« W Sommer-tacht Lang ging der heiße Tag zur Ruhf Mit feinem Fehlen, seinen Qualen, Jch schließ’ im Feld die Augen zu, Und alle Himmelslichter strahlen. Und lausche nur, versunken ganz, Jn all den Frieden, all die Fülle, Jch spür’ im Lied den holden Glanz Und hör’ die weltenweite Stille. Und fühl’ mich groß und selig klein — Hinschwinden Haß und müde Plage, Und süßes Freuen zieht mir ein Wie sehnen nach dem neuen Tage Gertrud Triepel. - Das arme Waisenkind. Humorifiische Skizze von L i e s b et Di l l. Tante Lene hatte ihrer per-fetten Köchin gekündigt. Es war nicht länger mit ihr aus zuhalten gewesen. Jn den letzten zehn Jahren hate sie nun alle Sorten Köchinnen durchgekoftet: die saubere, tüchtige Putz-Anna, die jedoch kein Interesse für das Kochen hatte, die Suppen versalzte oder gar nicht salzte, die Braten zu Holz brußeln ließ und beleidigt schrie, wenn sie ge fcholten wurde, —- die KöchinMarie, die die feinsten Puddings machen konnte und die saftigsten Braten — die aber außer der Küchenarbeit »nur leichte Hausarbeit mit übernahm, also mit anderen Worten, sonst gar nichts, die sich weigerte Treppen zu mischen, und jede Zumuthung, die auf Putzen hinauslief, mit Ent rüstung ablehnte, —- dann die be scheidene, hübsche Elise, die so freundlich war, daß man ihr gar nicht böse sein konnte, so gefällig, daß man sie des Nachts wecken konnte, um sie irgend wohin zu schicken —- sie that alles mit Vergnügen· Aber Elise war Vergeßlich. Sie vergaß Schlüssel —und verlegte das Wirthschaftsbuch sie verlor das Marttgeld und ließ die Milch über Töpfe und Herd kochen; sie vergaß Gemüse einzutaufen und überließ Fleischresie dem Eisschrank, so daß sich dieses alles denn nach Tagen durch einen bestialischen Ge ruch meldete. Man hatte keine ruhige Stunde mit Clise. —- Als sie aber eines Tages vergessen hatte, das Wasser im Badezimmer abzudreben und die Wonne, das Zimmer und der Gang voll Wasser floß — war Elisens Zeit erfüllt, und sie verließ an demselben Tage das Haus von Tante Lene. Dann tam ein Wesen, das weder kochen noch puhen konnte, noch freundlich war —- das bloß mürrisch und sehr kaul war. —- dann wieder. eine, die wie ein Rabe stahl, und dann begann Tante Lene wieder mit einer Putz-Anna —- es folgte die Koch Marie, die freundliche Elise dann, und schließlich war sie bei der »Ver felten« angelangt. Aber diese »Ver fette«' war die schrecklichste von allen, die Tante Lene bis jetzt erlebt hatte. »Sie hatte es nämlich nicht nöthig, in Stellung zu gehen«, denn ihr Vater war Stationsvorsteber ge wesen siegt war er längst todt), sie hatte einen Bruder, der ,,bei der . Marine eine hohe Stellung« einnahm —und eine Cousine, die in »Pension« gewesen war, .und sie selbst trug Simpelfransen· Das war nicht zu ertragen. Also, Tante Lene hatte die Köchin- . nen satt. Als ich zu ihr kam, saß sie auf ihrem Fenstertritt und schrieb eine Annonce aus siir das »Chrisiliche Wochenblati«: »Ein Fräulein, dag» kochen kann und alle Haugarbeit mit übernimmt« u. s. w. -—— i »Aber Tante, willst Du Dir denn i ein Fräulein nehmen?