Die Graer von Bucyenan Roman von Jä. Z. Isa (9. Forts ung.) »Da muß ihm die oth schon iem lieh an den Kragen gegangen sein,« erwiderte er rauh. »Aber Du irrst, wenn Du glaubst, daß es bei ihm tie gehe. Ein Spieler, ein moralisch runtergetommener Mensch, wie der, bessert sieh nicht so im Handumdreheru Wenn den das Leben nicht noch ganz untertriegt, wenn ihn nicht irgend ein besonderes Ereigniß durch und durch rüttelt, dann wird nichts mehr aus ihm. An die Besserung alaube ich nicht. Doch genug von dem Vasa dunden! Jch verachte und hasse ihn mehr als je. Er ist der Mörder sei ner Mutter.« Dietrich erschrak über die Heftigteit des Grimmes und den unversiihnlich harten Ton, mit dem der alte Herr ge sprochen hatte und seufzend gab er die Zdee auf, die ihn während der ganzen ahrt lebhaft beschäftigt hatte. Die Kranke begrüßte den Eintre tenden mit schwachem Lächeln. Jhr Athem ging mühsam. Auch sonst war eine erschreckende Veränderung in ihr voraeganaen. Ihr Antlitt war geister haft bleich, fast durchsichtig. Jhre Hände hatten fast völlig das Fleisch verloren und schienen nur noch aus Knochen und Sehnen zu bestehen. Jhre Augen lagen lief in den Höhlen und blickten matt und fast glanzlos. Erschüttert sank Tietrich vor dem Bett in seine Kniee. »Mein-e arme, arme Marna!« stam melte er, mühsam seine Thränen zu rückhaltend. Die Hand der Greisin strich lieb tosend über das Haupt des Knieen den. Und nun heftete sie den Blick auf ihn fragend, flehend inangstvoller, unruhedoller Spannung. Dietrich er hob sich. Der alte Graf stand zur Seite des Bettes und hatte eine Medi zinflasche von dem Nachttisch genom me1:, deren Etitette er angelegentlich betrachtete. »Papa!' klunerte Dietrtch otrreno und machte dem Aufblickenden ein stumme-T flehendes Zeichen. Der Gras zauderte einen Moment Dann zuckte er mit den Schultern und verließ schweigend das Zimmer· Dietrich beugte sich zugleich zu der Kranken hinab und legte feinen Mund an ihr Ohr. »Er läßt Dich grüßen —- Bodo,« wiiperte er ihr zu, »und sendet Dir durch mich seine Bitte um Verzeihung Es geht ihm gut, ich habe ihm eine Fntzellung verschafft. Er arbeitet ei tg.« Ein Lächeln strahlte ilber das einge suntene Gesicht, ihre zitternden hände kalteten sich, und ein leuchtender Blick log zur Decke empor. »Dast Du es ihm schon gesagt?" fliisterte sie nun, nach der Thür blickend. durch die der Graf ver schwunden war. Dietrich nicktr. «Und was —- was sagt er?" Eine martrrvolle Spannung malte sich in den Zügen der Kranken. Dietrich blickte schweigend zu Bo den. Dann kam es wie ein Verzweif lungsausbruch aus der teuchenden, röchelnden Brust der Kranken heraus: »Ach, wenn ich ihn doch noch einmal sehen tönnte!«— Und plötzlich brach sie in ein fas sungsloses, trampfartiges Schluchzen aus. »Ich kann nicht eher sterben,« jam merte sie. Dietrich stand neben dem Bett, biß sich die Lippen wund, und heiße und ialte Schauer durchrieselten ihn. End lich konnte er es nicht mehr ertragen. »Sei ruhig, Mama,« sagte er, sich liebevoll über sie beugend. »Ich bringe ihn Dir-« Er lehrte schnurstracks zu seinem Vater zurück, bleich. mit entschlossener Miene trat er vor den alten Grafen. Schlicht, in tnapuen Worten berichtete er. Kein bittendes, überredendes Wort fügte er hinzu, nur die kurze Ertlärun : »Den gez-innrer kann ich nicht mit ansehen. Ich reife wieder ab, Papa!