W Wenn man die Hand zum Ab - - schied giebt. Wenn man die Vband zum Abschied gie i, Dann fiihlt man wohl mit leisem Be ben. . Wie treu und innig man geliebt Mit ganzer Seele, ganzem Leben. Dann zittert durch das Herz ein Weh, Wie man vordem es laum empfunden, Als ob das Glück zu Ende geh’ Mit diesen schmerzensreichen Stunden. Die Sonne der Vergangenheit » Blitzt noch einmal durch Scheidewa nen, Und alle Lieb’ und alles Leid Flammi auf in wunderbarem Sehnen. Die Ferne liegt in Sommerpracht, »Der Frühling geht auf allen Wegen; Jch aber zieh’ durch dunkle Nacht Dem neuen Morgenroth entgegen. Das Schlummerlied Siizze von Hedwig Nicolarni Er ging in gemächlichem Schritt dahin. beobachtete das Treiben auf der Straße und sah sich interefsirt diese. und jene Auslage an. Vor einem Schaufenster blieb er stehen, um die Bilder der Künstler zu betrachten, die dort ausgehängt waren. Er fand sein eigenes darunter. «Karlo Jachmann« stand auf dem Nation. Jedermann in derhauptftadt kannte feinen Namen und wohl die meisten auch feine Stimme. Er war Helden tenor an der Königlichen Oper. Ein Gefühl des Stolzes schwellte feine Bruft. Selbstgefällig glitt die mit herrlichen Juwelen geschmückte Hand über sein ausdrucisvolles Ge , ficht. Es war doch etwas Köftliches, ein berühmter Künstler zu fein. Mit ftolz erhobenem Haupt schritt er weiter, bis ihm eine leere Drofchte in den Weg fuhr, die er heranwintte. »Fahren Sie mich an’s Ende der Berg Straße," fagte er, sich nieder fedend und unter den angenehmsten Gedanken saß er bequem zurückge lehnt, bis nach einer halben Stunde das Gefährt plötzlich anhielt. Er war am Ziel, d. h. von hier aus wollte Karlo seine eigentliche Wande rung beginnen. Er lohnte den Kut fcher ab und machte sich leichtem-Schrit tes auf den Weg durch das grünende Feld, welches fich vor ihm ausbreitete. Er bog von dem Feldweg ab. hinüber nach dem mit lichten Sträuchern durchflochtenen Kiefernwiildchem aus deffen Schatten ein kleines, hell geftrichenes hör-schen freundlich her vorblicite. Befriedigt nickte Karlo vor sich hin, als er an dem grünen Geländer des Vorgartens ein Schild gewahrte, das den Namen »Krafft« trug. Es ward ihm seltsam zumuthe, als er durch die inarrende Pforte eintrat. Er iam, einen tranken Kollegen zu be suchen. welcher während seiner Krani heit hier bei feiner Mutter wohnte. Auf fein Klingeln erschien eine alte, verhärmte Frau in der Hausthür und blickte den Besuchek er taunt an. »Wohnt hier der O ernsänger Frih Krafft?« Sie nickte trübe. »Ich möchte ihn besuchen, mein Name ift Jachmann.« Nun stieg ein lichter Schein in ihre Auaen. »Das ift fchön von Jhneni O, tvie wird er sich freuen! Bitte, treten Sie ein,« fprach sie freundlich, indem sie eine Thiir im Flur öffnete und mit einer handdewegung auf das Bett wies, aus dessen Kissen dem Kommen-— den ein hleiches Gesicht erwartungs voll entgegenblickte. Mit einem Ausruf der Freude um klammerte der Kranke die ihm darge reichte Hand. »O, Karlo Sie kommen zu mir,« ftatnmelte er, ein Leuchten in den tief lie enden, fchwarzen Augen. »Wie fchon von Ihnen, gerade von Jhnent Keiner von den anderen denkt an mich, die um nichts mehr sind als ich —und gerade Sie kommen, Sie, der mit feiner Kunst llher uns Allen htt« Karlo fühlte sich gerührt und he fchiimt zualeich »Lieber Fritz, ich tvollte nur fragen, oh es Ihnen besser geht-« »Gewiß. ich danke Ihnen. Jch denke, ich habe das Schwerste nun glücklich übertounden.