W Klagen ist sein Geburtstag. Urlebt nnd erzählt von h. S p i e l e r. Es war im hochsonnner. Heiß lag die Sonne den ganzen Tag über der oßen Rate-Ebene und dem maleri then Thun Jch ging daher gern, um mir am Fluß- und Seeuser ein bis chen Kühlung zu holen, am Spätnach miitag von der Stadt nach Scherzli gen zu, dem hübschen Dörfchen, wo Ue rasche, grüne Aare den Thunet See verläßt. Täglich begegneten wir auf diesem Wege ganzen Schaaten von Knaben, die, das Badezeug unter dem Atme, nach dem Badeplatz am See pilgerten, dort, wo der leyie der Riesenbäume des schönen Schloßparls von Schadau seine tiefhängenden Aeste im See spielt. Eben war wieder solch lustiger Trupp an mir vorübergezogen. Ein kleiner Kerl in blauer Matrosenbluse irennte sich von den übrigen, blieb zu rück und begann arn Wiesenrain einen mächtigen Blumenstrauch zu pflücken. »Grüß Sie!« sagte er, mit dem hübschen Schweizergrusz, als ich an ihm vorüberkam, und zog seinen klei nen Sirt-Mut Nie in meinem Leben hatte ich in ein sonnigereres Kindergesicht gebliclt. Al les an ibm strahlte und leuchtete: seine blauen Augen, die goldblonden, etwas loeligen Haare, die weiße Stirn, der rche rothe sindermunlx Ich jpnnte nicht anders, ich mußte den Jungen anreden. »Du liebst wohl die Blumen sehr?« fragte ich ihn. »Ich lieb’ sie schon«, antwortete er zutraulich, »aber hauptsächlich pflück ich sie, weil die Mutter sich freut, wenn ich ihr Blumen mitbringe. Die tra gen wir dann nach dem Abendessen auf den Kirchhof zu all meinen todten Brüdern.« »Al! Deinen todten Brüdern?« wie derholte ich erstaunt. »Ja, wieviel hast Du denn auf dem Kirchhon« »Vier«, sagte er fast triumphirend, als sei er stolz auf die reiche Zahl. »Jetzt haben wir teine Kinder mehr, außer mir«, setzte er hinzu. Sehr nahe schien ihm ber Tod sei ner Geschwister nicht zu gehen. Tes halb fragte ich weiter: »Sie sind wohl schon lange todt?« »Furchtbar lange«, llang es mit Nachdruck zurück. »Als sie starben, gab es mich überhaupt noch nicht, und ich bin doch schon zehn Jahr«, —- er reckte sich förmlich bei dieser stolzen Alterangabe —, »das heißt, heute eigentlich noch nicht«, er lächelte schel -«·raisch.- -- aber morgen —- benn mor gen —-« nun zögerte er ein wenig, aber dann konnte er doch riicht mehr damit zurückhalten, »denn morgen ist mein Geburtstag!« Es lag ein unglaublicher Jubel in die Antiindigung Seine Augen blintem »Und morgen ist noch dazu gerade Sonntag. Fein! Nicht?« fügte er strahlend hinzu. »Da braucht man doch wenigstens nicht in die Schule. Und Vater hat versprochen, wir sah ren morgen mit dem Schiff nach Spiez und gehen dann nach Aeschieried hinauf. Da ist nämlich meine kleine schwarze Ziege siir den Sommer bei einer Frau, die eine schöne Matte bat; denn dort hat sie es bei der Hitze bes ier als bei uns in der Stadt.«' Das klang sodrollig alttlug. »Ein hübschere Ziege giebt es über haupt nicht«, schwatzte er weiter, »und sie gehört mir ganz allein. Die läuft mir nach wie ein Hund, und wenn sie springt und bockt, muß man sich todtlachen. Nun darf ich sie mor gen besuchen, Vater hass- versprochen. Jch freue mich so. Ob sie mich wohl noch erkennen wird? Als die Frau sie im Frühjahr abholte, habe ich ge weint; damals war ich eben noch viel i kleiner. Jeßt würde ich mich schämen, zu weinen; denn morgen werde ich ja schon zehn Jahre. Ach, wenn es doch erst morgen wäre!