W - Atsugis Opfer-. · Japanische Erzählung von S. Ba rinkay. Das Kirschbluthenfest in. Nagasaki. Alles ist blenblani gescheuert, rein und appetitlich sind alle Räume. Der Fußboden in den Wohnungen ist mit Blumen bestreut, der Dust von Fest kuchen dringt aus den Häusem Auf den Straßen vor den Thüren stehen Tannen- und Bambusbäume,- zwi schen diesen sind Seile gezogen, an welchen gekreuzte Fahnen, bunte Pa pierschnitzeL Hummern und Citronen hängen. Die beiden letzten haben sym bolische Bedeutung, die Ciirone als Sinnbild der Ewigkeit, der Hummer als Zeichen eines langen Lebens. Die Ricksbaws rollten munter von Haus zu Haus, denn alle Bekannten und Freunden beeilen sich, einander zu begrüßen. Männer und Frauen ge hen in seidenen Kleidern und kostba ren Pruniaijrieln, die Kinder lassen phantastische Drachen fliegen. Ueber voll sind die Theehiiuser; die Gaishas »singen, spielen und tanzen. Gaukler und Alrobaten produziren sich auf den Straßen zum Ergötzen des Volkes. h—· Jedermann giebt- sich der Freude m. Jm Hause des Kaufmanns Linin sind die Bambuswände sest geschlossen. Hier dufiet’s nicht nach Festluchen, und mit trübseligen Mienen hocken die Familienmitglieder auf den Matten. Bitier haben allen die Festspeisen und der Reiswein geschmeckt. Liusti hat sei-ne Geschäftsrechnun gen nicht bezahlen können. Mißge schick und einige verfehlte Pläne ha ben ihm das Geld spärlich in die Hände geleitet und das Spärliche ohne Gewinn seinem Besitz entzogen. Er sollte größere Summen bezahlen, die er nicht besaß. Sein Name und sein Ruf standen aus dem Spiel. Der Gedan1e, ihn zu verlieren, verursachte trübe Vorstellungen, gegen welche die in den Kinderjahren anerzogene ton ventionelle Verstellung nicht standhielt. Wenigstens zu Hause nicht. Wenn Liusli und die Seinen ausgingen, würden sie lächeln und fröhliche Mie nen zeigen, als wäre ihnen nicht das Geringste widerfahren. Aber da ih nen das schwer fiel, meiden sie eben die Augen aller. « Wohl hatten die Gläubiger Liusti, in Anbetracht feiner jahrelangen, ehr lichen Geschäftsführung ausnahms weise vierundzwanzig Stunden Frist gegeben. Jst bis dahin die Sache in Ordnung gebracht, soll es beim Alten bleiben und ihm die Gelegenheit, wie der in die Höhe zu tommen, nicht ent zogen werden. Aber Liusti ist zu stolz, um sich bittend an einen wohl habenden Betannten zu wenden. Auch sagt er sich, daß jeder nur einiger maßen Verständige sich ablehnend ver halten wiirde, denn seine Passivschul den sind für die turze Zeit zu groß und die Geschäftsverhältnisse schlecht. Liusti brütet mürrisch vor sich hin und zieht die Enden seines Bärtchens durch die Finger· Seine Gattin und seine Tochter Atsugi liegen vor dem Altar der Ahnen auf den Knieen und flehen um Hilfe in ihrer Noth. Zuckender Schein fällt aus der von der Decke hängenden Lampe aus die Be tenden; die Kirschblüthen in den Va sen vor dem Altarschrant duften schwül. Es herrscht eine unheimliche Stimmung, die selbst aus den tleinen Jungen einwirtt, der in einer Zim merecte mit Soldaten spielt. Er tom mandirt im Wisperton und seine schwarzen Schlitzäuglein blicken im mer wieder scheu von dem niederge schlagenen Vater zu den betenden, wei nenden Frauen. Die seltsame Situ ation bedr«·ckt das Kinderherz mehr und mehr, as Spielzeug verliert je den Reiz dafür und alsbald kollern Thränen über die gelben Wangen und