« »Nehmen Sie, bitte, Platz, mein Herr,'« bat die Mutter leife. Sie fchob ihm einen Rohrftuhl hin und entfernte sich dann getäuschle Der aroße Künftler fah sich um. Einfach und unmodern war alles in dem kleinen Raum, aber ein Reiz von iraulicher Gemüthtichieit laa iiber den alten Möbeln, ein alttnodifcher Duft. Welch ein Kontrast mit feinem eigenen heim in der eteaanten Villa. wo nichts von modernern Komfort fehlte! Seine Auaen kehrten zu dem Kran ken zuriich Der arme Kerl, wie faher aus! Gelb und verfallen das unfchiine. aber geniale Gesicht, in dem die fchwarzen Auaen unftet iuntelten. »Wer finat iest meine Partie?« war das erfte, was er mit aeaniiltem Aus druck fragte, nachdem er über den Ber ian feiner Krankheit berichtet hatte. Yeöraska Staats-Anzeiger nnd Yerold J P. Windolph, Herausgeber Grund Island. Nebr» Z) August IWJ Zweiter(Tl-eil.) Jahrgang 25 No 52 E »Der Steinbach natürlich, bis Sie s wiederkommen.« »Der!?« Halb wegwerfend, halb wie Eifersucht klang es. »Hofsentlich können Sie ihn bald wieder ablösen, Fritz.« »Gewiß! Die Glieder sind mir nur noch etwas schwach, aber meine Brust hat nicht aelitten,« sagte er eifrig. »Der Arzt meint, es war nur Jn fluenza, und der Blutekgnß ein Ader bruch in der Lunge, der ganz vernarbt ist« Ich hätte mich früher schonen sollen.« Er athmete tief und dehnte die schmale Brust; Karlo sah, wie viel Mühe ihn beides kostete »Ja, Sie waren zu pslichieisria, Fritz; es that uns allen riesia leid, als Sie damals auf der Probe zusam menbrachen.« Das Feuer in den Augen des Kran ten erlosch, und seine heißen Finger ließen die Hand des Gastes los. »Allen wohl nicht,« meinte er, ,,sonst hätte wohl noch einer außer Ihnen den Weg zu mir aesunden.« »Die Koueaen sind gerade jetzt starr beschäftigt,« entschuldigte Karto. »Ach, lassen Sie’s ruhen,« wehrte Frid voll Leidenschaft ab, »wir Künst ler wissen ja am besten, wie es mit dem Mitleid beim Theater bestellt ist. Die meisten benutzen ihren Nächsten als Leitersprosse, um sich darauf zur Höhe emporzuschivingm Die meisten, saae ich; aber es gibt Ausnahmen, und Sie sind eine solche, Karlo." »Jeder Mensch sucht aus seine Art vorwärts zu tominen,« entschuldigte der andere wieder. »Man muß mit dem Leben kämpfen und ringen, wenn man sich nicht als Sllave fügen will. Auch ich habe arstrebt und strebe wei ter. Jn dieser Welt heißt’s Ellbogen gebrauchen oder in den Staubgetreten werden. Es ist beim Theater nur ebenso tvie überall.« Bevor Fritz antworten konnte, stand seine Mutter neben dem Bett. »Verzeiben Sie, mein Herr,« sprach sie freundlich. »wenn ich Sie nicht bitte, Ihren Besuch länger auszudeh nen, mein Sohn soll sich sebr schonen. Vielleicht obsern Sie ihm sväter noch einmal eine halbe Stunde.