« Er schien nun genug Blumen zu ha ben, und wir schritten tapfer zusam men weiter den sonnigen Wiesenweg entlang, als seien wir zwei alte Be kannte und das müßte so sein. Aber lange ließ ihn seine Glückse ligkeit nicht schweigen. »Als ich vorhin vom Haufe weg ging« , erzählte er geheimnißvoll, «tarn ich an der offenen Küchenthüre vorbei, und da sah ich, daß Mutter schon meinen Geburtstagsiuchen ein riihrte. Sie machte freilich gleich die Thüre zu; aber ich hatte doch schon be merkt, daß ein ganzer hausen Rosinen auf dem Tisch lag. Recht viel Rost rseu, das schmeckt famos! Finden Sie nichts« Ich beeilte mich selbstverständlich, zu versicheru, daß auch ich mir nichts Schönste- ausdenken könne als recht siel Wu. - Haft Du Dir denn auch was ge Essuscht zum Geburtstag?« fragte ich DOMAIN tydetefiichetttesk eksrig » g Wen ne ange « mit allein, was daz u ge la istdu sein! Vater sgoll , Mitgen- ehe - f en. Noch hat er » v de i MIU täuscht ist-T Ja Erz-h header Zaveksicht auf, an ek for-sahn »Aber sicher sauft er mir heute Rach mittag eine, während ich bade. Jch habe sie mir ja so gewünscht. Und ich tenne doch Vater. Plötzlich riß er mit raschem Ruck sein Badelalen, das er unter dem Arm trug, auseinander und zog eine kleine, roth und weiß gestreifte Bade hose hervor. »Die habe ich voriges Jahr zum Geburtstag betommen«, erklärte er stolz. Damit war nun unser Gespräch auf den Wassersport gekommen, und ich fragte ihn daraufhin, ob er denn auch schwimmen tönne. Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich werde es diesen Sommer ler nen. Paul Werner will es mir zei gen. Paul Werner, wissen Sie, der Junge aus meiner Klasse, der auch in der Hauptgasfe wohnt, nahe bei uns, der kann famos schwimmen sogar aus« dem Rücken. Können Sie auch auf dem Rücken schwimmenf Leider mußte ich beschämt vernei-( nen, was seiner Hochachtung für mich einen erheblichen Stoß zu geben schien. »Vielleicht können Sie es noch ler nen« ,sagte er dann tröstend. Der Trupp der anderen Jungen war schon in ziemlicher Entfernung fast verschwunden; nun drehte sich ei ner von ihnen um und pfiff laut und gellend auf zwei in den Mund gesteck en Fingern. »Jetzt muß ich aber laufen«, sagte mein tleiner Freund eilig, »fonst hole ich sie nimmer ein.« Zutraulich reichte er mir seine sonnverbrannte Kinderhand und trottete davon. Plötzlich fiel mir etwas ein. Jch legte beide hände hohl an den Mund und rief ihm nach: »Höre, sage mir doch noch. wie Du heißt!« Noch einmal wandte er mir sein lachendes, glückliches Gesicht zu. »Fritzli!« schrie er zurück, machte dar auf einen Luftsprung wie ein junges Fällen, warf seinen Strohhut in die Höhe und jubelte übermüthig: »Mot gen ist mein Geburtstag!« Dann lief er leichtfiißig über die grüne, sonnen goldige Wiese dahin, den anderen nach, dem baumbeftandenen Seeufer zu. Jch aber ließ mich durch zwei alte Weiblein im Fährboot ans jenseitige Ufer der Aare befördern, zu meinem Abendspaziergang an der »Bächimatt promenade«. Langfam bummelte ich den Weg am Fluß entlang, bis zu dem Punkt, wo- sich plötzlich der herr liche Thuner See mit feiner schim merndenWasserfläche, seinen mächti gen Schneebergen dor dem entzückten Blick ckitsbreitet Vom Wasser her wehte ein töstlicher frischer Lufthauch herüber, die lnorrigen alten Eichen, unter denen ich wandelte, spendeten mir ihren Schatten und auf der Bä chimatt hatte man geheut — wie das duftetel — Jch warf mich in das frische Heu, faltete die Hände unter dem Kopf und so lag ich lange in süßer Gedanlen