« Da gin ein Schrecken durch die hohe, breit chultrige Gestalt des alten ; es war wie ein Aufbäumenz in den gefurchten, stolzen Zügen ar beitete es und wählte es; feine hände Eil-Ren sich und ballten sich zu Fäu n. Seine Lippen zuckten heftig — es war wie ein letztes Sträuben. Und arm exdlich stießen sie die Worte hastig rau : »Gut, laß ihn kommen! Depeschire ihm! Dem Mutterhetzen soll sein Recht werden. Mc Frauen sind eben nat anderem Teig wie wir Männer. Führe ihn zu ihr, wenn er da ist, und spedire ihn dann wieder nach dem Bahnbosi Ich werde mir so lange Zimwekartest auferlegen.« Diettich warf mit fliegender Feder ein kurzes Telegeamtn auf ein Blatt Papier nnd sandte die Deutsche nn verzijglich mit reitendem Boten nach der nächsten Eisnbahnsiation. Da rauf eilte et zu seiner Mutter zurück. -»Et Muth tief er ihr schon von der Thür aus zu. J - Als et daran vor ihrem Bette ; sinnst-, faßte sie seine band mit - tramvfhnftem Druck. Aber die Ruhe, die Mein-ich von seiner Botschaft für die trante Mutter erhofft hatte, trat nicht ein. Jm Gegentheil. ihre ner vöse Erregung stieg von Viertelstunde zu Viertelstunde. Unruhig warf sie sich in ihren Kissen. Eine innere Angst verzerrte ihre Züge. »Nur jeßt nicht sterben, jetzt nicht sterben!« jamerte sie wiederholt. Die Athemnoth nahm einen so be ängstigenden Charakter an. daß Piet rich erschrocken seinen Vater rief. Auch der alte Graf entseßte sich, er kannte diesen Zustand, und eilends gab er den Auftrag, dn Arzt zu ho len. Doch ehe dieser auf dem Schloß eintraf, stellte sich der gefürchtete Herztrampf ein. Der Anfall war diesmal so heftig, daß der Gras fürchtete, die Kranke würde ihm un-« »te: den händen sterben. Aber der Anfall ging vorüber, sei es, daß die t Arznei half, die der Arzt, der endlich au Schloß Buchenau anlangte, mit sge acht hatte, sei es, daß der Wille E der Kranken, die nicht sterben wollte, ohne ihren Lieblingssohn noch ein mal zu sehen, die Seele noch in dem brechlichen Körper zurückhielt. reilich, zu Tode erschöpft lag sie re gungslos, die Augen in fieberischer Unruhe nach der Thür richtend und von Zeit zu Zeit zusammenzuckend, so oft ein lauteres Geräusch vom Hofe hereindrang. Endlich hörte man einen Wagen im stärksten Trabe heranrollen; der alte Graf, der an dem Bett der Kranken saß, fuhr in die Höhe und entfernte sich. Dietrich folgte ihm, um wenige Setunden später mit Bodo zurückzu kehren. - Der Anblick des bleichen Gesichts, über dem bereits die Schatten des ; Todes schwebten, machten doch einen ;iiberw-«iltigenden Eindruck auf den ILeichtsinnigem Er verfärbte sich bef Itig, seine Züge verzerrten sich, und die This-Einen stürzten ihm unaufhalt sam aus den Augen, während er er Jxchiikttert vor dem Bett in die Knie an . Die Sterbende aber machte eine .schwache Bewegung mit der Hand » und deutete ihm an, näher zu ihr heranzukommen Und so richtete sich ; Bodo wieder auf und heuate sich über « seine Mutter, und sie sah ihn aus un mittelbarer Nähe an und liebloste mit ihren zitternden Händen sein Gesicht. Und dann kam ein leises Flüstern von ihren Lippen: «Popa!« Der Arzt winkte und flüsterte dem jüngtwt Sohn ein paar Worte ins Ohr. Dietrich eilte hinaus und kehrte mit dem Grasen zurück. Bodo hatte sich bei dem Eintritt des alten herrn straff in die Höhe gerichtet; de müthig trat er ihm entgegen. Aber der Gras schritt an ihm vorüber, den Blick starr geradeaus gerichtet, als ob er ihn überhaupt nicht bemerke. »Wie fühlst Du Dich, Dota?