Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 04, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    ebraska
Staat-i- Zuzejger Und Yrrold
WWJ P. Windolph, Herausgeber Grund Island. Nebr» 4. Lluqnst 190s3 (1·3wettcr7hetl) Jahrgang 2.-). No. 49.
Wehmnth.
.
-
Vom Weroemtamrä am Bergeshang
Schau ich hinab in’s stille Thal,
Auf Matten grün, aufWälder schwarz,
Auf Dächer roth im Abendstrahl
och über mir am Himmelsplan
er lichten Wöltlein Heerden flieh’n;
Auf schneller Schlving’ zur Abendruh
Die Vöglein durch die Lüfte ziehn
Und langsam sinkt der Sonnenglanz
Von Höh’ zu Höh’, von Au’ zu Au’,
Der Silberftrom dutch’s weite Land
Bertvallt in’S ferne, ferne Gran.
Und meine Seele ziehet mit, -
Verllingt wie leiser Glockenfchall,
Jn’s Unermeßliche fließt sie,
Verliert sich in das große All.
Hirt Hierzehnte
Der Wirklichkeit nacherziihlt von L.
Brenclendorf.
Der geseierte Dramatiler Ludwig
hersord ——— wir müssen, da er noch un
ter den Lebenden weilt, seinen wirt
lrchen Namen leider hinter diesem
undurchdringlichen Pseudonym ver
bergen —- war in heller Verzweiflung
Und er hatte dafür nicht nur einen,
Londern sogar zwei sehr tristige Grün
e. Er hatte eine kleine, aber auser
lesene Gesellschaft zu Gast geladen, um
ihr sein eben vollendetes neues Schau
spiel vorzulesem den Direktor des
ostheaters, einige hervorragende
chauspieler und Schauspielerinnen
und die drei angesehensten Kritiler der
Residenz. Das Urtheil aller dieser
Persönlichkeiten über sein neues Werk
war siir ihn von höchster Bedeutung,
und es mußte ihm deshalb unendlich
viel daran liegen, sie von vornherein
in gute Laune und genußsreudige
Stimmung zu versehen. Soweit leib
liche Genüsse geeignet find, solche Ge
müthsderfassung hervorzurusen, durfte
er sich das Beste versprechen, denn sein
wohl assortirter Keller stand in einem
ebenso guten und wohlbegründeten
Ruf wie die Kochlunst seiner liebens
würdigen Gattin. Wie aber lann
man bei Leuten aus dem abergläubi
schen Theatervöltchen aus gute Laune
hoffen, wenn man ihnen zumuthen
muß, sich zu dreizehn zu Tische zu
setzen? Und in dieser fürchterlichen
Zwangslage befand sich unser unglück
licher Dramatiter, seitdem ihm der
erwartete Vierzehnte im letzten, buch
stäblich im letzten Augenblick wegen
plötzlicher Erkrankung abgesagt hatte.
Die versammelten Gäste warteten be
reits mit merklichen Zeichen beginnen
der Ungeduld aus die Einladung der
Hausfrau, sich zu Tisch-e zu begehen»
und es gab nicht die geringste Mog
lichteit, einen Ersas für den fehlenden
Vierzehnten zu beschaffen. · · -
Aber das Maß des Mißgeschickg
war damit noch nicht einmal voll»
Außer an dem Gast, der den Bann der z
Unglüaszahl hätte brechen lönnen.;
lsehlte es aitch an etwas anderem, nicht «
weniger wichtigem, nämlich an dems
Theaterstüct, dessen Vorlesung denl
kact dieser lostspieligenPerqaninkH
iung bildete und auf das Vte Uns-Its- ;
nen nicht wenig gespclnnt Wskms Lapi ?