losigteit. Wie ich Halbfchlaf blinzelte ich über den See. Dort weiter drüben, hinter dem ausgedehnten Schadau’fchen Part, schien man u fischen; schöne Fische birgt ja der åee im Ueberfluß. Eine Anzahl kleiner Boote hielt sich auf einem Fleck zusammen. Sicher war da ein Reh ausgelegi worden, das nun eingeholt wurde. Richtig, den Bewe gungen der Leute nach zu urtheilen, zog man j t etwas Schweres an Bord. Scha , daß ich meinen Feld stecher nicht bei mir hatte, ich beobach tete die AFibescher so gern bei ihrer hüb ichenA rbe it· Dann fuhren die Boote plötzlich auseinander. Das größte lam, von zwei kräftigen Männern gerudert, pfeilichnell auf mich zugeflogen, bog in die Aare ein und entschwand meinen Blicken. Mitten im Boot hatte ein dritter Mann gelniet, der sich mit merkwürdig regelmäßigen, rudweisen Bewegungen mit etwas, das auf dem Boden des Fahrzeuges lag, zu beschäf tigen schien. Immer. wenn er sich zu rückbog, hob jede seiner Hände ein schmales, weißes Etwas empor, das dann rasch wieder unter dem Boots rand verschwand. Was es war, tonnte ich nicht erkennen. Dann dachte ich nicht mehr an das Boot, erhob mich, tlopfte das Heu aus meinen Kleidern und schlenderte in wohligster Stimmung den Weg zurück, den ich gekommen war. Jch lank zur rechten Zeit, das Fähr boot war gerade aq· diesseitigen Ufer und wollte eben abftoßern Rasch sprang ich hinein. Außer mir und den beiden rudernden Altchen war nur noch eine fveundliche blonde Frau aus dem Voll im Boot. Als wir uns vom Ufer ent fernten, blickte ich zu der gegenüber liegenden Anlegeftelle hin Und sah zu meinem Erstaunen, daß sich dort eine ziemlich große Menschenmenge ver sammelt hatte, hauptsächlich Kinder. Eifrig und aufgeregt wurde etedet und geftikulirt Aber noch ehe ich eine Frage stellen konnte, gaben mir die jammernden Reden der beiden Fähr weibet Ausschluß. f »Dies Unglück klagte die Eine. ; »Solch’ schönes, liebes Kindl· «Ja,« fiel die Andere ein, »den brin- ! Freie-E nimger Mr zånn lLebensittzvie ! an m n ang on unter Wulst-r Wen nnd den Mzen Mund voll Schlatt-unt Gott, wie mich der Bnb rent! Gerad, alt wär's mein eigenert« III-Eins Wertrnntentk agie die bl tun eng voll « MU« MWW « sei-sen des-Schm — iner an der hauptgassr. Vor einer hal ben Stunde beim Baden ertrunien. Wi« gescheth ist, weiß Keiner so recht; plötzlich ist er verschwunden ge wesen und ist nicht wieder ausgetaucht. Und der See ist doch ganz flach dort am Badeplatz; er muß in eine von . den tiefen Stellen, die man siir idie Dampsschisse ausgebaggert hat, sgerathen sein, trotz der Warnungs J taseln, die dort stehen. Sie sagen, l er sei heute gerade so besonders über jmiithig und lustig gewesen, da hat » er wohl aus die Warnung nicht gearb 5 m. Die Mai-me- fmv dann gleich mit kBooten hingesahren, um ihn zu su »chen. Meiner hat ihn gefunden und ! hierher gebracht. Jetzt liegt et dort in unserem Boot, und sie machen Wie derbelebungsvetsuchr. Ader das wird schon nimmer was nützen. Der ist todt, der liebe, goldige Buhl« Die blonde Frau, die mir im Fähr boot gegenüber saß, hatte diese Worte wie erstarrt angehört. Jetzt suhr sie mit einem Schrei so hestig in die Höhe, daß das slache Boot stark in’s Schwanken gerieth. »Dein Jmhoss sein Buhl« sagte sie wie geistesabwesend vor sich hin. »Nein, nein, das kann nicht sein, das wäre zu grausam!'