« »Ich will mir ein Fräulein neh men, liebes Kind. Frau Rosener im s ersten Stock hat eins und ist sehr zu- ; skieden —- und Major Müllers haben z eins s— und ich habe die Persekieni i i ( satt, ich kann keine mehr sehen, ge- ; schweige denn in meinem Hause ha ben!« ; Das war Tante Lenes sesier Ent- j schluß. s Die Annonce wurde abgesandt, er- ’ schien zweimal im Wochenblatt, und nach drei Tagen bedeckten Tante Lenes Nähtiich, den Schreibiisch und das Fensterbreii Briese und Ant worken —- Anerbieten von Fräuleins-. Tante Lene las von früh bis spät Anpreisungen und Osserten —- sin dirte die Handschristen der Schreibe rinnen mii Sorgfalt, und jedesmal, wenn der Briesträger erschien, brachte er einen neuen Stoß Briefe. Tante Lene triumphirte. Da waren Fräuleins dutiendweise, die kochen und nähen und putzen konnten, und sie beanspruchien die hälste so viel Gehalt, wie die Per fekie bekommen hatte, und waren Ge heimrathstöchter, Hauptmannstöchter, Baurathsiöchterk — Sie verlangten nur ein kleines Taschengeld —-—— ja, eine wollte sonar umsonst kommen. Tanie las, sichtete und brüste und wußte gar nicht mehr, was sie wollte. Sie war berauscht von ihrem Er folg. Wohin man kam in ihrer Wohnung. lag ein Couoert oder ein Bild oder eine Ofserte —- irn Satori Yebraska StaatI-3nzkjger Und THMM J."P. Wird-DIprHeide-gehet GrautsISlanw IJIlehiTthåstfAugust 1965 UMir-eint The-it-) « JahkgåiigEZ Tjckix 51. auf der Visitenschale —- auf dem Küchentisch —vor dem Entreespiegel —- auf allen Sitzgelegenheiten lagen sie. »Was nun? Nehme ich die Drei ßigjähkige — oder die Lehrerstochter, oder die, die perfekt schneidern kann? Denn so was ist doch auch angenehm —- dann ist noch hier eine Waise aus guter Famijje —« Tante Lene suchte. »Die gesaut mir eigentlich —- ne schreibt eine bescheidene, angenehme, saubere Hand und übernimmt jede Arbeit; jedenfalls ist sie nicht ver wöhnt, ist im Waisenhaus erzogen, zwanzig Jahre alt — ein bischen jung — aber das schadet nichts, die wäre mir am angenehmsten —- meinst Du nicht auch?« Jch las den Brief und fand auch daß diese Waise einen guten Eindruck mache. »Solck,e Kinder, die im Waisen haus ausgewachsen find, entbehren gewöhnlich der Mutter und haben so etwas Gedrücktes. Jch will Geduld mit ihr has-sen, mit so einem armen, verlassenen Mädchen -—« Tante war ganz gerührt. »Ich schreibe ihr zu. Sie will am liebsten sofort antreten das arme Ding hat keine Stellung.« Tante las den Brief noch einmal Als ich ging sagte sie: »Ich nehme ; das-Waisenmiidchen.« st- 18 sit Am dritten Tage nach dieser Un iterredung ging ich zu Tante Lene und fand auf der Treppe statt der ,,Persetten« ein schlantes, blondes Ding, das, hochaufgeschiirzt, die Treppe auswischte· Tante Lene war noch in der Morgenhaube und dem Migräneschlasrocl ——— und wischte Staub im Salon. »Ach — Du!« sagte sie erschreckt, als sie mich sah. »Du bist noch nicht in Toilette, Tante — und wischst eigenhändig Staub? Das habe ich ja noch nie —« »Ach ja — weißt Du —- Frieda hatte so viel zu thun heute Morgen, ;geitern ist sie angekommen, und war so miide von der Reise. Sie hat heute etwas lange geschlafen, und daher .tnurde- untere Haut-ordnung gestört. ; Jch habe sie ruhig schlafen lassen — weil es der erste Tag ist. —- Jch muß ihr alles erst ordentlich zeigen —— und hatte keine Zeit, mich anzuziehen —’ entschuldige, daß ich weiterwische — aber es iit schon zwölf und Frieda ist in die S,tadt Einkäufe zu machen-— »Frieda?