wig Herford hatte sein unleierliches;
iMonusiript einem jungen Menscheli
der ihm von einem Kollegen als flei-’
ßig und zuverlässig empfohlen WVYVM
KOCH zuk Abschrift anvertraut. Der
sympathische Jüngling hatte feft undl
heilig gelobt, es rechtzeitig abzuliefern,
und nun ließ er noch imme! Vekgtblich
auf sich warten. Ein scholl VO! ein«
Stunde in seine weit abgelegene Woh
lnung entsandter Dienstmann war mit
der niederschmetternden Mittbeilunn
zurückgekehrt, daß ihm Niemand Auf
gktlmn habe, obwohl er versicherte, die
»Tbiir des von Herrn Ludolf Bünau
Inihkiqeug wiedek ein Pseudonym
bewohnten Dachftiibcbens beinahe zer
ttriirnrnert zu haben. Und so war denn
der verzweifelte Dichter eben zu dem
Entschluß gelangt, das Verhängniß
feinen Lauf nehmen zu lassen, als die
-Wobnungsglocke erschallte und als der
Drumattter, » der selbst hinaeftiirzt
war, um zu offnen. den heiß ersehnten
chschrerber vor sich sah.
· Ei war ein ichlanier, biibi er
renscb von vielleicht zwanzig undckåd
niqen Jahren. Aber er hatte das Aus-—
ifeben»1emandeö, der nur fetten Gele
genheit bat, sich satt zu essen, und auch
sein Anzug lies; auf alles andere eher
»als auf Wohlhabenbeit schliessen
»Ich bitte um Entschuldiauna we
gen der Verspätung«, brachte ei gan
sathemlos heraus. »Schon vor Zwei
Stundenbatte ich mich mit der ferti
gen Arbeit auf den Weg gemacht: aber
Unterqu wurde mir fo schlecht. daß
ich in einem Kaffeeleller Zuflucht su
chen mußte, um mich einigermaßen zu
Ich-leih Jch hatte nämlich die ganze
Feste Nacht durchqearbeitet und seit
zwei Tagen »so gut wie nicht geaefsen.«
; Meine bleichen Wangen und seine
dunkel umfchotteten Augen waren be
fidte Zeugnisse für die Wahrheit fei
ser Worte. Den weichherrigen Dra
iwskkäkmeäthäiewigriges Mitleid, und
e raus iami m '
skiattdiose Idee. h eme
Wollen Sie mit uns speise
« n, rr
"Wnnui« fragte er. »Sie beugen
M erst in ihre Wohnung zurückzu
s-. um sich umzutleiden, denn ich
-« szjsdusz Sie ungefähr meine Figur
» , und ich besise noch einen zwei
-»««Oesellschafisanzug, der Ihnen
ganz gut Passen dürfte. Meine übri
gen Gäste brauchen ja gar nicht zu
wissen, wer Sie sind. Jch stelle Sie
als meinen jungen Freund vor, das
wird vollkommen genügen. Machen
Sie nüt, bitte keine Umstände und
ziehen Sie sich recht schnell um, denn
man wartet drinnen im Saale bereits
auf das Zeichen zum Beginn der Ta
fel.«
Ludolf Bünau wußte nicht, wie
ihm geschah. Er hatte noch eine
Menge Einwendungen auf der Zunge,
aber der Dichter ließ ihm gar keine
Zeit, sie vorzubringen. Wer und was
auch immer der junge Mensch sein
mochte, für ihn war er in diesem Au
genblicke nur der rettende Vierzehnte.
Und seine ganze äußere Erscheinung
bürgte zur Genüge dafür, daß er sich
still und bescheiden auch ohne beson
dere Ermahnung in die ihm gebüh
rende Rolle des gnädig geduldeten
Gastes finden würde. Nach einer
raschen Verständigung seiner Gattin
lführte Herford den Schreiber in das
;Antleidezimmer, legte ihm Wäsche und
Kleider zurecht und überließ ihn mit
Jnochmaliger dringender Aufforderung
zur Eile sich selbst.
Zehn Minuten später betrat ein sehr
.eleganter, hübscher junger Mann, dem
die Blässe seines Antlitzes und die in
teressanten Schatten unter den Augen
nach der Meinung der Damen ein sehr
geniaies Aussehen gaben, den Salon.
