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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Aug. 11, 1905)
No. 167. Well," ich sm froh daß der Phi lipp- w a S mein Oosband is, mit-der fort is. Jch kann hne sage, der eller bot mich m e h r Truhel gemacht in die paar Stunde wo er hier war, ace wie ich Jhne in e halwes Jahr setziihir kann. Die Geschichte mit seine Schnuffbackö hen ich Jhne verzähli. Er hot off Kohrs geilehmt, daß er do nii hätt helfe könne. awwer ich blehme Niemand for wie ihn selbst. For wa-« rum hot er so e böses HäbbitJ Well, « die Farmersleut sin arig gutneischerte Piebels un se hen den Tschohk arig in scheut un for den Riesen hen se auch kein Faß gerehst. Awwer wie mer am Obend die frische Milch kriegt hen, so is es Boiiermilch gewese. Die Länd lehdie hot gesagt, das Schniese un die ganze Eclleitemeni wär en zu große: Sttehn for die Kaus gewese un for den Riesen derft mer da nit zu periicie ler sein. Well, der Phil hot for e gan ze Weil arig daunhartet gefühlt un es hat e paar Battele Wein genomme, bis er widder e wenig Korretsch uffgepickt gehabt hock. Die Ländlehdie hot die Mennfohis gefragt iwwer Sonndag auf die Form zu stehn. Der Phil war gleich rettig, answer der Wedeszweiler hot gesagt, er derft den Sonndags Trehd nit misse. Er hot die Landw die ecksplehnt, daß Sonndags alle Saluhns gelackt sein müßte un das wär der Riesen, daß die Piebels Sonndags en größere Dorscht hätte, wie an einigem annere Dag. Er deht dann for e paar Freunde zu eiarnme dehte dorch die SeitdorhrBißneß duhn un er könnt nit gut erfordern seine Kostiemer vor den Kopp zu stoße. Do hot die Wedesweilern gesagt: »Du solltest eschehmt fein. Wann du fiwwe Dag in die WcchBijzneß duhn mußt, for unser biß’che Lewe zu mache, dann duhst hu besser ausvertaufr. Deine Koftiemersch solle am Samstag e we nig mehr Bier drinte, daß se bis iwwer den Sonndag genug hen. Du host ja heut Help gehabt, un ich denke, der Feller kann auch grad so gut emol Sonntag da bleiwe. Jch will, daß du hier stehst un wann du· es mt duhst, dann sin mir zwei geschiedene Leut un du brauchst nie nit mehr e Wort zu mich zu spreche. Dann kannst du auch dein Frielonsch selbst ficksr. »Da hot der Wedesweiler gesagt, ahlrecht, ich stehn hier. Die Mennfohts hen dann ausgemacht, daß se die Nacht im Freie schlofe wollte, bitahsle wäre auch froh, wann se emol e wenig Luft genieße könnte. Se hen sich dorch gar nicks davon abbringe lasse. Well, ich hen nicts drum gewwe, wo se geschlofe hen, es war doch enniweg emol e wenig e Tschehnsch bitahs wann mer immer so alleins is, dann fühlt mer doch lohnlom. Well, mer hen den Obend noch e ganz gute Zeit gehabt un der Philipp is voll von Fonn gewese. Oft Kohro hot er auch plentie Drints gehabt un so bot der Wedesweiler un die Ländlehdie hot gesagt, to en lustige Bonsch hätt se in ihr ganzes Lewe noch nit gesehn. Die Buwe hen e große Zeit gehabt un hen gesagt, se dehte wifche ihr Pa deht immer da stehn. So bei un bei sin se ausgeteiert ge wese un ich hen se ins Bett gehn mache. Die Mennfohts hen gar nit dran ge denkt schlafe zu gehn, awtver schließ lich hot die Wedesweilern gesagt, Liszt-h hot se gesagt, ich dente mir gehn ins Bett, dann tönne die Mermi fohts so lang beisamme hocke wie se wolle. Jch hen denselwe Weg gefühlt un do tin mer dann auch gange. Zu den Philipp den ich gesagt, er soll mich nor lein Unsinn mache un soll sich so bald wie möglich schlofe lege. Schar Ding hot et gesagt, awwer ich hen ge wüszt, daß er nit ans schlofe denle deht so lang er noch en Droippe zu drinle hätt. Jch hen wenigstens schon e Stand un e halb ins Bett gestocke, do den ich die zwei Felletsch noch