« sagte ich. »Die Waise? Die wischt soeben Eure Treppen!« Tante sah sich um und lies; das Staubtuch sinken » »Wischt sie immer noch?« ! »Bis jetzt wenigsten5!« Tante Lene schoß aus der Thüre. Jch hörte sie nach Frieda rufen. Aber Frieda war nicht da. Sie rief sanst zuerst —- dann laut und energisch, aber lzuletzt kurz. Wenn Frieda diese letzten Rufe überhaupt gehört hätte —- bin ich fest überzeugt —- sie wäre gekommen. Aber Frieda kam nicht. Und Tante Lene auch nicht. Ich wartete. Jrgendwo flogen Thüren ins Schloß und dann kamen Tritte die Treppen herauf: Tante Lene und Frieda, die mit dem Putzeimer in der Küche ver schwand. Tante Lene fing wieder an zu wischen. »Wo war sie denn?'· fragte ich er staunt. »Sie stand an der Hausthüre«" :Wa——s?« JAch weißt Du, sie hatte eine Be kannte getroffen, und weil es der erste Tag ist, wollte ich nichts sagen.« Tante Lene wischte —- und horchte dabei nach draußen. Alles blieb still, blos in der Küche sprudelte gemäch lich Wasser. «Sag’ einmal, liebes Kind — könntest mir nicht einen großen Ge fallen thun — und mir die Einkiiuse machen — denn Frieda, ich glaube nicht das; sie heute noch dazu kommt —- sie putzt nämlich so merkwürdig langsam —- dafz ich — —- ich weiß i nicht —- aber ich glaube, sie ist sehr s lang g.sam'« i Und die Tante schaute mich be ! kümmert an. ; I »Aber schließlich — es ist der erste Tag —- man muß Geduld haben.« ’ Also ging ich und besorgte die Ein käufe für Frieda. If If sc Als ich Abends noch einmal bei Tante versprach, war die Entreethür weit auf. Jch ging in die Küche — wo Licht brannte, es war Niemand da, auf dem Michentisch stand ein Flickkorb mit Wäsche — in dem hell erleucbteten Speisezimmer stand der verlassene Theettsch — mit kaltem Thee und kalten Rühreiern u. s. w» , und in den anderen Zimmer-n, die ich ungehindert betreten konnte, war auch Niemand, im Schlafzimmer brannte eine Kerze, die ich aus-blies. Weil ich nun wußte, wie ängstlich Tante alle Thüren und Schranke jverschließt so blieb ich, bis Jemand 1 kam. s Aber es kam Niemand. ! Jch wartete eine Stunde —- dann kam Tante Lene —- erfrischt von »einem kleinen Gang durch die An lagen, zurück. ,,Wo ist denn Dein Waisenkind?« »Sie flickt in der Küche,« sagte Tante und legte ihren Hut ab. » »Das wäre sehr nett von ihr — leider ist sie aber gar nicht zu -Hause.« »Ja, und wie bist Du denn herein gekommen?« ,,Durch sämmtliche offenstehende Thüren!« sagte ich. Tante war mit einem Satz auf und flog nach der Küche »Nein — es ist — wahrhaf—tig!« Sie stand verblüfft vor dem Füc torb, der genau so dastand, wie sie ihn vor Frieda hingestellt hatte. Dann sagte Tante athemlos und entschlossend »Ich werde sie suchen. Komm mit!