« Unaufhaltsatn stürzten ihr die Thriinen iiher das Gesicht, ohne daß sie es merkte. »Wir sind Nachbarn in der Haupt gaffe, die Jmhosss und ich,« fuhr fie, sich zu mir wendend, fort. «Sehen Sir, der Bub ist sür seine Eltern al les, was sie auf der Welt haben. Schier unnatürlich haben sie ihr Herz an den spätgeborenen Jüngsten ge hängt, nachdem sie all die anderen blühenden Söhne auf den Kirchhof tragen mußten. Er ist ihre hergeno freude, nur für ihn denken, sorgen und arbeiten sie. Und er oerdient’2, der Bub; ist mir selbst fast so lieb wie mein Seppti. Nein, das lann Gott nicht wollen!« Eine dumpfe, unnatürliche Angst erfüllte mich bei diesen Reden! Aber nein! Warum sollte denn gerade. Jch wollte eine Frage thun; aber da stieß unser Boot schon an s Ufer Das Aussteigen war schwer, so viel Men schen standen in dichtern Kreis utn das andere Boot, das ich nicht erblicken konnte. Da entstand plötzlich eine Lücke in der Menschenmauer, und ich sah ei nen Augenblick einen schlankem schnee weißen, regungslosen Kindertörper, mit einer roth- und weißgestreiften Badehose bekleidet, aus dem Boden des Bootes ausgestreckt liegen. Mein Herz stand still. »Fritzlt,« schrie ich unwillkürlich entsetzt auf und drängte mich mit ra scher Bewegung durch die Menge. Und dann sah ich in sein schönes-, frohes Knabengesicht, dem der Tod nichts von seinem Zauber hatte rau ben können. Noch waren seine Wan gen roth, und der Mund schien zu« lächeln. Kein Zug war verzerrt, nur l aus den blonden Haaren rann das« Wasser-. und die blauen Augen. die mich noch vor einer Stunde so glück selig angestrahlt hatten, waren ge-. schlossen. Schlies er? Sein Haupt war leicht auf die rechte Schulter ge- i neigt. Ja, er durfte, durfte nur schla fen, er mußte wieder erwachen, — dies Entsetzliche tonnte nicht Wahr heit sein! ’ Jtn Boot. neben dem Kinde, kniete, tiefen Ernst in den Zügen. ein weiß- ; haariger Arzt, der unermüdlich mit dem willenlosen Körper die Bewegun- . gen der künstlichen Athmungen vor-i nahm, mit der die tundigen Fischer schon während der Fahrt begonnen. l Das war das seltsame Boot gewesen, das ich gesehen hatte Jrnmer kummervoller wurde diet Miene des Doktors, die rauhenFischer s fuhren sich mit dem Handriicken über z die sich seuchtenden Augen« die umste- . henden Kinder, meist Kameraden, die« mit Fritzli zusammen gebadet hatten, weinten und schluchzten laut. Sie alle hatten ihn lieb gehabt. Mein herz war zum Brechen schwer. Neben mir stand mit todtenblassem Gesicht ein Junge, der einen blauen Matrosenanzug und einen kleinen Strohhut auf dem Arme trug — ich tannte sie wohl, es waren die Kleider meines kleinen todten Freundes, den ich in einer Stunde gewonnen und verloren hatte. »Bist Du Paul Wernerr Iragre ich den Knaben auf gut Glück. Er nieste stumm. »Dieses Jahr wollte ich ihm das Schwimmen bei bringen,« fagte er dann tonlv«5; »Bitte ich es doch schon vorigen Som mer gethan!« Jch ftreichelte leise trö stelnd feinen kurz gefchorenen Kopf. Da ftiirmte athemlos ein anderer Junge von der Richtung nach Thun herbei. - »Ich habe ihn gefunden.« berichtete er nach Athern ringend, »auf der Straße vor einem Laden habe ich ihn getroffen. Er tommt.