leises Schluchzen wird vernehmbar. Da kommt die Mutter zu sich. Keine Japanerin tann ihr Kind weinen se hen. Sie trocknet die Thränen, nimmt den Knaben in ihre Arme, liebtost und beruhigt ihn durch Erzählen seines Lieblingsmärchens. — Es ist die Ge schichte rührender Kindesliebe 4undL handelt von Samm, einem rleinen Jungen, der seine Mutter so lieb hatte, daß er, als sie einmal zur Win terkszeit seufzend ihre Sehnsucht nach einem Fisch aussprach hinausgina an den zugefrorenen Bach, sich entlleidete und mit der Wärme seines Körpers das Eis aufthaute. Dann fing er im freigelegten Wasser mit dem Netz einen Fisch und brachte ihn der geliebten Mutter. —- Atsuai ist inzwischen an die Seite des Vaters gelchlichen Jhre seinen, schmalen Finger schlüpten zärtlich in seine Hand. »Wenn At sugi dem theuren Väterchen helfen . könnte, würde sie wie Shawa keine F Schmerzen scheuen, um es zu voll k- bringen!« " Liusli lächelte wehmiithig und strei chelt sie sanft. — Jn diesem Augen blick pocht es. Pocht derb und ein , dinglich. Erschrocken blicken sich die ; Ehegatten an. Da wird schon die Thür geöffnet und ein dicker Mann s mit häßlichen Fettpolstern unter dem » Kinn tritt herein. , Die Anwesenden erheben sich und begrüßen mit Zischen und Verbeugun en den Gast, den reichen händler awralmni. Hinter den mächtigen ,-rillengl·a·sern glihern kleine, lüsterne Zuglein über ie Familie hin, die sich, mit Ausnahme des Knaben, be müht, heitere Mienen auszusehem Sawraiumi aber lächelt sein. »Weiß, wie Liuslis Verhältnisse liegen! Unverschuldet iam der Brave in die Lage! Weiß auch, daß ihm noch zu helfen wäre und —- und —- und-« Sein Zögern veranlaßt die Mutter nebst den Kindern das Zimmer zu ver lassen. Lange schwaßten die Männer zu sammen. Als Sawraiumi endlich geht, begleitet ihn der Kaufmann mit leuchtendem Gesicht. »Wann wün schest Du, daß die Verlobung vollzo gen wird, Bester aller Besten?« ,,Laß erst alles in Ordnung brin gen, damit nicht der Hauch eines Ma iels auf Dir ruhel« antwortet Sam rakumi und geht. Die Hände reibend, tritt Liusii zu seiner Frau und gesteht ihr, daß der Händler ihm helfen wolle, dafür aber Atsugi zur Gattin begehrt und von ihm selbstredend auch zugesprochen er halten habe. Jm Herzen der Mutter hüpft erst die Freude auf, aber rasch schlägt sie der Schrecken nieder. ,,Sawratumi ist doch ein alter Mann und ein häßlicher dazu. — Atsugi hegt sogar Abscheu vor ihm!« ,,Satvralumi hat das rechte Alter« um ein Mädchen zu schätzen! Die Häßlichkeit gewöhnt man und der Ab scheu Atsugi’s ist nur vorhanden, weil sie das gütige Herz des edlen Mannes nicht kenntl« »Du hast sie doch Fudschi, dem Schuhmacher. versprochen!«t« ,,Versprochen gerade nicht! Ich war nicht abgeneigt, sie ihm zu geben! Nun kommt sie aber als Sawratumi's Frau in eine erheblich vortheilhaftere Lage. Und abgesehen davon, er hilft mir doch nur, wenn Atsugi sein wird. Damit ist alles fest beschlossen!" Wenn auch um eine schwere Sorge erleichtert, so doch voll Beklommenheit im Herzen, unterrichtet die Mutter das Mädchen Das Heirathen nach Neigung ist nicht üblich in Japan. Auch sie, die Mutter, ist ohne Sympathie vermählt worden und doch ganz glücklich gewor den. Atsugi aber fühlte Grauen vor dem dicken Alten, und sie tann es ihr nicht verdenten. Atsugi hat Wohlge fallen an Fudschi. dem jungen, schlan len Burschen, und das nimmt