« . »Meine gute Mutter,« lächelte der Kranke. »Sie bittet siir mich, und ich bitte Sie auch, Karlo, kommen Sie bald wieder. Sie haben mich glücklich aemacht durch Ihren Besuch. Und wollen Sie das Maß Jhrer Güte stil len, so singen Sie mir das nächste Mal eine Jhrer großen Arien, ich möchte daraus Genesung schöpfen. Wollen Sie?« Er hielt ihm die Hand entgegen, die Karlo mit festem Druck exfafste Ein heißes Mitleid mit dem Armen stieg in ihm auf »Wenn es Ihnen Freude macht, ge wiß, gern,« sagte er mit vibrirender Stimme. »Dant! Dant! llnd wann darf ich Sie wieder erwarten?« drängte Fritz Krafft mit krankhaftem Ungestüm. »Für übermorgen Abend bin ich frei; also dann am Nachmittag.« Die Mutter geleitete den Gast bis auf den Flur. Draußen drückte sie ihm dankbar die Hand und sah ihm ängstlich forschend ins Gesicht. »Glauben Sie noch an eine Gene- i sung meines Sohnes?« fragten die zuctenden Frauenlippen leise. s »Der himmel gebe es,« war Alles-, s was Karlo bewegt hervorbringen l tonnte. Die alte Frau seufzte bang, wäh- s rend der Künstler sie schweigend be-l trachtete. Eine tiefe Inbrunst und ! Jnnerlichteit tam in dem wehmüthigs schönen, alten Gesicht zum Ausdruck. Und der Klang ihrer Stimme war so weich und sanft, als ob sie mit dem herzen spräche. »Mein armer, armer Junge! Wie hoffnungsfreudig blickte er in die Zu tunft!« Karlo würde es nicht über sich ge bracht haben, sein Wort nicht zu hal ten: zwei Tage später stand er beklom men vor derselben Thür. Frau Kraffts traurige Stimme s hieß ihn erfreut willkommen, und s Frinens Augen leuchteten seltsam. s »Also wirklich Wort gehalten,« ries ; er erregt, »o, wie schön, wie gut!«s Eine iteberhaite Unruhe schien den; Kranken zu beherrschen, und seine i Stimme klang rauh und eigenthiimlich i heiser. »Snrich nicht so viel, Fünf mahnte die Mutter ängstlich. »Der Dottor hat es ihm heute streng verboten,« wandte sie sich an Karlo. »Dann ist es jedenfalls auch besser, ich verschiehe das Singen auf einen anderen Tag.« meinte dieser. »,,Nein, netn,« bat der Kranke unge- s stum, »nur keinen Aufschub. Jch habe mich zwei Tage darauf gefreut. Ihr Gesang-wird mich beruhtgen, Karl-if l »Nun gut. Aber Sie müssen m ch t unterbrechen, wenn ich aufhören soll.« i Er fragte, während er sich an das Klavier setzte, was er singen solle. s »Alleö ist gleich schön,« antwortete der Gesragte, und: »Sie sind ein guter Mensch, Karlo,« setzte er leiser hinzu. Frau Krasst nahm am Kopfende des Bettes Platz und bedeckte die Au gen mit den Händen. Fritz hielt den verzehrenden Blick aus den Freund geheftet, dessen Finger zuerst Präludirend über die Tasten glitten. Wie ein Dürstendre den er srischenden Trank, nahm er die ersten weichen Töne, die des Künstlers Lip pen entquollen, in sich ein. Er horchte nicht auf die Worte, nur auf die Stimme, aus diese wundersame, un vergleichliche Stimme, aus der es wie Mitleid und zugleich wie jubelndes Glücksgesühl über das eigene Können hervorklang Fritzens Lider senkten sich schwer-, als die Töne durch das Gemach hall ten. Erst leise antlingend, dann lau ter, schwellend und voll erklang Vorsi sals Sang, ,,Cl)arfreitagszauber«: »Wie dünkt mich doch die Aue heut’ so schön! Wohl tras ich Wunderblumen an, Die bis zum Haupte süchtig mich um rantten. Boch sah ich nie so mild Und zart Die Halmen, Blüthen und Blumen, Noch duftete All sso kindlich hold Und sprach so lieblich traut zu mir.