« Wir stiegen die Treppe hinauf zu Friedas Zimmer und öffneten die Thür. Die Bronzelampe von Tante Lenes Schreibtisch brannte hell aus Friedas Kommode. Auf dem Bett aber lag-Frieda und las in einem Band Fliegender Blätter. Zitternd an allen Gliedern stand Tante Lene vor ihr. Frieda erhob sich langsam; dabei rollte ein Apfel nach dem andern aus dem Kissen zur Erde und vor Tante Lenes eFüße. JmZimrner stand der unausgepackte Koffer von Frieda, drei Hutfchachtelm in dem offenen Kleiderschrank hing ein weißer Sonnenschirm. Auf dem Boden lagen Jbgebrannte Streichholzchen, ein Stoß Gartenlauben, Tante Lenes Tintenfaß —- Tante Lenes Federhal ter und ein paar Bogen ihres reseda Briespaviers mit Monogramm. Als sich Tante endlich soweit gefaßt hatte, sagte sie: »Ich dachte, Sie hät ten gestern Abend Ihre Sachen aus gepackt, deswegen hatte ich Sie doch um 8Ubr schon ins Bett aeichickt. « ; »Ich hatte keine Zeit, gnädige Frau, ich mußte noch einen nothwendigen Brief schreiben, « sagte Frieda sreund J lich. »Mit meinem Briespapier und mei l nem Tintenfaß??« sagte Tante Lene bebend. Frieda lächelte verlegen i »Und die Aepsel haben Sie sich» wohl auch nur zum Ansehen mit her ausgeholt?« . ,Die Aepfel? Die waren hier imi Bett Jch weiß nicht wo die herkom men. Das vorige Mädchen — gnä dige Frau ——« »Und Jhr Flicilorb, den« ich Jhnen hinstellte, als ich wegging? »Dazu hatte ich keine Zeit gnädige Frau —« Tante Lene fah mich an —sie zit terte an allen Gliedern Wir ließen Frieda und stiegen hinab· »Was sagst Du dazn?« Wir standen uns in der Küche ge genüber—sprachlos. Und wie Tante den Flicitorb an sich nehmen wollte, erblickte sie einen Buchdeckel: dieUeber brettllieder —- befleckt und zerrissen — serner einen angesangenen Bries auf Resedapapier mit Tantes Mono gramm, einen angebissenen Apfel — ein paar zertrümelte Malronen und Tante Lenes Zahnbiirste. Da schrie eTante Lene entrüstet aus. Jn diesem Bries aber stand —wir waren so srei, ihn zu lesen: ,,Lieber ofranz! Leider kann ich heute abend nich zu Dir kommen, ich hab eine Stellung bei einer Alten ange nommen und kann nich jeden Abend sort, aber morge mach ich es schon, sie sagt, dasz ich keinen Ausgang haben dürst, aber das sollte mir passen, komm Du nur an die Ecke, wenn die Alte schlasen ist —« Hier brach der Brief ab. Tante Lene aber ianl mit diesem Brief aus den KüchenstuhL stiitzte den Kopf aus den Tisch und starrte über die Ueber brettllieder und den angebissenen » Apsel in den Flictkorh « Its-III An diesem Abend war Tante Lene mit dem Waisenmiidchen sertig sür alle Zeiten. Frieda verschwand, wie sie gekommen war Dann sing sie wieder bei der tüchtigen Putz- Anna an. Am Strande. Dame: »Nun, Herr Baron«, was meinen Sie, wollen wir nicht ein we nig zusammen aus den Ocean hinaus saheen2« here (begeistert): »Mit Ihnen, meine Gnädigste, am liebsten aus den »Ocean des Leben5.