»Herr Bünau —- ein talentvoller
junger Betannter«, stellte Ludwig
Herford summarisch vor, um dann
zur allgemeinen Genugthuung hinzu
zu fügen: »Wenn ich die Herrschaften
vielleicht nunmehr zu einem bescheide
nen Mahle bitten dürfte —- —«
Das bescheidene Mahl war ganz so
opulent, wie man es erwartet hatte.
Die Künstler und Künstlerinnen, die
sich durch rasche Auszählung überzeugt
hatten, daß man zu vierzehn am Tisch
saß — es waren nämlich schon vor
her einige Bedenken in dieser Hinsicht
laut geworden —- befanden sich in der
allerbesten Laune, die drei Krititer
machten so harmlose Gesichter, wie
wenn sie kein Wasserchen trüben könn
ten, und der Direktor des Hoftheaters
schaute so wohlwollend drein, als ob
er noch nie in seinem Leben ein einge
reichtes Bühnenwert abgelehnt hätte.
Das war der Zeitpunkt für den Be
ginn der großen Haupt- und Staats
Attion dieses Abends. Sowie das
Dessert servirt worden war, erhob sich
Ludwig Herford von der Tafel, nahm
an einem abseits stehenden Tischchen
Platz, das mit seinen beiden brennen
den Kerzen sast wie ein Altar aussah,
schlug sein Manuskript auf und be
gann zu lesen.
Er war, wie schon eingangs ange
deutet, ein erfolgreicher und gefeierter
Dichter; aber er war der schlechteste
Vorleser, der je mit hohlem Pathos
und falschen Betonungen eine Rorona
vn Zuhörern gemarteri hat. Und
außerdem war ihm zu allem Unglück
die vorhin ausgestandene Aufregung
auf die Stimmbänder geschlagen, so
daf; sich schon nach den ersten fünf Mi
nuten die bedrohlichen Anzeichen einer
lieginnenden Heiserteit bemerkbar
machten. Der Eindruck war Unter
diesen Umständen ein mehr peinlicher
als erhebender. Die Schauspicler und
Schauspielerinnen wechselten verstoh
len bedeutsame Blicke, hier und da von
leisem Achselzucken begleitet! Die drei
Kritiker sahen aus, als ob sie im
nächsten Moment einschlafen wollten,
und der Direktor des Hofiheaters
machte ein soernstes Gesicht, als würde
er vom Hausminister wegen des chro
nischen Defizits im Bühnen-Etat zur
Rede gestellt.
Und immer trosilofer wurde die
Stimme des Lesenden, immer augen
sälliger die Qual seiner Anstrengung,
immer größer die Zahl der Schweiß-«
trovfen, die ihm von der Stirne rie
selten, der erste Akt war noch nicht zu
Ende und schon schien alles verloren.
Da, als seine zitternde Hand eben wie
der nach dem schon fünfmal geleerten
Wasserglase griff, ertönte vom Ende
der Tafel her eine bescheidene, ange
nehm llingende Stimme:
»Wenn Sie» mir vielleicht gestatten
würden, weiter zu lesen, Herr Doktor
—- ich glaube wohl, daß ich dazu im
Stande bin; denn ich weiß das Stück
beinahe auswendig.«
Verwundert blickte alles aus den ta
lentvollen, jungen Unbeiannten, der
bis zu diesem Augenblick noch nicht
mehr gesprochen hatte als eine Oel
fardinr. Der Dichter aber, dem nun
schon alles eins war, stand ohne wei
teres von seinem Sessel auf.
»Jn Gottes Namen«, ächzte er, »ich
hätte ohnedies nicht mehr weiter ge
lonnt. Sehen Sie zu, daß Sie mir
die Wirkung wenigstens nicht ganz
verderben.«
Und der Bierzehnte verdarb nichts.
Jn ruhigem leichtfliissigen Konserva
tionston wie es die Situation er
heischte, begann er zu lesen. Aber als
sich die Sache dann dramatisch zu
spitzte, gewann sein Vortrag an
Wärme und Befeelung, man tonnte
die redenden Personen mit voller
Deutlichkeit von einander unterschei
den, ohne daß er, wie es der Dichter
gethan, jedesmal hätte ihren Namen
nennen müssen, Und zuletzt tvar es
beinahe als sähe man sie leibhaftig
vor sich in ihrer leidenschaftlichen Er
regung.