« Und dann kam es herangeteucht. Ein großer, starker, faft fchon alter Mann mit ergrautem Haar und Bart war es. Der Schweiß floß ihm in Strömen vom Gesicht, den hat hatte er beim wahnsinnigen Laufen verlo ren; aber fest in der band trug er eine lange, funkelnagelneue Angelruthe. Der Vater! Unwilltiirlieh entbkößten alle Män ner ehrerbietig das Haupt und wichen uriich Eine freie Gasse öffnete sieh Ihm zum Boot. » Er stdlperte hinein wie ein Traute ner oder Jrrstnniger. Dann stitrzte er mit einemSchrei, der nichtsMenschens ähnliches hatte, itber dem starren Körper seines Kindes zusammen. Aber er raffte sich wieder auf, er rieb die weiße Brust seines Jungen, er riß die gesuntenen Augenlider von den blauen Augen in die Höhe, er strich ihm das feucht Haar aus der Stirn —- wimmernd, wimmerndt »Fris’li, Jritzli. Du mein lieber Bub, das thust Du mir doch nicht an.« Dann wandte er sich mit slehenden Augen an den Arzt: »Nicht wahr, Herr Doktor, er wird eleben, er wird —?« Voll unaussprechlichen Erbarmens und doch mit ernster Energie richtete der Arzt den Unglücklichen auf und führte ihn liebevoll und sorgsam, wie man ein Kind führt, in die nächste Fischerhiitte. Er selbst tam mit einem großen weißen Leintuch zurück. Leise und zart bedeckte er das todte Kind, und die Fischer trugen es langsam zu seinem Vater in die Hütte hinein Die Menschen begannen sich zu zer streuen. Jch setzte mich aus einenStein am Ufer und wartete; ich konnte und wollte die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben Da sah ich plötzlich vor mir auf der : Erde die neue Angelruthe liegen, die ! Frislfö kleines Herz morgen hätte er- i freuen sollen. Mechanifch hob ich siej auf und brachte sie in die Iischerhiitte. Dort setzte noch immer der Arzt seine fruchtlosen Bemühungen fort, vom Vater flehentlich dazu angetrie ben. Der ging mit großen Schritten in dem engen Raume aus und ab, un aufhörlich redend. »Jeht tann es doch nicht mehr lange dauern, Herr Doktor? Nun muß er fdoch bald die Augen wieder aufschla ! gen? Wenn es erst so weit ist —- wie xwill ich Jhnen dantbar sein! Ach, JFritzli, Frigli!« Seine Stimme brach i in Verzweiflung J »Jmhosf,« sagte der Arzt feierlich iund legte ihm die Hand auf die jSchulter. »fügen Sie sich in Gottes IWillen und tragen Sie Jhr schweres HGeschick als Mann. Wollen Sie jetzt Jnicht Jhrer armen Frau selbst mit -theiten, was dem Fritzli zugestoßen » ist, und fie hierher bringen? Oder soll . ich sie holen? Mein Wagen wartet in »der Nähe. Jch möchte nicht, daß die unglückliche Mutter es von unt-ause ner Seite hört.« s »Die Mutter? Nein! Nein!« wehr te der verzweifelte Mann aufgeregt ab. »Wozu sie erst erschrecken und ängstigen? Sie soll es nicht eher er fahren, als bis alles wieder gut ist und der Fritzli wieder zu sich gekom men ist. Denn das wird er doch, das muß er doch!« Traurig wandte sich der Doktor ab und trat zu mir. »Es ist alles längst vorüber,« sagte «er leise, »aber der arme Vater will es nicht sassen.« Da fiel auch Jmhoffs Blick auf mich: bis jetzt schien er mich nicht be mertt zu haben. Nun sah er die An gelruthe, die ich noch immer in der Hand hielt «Tragen Sie sie hinaus,« sagte er hastig mit einem abwesendenAusdruck in den Augen, »ionft sieht sie Fritzi ja sofort, wenn er wieder aufwacht. »Und es soll doch eine Ueberraschung siir ihn sein —- denn morgen ist ja sein Geburtstag!