« Das Gebet. Erzählung von F. W"i l d e. i Der D-Zug von Berlin nach Saß nitz war überfällt. Aber der Schaffner Beachte immer wieder neue Passagiere mem. In dem Abtheil 2 Klasse hatten es sich die Reisenden aus den weichen Pol stern bereits bequem gemacht und; schienen nicht gerade erbaut über deni Zuwachs. Sie schauten verdrießlich die Dame an, die mit umfangreichem Handgepäck zögernd näher trat. Doch da tauchte hinter ihrem wei ten, grauen Mantel ein kleines Mäd chen auf. Jm ausgeschnittenen, weißen Kleidchen und einer schottischen Sei denschärpe. Aus dem ovalen, milch weißen Kindergesichtchen leuchteten zwei große, dunkle, neugierige Augen. Eine Fülle brauner Locken stand um das runde Köpfchen Die Mienen der Passagiere hellien sich plötzlich auf. Voll Bewunderung betrachteten sie das herzige, kleine Ding. das kurzen Prozeß machte und ; schnell auf den Sitz kletterte Dann stützte sie beide Paischhände aus das Polster und schaute sich tief athmend im Kreise uni. Der Herr neben ihr schien ein Kin- ; dersreund zu sein. Er nickie ihr freundlich entgegen, und bald kams eine verlegene, aber verschmitzte Er widerung. Die Kleine sah, daß der Herr eine Chatelaine an der Uhrlette trug, mit Bleistisi, Notiztäfelchen und viel Bimmel-Bammel. Da rückte sie ganz nahe heran. Die Mama war währenddessen mit ihrem Handgepiick beschäftigt. Jetzt blickt sie sich nach ihrem Kinde um. Gleich kam ein Mahnruf: ,,Loitchen, Du belästigsi ja den Herrn« Und sie wollte die Kleine anders herum setzen. Aber der Kindersreund versicherte: »Es macht mir Vergnügen, gnädige Frau. Bitte lassen Sie doch« Die Mama lächelte freundlich Sie hatte dieselben großen dunklen Ma donnenaugen wie ihr Töchterchen Doch ihr Haar war ganz glatt und schlicht gescheitelt. Aus den Kinderaugen blitzte jetzt r.Schelni Lottchen tippte mit dem en, dicken Fingerchen ein bißchen auf die silbernen Anhängsel »Kann ich sie mal haben?« Der Herr knipste die Berlocle ab und hielt sie dem Kinde hin. Sie machte mit der Hand eine Be- s weaung, daß die tlimpernden Dingeri lustig durcheinander purzelten Dazu jubelte sie hell aus Jn Mamas Schoß lag ein Roth dornstrausz, jedenfalls ein lieber Ab schiedsgruß Danach griff daH Kind · Zupfte an den Blüthen, legte dieWange daran und saß so eine ganze Weile, ohne sich zu rühren. Die Mutter benutzte diese ruhigen s Minuten, um eine Postkarte nach l Hause zu schreiben. Unterdessen hatte der Kinderfreund ein grauleinenes Buch aus seiner Ta sche genommen, und den Bleistift lose in der Hand haltend, Zeichnete er mit schnellen, vrägnanten Strichen das i t i reitende Kinderköpfchen in sein Sitz 3enbuch. Mit scharfen Blicken schaute er von seinem Heft zu dem Kinde und wieder .iuriick. Erst, als die Mama ihre Schreiberei beendete, steckte auch er feine Zeichnung fort. Aber sein kleines Modell stand be reits in Lebnstreue auf dem Papier. ; sit Its Il Wieder blühte der Rothdorn. Wie der lachten klare Sommertage vom blauen Himmel herab und überfluthe ten mit ihrem Sonnenschein das friedliche Landstädtchen Aber Lottchen spielte nicht mehr in dem schattigen Postgarten an der brei ten Jasminlaube Lottchen wohnte hier nicht mehr. Sie hatte eine andere Heimath gefun den; dort oben beim lieben Gott· Der . brauchte geradee solch ein Engelchen wiel sie unter seinen Kindern im Him- - me. ; · Nur zwei Tage war sie trank gewe sen. s Leise kam das Fieber; aber schon am nächsten Abend brannten die ver rätherischen rothen Flecken auf den weißen Wangen. Himmels-tosen nennt