tahle un singe hdke. Dann sin ich einge schlafe. Am nächste Morgen hen mer uns gedteszt un sin autseit un ich hen doch gewunnert, wo die zwei Fellersch geschlose hatte. Awwer mer den lein von se gesunne. Schuhe Ding den ich gedenkt, die Felletsch sin doch nach die Zittie gange un hen uns gesuhlt. Die Buwe den mit einem mal unnet den Aeppelttie den Philipp sein Hut ge sunne un e wenig weiter hot auch die Schnussbacks gelege. Dann hen se edbes von den Wedesweilet seineSache gesunne un in Föckt wo met hinguett hen hoi ebbes von die Kunne gelege. Do sin ich doch geschlehrt gewese, daß ich alliwwer geschiwweet den. Jch hen schuhk gedenlt, se wäre mehdie von Radbeesch sorigeschleppi worde. Die Wewweitem hot gesagt, ich sons· so lein Nonsens schtvätze, es müßt einer schon akig hart ab sein, wann er die Kanne steble deht. Well, mer den iwwekall for se gehont, owwet mer den se nit gesunnr. Die Ländlehdie hoi gesagt, do wär schuht ebbes ge häppend. Se bot all die Farinhänds antrete lasse un hot gefragt, ob se ntt zwei Schentelmänner gesehn hätte, wo verlore gange sin. Ro, hot einer ge sagt, Schmtelmänner hätt er keine ge sehn, atower er hätt e loppele Trämps gesehn-»we- in die Gollie liege dehte un schlose dehte. Wie ich das Wort Trämp gehört hen, do hot mich die Stimme der Naduhr gesagt: Das stn se! Wedesweilern, hen ich gesagt, die Trämps sin unsere Alte. Se hot ge schmeilt, awwer es war sotch e sicklie Schmeil un ich hen sehn könne, daß se doch nit so ganz schuhr war. Well mer sin nach den Gollie gange un das Ding war so stiep, daß ich puttinier enunner gefalle sin. Schuhr Ding, do hen zwei Fellersch gelege, ob se doht ware oder ob se blos geschlofe hen, das hen ich nit ausmache könne. Mer sin enunner gange un was wet’n Se denke, es war der Philipp un der We desweiler. Un geschlofe hen se, tu biet die Bänd. Wie mer se usfgeroeckt hatte, do hen se verzählt, daß se unner den alte Appeltrie gelege hätte un do hätte se uff emol ebbes muhfe sehn. Se sin hingange un ufs eemol sin se enunner gesterzt; es wär da unner awwer so schön luhl gewese, daß se ihren Meind uffgemacht hätte, da zu bleitve. Ei tell juh ausgeguckt hen se, . das war fiers, nit ein Gahrment war i ganz, ich hen mich geschehmt wie alles. i Jch duhn mische, die Fellersch wäre I schon gleich widdek heim gangr. Mit so Feger kann mer doch leine Ehr mit I einlege. Mit beste Riegards Yours Lizzie HansstengeL W Das Gewicht des Gern-lis. Von den seltsamen Vorgängen, die sich hei der Abgabe der Radiumstrah len vollziehen, hat man sich sehr man nigfaltige Vorstellungen gebildet, und aerade daraus läßt sich schon der Schluß ziehen, daß die richtige Lö sung noch nicht gefunden ist. Am ehesten tann man sich zu der Vermu thung bekennen, daß die Aue-strah ltingen aus dem Radium ähnlich vor such gehen wie die .1ussenoung des Geruch-s von einer Blüthe oder einem »andern natürlichen oder künstlichen -Riechstoss. Jeder, der überhaupt auch über die täglichen Erscheinungen in seiner Umgebung nachdentt, wird sich schon gesagt haben, daß in der Wahr nehmung eines Geruchs aus größere Entfernung von dem augsendenden Gegenstand ein seltsames Geheimniß liegt. Auch von der Rose, die vor uns, vielleicht in der Entfernung von drei Fuß, aus dem Tisch steht und deren Duft wir deutlich verspüren, muß eine Art von Strahlen oder Wellen ausgehen, die aber thatsächlich noch niemals beobachtet worden sind. Auch darin gleichen sich die beiden Phänomene, daß weder das Radium noch die Rose durch die Abgabe von Strahlen an Gewicht verliert. Die Rose ist allerdings ein leider recht vergöngliches Ding, aber man braucht ja nur einen andern Niechstofs zu neh men, z. B. Jodosorm