sie nicht Wunder. Das Mädchen verstirbt sich und wankt, als ihr die Mutter den Be schluß des Vaters mittheilt. Jn die braunen, schönen Augen tritt das Entsetzen, leises Aechzen geht« über die blossen Lippen, aber tein Wort, keine Klage. Sie weiß, daß sie gehorchen muß, daß der Vater vas unum fchränttes Recht über sein Kind hat; sie weiß, daß ihr der wildeste Jammer nichts nützen würde. Und hat sie nicht selbst vor kaum einer Stunde ge sagt: wenn Atsugi dem theueren Bä terchen helfen könnte, würde sie wie Sahwa teine Schmerzen scheuen, um es zu vollbringen! Sie zieht sich in einen Winkel zurück und weint. Die Mutter benachrichtigt auch Fudschi von dem Vorgesallenen. Sie spricht nur von der Werbung Sama tumi’s und dem Willen des Vaters, der in dieser Verbindung größeres Glück für seine Tochter sieht. Der junge, schon durch seine lebhaf ten Augen und schmalen, beweglichen Lippen sich als leidenschaftliche Natur zeigende Mann würgt an den auf auellenden Worten heißer Wuth. Doch es steht ihm nicht das Recht zu, vor der Gattin eines anderen Mannes sei nen brennenden Zorn darzuthun. Seine Blicke nur funkeln böse, sein Mund murmelt unverständliche Fläche· Als er mit Atsugi zusammentrifft, heimlich, wie schon manches-mal vorher, erschrickt sie vor dem Sprudel sei ner Empfindungen »Morgen will ich ihn, den fetten Aal! Erstechen mit dem Schnitzmesser, das scharf und tödtlich ist, wie ein Blitz!« »Oh,« stammelte sie, »das wäre des Vaters Unglück!« »Doch Du wärest frei und könntest mein werden, wie es erst geschehen solltet Sawratumi erlebt den Tag nicht, an dem Du sein werden sollst, glaub mir!« Atfugt weicht voll Furcht zuma. Die süße Sympathie für den jungen Mann verschleiert sich und Angst vor feiner Leidenschaft packt sie. Sie ist noch so jung und ihre Seele unberührt von heftigen Gefühlen. Sie flieht er schrocken vor dem, dem sich bis jetzt ihr ftilles Sehnen zuneigte, ohne zu ahnen, daß sich dadurch feine Erre gung nochmächtig steigert. , Verwirrung nimmt von da ab ihre Sinne befangen. Jhre Verlobung wird gefeiert, und in ihr Bangen vor Fudschi mischt sich Elel vor dem Bräutigam, ver sich ihr mit widerlicher Zärtlichkeit naht. Sie weiß nicht mehr, was sie wünschen soll, und steigt ie das Verlangen in ihr Auf, frei von Sawrakumi und des jungen Mannes Weib zu werden, so scheucht des Letz teren Wildheit und Mordgier sie zu-» rück. »Ehe Du fein Eigenthum wirst, ist er kalt wie die Schalle im Winter-! Das sei beschworen bei meinen ,,Ot tokeö'«!« fGeister der Vorfahren). Jm Hause Liusli’s herrscht nun Fröhlichkeit und Frieden. Alles ist geordnet und geht den alten Gang. Der Vater kümmert sich nicht um At fugi, er ist wieder mit Leib und Seele beim Geschäft. Die Mutter merttt wohl des Mädchens verstörtes WesenJ begreift es aber nicht ganz und kann auch nichts helfen. Der Sommer riickt heran und mit lihm der Hochzeitstag Atsugi’s. Die sStiirme brausen über dem Fjord von Nagasaki, trüben das blaue Meer, blasen es zu gewaltigen Wellen auf, beugen die Fichten und hohen Cypres sen wie dünne Gerten. Ein Taifun tanzt nächtens verhee-! rend über den Fjord hin, bohrt Schiffe s in den Grund, entwurzelt die Baumes auf den Höhen, wirft Tempel um und ; windet sich tief in die Bucht hinein, wo die Stadt geschützt zwischen den Bergen liegt. Viel stellt er hier nicht. an, aber doch genug; die leichten Holz- « häuschen fliegen vor seinem Athem. Zu Liusii tommt Sawraiumi mit’ verdrießlichem Gesicht: »Mein Haus« am Strande hat der tückische Dämon vernichtet! Jch bin heil geblieben, bin aber obdachlos fiir den Augenblicki« Liusli strömt die Freundlichkeit aus Blick und Mienen. »Mein schönster Raum soll Dein sein, edler Wohlthä ter meiner Tage! Sei hier wie zu Hause, bis Dein Heim wieder ganz hergestellt ist!