« Und dann zum Schluß: »Ich sah sie wellen,- die mir lachten: Ob heut sie nach Erlösung schmachten? Auch deine Thräne wird zum Segen-H thaue: Du weinest — sieht Es lacht die Aue.« Und wie um die Schlußmorte wahr zu machen, trat die Abendsonne hin ter den Bäumen hervor, aron und leuchtend. [ Eine tiefe Stille herrschte draußen s in der Natur, lein Laut zwischen Him mel und Erde, reglos standen Baume , und Sträucher — und innen im Hause lein Athemzua der Menschen. , Endlich ein leises Rauschen der Wipfel ein Luftzug durchs Fenster. Der Sänger rührte sich zuerst. Ihn Helbft ergriff das, was er gesungen, je Idesmal wieder mit packender Gewalt. iBeifallsftiirme waren sonst fein Lohn sfiir dieses Beste, was er geben konnte, aber die athemlofe Stille hier war mehr, als jeder laute Jubelruf, das fühlte er. Geräuschlos erhob er sich undt wandte sich dem Bette zu, aus dein das Sonnenlicht in rothem Feuer spielte Mit geschlossenen Augen und ei nem eigenthümlich verklärten Lächeln um den bleichen Mund lag der Kranke da. Schlief er? Karlo trat näher, um ihn besser ansehen zu können, da aber fiel fein Blick aus ein junges Mädchen, das in lieblicher Reinheit und Kind lichleit neben dem Lager stand, weifst wie ein vom Himmel herabgeschwebter Engel. Karlo wunderte sich, daß sit keine Flügel hatte. s Das Mädchen mußte wohl während des Gesanges durch die angelehnte Seitenthür hereinaekommen sein. l Plötzlich bewegte sie sich, es war, als ; ob sie aus einem Traum erwachte. » ,,«’5ritz!« rief sie leise, ,,«Fritz!z Schläfst Du? Sieh mich doch an» Fritz, bitte!« ; Aber er bewegte sich nicht. ; bel,,,Fritz!« sagte sie noch einmal, ,,lie i herzlicher Fritz, so höre mich doch!« i Aber er hörte nichts mehr. ’ Das Sonnengold lachte über den sriedvollen Zügen des Entschlafenen.. Da schrie das Mädchen laut aus,"; warf sich vor dem Bette aus die Knie, ; umklammerte den Kopf des geliebten Todten und bedeckte ihn mit heißen Küssen Der Kopf der Mutter war auf diel Brust gesunken und über ihre bleichen » Wangen ergoß sich ein wilder Thrä nenstrom. Sie trat zu dem sassungs-· i losen, kindlichen Geschöpf, das ihresj Sohnes Braut gewesen, und zog es sacht an ihre Brust. Eine Weile hörte man nichts alsl das leise Schluchzen der beiden Frauen, die sich eng umschlungen hielten. « Der junge Künstler wagte kaum zu k athrnen; noch nie hatte er in der Wirklichkeit solchen echten, verzweif lungsvollen Schmerz gesehen, noch nie eine Frau, die so groß und erha : ben in ihm aussah, wie diese alte« Mutter. Der Anblick zerriß seine Seele. «Mater dolorosa« dachte er, und: »Arme Mutter« sprach er erschüttert mit feuchten Augen Voller Ehrfurcht näherte er sich der unglücklichen Frau, die nun das Mäd chen losließ und sich nach ihm um drehte. siEr ulnegte wie ein Sohn den Arm um aufschluchzend lehnte Frauj Krasft den grauen Kopf an seine Schulter. Sie fühlte es, ihr Fritz hatte recht gehabt: Karlo war ein gu ter Mensch. Sie griff nach seiner Hand und beugte ihre Stirn darüber, so daß er ihre Thränen tropfen fühlte. »Ich sah sie welken, die mir lach ten«, wiederholte sie dumpf und ge brochen, ,,alle, alle! Er war der letzte aller meiner Lieben.