und könnte mit ihm beliebig lange Experimente an stellen. Bisher war aber noch nie der Beweis erbracht worden, daß eine be stimmte Menge von Jodosorm durch die Abgabe des, wie jeder weiß, äu ßerst burchdringenden Geruch-Z leich ter geworden wöre. Es bleibt doch aber die am ehesten glaubliche Annah me, die Radiumstrahlen wie die Aus strahlung des Geruchs entstehe da durch, dasz winzige, siir das Auge auch bei stärkster Bewassnung nicht wahrnehmbare Massentheilchen von dem Körper ausgeschleudert werden. Unter dieser Voraussetzung berech nete Becauerel schon vor Jahren wirklich, daß ein Stück Radium durch die Strahlen in einer Million Jahren ein Milligramm Gewicht einbüßen würde. Jetzt hat der Altmeister der französischen Chemiter, Professor Berthelot, in einer Mittheilung an die Pariser Atademie derWissenschas ten auch die gegensätzlichen Untersu chungen ausgeführt, nämlich Messun aen des Gewichtsverlustes, den Riech ttoffe durch Abgabe ihres eigenthum lichen Geruchs erleiden. Er hat fest gestellt, daß ein Gramm Jodoform in einer Stunde ein Millionstel seines Gewichts verliert. Jn einem Jahre würde der Stoff dann 8760 mal mehr aber doch nur wenig mehr als den hundertsten Theil eines Milligramms abgeben. Es würde danach mehr als 114 Jahre dauern, bis ein einziges Milligramm Jodoform in »Riech strahlen« aufgebraucht worden ware. Dies Ergebnisz wird jeden in Erstau nen setzen, denn man tann es kaum fassen, daß eine so starke Wirkung wie der penetrante Geruch des Jodo forms mit einem so geringen Auf wand von Masse sollte unterhalten werden können. Trotzdem iit dae Jadaform noch nicht das eindriicklich ste Beispiel dieser Art, denn Berthos lot giebt an, daß es vorn Moses-us noch weit übertroffen wird, indem zum Aufgehen eines Milligramms dieses Stoffs siir Riechzwecle sogar fast 10(),000 Jahre nöthig sein sollen. --—--I.—--——— Die Gemeinheit sucht bei guten Tha ten nach schlechten, der Edelmuth bei schlechten Thaten nach guten Beweg gründen. « «- « Drei Kanonenboote und einen Tor pedo-Zerstiirer hat die Türkei deftekit i i i l i Sollte es der Sultan vielleicht auf den ! Rest der russischen Flotte abgesehen J haben. . — Ver schönste Tag seines Lebens Humoreske von D. v. Radler. «Bor Allem, lieber Herr Ostler Flor, müssen Sie sieh-eine andere Um gebung schaffen, wenn sie reussiren wol len. Jhr Vater ist schwerhörig, hat ei nen störenden Sprachfehler und brüllt trotzdem wie ein Zahnbrecher; den Kerl müssen« Sie ’rausschmeißen, sonst geht’s nicht; Jhre Mutter ist nicht ko misch genug, und im Affekt-pfeift und ratscht sie, wie ein Scheerenschleifer — auch der müssen Sie unbarmherzig den Laufpaß geben!« »Die zwei alten Leute sind schon so ilange bei mir«, säuselte Herr Ostler Flor. Dieser kurze, aber scharf pointirte Dialog hatte sich zwischen zwei in der Toilette nicht ganz salonfähigen Män nern in der Gemeindewirthgftube des kleinen, aber malerisch gelegenen Ge birgsdörfchen S. nächst der Residenz abgespielt. Eine Anzahl Bauern, die knapp ne ben den beiden, in ihr Gespräch tief versunkenen Fremdlingen saß und die ,,gotteslästerlichen« Reden des einen, der mit seinem struppigen schwarzen Vollbart wie das leibhaftige Geschwi steriind des Teufels aussah, gehört hatten, fingen bereits laut zu murren an, als ihre Aufmerksamkeit neuerlich durch weitere satanische Rathschläge des struppigen Eindringlings vollends in Anspruch genommen ward. ,,Jhre Liebhaberin, besterHerr Flor, ist keinen Schuß Pulver werth. An der wird Niemand ein Interesse fin den, besonders nicht die Herren Offi ziere. Mit der können Sie keine Ge schäfte machen, die müssen Sie auch» fortschicken! Mein Chef wird Jhnen in kürzester Zeit den besten Ersatz da für schicken.