« fra te er und neigte sich zu der Ster ben n hinab. Sie ergriff mit einer letzten Kraftanstrengung seine hand. Zugleich flüsterte sie den Namen ihres ältesten Sohnes und als derselbe her zugetreten war,« erfaßte sie auch seine Hand und leate sie in die ihres Gat ten. Dann sank ihr das Haupt schwach zurück, und ein lentes tiefes Athemholen hob die röehelnde Brust. Mit einem Ruck riß der alte Graf seine Hand aus der des verlorenen Sohnes. Dann strich er leise über die Au en der Entschloseren und ver sentte Fugen-ich einmal rnit allen Sin nen in n Anblick der stillgeworde nen, starren Züge. Dietrich war in seine Knie gesun ten; er küßte die schlaff herabhängen de hand der Verhliehenen und netzte sie rnit seinen Thränen. Bodo hatte sich an das kußende des Bettes zurückgezvgen. -r ver schränkte seine beiden Arme auf der hochragenden, geschnitzten Rückwand des Bettgeftelles, drückte sein Antlih darauf und weinte bitterlich Siebzehntes Kapitel. Arn andern Morgen in aller Frühe trat ein Diener in Bodos Schlasziw mer. »Es ist angespannt, Herr Graf.« Vodo rieb sich verwundert und gäh nend die Augen. «Angespannt? Wozu?« »Der herr Graf wollten doch heute zur Eisenbahnftation zurück, um ah ; Preisen Der herr Gras, Jhr here . f Feuer-, hat selbst das Anspannen he o .« ! Bedo biß sich auf die Lippen. Er ; verstand jetzt. Sein Vater war un i versöhnlich. Die Szene am Sterbe lbette hatte seinen Groll nicht gebro i chen. Der Unerbittliche wies ihn auf l diese Weise abermals aus dem Laufe hinaus. Seufzen-d kleidete er si an. Jhm war zu Muthe, wie Jemandem, der aus lichter Höhe in eine gräßliche Tiefe stürzt. Schon hatte er ge glaubt, da er nun im Schloß in Gnaden an genommen und geborgen sei und nun mußte er in die schenk liche Schreiberflube zurück. Dietrich blieb natürlich zur Beer digung; auch Franziska traf rechtzei tig im Trauerhaule ein« um ihrer verstorbenen Schwiegermutter die F leste Ehre zu erweisen, ebenso wie der Kammerherr Baron von Glümers Rottenseld und seine Gattin, die un mittelbar nach dem Begiilärtig nach Verlin zurückkeher , le und Zanzisla traten zwei Tage später die imreise an, während der alte here einsam urüclblieb, um die Zinsen sür die au genommenen Hypotheken her aus uwirthschasten. lles lam somit wieder in das alte Geleise, nur mit Bodo schien eine Ver änderung vorzugehen. Er erschien nur noch selten des Abends einmal VI Besuch in der Wohnung seines ruders. Und wenn er kam, lag et was Unruhi es, Scheue3, Nervöses in seinem Besen Er sprach ni i mehr von dem neuer-wählten Bru, von dem er sonst immer allerlei Ern stes und Humoristisches mitzutheilen gewußt hatte, und seine Besuche lürzte er ab, soweit es die Schicklich keit irgend zuließ. Schließlich kam er überhaupt nicht mehr. Als vier zehn Tage nach seinem letzten Besuche verstrichen waren, sina Dietrich an, beunruhigt zu werden und er beschloß den Justizrath auszusuchen, um sich über Bodo zu erkundigen Aber noch ehe er diesen Entschluß ausgeführt, wurde Dietrich von dem Justizrath telephonisch angerufen. Er ——— der Justizrath —- bitte in einer Privat angelegenheit um des Kollegen Be such. Voll trüber Ahnung machte sich Dietrich gegen Abend aus den Weg Der Justizrath empfing ihn mit ern stem Gesicht. »Ja meinem Bedauern muß ich Jhnen mittheilen,« nahm er ohne Um schweise das Wort, »daß ich Jhren sBruder heute habe sortschicken müs en.« Dietrich erblaßte. »Hm er sich etwas zu Schulden kommen lassen?