« - Drei Paar Handschuhe Von Anton Steiner. i Es war früh Morgens. Professor JKiimmerlich war schon gerüstet zum tGange in’s Ghmnasium, wo er die lernbegierigen Jünglinge in den Wis senschaften der Mathematik und Physik unterwies, als seine Gattin aus ihn zutrat und ihn bat, noch einen Augenblick zu verweilen. »Du weißt wohl nicht«, begann sie; »daß heute Dein Namenstag ist —« »Das auch noch,« wars er ein, »wo ich ohnehin auf so viele Dinge zu den ken babe.« »Also empfange meine herzlichsten Glückwiinsche,« fuhr die Frau unbe irrt fort und drückte einen Kuß auf die Stirn des Gatten, »und hier über reiche ich Dir ein kleines Geschenk. Gieb wohl acht darauf!« Die Mienen Kümmerlich’s hellten sich aus. Er löste die Schnur von dem kleinen Packet ab und zog aus dam rosa Seidenpapier ein Paar Hand schuhe hervor. Sie waren aus brau nem, glänzendem Leder verfertigt und ausgestattet mit Druckknöpfen neue sten Systems. « »Besten Dank. meine Liebe,« sagte er und driickte der fürsorglichen Gat tin die Hand. : ,,Hosfentlich ergeht es Dir mit den Handschuhen nicht eben so wie mit dem Regenschirm, den ich Dir zu Weihnachten gab«, bemerkte die Frau. »Ich bitte Dich, erinnere mich nicht daran", entgegnete heftig der Profes sor. »Seitdem diese verflixten Jun gen von dem Verluste des Regenschir mes Kenntniß haben, senden sie mir immer unter Kreuzband Ausschnitte aus den »Fliegenden Blättern« zu.t Jch habe mir auch geschworen, auf den Gebrauch eines Regenschirmes( zeitlebens zu verzichten und ——« »Aber ereifere Dich doch nicht liebes Männchen«, beruhigte ihn die Gattin,i ,,sondern höre auf das, was ich Diri sage: Gewöhne Dir an, die Hand schuhe jedes Mal, wenn Du sie aus-l ziehst, sofort in die Tasche Deines Ueberrockes zu stecken; dann wirst Du sie nirgends liegen lassen.« ( »Das will ich strenge befolgen, ber- « lass’ Dich darauf, lieber Schatz«, be theuerte Herr Kümmerlich »Aber nuns leb’ wohl, es ist höchste Zeit für mich.« l Eilends wanderte er nun der Stätte seiner Wirksamkeit zu. Einige Tage darauf muszte derPros iessor die unliebsame Entdeckung mass ctien, daß ihm einer der Handschuhe abhanden gekommen war. Er besaßi nur mehr den linken: den rechteni konnte er nirgends finden. Er suchte»i ihn in allen Taschen, er fahndete nach « ihm in allen Fächern feines Schreib tisches, in allen Lehrzimmern Alles-! umsonst: der Handschuh blieb ver schollen. Herr Kiiinmerlich stellte seine Nach- I forschungen geheim an; er fand nicht; den Muth, die Gattin von seinem Ver- . luste in Kenntniß zu setzen. Aber die Furcht vor der Entdeckung ließ ihm leine Ruhe und reifte in ihm den Ent schluß, den »status quo ante« herzu stellen und sich ehestens ein kongruen tes Paar von dieser Handschuhsorte zu verschaffen. An demselben Tage noch suchte er nach Schluß des Unterrichtes einens Handsuchhladen aus. Die Beriäufe-i rin hatte bald das Richtige gefundeni und legte ihm ein Paar Handschuhej por, die von den anderen nicht zu uns ! terscheiden waren. Der