« Atsugi wird von ihrem Verlobten möglichst fern gehalten, denn es schickt sich nicht, vor der Hochzeit mit ihm zusammen zu weilen. Sie ist froh da rum. Wenn sie heimlich durch eine Ritze nach ihm späht, ergreifen sie Ekel und Scheu, ihr junges Herz be ginnt heftig zu schlagen, ihre Gefühle brausen. Fudschi sieht sie öfter smit fahlem, verzerrtem Gesicht ums Haus huschen; seine Gesten·verrathen ihr, daß sein Entschluß noch besteht. Jhre bitten den Geberden locken ein böses Lächeln um seinen Mund Als sie einmal auf Geheiß der Mutter das Gastzimmer mit frischen Blumen schmückt, bemertt sie seine schleichende Gestalt im Gar ten. Es dämmert schon start. Das saftgrüne Laubwerk verschwimmt als graue Masse, nur die weißen Kame lien leuchten wie helle Punkte. Fudschi drückt sich in die Ecke des Gartenhäuschens, und bald zeichnen sich seine Umrisse immer mehr vom Hintergrunde ab. Es ist ganz dun kel. Atsugi ahnt seinen Plan. Auf das Leben Sawrakumi’s lauert er. Sie schaudert. Sprießt ein Segen aus dieser That? Sie befreit sie von dem Widerlichenl Aber kann sie dann eines Mörders Weib werden? Und sollte er unentdeckt bleiben, sie wüßte, daß er’s ist! Und der Vater? Seines Helfers Tod stürzte ihn in’s Elend, denn die Erben würden unerbittlich sein! Was ist in diesen Wochen für ein Wirrsal von Gedanken durch ihren Kon gegangen! Ganz müde ist sie. Ganz ohne Lebensfreude Was soll sie nun thun? Sawratumi seinem Schicksal überlassen? Wenn er mit dem Vater heimkehrt, wird ihn Fad schi zu tödten suchen! Soll sie ihn warnen? Er ist ihr doch tief ver haßt?! Aber Fudschi. den sie einst mit Wohlgefallen betrachtet. fürchtet sie nun. Sie hat nicht den Muth, ihn hindern zu wollen« Sawratumi war-— nen, das allein tann sie! Und sie will es thun, umdes Vaters willen! Sie lauert sich aus die Matte nie der, die dem Gaste zum Schlafe dient. Jn dem stillen Hinsinnen in der Dun lelheit fällt ihr das Märchen von dem kleinen Sahwa ein, und sie fängt an zu weinen. Doch es sind Thränen, die ihr das Herz leichter machen. Jm Finstern ist gut weinen. Die jugendliche llngliickliche ist aber bald erschöpft. Sie nickt ein und sintt um. Jm Halbschlaf schiebt sie sich die Rolle unter den Nacken, zieht sich die Steppdecke über die Brust, denn die » Nacht ist kühl. Leises Gleiten und Huschen raunt durch’s Zimmer. Eine Gestalt tastet sich zu dem Lager, beugt sich darüber. Als die Mutter nach dem Mädchen sieht und dieses endlich findet, lieat es vor ihr, von zahlreichen Stichen i aetödtet. H Jhr wilder Schrei ruft die Nach ; barn her. Auch Fudschi kommt, ; kommt mit neugierig-er Unschrildg Jmiene und lauerndem Blick. Und er sieht, was er gethan hatt Nichts, als ein dumpfes Röcheln bringt er heraus: er wird grau trie Asche, seine Augen stieren. Dann reißt er das Messer ans dein Gürtel, das nur schlecht gereinigt ist von dem Blute Atsugi’g, der Geliebten, und drückt es gegen die eigene Brust. Ein Ironenvertheidiaer. Einst las man in einer Göttingrr Gesellschaft aus Chapelains philoso phischen Schriften vor. Eine Behaup tung des französischen Schriftstellers-, daß das verständigste Frauenzimmer nur eine halbe Vernunft habe, wurde der Gegenstand witzelnder Bemerkun gen. Dabei wurde auch der anwesende Satyriter Lichtenberg um seine An sicht gefragt. »Mit diesem Urtheil«, versetzte Lich tenberg, »die lliigsten Frauenzimmer besäszen nur eine halbe Vernunft, ver röth Herr Chapelain, daß er über haupt keine besiht.