« - Vorfintrigue. Von Emma stinle Die Dorsgafse herauf kam ei mit Kling und Klang und hellem Juhge schrei. Ein Zug von Burschen und Mädchen. Am Morgen hatten sie in der Frohnleichnarni - Prozession die Statuen der heiligen getragen und jetzt, am frühen Nachmittage, ging es shinaus oor’s Dorf, um dem Wasser Jund Eierlousen obzuliegen. ? Die Mädchen hielten sich tichernd ; und schiiternd on den Händen und bil l deten eine Kette iiber die ganze Breite der Straße, und die Burschen mar schirten nach dem Takte dei grellen Troenpetengefchmetteri, sangen ein paar Notenfiihe mit, einzelne beglei etten mit Eifer und Geschick die diirf liche Feuerwehrtapelle aus der Mund l harmonisc. Auf dein freien Anger machte die lustige Schaar Halt Hier waren rohgezimmerte Bänte aufgestellt und auf einer mit Tannenreis hetränzten Tribiine thronten die Honoratioren des Dorfes, welche mit wichtigen Mie nen das Amt von Preisrtchtern über nommen hatten· Die mächtigen Ka ftanien verbreiteten ausgiebigenSchats ten und vom nahen Tannenrvöldchen herüber kamen würzige Duftwogen kräftigen darz- und Nadeiholzgerui thes. —- Mit Hallo wurde der Zug von der zufammengeftröinten Dorf juaend empfangen. Die Musik spielte vor der Tribiine einen fchmetternden Tufch und der Bürgermeister hielt eine Ansprache: «Thut einen frischen Trunk, Jhr Miit-le und Buben, nnd haltet Euch parat, in fünf Minuten geht es los, das Eier- und Wasserlaufen!« —- — »Trint, Cretzens. wohl betonnn’3, nnd auf gutes Gelingen!« sagte der MW freiche junge Sonnenwirthssohn und reichte mit steifer Verbeugung der ne ben ihm stehenden Zenz ein gestilltes Bierglas· Die Zenz erröthete bis unter das rothbbonde Kraushaar, that aber einen kräftigen Schluck und gab das Glas dann dantend zurück. »hm, da tann man jetzt sehen, wer was gilt!« meinte die Oberhaus bauerntochter schnippisch und warf der Zenz einen funkelnden Zornblick zu. »Ich verschmacht sast vor Durst und aus mich vergißt der Sonnen wirthfranz ganz und läßt mich stehen vor lauter Gatsbauernmädel." »Bitt’ um Verzeihung, wegen der Majestätsbeleidigung!« meinte spöt tisch der Franz und bot nun der ei sersiichtigen Marianne das halbvolle Glas. »Dant’ schön!« sagte diese und wars den Kon in den Nacken. »Bist nit gewohnt zu nehmtn, was Andere übrig lassen!" « »Hm nun, dann laßt’s halt blei s ben!« entgegnete gleichmiithig der Franz und trant gelassen das Glas leer. »Ist nur für Die, die wollen, und die kriegen nicht mal Alle!« Die Zenz stand schüchtern bei Seite »und flüsterte halblaut: »Ich hätt' schon warten können, mein Durst ist nicht groß gewesen« »Ja freilich, Du gutmüthiges Schäfl Du! Warten und immer war ten,.bis D’ überall zu spät kommst, gelt.« Aus den Worten des Burschen klang eine beschützende halbversteckte Zärtlichkeit und sein Auge glitt voll unverhehlter Bewunderung über vie schlanke tnospende Gestalt und das zarte Noth des scheu gesenkten Ge sichtT Ein schmetternderTusch schreckte den Burschen aus seinen Betrachtungen. »Juhu, es geht los!« schrie er voll Begeisterung . »Mach’ Dein’ Sach’ gut, Zenz, im Bärenwirthssanl den ersten Walzer tanzen wir zusammen.'« Der Bursche stürmte davon. Lang samen Schrittes folgte ihm das Mäo chen, ein serträumtes Lächeln aus dem frischen Gesichte. I f Aus dem weiten Wiesenvlan lagen in gleich weiten Abständen lange Rei hen von rohen Eiern. Die Burschen, Leinenbeutel um die Lenden, hatten die Aufgabe, im schnellen Laufe in nerhalb gestedter Grenzen die Eier auszuheben. Wer zuerst am Ziele an lam, ohne die aufgeleienen Eier zu zerbrechen, was sehr schwierig warj oder ohne die Eier zu zertreten, wur de als Sieger ausgerusen Die Mei sten tamen erhitzt mit zerhrksipenen Eiern an der Tribiine an. wo die Ho noratioren der Eierläuier harrten, um den Sieger festzustellen. Heute war wieder, wie fast jedes Jahr, der Sonnenwirthsfranz Sieger. Itaum schneller athmend, den Beutel voll nn verfehrter Eier, tam er an’s Zicl und wurde im Triumph empfangen. Nach dem Ausruf als Sieger begrüßte ihn ein Tusch und ein Hoch und der Bür germeister überreichte ihm mit wohl gefetzten Worten den Preis — eine silberbeschlaaene Tabatspseise, deren er nun wohl bald ein halbes Dutzend zu Hause hatte. »Ist eine samose Gaudi gewesen, Herr Bürgermeister«, sagte er lachend. »Nun will ich nur sehen, wer bei den Mädeln Siegerin wird! Holla, da ist schon das Signal, die haben’s eilig!