« Die Entriistung der harmlosen Landleute ob solcher niederträchtigen Einflüsterungen war groß und sie be wachten die »unl)eimlichen« Fremden, die leise weiter debattirten ,w«cihrend die Bauern um den ,,Herrn Gendar men« schicken, denn es war für sie eine s ausgemachte Sache, daß der Vollbärq tige ein Mödchenhändler, der anderes aber ein berabgekommener Lebemanns sei. Da nun aber der Arm der Ge-i rechtigleit auf sein Erscheinen zu lange ! warten ließ, und die beiden Erzgauner sich bereits zum Gehen anschickten, trat ihnen oer am yesrtgnen ausgebrachre Flammetsepp in den Weg und schrie: »Da bleib’n werd’s, bis der Gen oarm kommt! So behandelt’s ös Voda und Muada, die jed’S ehrliche Chri » stentind achten und ehren soll?! Und Du, alter Schimmel, Du muaßt a : Liebhaberin haben?! Na wart’s, ös « Stadtleut, wir werb’n Eng ’s Hand wert legen!« ,,Aber, liebe Leute«, begann ltteri vor Angst zitternde Ostler- Flor, »wir? sind ja ganz der Meinung von Euer! Hochwohlgeboren, aber Sie belieben uns mißverstanden zu haben Jch bin » nämlich Theaterbirettor und dieseri Herr ist der Beamte eines Theater-’ agenten, der mir tüchtige Schauspielers bringen soll, damit ich Euch nnd Eue- ; ren lieben Sommersrischlern ettvasi Lustiges vorspielen kann!« s Obwohl diese Erklärung einigerma ! ßen beruhigend auf die erregten Ge: ; mitther der naiven Dorsbewohner geil wirtt hatte tostete es dem alten Ko- j mödianten doch noch einige Mühe, die l Entrüsteten durch Vorweisung von Dolumenten, sowie durch sachlichel Auseinandersetzungen zu überzeugen» daß unter »Vater«, ,,Komische Mut s ter« und »Liebhaberin« nur die ein ’ zelnen Fächer gemeint seien, welche die betressenden Kunstjünger« gewöhnlich vorstellten ; Als bald darauf athemlos die hei j lige Hertnandad in Gestalt eines mar- s tialischen Gendarmen erschien, saszen sämmtliche Gäste der Wirthsstube ver söhnt, und dem Weine wacker zuspre ebenb, beisammen und unterhielten sich auss Beste. Die Bauern fanoen an oen vSchnur ren und Schnaclen, die der alte Fto n.i5dienmacher und sein Begleiter im provisirten, leblsaftes Gefallen nnd stellten «schlies3lich ihren vollziålsligeix Besuch im Kunsttempels Flors in Aussicht. Einige Tage später schon spielte die Gesellschaft des wackerenMeerschwein cheiphauptmannes Flor in der größ ten Scheune des Oertchens dem stets spärlich erschienenen, verehrten p. t. Publilum die gräßlichsten Schau-cl und Ritterstiictr. sowie die lustigsten, aber auch ehriviirdig ältesten Schwänte nnd Possen mit acht ganzen Künstlern vor. Die lebhaftesten Volksszenen a la Meininger wurden »in Briesen« ge bracht, das heis3t, sie fanden immer in l einem Expreßschreiben an den be drängten Helden eine farbenvrächtige Darstellung Eine Anzahl Männer rollen wurde von den vier Damen -- vie Frau Direltorin, welche alriclnei tiq das Kassenwesen und Sousslir dienste besorgte, mit inbegrisfen sseben ihren eigenen Rollen als Reprä lentantinnen des zarten Geschlechteg gemimt. Die beiden vorhandenen klei nen Spröszlinge der Gesellschaft spiel: ten öfters in der Maske von Zwergen arnsze Leute. THIS-Flor war iiber den infolge des schlechten Geschäftsganges immer mehr abnehmenden Kunstsinn gera dezu trostlos und sann intensiv auf Rettung aus seiner Schuldenklemme durch wenigstens ein volles Haus. Der Himmel erhörte denn auch sein stilles Gebet und bescheerte ihm ein solches. Der Autor eines in der Residenz oft ausgeführten Spektakelstiickes ,,Rosza Sandor, der edle Räuberhauptmann« schenkte dem alten Komödiantenprinzi pal aus Mitleid dieses fünfaktige Volksschauspiel sammt denRollen, und Ostler-Flor beeilte sich, diesen