« M Der Reliquie-Held »Wie weit sind Sie denn eigentlich mit Jhrem lentbaren Lustballon?« « Erfinder: »O, den hab’ ich bereits durch sämmtliche Zeitungen gelenkt.« Herrn Vanderbooms Schreib Maschinistin. Von Jnge Jako«bsen. Fräulein Grete Meiners galt bei den übrigen Angestellten der Firma Baschwitz Fa Co. in der Klosterstraße als unordentlich, launenhaft und un liebensrvürdig also nicht gerade als der Typus einer Jdeal - Schreibma schinistin. Als das wenig hübsche Mädchen eines Abends auf denSiadt bahnzug wartete, der sich nach ihrem an der Warschauer Brücke gelegenen Heim bringen sollte, fiel ihr Auge aus die neueste Nummer der Zeit schrift »Das Reich der Frau«, ein Journal, das jedes Thema behandelt, das zum weiblichen Geschlecht in ir gend einer Beziehung steht und für alles einen guten Rath weiß, ganz gleich, ob es sich ium Kindergeschrei oder um die Vertilgung der Motten plage handelt; es gab ebenso unpar teiisch Anleitung, wie man seinen Mann an’s Haus fesselt, wie iiber die Art, alte Garnrollen nützlich zu verwenden. Außerdem hatte es noch einen belletristischen Theil. Mehr kann man für 10 Pfennig nicht ver langen. Grete erstand sich eine Num mer und stieg in ein Abtheil zweiter Klasse des soeben einlaufenden Zuges. Jhr Abonnement lautete auf dritter Klasse, aber um solche Kleinigkeiten lümmerte sie sich wenig. Sie blätterte das Heft durch, bis ihr Auge auf eine Ueberschrist stieß: ,,Herrn Bauder booms Schreibmaschinistin«. Das schien etwas fiir sie zu sein, und eifrig vertiefte sie sich in die Lektiire. Die Geschichte war nicht gerade aufregend. Sie handelte von einer hübschen, jungen Stenographistin, de ren Chef, ein menschenfreundlicher, älterer Herr, eine tiefe Neigung zu ihr faßt. Am Abend bevor er ihr seine Liebe gestehen will, findet er im Kopierbuche einen Brief, der mit der geschäftlichen Correspondenz wenig zu thun hat, nämlich einen Brief sei ner Angebeteten an einen unbekannten Dritten, den sie mit ,,Geliebier« an redet, und in dem sie ihre tiefe Trauer darüber äußert, daß ans ihrer Ehe nun nichts werden könne, da es un möglich sei, die 2000 Mart auszu « treiben, die er brauche, um als Theil 3haber in ein Geschäft einzutreten. INatiirlich hat der edelmiithige Chef Fnichts Eiliaeres zu thun, als das s junge Mädchen in sein Fiontor zu ru sfen und ihr, mit blutendem Herzen "zwar, aber doch beglückt durch das Gefühl, »ihr««helsen zu können, die 2000 Mark auszuhändiaen, die ihr sLiehstek braucht, um sich serhstiinvig zu machen. ! Grete Meiners wäre beinahe über ihre Station hinausgefahren, so sehr hatte sie der rührende Jnhalt der Ge schichte ergriffen. Plötzlich schoß ihr ein genialer Gedanke durch den Kopf. Wenn sie nun auch einen Brief schreis be, wie die Heldin jener Erzählung, an irgend einen erdichteten Bräuti-v gam. Es war gar nicht ausgeschlos sen, daß »der Alte« sie liebte. Jhr Haar war doch