« stammelte er er schreckt. Der Justizrath lächelte sarlastisch. »Im Grunde genommen,« antwor tete er, »ist es nichts so sehr Schlim me5. Jch will es unlauteren Wett bewerb nennen. Mancher würde es ihm sogar zum Lohe anrechnen und es als Gewandibeit. Selbstitändias teitsdrang und regen Geschäftssinn bezeichnen. Um es turz zu sagen: er hat meine Klienten, die er in mei nem Bureau kennen geiernt, aufge sucht und ihnen bei lleinen Zivilprog zefsen seine fachmännischen Dienste angeboten. Er arbeite viel billiger als ich und mindestens ebenso gut. Es haben sich auch richtig einige meiner Mandanten bereit finden lassen, ihm Aufträge zu ertheilen. Er hat aller lei Schriftfiitze ausgearbeitet: Klagen und Eingaben angefertigt. Jedoch. wie es scheint, nicht immer zur Fu ftiedenbeit seiner Austragge er. Schließlich beschwerte sich einer dersel ben bei meinem Bureauvorsteher und so lam auch mir die Sache zu Ohren. Sie begreifen, lieber Kollege, daß ich der Ordnung wegen und urn meiner übrigen Schreiber willen das böse Beispiel nicht dulden durfte.« « Dietrich schiimte sich für seinen Bruder, der nicht nur sich selbst, son dern auch ihn bloßgestellt hatte. Die skeptiiche Aeußerunq seines Vaters, der nicht an die Besserung des Leicht sinnigen hatte glauben wollen, tam ihm ins Gedächtniß. Noch an demselben Abend suchte er den Uebelthiiter auf. Jn einem Hinterhaufe der Wil mersdorferftrasze bewohnte er ein ein faches Chambregarnie bei einer armen Wittwe. Ein sehr nett aetleidetes junges Mädchen, wahrscheinlich die Tochter der Wirthin. öffnete dem Klingelnderh Ein paar kokette dunkle Augen blitzten ihm an. « wohl, der herr Graf ist zu Hau e,« antwortete sie auf seine Fra ge, das Prädikat «Graf« mit unver tennbatee Genugthuung betonend. Offfenbar that sie sich etwas zu gut au den hohen Rang ihres Chambre garnisten. Dietrich fand den Bruder durchaus nicht in der zerknirfchten Stimmung, die er bei ihm, nach dem, was gesche hen, vorausgeseyt hatte. Auf Piet «richts Vorwürfe zuckte er nachliissig mit den Achseln und ertlärte trottim J »Meine Schuld ist es nicht. Bei vier zig Mark monatiich ist man doch auf einen Nebenverdienst angewiesen.« »Aber habe ich Dir denn nicht einen Zuschuß gegeben!" wandteDietrich er ziirnt ein. »Man muß sich eben ein richten mit dein, was man bat. Was wirst Du denn nun anfanaen?" Bedo zeigte eine sehr selbstbewußte Miene. »DeSHalb sei nur unbesorgt! Jch habe viel was Besseres in Aussicht. Denkst Du, das war init nicht pein lich? Also, ich habe im Bureau gele gentlich einen Stallineistee kennen elernt, der iin Tatteisall ain Kur Fiirstendamni angestellt ist. Der will mir eine Anstellung verschaffen. Da bin ich denn doch wieder in meinem Element. Als Schreiber tau e ich nicht. Ich habe kein Sitzsleis . Du weißt, ich Kavallerist bin mit Leib und f-eele. Ich meine, man darf seiner Natur nicht Gewalt antbun, sondern muß in erster Linie seinen Fähigkeiten gemäß leben und wir enDie-nich war nicht in dee Stirn muna, sich mit dein Leichtsinnigeii in einen phliosopbisch angebauchten Dispuk einzulassen Er zuckte ini den Achseln u. ging. Die-mal schien Bedo nicht qevrahlt zu haben, denn schon nach acht Ia en erschien et ei nes Abends bei s neni Baader, um triumpbirend mitzuiheilen, daß er iin Tattersall als Reitlehree ange stellt sei niit einein Anfangsgehalt un 120 Mark mpnatlich. Dabei stän den ihm von seinen Schillern die durchweg vornehme Leute seien, hohe Rebeneinnahmen in Aussicht. Ban kiers-Söhne, Studenten, junge u rtsien, Künstler und allerlei re che Ausliinder seien darunter und er — Bodo—siihle sich gliiellich in seinem Berufe, der ihn mit Leuten von Bil dung und Rang in Berührung bringe. Bodo hatte