ento päischen Schlager mit riesengroßen Affichen anzukijndigen Und zur Dar stellung zu bringen. Wie richtig angebrachte Retlame nie ihre Wirkung versagt, so war es auch hier der Fall, denn das Theater zeigte am Abend ein so gedrängt volles-Haus« daß keine Stecknadel hätte zu Boden fallen können. Auch jene Bauern, die Herrn Flor zu Beginn seiner Kunsttarriere in S. beinahe verhängnißvoll geworden wä ren, später aber seine Freunde und Gönner wurden, erschienen vollzählig, um sich den ,,Boda, die Muada und die Liabhaberin« von Angesicht zu Ange sicht zu betrachten. Flor ging, nachdem er ,,Kassa ge macht«, strahlenden Blickes umher und sann, nach dem Sprichwort »beim Es sen kommt der Appetit«, nun wieder auf ein Mittel, durch welches er we nigstens noch ein so bummvolles Haus erzielen könnte, denn dann, murmelte er vergnügt vor sich hin, wäre ich mit meiner Gesellschaft wohl ganz aus dem Wasser! Da plötzlich durchzuckte blitz artig ein großer, ein origineller Ge danke sein wurmstichiges Hirn, under schritt sofort an die Realisirung des selben. Unter frenetischem Jubel des Pub likums war eben der dritte Akt beendet worden, als sich nach einer längeren Pause der Vorhang wieder hob und statt der tostüinirten Darsteller bloß Direktor Ostia-Flor auf der Bühne erschien und folgende Anrede an die staunenden Zuschauer hielt: »Hochverehrtes Publikum! Große Kosten und Mühen verursachte mir die künstlerische Vorführung des heutigen Wertes. Jhr Beifall beglückt, beseligt mich bis zu Thränent Der heutige Abend ist der schönste Tag meines Le bens! Drei Akte haben wir Ihnen heute vorgespielt, die durch ihre aufre genden Vorfiille zu starke Anforderun gen an ihre edlen Nerven stellen. Da mit sei es für heute aber auch im Jn teresse ihrer Nachtruhe genug! Die zwei letzten Atte, noch ereigmßreicher und gewaltiger, als die ersten drei, werden wir Jhnen morgen vorspielen, und gewiß wird jeder von Jhnen, aufs Höchste gespannt, wissen wollen, wie dieses gewaltige Stück endet. Aus Wiedersehen also — morgen!« Die verblüfften p."t. Zuhörer wuß ten nicht, wie ihnen geschah. Der Schachzug des alten Komödianten hatte überrumpelt und dieser sein »va banque«- Spiel gewonnen. Still, und wie mit heißem Wasser übergossen, zo gen die Leutchen von dannen und er schienen am nächsten Abend wieder im Schauspielhause in voller Zahl. Daß sie, zu ihrer nicht geringen Ueberraschung, das Eintrittsgeld neu erlich erlegen mußten, war bei unse rem genialen OstlersFlor natürlich selbstverständlich Biörnfon als Thalköntq. Jahrzehntelang hatte Norwegen drei Könige. Den wirklichen «Beherrscher, dann die Dichterfürsten Henrik Jbsen und Björnstjerne Björnson. Durch die Nordpolfahrt des ProfessorsFridt-. jof Nansen kam ein vierter hinzu. Aber diese Ziffer war zu hoch für das kleine Land; deshalb entfernte man den holitischen König, wozu der jüngste und letztgenannte dieses vier-fachen Kleeblatts unter der Hand eifrig mitgewirkt hat. Jetzt sind es also wieder nur drei. Die Vielherrschaft liegt den Nor loegern im Blut. Nach dem Gros-, thingbeschluß vorn 7. Juni wurde viel fach die Parole laut, bekomme man teinen König aus Stockholm, Hoden hagen oder Athen, dann wolle man eine Republit nach schwei;teriscl1er Art. Die Eidgenossenschaft ist aber ein Bundesstaat. Das nördlichste Land des Welttheils scheint mit seinen vie len Thälern recht eigentlich auf eine Bundesverfassung angelegt; die Be völkerung ist vielfach verschieden, und sogar die Vollssprache variirt be trächtlich, was freilich die Norweger nicht gern zugeben. Belanntlich hat man Serbien eine Art von Ballans schiveiz genannt; die Parteien gliedern sich dort vielfach nach dem einzelnen