man sie. Und ehe die Nacht kam, wurde Lottchen ein Enge-leben Man hatte ihr kleines Grab mit allerhand Blumen geschmückt. Jn den Bäumen schmetterten die Vögel. Sie sangen fiir Lottchen ein Morgen lied. Heute war ihr Geburtstag, der erste fern von ihren trauernden El ern. Beide standen an dem grünen Hü gel. Stumm, in Gedanken verloren. Die Frau Pastorin lehnte sich seufzend an ihren Mann »Wenn ich nur ein Bild von Lott chen hätte«, sagte sie, »nur ein einzi ges. Warum haben wir sie auch nicht I photographiren lassen!« s »Ihr Bild lebt ja in unserem Her » zen.« ! »Aber, es ist doch noch ganz etwas anderes, vor einem lebensähnlichen Bilde zu stehen, sich darin zu vertiefen in stiller Zwiiesprachse. Manchmal überkommt mich quälende Sehnsucht danach. Oft schon habe ich an Lott chens Grab gebetet, es möge irgend was geschehen, das mir ein Bild von unserem Kinde verfchaffte.« Der Pastor schüttelte den Kopf. »Ich sehe ja selber keineMöglichkeit, daß sich dieser Wunsch erfüllen könn te,« redete er weiter, »und doch sagt mir im Jnnern eine Stimme: »Halte fest an deiner Bitte, sie wird erhört.« Jhr Mann antwortete nicht. Er zog feine Frau sanft von dem Grabe fort und ging mit ihr den Fußfteig zum Pastorhause zurück. — —- — Da wurde der Frau Pastorin ein Brief eingehändigt. Sie betrachtete ihn erstaunt; denn die Handschrift schien ihr ganz fremd. Drinnen im Zimmer öffnete sie das Couvert. Eine Karte fiel ihr entgegen, Fu feinem Silberdruck plastisch ausge ührt Und, als die Frau Pastorin diese Karte ansah, blieb ihr fast der Athem stehen. Sie tastete nach einem Stuhl. »Was ist Dir?« fragte ihr Mann, schnell hinzutretend Ein Blick auf das Kartenbildchen genügte. - »Das ist ja unsere Lotte!« rief er aus. Jhr weiches, ausdrucksvollesGesicht mit den dunklen Locken, den großen, träumerischen Augen neigte sich ein wenia zur Seite. An die linke Wange schmiegte sich der Rothdornzweig, den die erhobenen Händchen umfaßten· Und unter diesem Bild stand der Titel: ,,G-ebet«. Ein Begleitschreiben war dabei. Der Paftor las es laut vor: w· ,,Berehrte gnädige Frau! Wieder suyrte mich meine Rejsetour durch Rügen. Da erinnerte ich mich des Zusammentreffens mitJhnen und Ihrem Lieblinge. Jch erkundigte mich bald nach meiner Ankunft in Saßnitz nach Ihrem Ergeben. —- Was ich er fuhr, wirkte erschütternd auf mich. Jn Ihrem Unglück tröstet Sie viel leicht dieses kleine Bildchen, als .le te. lebensähnliche Erinnerung an « hr süßes Kind, das ich ohne Jhr Wissen und Willen im Eisenbahnloupe skiz zirt habe. —- Ziirnen Sie mir, bitte, nicht deshalb. Mir fehlte gerade solche Gebetstudie in der Reihe meiner Gen relöpfe. Wir Künstler sind nun ein mal verwegene Gesellen. Die Frau Pastorin drückte ihreLip pen auf das lebenstreue Bildchen und sagte leise: »Das ist mir von Gott ge sandt, als Erhörung meines Gebe tes.« Ihr Marn nieste Es hat sich son derbar gefügt, dasz der Künstler ge rade unser Kind zur Gebetstudie ver wandte.« . . . . Noch heute erzählt die Frau Pasto- ( rin mit feucht schimmernden Augen von dieser Begebenheit. Und dann zeigt sie das herrliche Gemälde, das über ihres Mannes Schreibbtisch hängt, und sagt mit andächtigem Ge sicht: »Das ist unsere Lotte. Der fKünstler hat uns eine Kopie gelie ert.