nicht zu viel gesagt das entnahm Dietrich mit Sicherheit dem Umstand, daß Bodo sich gar nicht mehr sehen ließ und sich auch den mo natlichen Zuschuß, den er ihm bisher gegeben, nicht abholte. Da er aber eingedenk des seiner Mutter gegebe nen Versprechens es fiir seine Pflicht hielt, sich um Bodo zu kümmern, so begab er sich wieder eines Abends nach der Wilmersdorserstraße. Diesmal öffnet ihm eine alte, einfach gekleidete Frau. · »Der here Graf ist nicht zu hau se,« beschied sie. Dietrich stand verlegen in der ge öffneten Thür. »Ich möchte ein paar Zeilen hinter lassen,« sagte er endlich. »Ich finde wohl im Zimmer des Grafen Papier und Feder.« Aber die alte Frau machte teine Miene, ihm Eintritt zu gewähren. Jn sichtlicher Verlegenheit stand sie aus der Schwelle zwischen dem Korridor und dem Einlaßbegebrenden. »Ich weiß nicht,« sagte sie zögernd. »Ich tenne Sie ja doch gar nicht.« »Ich bin der Bruder Jhres Mie thers,'« entgegnete Dietrich lächelnd. »Sie können mich getrost einlassen.« Jn diesem Augenblick ging die Thitr des Zimmer-s auf, in dem Dietrich sei nen Bruder schon einmal gesprochen hatte, und das junge Mädchen, das ihm bei seinem ersten Besuch die Thitr geöffnet, trat in den Korridor hinaus. »Was giebt es denn» Mutter?« fragte sie Die Frau berichtete. Das junge Mädchen lächelte Dietrich freundlich wie einen alten Bekannten an. »Jawohl, ich tenne ja den Herrn Grasen," sagte sie sogleich bereitwillig. Gewiß doch! Bitte nur naher zu tre ten, Herr Graf! Jch begreise nichts Mutter, warum Du den Hern Grafen noch so lange warten läßt« Damit eilte sie, sich totett in den Hüften wieaend, voran, öffnete die Thür von Bodo’s Zimmer vollends und rief einen Namen hinein: «Paul!" Ein junger Mensch erschien, schwer fällig und langsam herausstapfend Die alte Frau hielt eine Lampe in der i Hand, und da tonnte Diettich den Fremden, der sichs in Bodo’s Zimmer L 4 i i i bequem gemacht zu haben schien, ge- i nau in Augenschein nehmen. Es war ein Bursche von etwa fünsundzwanzig Jahren in Arbeitertleidung. Er trug I eine Blouse. die Spuren von Oel und sonstigen Flecken aufwies, wie sie Schlosser zu tragen pflegen. Auf dem Kopfe saß ihm schief auf einem Ohr eine Schirmmütze, an der er beim An blick des Eintretenden nachlässig rückte. Ein paar dunkle, dreift blickende Av gen und ein ausgedunsenes, start ge röthetes Gesicht, sowie der scharfe Schnapsgeruch den er um sich verbrei- 1 tete machten seine Erscheinung nicht! gerade zu einer anziehenden Es isi » nur mein Bruders ertliirte das junge Mädchen und öffnete die eine der an deren beiden in den Korridot münden den Thiiren, durch die der Bursche der schwand. Dann nahm sie ihrer Mut ter die Lampe ab und leuchtete Dietrich . in Bot-» Zimmer hinein. » »Bitte, bedienen Sie sich,« sagte sie und stellte die Lampe aus einen alten Schreibseiretiir. der am Fenster stand. « Dietrich hatte bei seinem Eintritt bemerkt, daß aus dem Tisch arn Sosa » ein halbes Dutzend Bierslaschen und· zwei noch halbvolle Gläser standen. l Doch er achtete nicht weiter darauf.» Daß die Vermiether in Abwesenheit ’ ihres Miethers sein Zimmer benutztem » war ja besonders in so ileinen Betst höltnissen nichts Aussallendes. s Rasch warf er ein paar Zeilen an s Bodo auf's Papier. Dann empfahl er sich. von dem jungen Mädchen bis zur Korridorthür geleitet. Als er sich noch einmal zu einem Abschiedsgruß umwandie, bemertte er, daß sie auf fallend viel Geschmeide trug: Ohr ringe mit bunt schillerndem Opal, ; breite