durch Gebirge und Wasser geschaffenen Landegtheilz in noch höherem Maß trifft dieser Vergleich für Norwegen m. Der Bauer zwar möchte einen einheitlichen Herrscher haben, und zwar einen mächtigen, weil er seit Jahrhunderten die Beamtenwilltiir start empfunden hat, aber die Gebilde ten und die geistigen Führer denken darüber anders. Formell ist Norwe gen schon im Jahre 872 ein Einheits staat geworden, aber thatsächlich herrschte dort fast beständig Erbfolge und Bürgerlrieg mit Parteinahme der verschiedenen Landestheile für die einzelnen«Prätendenten, bis das Land 1880 unter dem Titel der Personal union dänische Provinz wurde. Dies Theil- und Thaltönigthum steckt den norwegiscben Herrenmenschen imBlut, und der Dichter Arre Garborg hat den Reichseiniger Harald Schönhaar ;;1«r«ein großes Nationalungliick er ar . Ein echter und gerechter norwegi scher Theil- und Thaltönig ist auch der jetzt 72jährige Vjörnstjerne Björu son. So sehr, daß er auch das zeit weilige Loos der geschichtlichen Könige und Prätendenten in Norwegen ge theilt hat, nämlich die halb freiwillige Verbannung aus der Heimath; in den Jahren ihres kräftigsten Schaffensj gingen einander wie in schweigender ! Uebereinkunst Jbsen und Björnson aus dem Wege, und nur einer von ihnen beherrschte abwechselnd die nor- . wegische Geisteswelt. Björnson ist auch darin ein durchaus heimathlicher Typus, daß er sich einer rein natio nalen Herkunst rühmen kann; der große Romanschriftsteller Jonas Lie trägt lappländische Blutmischung in den Adern, und Jbsens erster bekann ter Vorfahr war ein aus Dänemark eingewanderter Fischer, seit welcher Zeit aber sämmtliche Frauen in der Familie ausländisch waren, deutschen oder schottischen Ursprungs. Björn son blickt aus eine lange Reihe geistli cher und großbäuerlicher Vorfahren zurück und kann Charakterzüge beider Stände für sich in Anspruch nehmen; er ist aus einem Pfarrhaus hervorge gangen, hat ursprünglich Theologie studiri und lebt jetzt im Sommer als Großbauer auf seinem schönen Hof Aulestad im Gudbrandsthal, während er den Winter in Rom zuzubringen pflegt. Wer will, tann auch das letz tere als einen alt-notwegischen Zug registriren, denn vor der Resormation waren die standinavischen Völker be sonders tircheneifrig und pilgerten viel nach Rom oder in das Heilige Land, wie denn der Held in einer der schönsten Episoden von Tassos »be sreitem Jerusalem« ein standinavi scher Psrinz ist. Die Björnson’sche Vereinigung von Theolo iey Dichtung und Häupt lingschaft is? in dem ebenso heroischen wie zerrissenen norwegischen Mittel alter mehrfach vorgekommen. Diese Männer waren zugleich gefeierteSän ger, tüchtige Großbauern und Han delsherren, übten religiöse Funktionen und waren gewaltige Parteipolitiker und Redner, genau wie ihr heute les bender Enkel. Auch das Leidenschaft liche und Springende im Tempera men und die wechselnden Gesichts punkte waren diesen Vorbildern ei gen; eS ist überhaupt ganz irrthijm lich, sich die Standinaven als eine durchweg entfchlossene und stählerne Rasse vorzustellen; im geraden Ge gentheil sind sie vielfach Quecksilber So besonders auch ihre echteste dichte« rische und menschliche Berkörperung Björnson, der als Politiker heute den russischen Schutz gegen Schweden an rust und morgen von einem Groß skandinavien träumt, dem ein ganz germanischer Bund mit Deutschland, den Niederlanden, Belgien, England und Nordamerika folgen soll. Er ist jedesmal in seiner Ueberzeugung nnd ihrer Darstellung durchaus ehrlich, aber am nächsten Tag meint er wie der etwas anderes. Auch sozial lebt Björnson daheim durchaus wie einer jener alten verwe gischen Theil- und Thalkönige, die doch eigentlich