wirklich sehr schön, und wenn sie das lila Kleid mit dem grünenBesatz trug, hatte er sie manch mal so komisch angesehen. Und gut miithig war er ja in der That, der grauhaariae Herr, das hatte er schon oft bewiesen. Zu Zeiten konnte er al lerdings höllisch kurz angebunden sein. Aber sie wollte es doch einmal versuchen; vielleicht hatte sie Glück. Jn dieser Nacht schlief Fräulein Meiners nicht viel. Sie war damit beschäftigt, ihren Brief augzuarbei ten. Ein schweres Stück Arbeit! Als er fertig war, sah sie mit«Genug thuung ihr Machwerk durch. Der Brief lautete: ,,6inzig geliebter Hans! Jch habe gerade im Geschäft wenig zu thun und schreibe Dir daher mit fliegender Fe der einige Zeilen. Wie wundervoll war unser Spaziergang am Sonntag, und wie recht thatest Du daran, mir reinen Wein einzuschenlent Ja, es ist unendlichtraurig, mein Schatz, das; Dir die 2000 Mark zur Etablirung fehlen, und dag Herz will mir fast brechen, wenn ich daran denke, das; wir noch manches Jahr nicht an’g Heirathen denlen können. Denn das-, Dir Jemand 2000 Mart giebt, ist unwahrscheinlich, wie daß ich das große Loos gewinne, wo ich doch gar nicht in der Lotterie spiele. Der Chef ruft mich, ich habe keine Zeit mehr. Nur noch tausend Küsse von Deiner Dir in alle Ewigkeit treuen Grete.« Stolz blickte die erfinderische Dame auf dieses Meisterwerk nieder. Kein Mensch konnte auf die Jdee verfallen, das; der Hans dieses Brief-H niemals existirt hatte. Am Morgen ging sie in’s Bureau und arbeitete wie immer. Um ein Uhr begab sich ein Theil der Angestellten zu Tisch. Grete ergriff mit verschie denen Geichäftsbriefen auch ihren Liebesbrief und trat in das Neben kontor, wo die Kopierpresse stand. Wenn der Lehrjunge fort war, ko pirte sie öfters Briefe; ihr Thun konnte daher Niemandem auffallen. Hinter der Postkarte, aus der Marsch ner und Leinsam energisch um schleu nige Lieferung der bestellten Waaren ersucht wurden, hob sie auf dem Sei denpapier fein säuberlich der Brief an den geliebten Hans ab. Mit einem Seufzer der Erleichterung ging das fleißige junge Mädchen dann eben falls zu Tisch. Um vier Uhr trat der Lehrling, über das ganze Gesicht grinsend, mit dem aufgeschlagenen Kopierbuch in den roth aufgesprungenen Händen ins Kontor. ,,Sehn Se mal bloß, Fräulein Meiners, was ich hier gefunden habe!« »Was ist denn los? Warum schreien Sie denn so, Schmidt?« fragte unmuthig die vor ihrer Ma schine sitzende Schreiberin. »No, der Brief hier is wohl nur aus Versehen in’s Kopierbuch gekom men.« Und mit seinen nicht allzu sau beren Fingern zeigte Schmidt jetzt auf die »in alle Einigkeit treue Grete«. Auf diesen Zwischensall war sie nicht gefaßt, mit bewunderungswür diger Schnelligkeit beherrschte sie je doch die Situation. »Soll ich die Seite rausreißen?« fragte gutmüthig der Junge. ,,Danke, nein, das werde ich selbst thun. Aber reden Sie nicht darüber,« damit nahm sie ihm das Buch aus den Händen. Der Junge zog seinen Mund noch ein Stückchen mehr in die Breite und schob ab. Nun hieß es handeln, und die tüchtige junge Dame war kei nen Augenblick darüber im Zweifel, was nun zu geschehen hätte. Kurz entschlossen klopfte sie an die Thür des Privatkontors Eine liebenswür dige Stimme sagte »Herein!« Sie öffnete die Thür. »Na, Fräulein Meiners, was ist los?