«. . . . So entstand das bekannte Bild, das man in allen Kunsthandlungen sieht. Es reiht sich an die Geme löpfe: »Glaube, Liebe, Hoffnung, die von demselben Künstler sind. Aber, am ausdruclsvollsten ist —- als Ma donnengesichtchen mit dem Rothdorn zweig — das »Gebet«. W Kurz und bündig. Nach einer vom-»Herborner Tage blatt« veröffentlichten Probe war bei herzoalichmassauischen Behörden um die Mitte der vierziger Jahre ein Ver tehrston üblich, dessen wohlthuendel Sachlichkeit und Kürze mit dem be- i riichtigten »Amtsdeutsch« nichts zu ; thun hatte. Es handelte sich in dem I mitgetheilten Falle um die Beschwerde T eines Herborner Fabrikanten, der einen Dorfschulzen für einen Rad bruch wegen schlechter Beschaffenheit des Weges haftbar machen wollte. Auf Grund der Beschwerde erließ der In der Sache fungirende Amtmann Kni fel folgende Verfügung: »Der Schult lieifr Wehl zu Schönbacb hat inner halb acht Tagen auf seine Kosten dem Pv.Kemvf ein neues Wagenrad ma chen zu lassen, außerdem sind Sie in eine Strafe von R fl. verfallen. Her zoai. Amt: Knisel.« Der Schultheiß »replizirte: »Ich lasse das Rad dem . Kempf nicht machen und bezahle auch J keine Strafe. Wehl, Schultheiß.« — «Der Amtmann: »Oho! Wieso! Kni sel!« —- Der Schultheiß: »Bei der Eintheilung der Wege wollte ich den Weg nach Amdorf als Vizinaltveg gebaut haben, der damalige Amtmann bat aber kurztveq entschieden, das bleibt ein Verbindungswea. Wehl. Schultheiß.« —- Der Amtmanu: W »Ganz recht. Sie brauchen demKempf das Rad nicht machen zu lassen. Die Strafe ift erlassen. Knisel.« ueber Lebenszähigteit bei Thieren macht H. Sch. in der Stuttgarter Zeitschrift »Aus der Natur« erstaun liche Angaben. Nattern vertragen einen elfstündigen Aufenthalt in luft leerem Raume. Schaben sind nicht einmal mit Schwefeldämpfen todtzu räuchern. Koloradokäfer leben wieder auf, wenn sie eine halbe Stunde in Kohlenoxyd oder Chlorgas gelegen haben. Von besonderem Jnteresse ist die geradezu abenteuerliche Wider ftandskraft vieler Insekten gegen das Ertrinken. Bei Blattläusen z.B. ge nügt ein elfstündiges Unterwasfertau chen nicht, um die Thiere zu ertränken; nach Sajo muß zum Tödten der Reb läuse mit Wasser die Bodenfläche 45 Tage lang mit einer 20 Centimeter » hohen Wasserschichit bedeckt bleiben. ! Schon die Alten kannten die Lebens zähigkeit der Fliege, aus der, Luxian die — Unsterblichkeit der Fliegenseele gefolgert hat. Den Vogel schießen aber auch hier wieder die Ameisen ab. Aus den interessanten Versuchen ei ner Dame, FrL A. R. Fielde, ergab sich die geradezu phänomenale That sache, daß ein viertägiges Unterwasser halten von 18 Ameisen der Art »Ste namma fuloum« nur eine einzige ver nichtet hatte, ein achttägiges ließ von 12 Exemplaren sieben wieder auf leben. Ein merkwürdiges Verhalten, wenn man damit vergleicht, daß der Mensch nur nach einem höchstens 15 Minuten dauernden Aufenthalt unter Wasser nicht mehr ins Leben zurück gerufen werden kann. Aber auch als Hungerkijnstler bewährt sich die Ameise. Ohne Wasser stirbt sie rasch dahin, ohne feste Nahrung kann sie tagelang leben. Eine 29tägige Hunger lur hat ein »Eamponotus herculaneus pictus« aus«-gehalten eine Stenamma fuloum hat 46 Tage gehungert, wäh rend eine Königin von »Formica la siodes« sogar 60 Tage ohne Nahrung aushielt. i--——-.