Professor er stand ste und war froh, dieser Sorge nun ledig zu sein. Freilich konnte eri sich der dumpfen Empfindung nichtk erwehren, daß seinem Beginnen ei-l gentlich die Absicht zu Grunde liege, seine Gattin zu täuschen, und es war ihm ungefähr zu Muthe wie einem Schüler-, der die Hausarbeit von ei nem Kollegen abgeschrieben hat und sie dann betrügerischer Weise als sein« eigenes Geistesvrodukt vorweist. l »Wo warst Du so langes« fragte i i die Frau, als Kümmerlich heimkehrte »An der Elektrisirmaschine gab es etwas in Ordnung zu bringen«, ant wortete er, während er bedächtig die lHandschuhe abstreifte und in die Ta-» schen des Ueberrocles versenkte, den; einen links, den anderen rechts, wie er es gewohnt war Da iiberlief ihn ein ’ leiser Schrecken: er hatte den einschich tigen Handschuh ebenfalls noch in der Tasche. Gedankenloser Weise, wie er sich gestehen mußte, hatte er ihn im Geschäfte nach dem Einlause wieder zu sich genommen. Die Existenz desselben erschien ihm nicht nur zwecklos, sondern geradezu gefahrdrohend, wenn er bedachte, daß seine Gattin häufig eine Revision sämmtliche-r Taschen vornahm, und die Handschuhe in ihrer Dreizahl ihn schrecklich kompromittiren müßten. Folglich mußte einer der Handschuhe eliminirt, vielmehr vernichtet werden. So schloß der Professor seine kurzen furwagun gen. « Sehnsüchtig wartete er auf den Au genblick, wo er allein war: FrauKüm merlich besorgte einen kleinen Ein kauf, die Magd holte Kohlen aus dem Keller. Nun galt es rasch zu han deln. Der Professor nahm mit einem hastigen Griff aus jener Tasche des Ueberrocks, wo sich zwei Handschuhe befanden, einen derselben heraus, eilte in die Küche, öffnete die Thiir des Herrdes und warf den Handschuh in die Flammen. Als er am nächsten Morgen, die Stufen des Hauses hinunterschrei tend, die Handschuhe hervorholte und anziehen wollte, konnte er sich längere Zeit damit nicht zurecht finden. Kopf- « schüttelnd legte er sich von einer Hand in die andere. Endlich war ihm die Sache klar: er hielt zwei linke Hand schuhe zwischen den Fingern; den rechten, der aber in diesem Falle der »unrechte« war, hatte er dem Feuer tode überantwortet. Auf’s Neue ver düsterte sich das Gemiith des armen Mannes-, der hierin eine Strafe fiir sein heimtiickisches Beginnen erblickte. Sobald er aus der Schule abkom men konnte, eilte er spornstreichs wie der in den Handschuhladen, kaufte abermals ein Paar dieser unheilvollen Handschuhe und schob sie mit aller Vorsicht und Wachsamleit in die Tasche. Die beiden einschichtigen Linien, die ihm trotz ihrer elenden Richtigkeit die Mißachtung der ganzen Mitwelt zuzieben konnten, hielt er lrampshast in der Hand und wanderte so dem Flusse zu. Er betrat die Brücke, beugte sich über das Geländer und ließ die Handschuhe in das Was ser fallen. Sein Herz klopfte in un gestümen Schlägen, als er sah, wie die rauschenden Fluthen sie hinweg trugen. Gramerfijllt ging der Professor sei ner Wohnung zu. Seine Gattin hatte ihm doch mit den Handschuhen eine Freude bereiten wollen und ihm war daraus so viel Aerger und Verdruß erwachsen. Auch das Gleichgewicht seiner Finanzen war gestört, sein Taschengeld fiir diesen Monat arg zusammengeschmolzen. Zudem schien es ihm, ——— bei seinen strengen Begrif fen von Recht und Wahrheit —- als ob ein arges Schuldbetvußtsein auf feiner Seele laste und Lug und Trug seinen Lebenspfad verdunkelten. Als er zu Hause anlangte, wurde er von der Gattin nicht sehr freundlich empfangen. »Zeig’ mir doch Deine Handschuhe!