Die Schauspieler und-Schaustück
rinnen hatten längst aufgehört, mit
den Achseln zu zucken; die Krititer
waren aus ihrem sanften Halbschlum
mer aufgewacht und der Direktor des
Hostheaters strahlte förmlich vor
Wohlwollen.
,,Bravo! Bravo!« llang es von al
len Seiten, als der erste Aufzug zu
Ende war, und Ludwig Hersord stand
aus, um dem jungen Manne die Hand
zu schütteln.
»Sie sind ja ein großer Künstler!«
slüsterte er. »Fahren Sie so fort, und
es soll Jhnen an meiner Dankbarkeit
nicht fehlen.«
Ludolf Bünau aber schien die allge
meine Anerkennung nur wie in hal
bem Traume zu vernehmen. Sein fei
nes, blasses Gesicht hatte einen sonder
bar durchgeistigten Ausdruck ange
nommen und seine Augen leuchteten.
Nach einer Pause von wenig Minu
ten nahm er die Vorlesung wieder
aus, und was vorhin bei den Hörern
nur theilnehmende Aufmerksamkeit
ausgelöst hatte, das erweckte jetzt
eine stetig gesteigerte, ehrliche Span
nung. Man fühlte und litt mit
den handelnden Personen, man
war ergriffen und hingerissen, begei-»
stert und entzückt; man jubelte dem
glücklichen Dichter in aufrichtiger Be
wunderung zu, und man umdriingte,
als auch,das letzte Wort verklungen
war, huldigend den Vorleser, der sich
nur langsam aus seiner Welt der Jl
lusionen in die Wirklichkeit dieses reich
ausgestatteten Speisezirnmers zurück
zusinden schien. :
Er lächelte fast verlegen, als derj
strahlende Dramatiter ihn umarmter
und dann machte er Miene, sich zu ent
fernen, wie jemand, den das Uebermaß
der ihm erwiesenen Ehre mehr bedrückt I
als erfreut. Aber im Vorzimmer holte «
ihn Ludwig Hersord glücklich noch ein. i
,,Sagen Sie mir uin des Himmels
willen, Sie Wundermann, wer Sie ei
gentlich sind· Der detheaterdirettor.
hat mich soeben gefragt, ol) es nicht’
möglich sein würde, Sie fiir dieHaupt
rolle meines Stückes zu engagiren.
Und ich war in Verlegenheit, wag ich
darauf antworten sollte.« I
»Sie tönnen dein Direltor sagen,
Herr Herford, ich sei, seitdem ich aus
der Ober-Setunda entlaufen, ein klei
ner Schmieren - Komödiant gewesen,
den endlich Engagementgldsigleit und
bittere Noth gezwungen, sich als Ab
schreiber durchzuschlagen Solche Leute
engagirt man doch nicht an ein Hof
theater. Jhnen aber danle ich von
Herzen siir die erwiesene Gastfreund
schaft und für das Glück, das die letzte
Stunde mir hier bereitet hat«
Er wollte wirklich fort; denn er war
damals noch ein weißer Rade unter den
Künstlern, nämlich ein wirklich beschei
dener junger Mann· Aber man hielt
ihn fest, und zwar nicht bloß deshalb,
weil man auch am Kaffeetisch nicht
gerne zu dreizehn gesessen hätte.
» Vier Wochen später debutirte er mit
großem Erfolg aus der Bühne des
Schauspielhauseg Und heute zählt er
längst unter die Allerbesten, unter die
leuchtendsten Gestirne des Theater
Jhimmels. Die tleine Geschichte von
: dein Beginn seiner Karriere hat er iuir
tjiingst unter dem Siegel derVerschwie
lgenheit in einein gemiithlichen Antip
iwintel anvertraut, mit dem lächelnden
Hinzufiigem
»Da sehen Sie, daß man es unter
YUmständen zu etwas bringen kann,
auch wenn man im Anfang nichts wei
ter ist, als ein Füllsel, eine Zahl. ein
Vierzehnter am Tisch«
-—- --.-.--—«.....