auch nur Großbauern mit etwas Seeraub waren; die Fjorde ziehen sich dort ja tief-in das Land hinein. Der große Dichter herrscht in seiner Gegend unbedingt, nicht nur durch fürstliche Gastlichkeit und eine stets offene Hand, sondern auch durch sein eifriges Eintreten für alle Jn teressen der Nachbarschaft und für den ländlichen Betrieb. Bis vor wenigen Jahren bewirthschaftete er sein Gut selbst, griff persönlich mit ein und glänzte besonders beim Heumatbem jetzt hat er die Gutsgeschäfte seinem jüngsten Sohn übertragen. Er ist sehr jähzornig und dann von schran kenloser Beredsamkeit, aber leicht wieder zu begütigen; übrigens kennt er seinen Fehler und hat sich in dem Lustspiel Geographie und Liebe selbst ironisirt. Vor einigen Jahren wurde das Stück zu Ehren seiner Rückkehr aus dem Süden in Christiania aus geführt, und sein Sohn Björn Björn son spielte die Hauptrolle; der Dichter saß in der Loge und applaudirte lebhaft. Gleichviel von welchem Parteistand punkt aus gesehen, jedenfalls eine überaus charakteristische und origi nelle Erscheinung in einer alles nivel lirenden Zeit. Ob seine Wirksamkeit wie er hofft, auch politisch seiner Va terland und überhaupt dem eurgpäi sehen Norden zum Segen gereichen wird, kann freilich erst die Zukunft entscheiden. --- Russland im Kaukasus. Ernste Nachrichten kommen neuer: rings wieder aus dem Kaukasus. Ein allgemeiner bewaffnet-er Ausstand droht auszubrechen Der Verkehr zwischen Tiflis, der im Innern des Landes ge legenen Hauptstadt, und Batuni, dem Haupthafen desKaukasus am Schwar zen Meere, ist unterbrochen. Die Zeitungen haben aufgehört zu erschei nen und man ist zur Information da--v her auf die vielfach lurfirenden üblen Gerüchte angewiesen· Wenn ein Organismus erkrankt, so sind zuerst feine schwächsten Stellen in Mitleidenschaft gezogen. Polen, die Länder am Schwarzen Meere, endlich der Kaukasus, sie sind die empfind lichsten, am leichtesten verwundbaren Stellen des Riesenreiches, denn trotz aller aufgewendeten, theils friedlichen, theils gewaltsamen Mittel ist es Reiß land bisher noch nicht gegliickt, diese Länder sicher zu amalgamiren, sie zu einem nationalen Körper mit dem Riesenreiche zu verschmelzen. Stets -.—.O glomm unter der Asche das Intr und kaum war Rußland aus eines anderen Gebiete angegriffen und se nöthigt, durch Entsendung von Trif pen aus jenen Gebieten den militiikis schen Druck zu erleichtern, so lo schon die Flammen des Ausruhrs an . jenen leicht entzündlichen Ländern. Jnsbesondere der Kaukasus war stets eine der heiielsten Provinzen des großen russischen Reiches. Jn langen, ununterbrochenen, verlustreichen Käm Psen gewonnen, bildete der Kaukasus stets eine der größten Regierungssore gen Rußlands. Schon im Jahre 1770 betraten die Russen taukasisches Gebiet, das damals noch nominell zur Türkei gehörte, in Wahrheit aber eint von vielen Bergvölkern bewohntess unabhängiges Territorium war. Die große Kaiserin Katharina war es, die durch die Gewinnung der Kuban und Tereklinie im Frieden zu Kitt schiil Kainardscha am 21. Juli 1774 den Grund zur späteren russischen Be herrschung des Kaukasus legte. Spä ter bekam Rußland die heute so blit henden Städte Baiu und Derbent in seinen Besitz. 