-.—.——— Der Kaiser als Mittag-sauft bei den Matrolem Während der Kaiser sich zur Infor mirung auf ein-er Versuchsfahrt an Bord des Turbinentreuzers ,,L1ibeck« befand, wurde, wie üblich, um 12 Uhr den Matrosen das Mittagessen »ser virt«, d. h. es wird in großen Ge fäßen bereit gehalten und Jan Maat holt sich seinen Theil in seiner· Back. Der Kaiser sah, nach den ,«K’tel. N. N.«, eine Zeitlang wohlgefallig dem Treiben zu; dann trat er unter die Schmausenden und fragte: »Na, Kin der, was giebt’s denn heute?« ,,Erbsen, Majestät,« war die Antwort. — »Ja, dann laßt doch mal schmecken, ob sie gut gerathen sind«, gab der Kai ser zurück. nnd im Nu hatte er fein volles Maß vor sich und auch nicht zu wenig Pökelfleisch darin. Sichtlich mit Appetit verzehrte er seine Bortion bis auf den kleinsten Rest. »Das ist ja ein großartiges Essen, was? meinte er dann, »Jawohl, Majestät!« ant wortete jetzt aus innerster Ueberzeu gung der Chor der Blaujacken. Zwei fellos ist die Mahlzeit dem Kaiser ebenso gut bekommen, wie zu anderen Zeiten ein Diner mit so und so viel Gängen. -- Die Falten ver Hanvfläche haben nicht nur die Wahrsager und Wahrsagerinnen, sondern auch die Physiologen vielfach beschäftigt und von seiten der letzteren hinsichtlich ih res Nutzens verschiedene Erklärungen erfahren. Dr. Louis Robinfon stellt in der »Nordamerikanischen Revue« die Vermuthung auf, daß ihr Werth für den Menschen darin besteht, der Hand ein besseres Greifvermögen mit zutheilen. Das System der zusammen gepreßten Falten auf der Hand giebt eine größere Sicherheit beim Halten von Gegenständen, gerade wie es die künstlich hergestellten Unebenheiten im Heft eines Messers thun. Die Lage der Schweißdrüsen auf den Hautfal ten der Hand wird in ähnlicher Weise erklärt. Sie geben durch Befeuchtung der Hand einen ähnlichen Vortheil, wie ihn der Arbeiter darin sucht, daß er in die Hand spuckt, um ein Hand werkszeug fest ergreifen zu können. Dr. Robinson betrachtet die letztere Gewohnheit merkwürdigerweise als eine Erbschaft aus der Zeit, als der Urntenfch noch auf Bäumen lebte und zum Klettern die Festiqteit des Griffs ausnutzen mußte. Auf den nämlichen Ursprung führt dieser Forscher die Feuchtigleit der Hand zurück, die in Augenblicken von Angst eintritt. Macht der Gewohnheit An einer kleinen Hofbühne wirkt als Tenorift, als welchen ihn die Di rektion ,,entdeckt« hatte, der ehemalige Hausknecht Franz, des Gaftwirths »Zum grünen Baum«. Als er eines Tages betrunken auftrat und der Re sgisseur ihn darob Vorwürfe machte, da ergriff er diesen mit kunstgerechter Hand und warf ihn zur Thüre hin aus. Zu gern. Freund: »Dein Baby hat Dich wohl sehr gern?« Papa: »Gem? Jch sage Dir, es schläft den ganzen Tag, wenn ich nicht zu Haufe bin und wacht dann die ganze Nacht, nur um meine Gesell schaft zu genießen.«