« rief sie ihm zu, kaum daß er die Schwelle überschritten hatte. »Hier sind sie«, antwortete er mit unsicherer Stimme. Er ahnte, daß sich ietzt sein Schicksal entscheiden wurde. ,,Sind wirtlich noch sehr gut ton servirt«, höhnte die Frau; »viel besser als dieser da, den ich vor einer Stun de im Papierkorb fand«, setzte sie hin zu und wies gleichfalls einen Hand schuh vor. Es war derjenige, den der Professor vor einigen Tagen vermißt und vergeblich gesucht hatte. Herrn Kümmerlich überkam ein heimliches Grauen, ein duinpfer Groll. Nach all diesen Bitternissen tauchte also wieder dieser Handschuh auf, des senwegen er einen verbrannt, zwei ertränkt hatte. Er hätte ihn am lieb sten in kleine Stücke zerrissen. »Hättest Du doch«, erklärte die Frau erregt, ,,mir aufrichtig gestan den, daß Dir ein Handschuh abgeht, so hätte ich« darnach gesucht und ihn wohl auch gefunden. So hättest Du mir den Aerger und Dir das Geld er spart. Jetzt kosten die Handschuhe das Doppelte!« Herr Kümmerlich Professor der Mathematik, wäre es eigentlich schon seinem Stande schuldig gewesen die Berechnung seiner Gattin richtig zu stellen, denn die Handschuhe kosteten ja in Wahrheit das Dreifache. Er unterließ es aber, schwor hingegen bei sich einen fürchterlichen Eid, aus den Gebrauch von Handschuhem ebenso wie auf den eines Regenschirmes, für sein ganzes Leben zu verzichten. Kontpteltge Bote-pos. · Die kostspieligste Bote-post, welche es überhaupt giebt, verkehrt nach einem Artikel in der amtli en »Pos! Osfice Rews«, in, Alaska zwischen den beiden Orten Valdez und Eagle, wel che 413 Meilen von einander entfernt liegen und durch unwirthliche, unbe wohnte und wegelose Gegenden ge trennt sind. Die BeförderungD der Postsachen zwi chen den beiden rten ist vertragsmäkig einem Manne Na mens Oskar Fish in Valdez übertra gen worden, der für die Ausführung einer monatlich zweimaligenBotenpoft zwischen Baldez nnd Eagle jährlich 85,000 Dollars von der Regierung der 5Ber. Staaten bezieht. Das Ge wicht der Post, die nur aus Briefen und Zeitungen besteht, ist auf höch stens 300 Pfund beschränkt. Die hohe Vergütung ist begreiflich, wenn die Schwierigkeiten und Gefahren, die mit der Beförderung der Post in jenen wilden und verschneiten Gegenden Alathag verknüpft sind, berücksichtigt werden. Der Weg zwischen den bei sden Orten kann während des ganzes sJahreS nur auf Schlitten, die mit sHunden bespannt sind, zurückgelegt iwerden Die Ausführung der Boten ’postbefd·rderungen macht es erforder lich, daß Fish sich fast ununterbro chen in den einsamen und lebensge föhrlichen Schneefeldern von Alaska aufhalten muß. Schon manchmal, wenn Fish nicht rechtzeitig am Be stimmungsorte angekommen war, ha ben die Bewohner von Badez und Eagle angenommen, daß er unterwegs ein Opfer