goldene Armtetten und verschie dene Ringe, darunter sogar einen blitzenden Brillanten. Waren es Ge schenke ihres Bruders? Kaum! Un willtiirlich schoß ihm der Gedanke an Bodo durch den Kopf und eine wid rige Empfindung ging in ihm auf. Der Gruß, mit dem er fich verabschie dete, fiel kurz und tühl aus, trotz des freundlichen Lächelns und des zierli chen Knier, mit dem das junge Mäd chen ihn bedachte. Bodo aber ließ trotz Dietrich’s schriftlicher Bitte nichts von sich hö ren. Bittere und traurige Gedanken suchten Dietrich heim. Lebte denn in I dem Leichtsinnigen tein Familiensinn J mehr, kein brüderlicheö Gefühl? tät-J innerte er sich denn feiner Angehöri· s gen nur, wenn er sich in Noth befand j und auf ihre hülfe angewiesen wart » Es schien, als fet Bodo wieder einmal J auf eine abschiissige Bahn gerathen; und all ersticke sein Leichtsinn, fein! bang nach leichten Vergnügungen jede ! bessere Regung in ihm. War dennj die etschiitternde Scene am Strebt-H bette seiner Mutter ohne jeden tieferen z Eindruck auf ihn gebliebent ( Wochen vergingen und drei Monate waren seit Vodos Anstellung als Reitlehrer im Tatterfall verstrichen, aliDietrich seinem Bruder endlich ein mal aus der Straße begegnete. Es war am späten Abend. Dietrich war mit der Stadtbahn aus Berlin zurück eiehrt, als unweit der Station Da enfee ein lustiges Pärchen seinen Weg treuzte. Es war ein fehr elegant ge tleideter Herr in flottem, lurzem Ue berzieher, den eleganten, fpiegelblan ten Zhlinder keck auf eine Seite ge rückt, der vor ihm herschritt und seinen Arm vertraulich in den einer nicht minder elegant gekleideten Dame ge fteckt hatte, mit der er lebhaft blau derte und lachte. An dem Eingangs thor eines bekannten fashionablen Tanzsalons schwenkten sie von der Straße ab, und hier erkannte auch Dietrich die beiden Tanzluftigen. Bo do war es, und feine Begleiterin war niemand anders, als seine freundliche Wirthstochter, die offenbar mit dem Chambregarniften ihrer Mutter auf fehr vertrautem Fuße stand. Den wie erstarrt Dastehenden über rieselte es heiß. Woher nahm Bodo die Mittel zu seinem flotten Leben und zu den kostbaren Geschenken, die er seiner Geliebten offenbar gemacht hatte? ! AchtzehntesKapiteL ! Es war vierzehn Tage später, als ’die Berliner Zeitungen den Bericht »von einem senfationellen Morde brachten, den Dietrich mit um so grö Jßerern Interesse las, als darin der Name seines Bruders vertreten war. jDer Zeitungsbericht lautete: J »Geftern Nachmittag ist der Grum ’wald der Schauplatz eines jener chhändlichen Verbrechen geworden, die die Einwohner von Berlin und Um gegend nur zu oft in Schrecken und Angst versehen. Der Reitlehrer an dem bekannten Jnftitut Tatterfall, Graf Bodo von Buchenau, war mit einem seiner Eleven, dem reichen jun gen Amerilaner Mr. Watfon in den Grunewald geritten. Sie befanden sich schon auf dem Heimwege, als auf dem Wege zwischen Panlsborn und Halenfee dem jungen Amerilaner das Mißaeschick beaegnete, daf; seinem Pferde der Sattelgurt platzte nnd zwar derart, daß eine Revaratur an Ort und Stelle sich nicht beweriftexli en ließ. Graf Buchenau men eg sur s zweckmäßigste, ohne erst Zeit mit vergeblichen Versuchen in der Nach barschaft zu vertrödeln, nach dem Stall des ja nicht allzusern am Kur fürstendamm gelegenen Instituts zurückzureiten, um Ersatz zu holen. Mr. Watson blieb indeß bei dem Pferde zurück. Als der Graf unge fähr eine halbe Stunde später zu rückkehrte, war das Pferd verschwun den, seinen Schüler aber