« fragte ihr Chef in freundlichem Tone. »Entschuldigen Sie bitte, Herr Baschwitz, aber ich weiß nicht, ob ich Jhnen die Karte an Marfchsner und Leinsam heute Morgen gezeigt habe, bevor sie abging.« »Ach, so nöthig ift das nicht, Fräu lein; ich kann sie ja übrigens in der Kopie lesen. Schicken Sie mir doch bitte das Kopirbuch herein.« Sie-brachte es ihm selbst und setzte sich dann scheinbar ruhig wieder an ihre Maschine. Ihr Herz schlug fast fo laut wie die Tasten, die ihre Fin ger niederdrückten. Sie wartete und wartete. Die Minuten wurden ihr zu Stunden. Etwas bange wurde ihr nun doch zu Muth. Wie würde eH ausgehen? Eine halbe Stunde ging vorbei, —- eine Stunde, —- zwei Stunden, — nichts ergab fich. Jhre Collegen legten ihre Sachen zusam men und gingen nach Hause. Jetzt kam auch Herr Baschwitz mit Cylin der und Ueberzieher aus feinem Kon tor. Als er hinausging, wünschte er ihr mit einem etwas merkwürdigen Seitenbliel guten Abend. Sicher hat er mich gern, schloß Grete, es wird schon alles gut gehen. Noch einmal verbrachte sie eine sehr unruhige Nacht und ging hoffenden Herzens am anderen Morgen in’s Bureau. Um elf Uhr ertönte die Glocke im Prioattontor zweimal, — das Zeichen für die Stenographin. Jetzt tam’s, in fünf Minuten war ihr Schicksal entschieden. Die 2000 Mart hatte sie schon in der Tasche. Herr Baschwitz saß an seinem Schreibtisch und antwortete recht kühl auf den Morgengruß seinerSchreiberin. Dann fing er an: »Beim Durchblättern des Kopir: buches stieß ich auf einen Brief« der mir aufgefallen ist und den ich auch gelesen habe, trotzdem dieFirma nichts damit zu thun hat. Können Sie mir sagen, wie der Brief hier hinein gekommen ist?« »Was fiir ein Brief?« fragte das Mädchen unschuldig. »Bitte, sehen Sie ihn sich doch sel ber an«, und er hob ihr das Buch näher. »Ach Gott-was habe ich denn da angestellt —ein Brief an meinen Ver lobten—ich bitte vielmals um Ver zeihung!« »Ja, ja, es ist schon gut. Aber etwas mehr Sorgfalt im Geschäft würde ich Jhnen doch dringend em pfehlen « i »Es soll auch nie wieder vortom men, Herr Vafchwitz « i ,,Dafiir werde ich schon Sorge tra gen«, meinte der Chef sehr beftiinmt Dann griff feine Hand nach demt Auszuge feines Schreibtisches, in demJ das Checkbuch ruhte· Alles gingt glänzend Herr Baschwitz benahm sichl genau so wie Herr VanderbooIn Jhr kamen die Worte aus »Das Reich der Frau« in den Sinn: ,,W·a«hretd er die Feder eintauchte, um die Anweisung auszustellen, traf ein unendlich web müthiger Blick wie ein Abschiedsgruß das blonde Haupt Hildegards.« Herrgott, er setzte die Feder an und füllte die Zahlenrubrik ans. Aber ihr Herzschlag stockte. Dort stand nicht 2000, sondern 200 Mart, und ihr Chef überreichte ihr den Check nicht mit einem wehmüthigen, sondern mit ei nem recht ironischen Blick und den Worten: »Wollen Sie sich bitte, diesen Check an der Kasse ausbezahlten lassen Jch habe das Gehalt fiir diesen und den nächsten Monat gleich zusammen ange wiesen, denn Sie werden begreifen, daß ich keine Dame bei mir beschäfti gen tann, die erstens in der Ge schäftszeit Liebesbriefe schreibt, und auf die man sich zweitens so wenig verlassen kann, daß sie ihres-Irdis briefe im Kopirbuch kopirt.« Die aus allen Himmeln gesalbte Schreibmaschinistin stand wie er starrt; sie schien gar nicht Zu begrei fen, daß dies Wirklichkeit war, und i daß es so ganz anders ausgehen sollte, Ials in der Erzählung. Erst durch sit ziemlich vernehmliches »Guten Mot gen!