« Am Rathhausbrunnen standen eine Reihe blank gescheuerte Kupfergelten (Wassereimer),bis an den Rand mit Wasser gestillt. Von den Henkeln hin gen farbige Bänder herab, in demsel ben Farbenton, wie sie die Mädchen am Mieder trugen. Der Wasserträs gerinnen waren ihrer zwöls, lauter dralle, blühende Mädel, mit runden gebräunten Wangen und über den Mücken herabhängenden, mit Bänd chen durchslochtenen Zöpsen. Zenz war die schlantste von ihnen. Jhrer zarten Gesichtssarbe hatte die Sonne, mochte sie noch so unbarmherzig bren nen, nichts anhaben tönnen. Die Zenz und die Mariaiine stan den neben einander. Die reicheGroß bauerntochter und die arme Guis bauerntochter. Marianne zog unter ihrer Schürze zwei Bäusche (Kopspolster) hervor. »Da hast Du einen davont« sagte mit Gönnermiene die Maria-um und bot einen Bausch der Zenzi dar. »Ich tann’5 nicht sehen, daß Du sollst mit Deinem altem schädigen Bausch Was ser tragen, wo Alles so drauf schaut. —- Es braucht’s ja Niemand zu wis sen! Jch geb' ihn Dir gern. Sagt den Andern nicht, ich bin auch still dazu und sie neiden Dir dann den schönen Bausch nicht!" Zenz bedankte sich vielmals. Nun brauchte sie sich doch vor dem Franz nicht zu schämen und hatte auch einen silbergeftietten Bausch, wie die Groß bauerntochter. Laufen, das konnte sie ut. Der Franz wußte es auch. Er tte tttrzlich durch den Zaun geguckt, wie sie im Hof probirt hatte und die schwere Gelte spielend aus dem Kopfe etrageen —- Das dritte Signal; jeht geißt es jagen, was man kann. i i s Sechs Paare liefen, die schweren äapsergeltän Murga dedrtr issgchbäutgm en , e n n e en umDeut, na dem Taste der Nasid sp sen man z. gleich nach the pu N siend und schnaufend die schwerstillige Marianne. Das zierliche Köpfchen - der Zenz bog sich kaum unter der schweren Last nnd Siegesfreude strahlte aus ihrem hübschen Gesicht. »Du Schöf’l, Du goldig’s««, fliii sterte der Franz verliebt nnd zerbiß seine Pfeife vor Erregung. »Die Zenz wird die Erste, die Zenz wird die Erste!« schrie und jolte es in der Menge. Marianne aber lies und lies und über ihr hochrothes Gesicht«s zog ein boshaftes Lächeln. Da verfärbte sich mit einem Male das Antlitz der Zenz, sie biß dieZähne »in die Unterlippe, sie.wanlte -—— und ldie schwere Gelte stürzte, im Fallen einen breiten Wasserbach aus den Bo den gießend. Ein Spottgeliichter er scholl ringsum. »Ja, wie schwach, ja. wie elend. Kann die Gelte nimmer halten! Ei ja, bei den Armen! Hoch, hoch, hoch, die Marianne ist am Ziel. Eben am Ziel. Hurrah die Oberhausbauernss tochter soll leben!