1783 kam auch Geor gien unter seine Herrschaft, indem dessen Fürst Jraklis Vasall Rußlands wurde. Den Persern nahm Rußland in dem Kriege von 1804 bis 1813 den größten Theil des östlicheu Kaukasus weg. Jn einem zweiten Kriege, den« Persien 1826 mit Rußland führte, verlor es abermals das wichtige Ges-v biet von Eriwau. Auch die Türkei mußte nach dem unglücklichen Kriege von 1828X1829 im Frieden zu Amici nopel den jetzigen Kreis Achalzich und die Festungen Anapa und Poti anr Schwarzen Meere abtreten. War somit damals im großen und ganzen der Kaukasus fast in seinet heutigen Grenzen schon im Besitte Rußlands, so mußte es sich doch erst· im Innern den Besitz gegen die zahl reichen tapfer-en Bergvölier ertönt psen, die unter der Führung des mu thigen Schamhl den ernstesten Wider stand leisteten. Jahrzehntelang dau erten diese Kämpfe, welche für die Russen äußerst verlustreich und an strengend waren. Jnsbesondere im— Krimkriege schien die Herrschaft Nuß lands im Kaukasus bereits sehr ge fährdet und hat seine ganze «dort, aufgestellte Armee von 270,000 Mann ward urch die mit den Tiirten sym patbisirendeu Bergvölker in Anspruch genommen. Diese Schwierigkeiten wiederholten sich auch im letzten rus sifchstiirtischen Kriege, wenn auch nicht in dem gleichen Ausniaße. Stets sind die Bergviiller des Kaukasus bereit, ihre schwer vermißte Freiheit und Ungebundenheit sich zurückzuerobem, wenn sie Russland bedrängt sehen. Zu diesen an und für sich schwel im Zaum zu haltenden Bewohnern des Hochgebirges tam aber seit den Berliner Vertrage noch ein weiteres äußerst unruhiges Element hinzu: die Armenier. Durch die Eroberung ei nes großen Theils des türkischen At menien mit der großen Festung Kaki in dem letzterwähnten Kriege has Rußland eine große Zahl von Arme niern zu Unterthanen bekommen. Außerdem hat es durch- seine anfäng liche Begünstigung der« armenischm Christen gegenüber den Türken den Anlaß zu einer großen Einwanderung von Armeniern aus der Türkei gege » ben und dadurch selbst eine große An lzahl von unzufriedenen Elementen an . sich gezogen. Als dann durch die äu ßerst untluge Eonfistation des arme nischen Feircheuschatzeg von Etchmiad zine und die Verfolgung ar:r-Z:.«Isfhet - - Notabler im Kaukasus in den Jahren ! 1908 und 1904 sich immer mehr zZiindstoff anhäufte, lcdxkrfte es nust Ieiueg Funken-g um dies-: LtJiinen anf s fliegen zu lassen. Die-,- ergab sich. als Idie Tartaren vor kurzer Peit die rei lcben Armenier in den Stijdten liber lsielen und das fürchterliche-, von deu lRussen gedulde-te Vlutbad in Baku I anrichteten. Wie weit die Flammen Ides Aufruhrs bereits heute im Kau ltasug um sich gegriffen, läßt sich aus »den bis jetzt vorliegenden dürftigen JNachricliten nicht bestinnrzenz nur so l viel scheint sicher zu sein, daß die heu Itige Lage viel gefährlicher ist als je j mals, weil nicht bloß die Bergbewohs Iner, sondern ebenfalls die Bewohner der Ebene im hellen Aufruhr begrif fen sind und, wie es scheint. die dm Kaukasus Von Balu über Tiflis bis Vatum durchziehende Eisenbahn be s reits- unterbrochen ist. Das russische Generalgoudernement des Kaukasus bildet einen selbständi aen Militärbezirk mit zwei Armee korps, von denen aber die meisten Trnppen derzeit in Ostasien kämpfen. Wie stark die Garnisonen jetzt sind, läßt sich auch nicht annähernd feststel len. Das Gouvernement besteht aus csiglantasicn nördlich des Stammes stieg Hochaebiraes mit 224,5()() Qua sdratkilometer und 2,852,577 Ein ltoohnern, nnd Transkaulasien, süd lnch vom Gebikggzuge, mit 248,114 Quadratlilometern nnd 4,695,120 Einwohnern Vorläufia kommt Mk den Ausstand nnr das letztere Gebiet in Betracht, da in ersterem russische Kolonisten vorherrscben Wie auch immer die Nachrichten der nächsten Zeit lauten mögen, der Aus stand im Kaukasus bildet ein äußer - drohendes Symptom nnd dessen Un-« terdriickuna wird Russland viele Und schwere Opser kosten. —s.-——-— Man hört ost, daß über Jemans der Stab gebrochen, aber nie, daß ein solcher Stab wieder repakirt wordep fu« -I- se «- « Die höchsten Jdeale werden gewöhm ’ lich von zerrissenen Stiefeln spazith geführt.