« ihres bisherigen Chess wurde sie zum Bewußtsein gebracht und ver ließ ohne Gruß sehr langsamen Schrittes das Privatkonior. Der Buchhalter am Bahnhof Börg konnte auf ihre Kundschast nicht me rechnen. Hoffnung. Postsekretär (als ihm ein Dichter ling ein sehr umsangreiches Manu skript am Schulter abgiebt): »Was soll denn das sein: Brief, Packet oder Drucksache?« Dichterling: »Hoffentlich Druck fache!« Der Schullehrcr als Freie« Junger Mann: »Herr Müller, wür den Sie mir Jhre Fräulein Tochter zur Frau geb-en?« Müller: »Ne, ne!« Junger Mann (Schullehrer): »Ich habe Jhr Wort, denn zwei Verneinuns gen sind eine Bejahung.« Sein Wunsch. Frau (seuszend): »Du bist eben ein ganz Anderer geworden. Vor unserer Hochzeit habe ich geglaubt, Du wür dest mich in den Himmel heben!« Mann lebenfalls feufzend): »Ach wenn ichs doch nur könnte!« Schon recht. Räuber (aus dem Gebüsch aus ei nen einsam lustwandelnden Studenten zutretend): »Halt junger Herr, es geht nicht anders — wir müssen jetzt alles baare Geld theilen.« Student: »Mir ist’s schon recht, wieviel haben Sie denn eigentlich!« ; Der arme Peri ! Mutter: »Daß der Pepi so lang sank-bleibt aus seiner Ferienreise — — »wenn ihm nur nichts passirt ist, et ! sollt’ doch schon längst zu Haus sein.« Vater ,,Passirt wird ihm nichts sein — aber am End’ hat er kein Geld, daß er nach Haus schreibt, daß er kein Geld hat, damit er nach Haus kommt.« Passcnde Partie. s Heirathskandidat: »Ich muß Ihnen aber sagen, ich mache große An spriiche.« Vermittler: »Was sind Sie dennf Heirathskandidah ,,Pferdehöndlet.« Vermittler: »Dann habe ich was für Sie, und zwar: Eine Wittwe, die ist ganz Verschimmelt und kann mit Goldfijchsen berappen«. ! Gen-unter Vergleich Ländliches Bild. Ein Ziegenhitte sin stolzer, selbstbewußter Haltung iseine Ziegen hütend Zwei derbe iStädter, Aussliigl,er eben vorüber kommend, und ihn beobachtend, finden Dies ungemein possirlich »Schau’ nur einmal«, meinte det Eine, »den Stolz von dem »Geis bub’n«, er dürfte ein »Ga5direttot« sein.« Ein Opfer-. Er: »Ich sehe nicht ein, warum wir nicht sparen iökinen.« Sie: »Du hast recht, ich werde mit von jetzt ab meine Kleider und Hüte selbst machen.« Er: »Das ist hübsch Von Dir.« Sie: »Und was willst Du thun?' Er: »Ich werde mir einen Vollbatt stehen lassen nnd mir meine Cigarrets ten selber drehen. « Fntmbali. »Mensch wie sehen Sie zerbenlt aus; was ist Ihnen eigentlich passirik Schneider: »Ja, wissen Sie, ich war heute bei zwei Schnldnern, die sichs eernde gegenüber wohnen und die haben mich eine halbe stunde lang immer gegenseitig einer dem anderes in die Bude geschmissen!« Ursache nnd Wirkung. Vater: »Schon wieder ist der Kla viersessel niedergebrnchen.« Mutter: »Ja. was muß unser Kind auch fiir -— schwere Sachen spielen!· Tröstlich. Professor: »Um Himmelswilleiy Jean, was steckst Du denn da siir Pa vier in den Ofen — ich glaube gar es ist von meinem Schreibtisch?« Jeam »Herr Professor, es war j beschrieben.« Geschäfte-muten Miethert ,,Gerade an meinem Ge bnrtstan soll ich also ausgepliindetk werden's« Gerichtsvollzieher: »Wie, Geburts tag? Da warf ich lieber bis morgen, vielleicht kommen heut’ noch Se schenke!« Späte Einsicht Richter: »Sie sind 25 Jahre verhei ratbet und wollen sich scheiden lassenf Ehemanm »Nicht wahr, es wies- « dert Sie auch, daß ich nicht schon fes her gekommen hins« -