«' Auf dem Tanzboden war Franz der Lustigste. Und die Oberhaus bauerntochter wich ihm nicht von der Seite. Je derber seine Scherze, je derber ihre Antworten. Und wenn sie ihren ätzenden Spott über die nicht anwesende Zenz ausgoß, lachte der Franz am lautesten, überlaut. Aber inwendig lachte er nicht. Er war wüthend. Ueber sich, über die Zenz, über die ganze Welt. Eine, die heut zum Dorfgespött geworden, tonnte er, der reiche stolze Sonnenwirehösohn, nicht zur Sonnenwirthin machen. — Die Zenz war weinend heimgezogen. Hatte immer und immer versichert, der Bausch sei schuld gewesen; einige gut müihige Kameradinnen hatten ihr suchen helfen, der Bausch aber war nicht zu finden gewesen. NitgendU Der Franz lachte. Ja, ja, eine bil lige Aus-rede. Die Zenz, die schein heilige. Er hatte sie kürzlich im Hofe gesehen aus der Ferne mit der Gelie Tadellos gelaufen, ja, wird leer ge wesen sein, die Gelte. —- Der Franz wehrte kaum noch den Zärtlichkeiten der Matianne und ging hinaus, um ihr aus der Bude unter den Kastanien ein Lebtuchenherz zu kaufen. Nach geraumer Weile aber kam er aufgeregt wieder, warf den Musikan ten ein Goldstück zu und schrie: »Spieli·s einen Tusch, es gibt ein Mords gaudi!« Alles redte die Köpfe. Mariantte aber ward leichensahl. »Da hast ihn, deinen Bausch, du elendigs Weibsbild. du miserabligs!« Mitten in die Weingläser hinein slog der silbergestickte Bausch, daß sie zerschellten und die Mädchen laut aus lreischten. »Da seht her ihr Leut’, was die dort gemacht! Jn die Zweige des Rasta nienbaumes hat sie den Bausch gewor fen, ich sand ihn eben. Rings am Rand sind Glufen iStectnadeln) ein gesteckt und Erbsen eingenäht, das muß nicht schlecht gestochen und ge drückt haben, Herrgott, das arm’ Schiis’l und hat zu den Schmerzen noch die Schand gehabt! Satirament geh naus, du dort, oder ich zeig dir, wo vder Zimmermann ’s Loch gemacht hat.'« Die Marianne aber war schon fort. scheu davongehuscht — ihr Spiel war verspielt Am Sonntage nach Fronleichnarn aber wurde ein nochmaliges Wasser lausen abgehalten und die Zenz war leicht Siegerin. Der Franz aber be stellte bald daraus das Ausgebot, daß er seine Sonnenwirihin bekomme, seine schüchterne, stillselige Zrnz, sein goldiges Schäfl, das immer warten hatte müssen aufs Glück, das ihm nun durch die Missethat der anderen so schnell in den Schoß gefallen. Eier historischeo Oel-its. Ein eigenartiges Schicksal ist einem alten Kriegsschisse der enalischen Ma rine, der Monat Adelaid", beschieden. Vor 102 Jahren wurde das Schiss in Plhmouth erbaut und vom Stapel ge lassen. Es hat ein Deplacemeni von 4200 Tonnen, ist 85 Meter lang und 14 Meter über der Wasserlinie hoch. Jn die englische Marine eingestellt, hatte es bald Geleaenheit, sich auszu zeichnen. Jn der Schlacht bei Trasals gar am 21. Oktober 1805, errang es ersten Lorboeren. Jn späteren Jahren wurde es ausrangirt und diente als Ponton Dann wurde es als Kaserne eingerichtet, erhielt 500 Stuben und war aus der Themse sta tionirt. Trotzdem die Ausstattung und die Austalelun sich noch in gutem und brauchbarem usiande besindet, ist »Rohal Adelaid« von der engli schen Admiralität an ein sran ösischez Haus in Düntirchen »aus bbruch« vertaust worden. Jst nun schon an und siir sich dieses Vorgehen der eng lischen Marinebehorde merkwürdig genug, daß sie ein einst stolzes Kriegs schiss, nur um einen gerin en Verdienst herauszuschlagew aus die e Weise dein Untergang geweiht, so muß die Hand lungjweise der Englander gerade ießt aanz bseonders bestemden Jn diesem Jahre tiistei man sich in England be kanntlich zu einer großen Nelsons Feier. Da hätte rnan doch wahrlich annehmen sollen, daß man einen ol chen ehrwürdigen Zeugen aus der it des beriihmten Seehelden schonen und erhalten würde. Fortschritt NRun wie weit ist Papa mit seinen stetigundem Moriß i« seßt dürsentz wir schon zusehentu