IEine niedltche Marsham .
Die Kieler Ztg. schreibt: Am Tage
der Hochzeit des Kronprinzenpaares
läßt ein Lehrer in einer Schule bei
Kiel in der Gesangstunde »Hei( Dir
! im Siegertranz« singen. Er weist vor
her die Kinder auf die Festlichteiten
im Kaiserhause hin und fragt dann:
!Welches Lied wird heute in Berlin
wohl viel gesungen werdens Ein
Kleiner hebt n Finger und antwor
I tet: Middchzeit machen, das ist wunder
lchönC
Nain Singh.
Stizze aus Jndien Von Max
P"ollaczek.
Die neunten Ulanen, die bisher eis
rig über das Zehn Mohurrennen mit
)Maiden-Etta-Ponnies gesprochen hat
ten, unterbrach ihre Unterhaltung
Fund hörten Watson vom vierten Pun
zjab - Regiment zu.
,,Merten Sie sich, Hope,« sagte der
ztleine Hauptmann »mit »Nayaurs
"(Hindus) darf unsereins nicht verkeh
sren. Einer von ihnen ist wie der an
dere, ob er in Tufsutseide geht oder in
Lumpen.«
,,Aber,« wandte der Zahlmeister ein,
,,mit Nain Singh muß man doch eine
Ausnahme machen.« Bedenken Sie, er
ist Brahmane, aus der ersten Kaste
und ein modern gebildeter Mensch.
Die Regierung selbst hat ihn Medizin
stuoiren lassen und er ist ein Pangit
von Rus.«
»Mein hat er,« riefen die Ulanen,
die einem Jnsanteristen sonst nicht so
leicht beigetreten wären. »Recht hat
er, wir müssen siir sie ein für allemal
die Sahin bleiben.«
Hope gab seine Sache noch nicht ver
loren.
»Ich kann einen Arzt doch nicht wie
einen Sais behandeln oder wie einen
Jhampani.« ·
»Warum denn nicht,« fragte kaltblü
tig Watson, »daß sie in Simla die
Dummheit sich in den Kon gesetzt ha
ben, einheimische ,,Gentlemen« heran
zuziehen, braucht uns doch nicht maß
gebend zu sein. Wenn wir alle Thor
heiter mitmachen wollten, die die Re
gierung des indischen Reiches aus
heckt . . .
Er zuckte die Achseln und wandte
sich zu seinem Soda. ’
Watfon that das gleiche und die
Ulanen nahmen ihr früheres Thema
wieder auf. Aber der Zahlmeister hör
et nicht hin. Er war noch nicht lange
in Indien und noch nicht versimpelt,
sondern interessirte sich für das, was
er »die Wunder des Orients« nannte.
Stundenlang konnte er dasitzen und
zuhören wenn ihm Jemand etwas von
den Sat Bhai oder dem Halli-Hult
Tanz oder der Teufels - Kapelle von
Ao-Chung in Tibet erzählte oder vor
log.
Anfangs hatte das den anderen auch
Spaß gemacht und sie hatten ihm mehr
Geschichten aufgetischt, als ein Mann
glauben konnte, allmählig aber war
es ihnen langweilig geworden und sie
waren zu ihren früheren Beschäftigun
gen zurückgekehrt und tümmerten sich
um ihre Ponnies mehr, als um den’
wißbegierigen Beamten. Er hätte sich
schon bequemen müssen, die Dialette
der Eingeborenen zu studiren. Urdu,
,,Chotee Bolee« der Frauen und die
Diebeesprache der Changerg dazu, um
seinen Wissensdurst zu stillen, aber da
traf esJ sich, daß er die Bekanntschaft
des Pandit Nain Singh machte und
von dem hochgebildeten Manne täglich
neue, werthvolle Mittheilungen erhielt.
