gerne Schaf-n Es wird noch
geute auf dem Felde bei Roßwald in
Mijbren der Platz gezeigt, wo er mit
dem Grafen Hoditz im Freien Schach
spielte, aber nicht auf einem aewöhnlis
cken Schachbrett, sondern auf einem in
64 schwarze und weiße Felder regel
recht aetbeilten Platz, auf dem den ein
zelnen Figuren entsprechend aetleidete
Bauernburschen die Schachfiquren ver
traien. Er ließ auch Kempelens
Schachantomaten, der in ganz Europa
das größte Aufsehen erreat und iiber
den sich bei seiner Vorführung in Ber
lin die ganze Einwohnerschaft den
Kopf zerbrochen hatte, nach Potsdam
kommen und spielte mit ihm eine Par
tie, die aber der Könia verlor.
Eine interessante Schachpartie wur
de im Winter des Jahres 1811 in
Berlin gespielt, wo am Geburtstag
der Fürstin von Hohenzollern ein
sigurirtes Schachspiel gespielt wurde,
wobei Mitglieder der hofgesellschaft,
entsprechend gekleidet, als Figuren
fungirten.
Berühmt ist die Schachpartie mit le
benden Figuren, durch die dem Kaiser
Karl V. die Trauernachricht von dem
Tode seiner Gemahlin Jsabella beige
bracht wurde. Man wußte nicht« wie
,man das anstellen sollte, da der Kai
ser von dem Schicksalsfchlag. der ihn
getroffen ,teine Ahnung hatte nnd man
üble Folgen fiir seine Gesundheit von
einer unmittelbaren Mittheilung be
fürchtete. Da tam der Fürst Ftan
Borgia auf den Gedanken, dies au»
dem Wege des Sinnspiels schonend ist«
thun, und man erlor zu diesem Z ,
das ScharhipieL Alle Fiauren la "
fechtend geaeneinander vor.
entstand als der Kampf denhöhepuntt
erreicht hatte. unter den Kämpfern ein
wüster Lärm man hörte llagende
Stimmen, die Königin wurde ohn
rniichtig abaesiihrt, alle Kämpfer steck
ten die Waffen ein und ioaen betrübt
davon. Der Kaiier iraate verblüfft,
toarum man das Spiel nicht fortsetze.
Fürst Boraia erwiderte: »Die Köniain
ist aeianaen«. »Fanae man noch ein
mal an," befahl der Kaiser, Jauche
man die Köniain frei· ich will die
Ranzion selbst entrichten« »Und
wenn Ihre Maieitiit all Ihr Reich
drauf ivendiren,'« oersetite Fiirit Vor
aia, »so wäre es veraebens, die Köni
ain wird nimmer los-. Si- ist todt,
und der Tod läßt nishts mehr ans den
Klauen« »Was heiivt dast« iraate
der Kaiser bestärkt »Die Löniain ifi
todt,« fuhr Fiirst Voraia fort, ..iodt
—- tndt — Its-della iit tadt.« ,k-n ist
denn meine Miniain todt.« rief der
Kaiser in tiefstemSchrrserx aus, Pisa
hella todt s- ach. bei mir wird es
ais-b lmld heißen ithashmattF
Bertirtstiat waren di- Sckaåiviele
m7t lebend-n Fiassren· die des Sulan
Meiner-weis m Ankona des 1R. Ost-k
l»Und-its spielt-. ssr lissi »st- WA
Heniianren d» im -"s«l tin-i lseiden
Parteien Dei-hinnen alio aenormnev
tvsntrden sofort töd.en·
Papier als Verhanvzeuq.
Tr. Olavp macht die »Münchener
Medizinifche Wackenichtift« in einem
Schreiben ane- China darauf auf
merlfam. daß Papier dort auch zum
Verbindxn von Wunden benutzt wird.
Dafür eianen sich namentlich die Sor
ten, rie sich durch Porpsitöt Und Fett
losialirit auszeichnen. fornit die Aus
fcteidunaen einer Wund: leicher anf
iauaen als Watte. Auch die euer-Pisi
fenen Vlerzte haben die trefflichen Ei
genfclsaften solchen chinesischen Va
piersz fchiitzen aelernt. Die feinsten Pa
piervoaen werden von den gegenüber
liegenden Ecken aus nach der Mitte
hin zufammengelegt fo daß ein locke
rer Verbantftreifen zu Stande kommt,
vek dann später zu jeder beliebigen
Form gefaltet werden lann. Ein eu
ropäifcher Arzt würde dann felbftveri
ftiindlich vor der Anwendung eine Ste
rilifatian des Papiers vornehmen. Da
das fo bevondelte Papier wegen feines
Kallgehalts leicht an der Wunde fest
tlebt, empfiehlt es sich, noch eine Lage
von Gaze darunter zu legen, damit die
Ausfcheidungen der Wundfliiche mit
dem Papier nicht in unmittelbare Be
rührung lomrnen. Einifolchee Ver
band ift weit billiger als-Watte und
in China natürlich auch viel leichter
beschafer als Verbandftaffe, wie c
in Europa, Amerila oder Japan se
nuht werden«
—
W
such etsc verdiente
»Wie geht ei denn dem Müller-, des
ins Amte nie vorwärts lonnnen lame
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»O, der wird demnächst Bureauchef,
ee ift vom Direltor überfahren war
den und —- lann jetzt im Ananecment
nicht sit-ergangen werdent«