fand der Reitlehrer todt an der etwas einsam gelegenen Stelle des um diese Jah reszeit und bei dem unfreundlichen Wetter, das gestern herrschte, über haupt nicht fo sehr besuchten Grum waldes. Jede Spur von Leben war bereits aus dem Körper des Unglück lichen entflohen. Die Züge waren gräßlich verzerrt vorn Todeskampf, tm Rock des Todten mit Blut besu delt. Graf Buchenau war natürlich aufs Aeußerste erschrocken, den jun n Mann, den er so kurze Zeit vor r frisch und munter, über seinen kleinen Unfall scherzend verlassen, nun starr und für immer stumm wie der ufinden. Der Entsetzte ließ sich ni die Zeit zur Untersuchung, nur den ein etretenen Tod tonstattrte er chnell, nn eilte er zu Pferde nach m Amtsbureau halensee. Der Amtsvorsteher, ein Protokollfiihrer und ein Arzt begaben sich mit dem Reitlehrer an die Stelle des Verbre chenb. Die beeren tonstatirten, dasz ein Raubmord vorlag. Uhr, Ringe, Krawattennadeh Portemon naie und eine Brieftasche, die der Ameritaner nach Auss «;1e des Gra fen bet sich getragen, fehlten. Der Tod war durch einen Schuß in die Brust herbei esiihrt worden. Von dem Thäter ifehlt vorläufig noch jede Spur.« Dietrich fühlte sich bei der Lettiire dieser Zeitungsnachricht mehr erschüt tert als von den Berichten ähnlicher Verbrechen, gegen die ja der Großstiids ter allmählich eine gewisse Unent «pfindlichtett erlangt. In den Ab » scheu, den ihm das emeine Verbrechen etnflößte, mischte si die peinliche Em pfindung, feinen Iamilionnamen in Verbindun mit einem so fcheußlichen Bilde men chlicher Brutalität genannt und zugleich seinen Bruder vor der Oeffentlichteit als »Deilafsirten,« als einen aus der üblichen Lebens bahn Entgleisten gleichsam gewand martt zu stehen« Wie schwer würde sein Vater er empfinden! Am Abend erwartete Dietrich be stimmt den Besuch seines· Bruders. Die-mal täuschte ihn seine Erwar tung nicht. Bodo erschien, allerdings erst in ziemlich voraeriictter Abend stunde, blaß und verliert. Franzis ka begrüßte ihn freundlich, mit einer gewissen Theilnahme, während ihm Dielrich mit einer verhaltenen Em pfindlichleil begegnete. Aber Bedo war viel zu aufgeregt, als daß er da rauf acht gegeben hätte. »Mir liegt der Schreck noch in den Gliedern,« erzählte er. »Es war furchtbar!« Er schlug schaudernd die Hände vor sein Gesicht, um sie im nächsten Atmen blick wieder sinken zu lassen und mit nervöier Lebhaittgleit iortzufahrem »Er war mein Lieblingsschiiler. ein hübscher, lebenöfrolzer junger Mann, dabei Gen.tleman vom Scheitel bis zur Sohle. Bierundznianzig äuhre alt, reiz, sehr reich, der einzige : seiner ltern, und muß nun- auf o gemeine, hundsfottische Art ums Le ben iommeni« »Aber hat man keine Ahnung, wer der Thäter gewesen fein tönntei« warx der Rechtsanwalt ein, den der Vor all von der juristischen Seite zu tnteresfiren anfing. . »Nicht die mindeste, war doch bck der That Niemand zuge n, als der Verbrecher und sein Ob er. Diesem aber war leider der Mund schon fiir immer geschlossen, als ich eintraf.« »Dann ist allerdings wenig Aus sicht, daß man dem Thäter auf die Spur iommt.« »Seht wenig, so gut wie leine," erwiderte Bodo lebhaft. »Ich bin der Ueberzeugung, daß der Verbrecher nie entdeckt werden wird-« »Das will ich nicht sagen,« versette Dietrich. »Der Zufall spielt oft wun derbar, und wenn auch die Behörd: wenig Anhalt hat, die Erfahrunci lehrt, daß Verbrecher mit einer f schweren Schuld auf dem Gewissen oft in der blumpften Weise sich selbst verrathen.