Gegenwärtig war er von ihm ge
trennt, da er mit den Ulanen und den
Punjab : Jnfanteriften in einem an
deren Lager stand, als Nain Singh,
der bei dem Sirmubataillon der Gurt
hag angestellt war, die mit den Shi
tarris zusammen in der Nähe der
Station geblieben waren. Nur hatte
man ihm ja, heute nicht zum ersten
Mal, sondern schon mehrfach zu ver
stehen gegeben, daß er den Pandit zum
Teufel schicken solle, er that es aber
nicht.
Die Truppen waren zurückgekehrt,
der regelmäßige Dienst. der sich in den
Bureaur abwickelte, hatte ssiir Hope
wieder begonnen und natürlich lang
tveilte er sich dabei. Er verkehrte im
Kasino, ritt ab und zu ein Rennen mit.
spielte Bolo, wenn er nicht anders
tonnte, äraerte sich ab und zu mit ei
nem Clert und immer mit den Cha
tzrassig und fand seinen Trost mit
Nain Singh. «
So saßen sie eines Abends auf der
Veranda des Bunaalow und der Arzt
erzählte ihm von Talismanen und
Llrnulettem ron schicksalbestimmenden
Steinen und aeheimnisivollen Pflan
zensästen Hope trank einen Vea
lSodamasser und Roanah nach dem
andern und hörte gespannt zu, wäh
rend Nain Singh nicht einen Tropfen
iiber seine Lippen brachte. Endlich
schloß Hope die Sitzung. Morqu
habe er viel zu thun, denn es gelte die
Kasse für alle Zahlunan zum Quar
tal zurecht zu machen und es sei kein
Spaß, über achtzigtausend Rupien zu
ver-theilen
Es war an diesem Abende das erste
Mal, daß der Pandit den Mund. zu
einer Frage austhat.
Warum der Sahib sich keine Hilfe
nahm.
Unmöglich, der Assistent war auf
Urlaub und von den Eingeborenen
wollte er Niemand hinzuziehen.
Vielleicht konnte ihn der Venecali
sche Babu (ein als Schreiber verwen
deter Bengale) unterstützen.
Nein, der hatte anderes zu thun.
Nain Singh erhob sich, verheugte
sich und als Hope die Hand gab,
grüßte er nochmals ehrerbietig und
verließ dann geräuschslos schreitend
das Haus. Aber er ging nicht heim.
Er ging in’s Serai, wand sich zwischen
Pferden und Kamelen hindurch-, stol
perte über Schlafende und kroch end-.
lich in ein Buftee (Stall), in dem ein
unsagbar schmutziger, brauner Bursche
im Schlummer lag. Der fuhr jäh
auf, aber ein paar Worte in seiner
Sprache beruhigten ihn. Er erhob
sich sofort und horchte aufmerksam auf
das, was ihm der Pandit im Flüster
tone sagte. Darauf verließ Nain
Singh wieder die Karawansereij ohne
daß ihm der Jemedar (Auffeher) auch
nur die geringste Aufmerksamkeit ge
schenkt hatte.
Brutende Hitze lag am anderen
Tage ilber die Station. Kein Mensch
ließ sich draußen erblicken und nur -
der schmutzige Chokee Lall, der Fatir
aus Pooree, hockte wie gewöhnlich am
Brunnen und unterhielt sich mit ei
nem Bhilir (Wasserträger). Unweit
von Hope’g Bungalow lagerte ein
Kameh eines aus der Bitaneezucht, die
man Diebezkamele nennt, weil fie
beim Aufstehen und Niederlegen nicht
brüllen und in aller Stille beladen
werden können. Hohe hatte sich ge
wundert, was der Treiber mit· dein
Thier da wolle, aber er war zu faul
um seinen Sais hinüberzuschicten Und
fragen zu lassen. Erschöpft hatte er
sich in seiner Hängematte ausgestreckt
und träumte mit offenen Augen.
Rund um ihn lagen Säcke mit Sil
berrupien mit Goldmohurs und Ku
pferana5, der Tisch war mit Büchern,
Reaiftcrn und Tabellen bedeckt.