seines gesahrvollen Berufes geworden sei, bis jetzt hat er jedoch immer noch sein Ziel erreicht. Auf seinen Fahrten ist er schon Abhänge hinuntergesallen, durch Schneelawi nen verschüttet, halb verhungert, halb erfroren und schwer verletzt, alle diese schlimmen Erfahrungen haben ihn in deß noch nicht Veranlaßt, seinen ge fährlichen Beruf aufzugeben. Er be absichtigt vielmehr, seine abenteuerli chen, aber lohnenden Reisen so lange fortzusetzen, wie seine Kräfte ausrei eben. Der Kaiser und ver Berliner-. Als der Kaiser bei seinem Aufent halt in Lissabon an Land ging, hatte an der Landungsbrücke die gesammte deutsche Kolonie Aufstellung genom men. Der Kaiser, der sich in der be sten Laune befand, unterhielt sich mit fast jedem Mitgliede der Kolonie. Da tönten plötzlich aus dem Hinter grunde, während der Monarch gerade mit einem sdeutschen Professor der Geographischen Gesellschaft sprach, in unverfälschtem Spreewasser -- Deutsch die Worte: »Zu mir kommt er wohl nich!« Diese Aeußerung entstammte dem Munde eines jungen Berliners, der zur Zeit in einem Lissaboner Ge schäft als Buchhalter thätig ist. Der Kaiser ging, so erzählt etwas sehr post festum die ».N Z.«, sofort zu dem jungen Mann, der weiß wurde wie seine zur Feier des Tages angelegte Krawatte, und sagte zu ihm: ,,Zu Ih nen kommt er och, Landsmann.« Nachdem er sich mit dem Berliner noch eine geraume Zeit unterhalten hatte, verließ er die Herren und meinte im Weiterschreiten zn einem in seiner Be gleitung befindlichen höheren Mathe nffizier: »Es ist doch komisch, daß man unsere Berliner überall auf der Welt herauskennt, ihr Mund ist eben nicht todt zu kriegen.« Hundertjähriacr Kameltem darum. Ein Prächtiger Kamelienbaum steht seit über hundert Jahren im kgl. Schloßgarten zu Pillnitz. Er war mit drei anderen Pflanzen derselben Art lCamelia japonira) Ende des 18. Jahrhunderts nach Europa gebracht und im Jahre 1801 in’s Freie ausge Pflanzt worden, hat seine drei Gefähr tinnen alle überlebt und in jedem Frühjahr eine Fülle kleiner, rother Blüthen gebracht. Nach einer Angabe des Obergartendireltors Bouche aus dem Jahre 1899 hatte die große, bu schige Pflanze damals etwa 30 Fuß Höhe und 24 Fuß Gesammtdurchmes ser; der Durchmesser des Hauptstaw mes betrung in einer Entfernung von 1 Fuß über der Erde etwa 14 Zoll. Jm Winter wurde der Baum mit ei nem heizbaren Schutzhause überhaut. Bei einem Brand, der am 5. Januar dieses Jahres das Ueberwinterungs haus heimsuchte, war dieses alte Prachtstück des Gartens theils durch die Hitze und den Rauch, theils durch die von auszen eingedrungene Kälte derartig beschädigt, daß man seinEin gehen befürchten mußte. Unter geeig neter Behandlung ist aber diese Ge fahr, wie Bouche berichtet, überwun den Ioorden; selbst aus den starken Stämmen entwickeln sich kurze Laub triebe, und es darf nunmehr mit Be stimmtheit erwartet werden, daß der altehrwürdige Baum (dessen Aeste stark zurückgeschnitten werden muß ten) im Laufe der Jahre seine einstige Schönheit wieder erlangen wird. Der Bantostelheld. »Frau: ,,Eine innere Stimme sagt mir . . « Mann: »Was, um Gottes Willen, eine innere Stimme hast Du auch noch?«