« »Meinst Dai« »Gewiß. Zum Beispiel hat man schon mehrfach die merkwürdige Be obachtung gemacht, daß es den Mör der oft mit magnetischer Kraft nach dem Schauplatz feines Berbrechens zieht, daß er den Thatort schen und doch unwiderstehlich angezogen um lreist und mit Vorliebe sich mit an dern über die Mordthat unterhält.« Bodo lachte schrill auf. »Das wäre allerdings das Dumm ste, was solch ein Mensch thun iönnte!« Er reckte sich und unterdrückte mit Mühe ein Gähnen »Herrgott. bin ich müde!« sagte er zur Entschuldigung »Der Schreck, der furchtbare Schreeit Und dann die wiederholten Verböre. Jch lomme direit vom Berliner Polizeipräsidinm. Ein Polizeitommissar hat mich wohl iiber eine Stunde auggefragt, die Kreuz und Quer, bis mir zuletzt ganz wirbelig war.« Bald darauf brach Bodo auf. Er fah wirklich ganz verstört aus; der Eindruck des Erlebten schien in allen seinen Nerven noch nachzuzitterrn Gortfetzung folgi.) HOM sub dem Thier-lauen Zu der erörterten Frage, ob Füchse sischen, schreibt Herr KühnesPeelis bei Friedeberg, Neumarl, im Wild und Hund Folgendes »Zwei Begeben heiten sind mir erinnerlich, über die ich Bericht geben möchte. Mein Vater war in der Uclermart Beamter-. Das Revier umsaßte 3500 Morgen und war mit Füchsen gesegnet; alles an dere Raubgesindel war nicht minder start vertreten. Der Pfingstsonntag tam, und mit ihm der Tag. an dem das erste Fuchsgeheck gegraben wurde. Der ausgedehnte Bau lag in dem sog. Teufengrund am Dolgensee. Am Waldrand wurde Halt gemacht, alles Ueberflüssige abgelegt, und auf leisen Sohlen ging es vorwärts. Ein drols liges Bild wurde uns zu theilt Die Fähe saß vor dem hauptthor, hatte einen 5 Pfund schweren Aal im Fang und ieckertr. Bier von den rothen Räubern wälzten sich im Knäuel um die Alte, den leckeren Bissen zu erha schen. Nach den ersten zwei Schüssen war die Situation eine andere. Die Fähe und zwei siarle, junge Rüden blieben im Feuer, und rnit erster-er der schmucke Aal, der ant nächsten Tage den Mittagstisch zierte. Der Dolaens see liegt nur 2—300 Schritt vom Bau entfernt, und war der Fuchs wohl ein gerissener Fischer, denn vor und in dem Bau lagen Fischabsiille in großer Zahl Der zweite Fall beweist das Fischen des Fuchses noch trasier. Es war An fangs März, die Hechte laichten und Reinecke mußte das auch wissen, denn ich hatte den Burschen schon etliche Abende am Grabenrand schen sehen; warum er sich dort aushielt, war mir ein RäthseL Eines Morgens, es war ein sonniger, warmer, sebe ich, wie Urian vom Grabenbord ins Wasser springt. An einen Selbstmoed glaubte ich nicht, wurde auch bald eines Besse ren belehrt; denn Reinele patschte ais Land, schüttelte sich wie ein lHund und machte sich mit einem Hecht im Fan gemüthlich aus die Sohlen. Woh acht Tage hat er dort gesischt ohne Fischtarte und Erlaubnißschein. dabei war der Kunde von einer rasinirten Schlauheit und Frechheit. Zweimal sengte ich aus 150 Gänge vorbei, im mer lam der Gauner wieder. Der Krug geht so lange zu Wasser« bis er bricht: die dritte Kugel saß. All ich zum Anschuß tam, war der Fuchs verendet, den 1X34 Pfund schweren Hecht im Fang haltend.« W Ueber die schlechten Zeilen wird ane meisten in den Wirthshäusern ge schmpr « « « Wer wird bei der schwedifch-norwe Zischen Scheidung die Alitnente zu zahlen haben? i e- e »Al)ee Mama. jll der Onkel Jobn ungebildet, der führt ja fortwährend das Messer in den Mund.« —- Mut-l Liebling, der Onkel Jolm isl lo rei . daß er sogar mit der Kohlenlchqnfei essen kann. wenns ihm Spaß mael,-l.«