Plötzlich hörte er einen leisen(
Schritt, er hob ein wenig den Kopf
und sah Nain Singh vor sich, der wie
immer in hlendendes Weiß gekleidet
war. Erstaunt sah er ihn an. Was
wollte er um diese ungewöhnliche
Stunde.
Der Pandit grüßte.
,,Ber,zeihe, wenn ich zu ungelener
Stunde komme. Jch wollte Dir ei
nheen interessanten Stoff lzeigen. Sieh
r.«
Er hielt dem Zahlmeister ein klei
nes Büchslein hin, aus dem ein schwa
cher aromatischer Geruch entstieg.
Hope sah ein schwarzbraune Masse.
»Willst Du davon kosten?«
Hope überlam ein seltsames Ge
fühl des Mißtrauens. Die Hitze, die
Todtenstille, der Duft der Masse er
regten ihn.
»Ja, ist es denn kein Gift,« fragte
Der Arzt lächelte sonderbar.
»Das ist es, aber eins Von ganz
besonderer Art.«
Mit dem langen Nagel des kleinen
Fingers nahm er etwas aus derBiichse
und schluclte es herunter.
Hope schämte sich.
,,Gieb ber,« sagte er, »und sage mir,
was es ist.«
ck
Nain Singh hielt die Büchse fest.
»Es ist Curare,« antwortete er mit
leiser Stimme. ,,Curare, das Gift,
das alle Bewegungsnerven lähmt.«
Erschreckt streckte Hohe die Hand ge
gen ihn aus. Verstand der Jndier die
Bewertung falsch? Rasch reichte er ihm
die Büchse, ihre Hände berührten sich.
Dabei fühlte Hope einen leichten
Schmerz am Handrücken, Singh hatte
ihn mit dem Fingernagel blutig ge
tratzt. Aergerlich sprang er aus der
Hängematte, aber was war dag?
Ein wahnsinniaer, wüthender
Schmerz durchzuckte ihn. Er wollte
aufschreien, aber seine Zunge bewegte
sieh nicht. Der Mund blieb offen. Er
nsollte den Arm aufheben, aber er
hatte die Herrschaft über seine Glied
maßen verloren. Nichts entging ihm
von dem, was rund um ihn her ge
sajah, er sah und hörte alles, aber er
konnte sich nicht rühren und nicht ei
nen Ton von sich geben.
Mit demselben Lächeln, mit dem er
gekommen war, war der Hindu hin
ausaeschliipst und hatte die Thijr auf
aelassen, vor der aus der Schwelle todt
der Sais lag. Hope erstickte langsam,
aler er sah noch, wie Sinah und der
Kameltreiber zurückkehrten wie sie die
Geldsäcte ausluden und sich um ihn
nicht mehr kümmerten als um eine
Statue.
Er starb und schon waren Nain
Singh und sein Volksgenosse weit von
der Station entfernt, um bald unter
zutauchen unter den Millionen, die
das Riesenreich bevölkern.
W
So mancher hat ein übles Loos,
Weil er nie trennt, was klein, was
groß
Und seines Lebens ganzer Gram
Jst, recht besehen, nichts als Kram.
H
Bäuerlicher Stolz.
Jn den letzten Jahren ist oft und
viel über denRückgang der bäuerlichen
Tracht geklagt worden; auch in Baden
ist wiederholt mit Bedauern dies
Berschwinden der ländlichen Tracht
festgestellt worden, und man hat ver
sucht, durch Gründung besonderer
Volkstrachtenvereine diesen Rückgang
aufzuhalten. Um so erfreulicher be
rührt die Wahrnehmung daß es doch
noch Bauern giebt, die stolz auf ihren
Beruf sind und sich nicht schämen,
selbst in vornehmster Gesellschaft, ihre
bäuerliche Tracht zu tragen. Als vor
Eturzem zum 25jährigen Jubiläum
des Großherzogs als Protettor der
badischen Militiirvereine sämmtliche
Gauvorstände des Militärvereinsver
bandes zur Hoftafel befohlen wurden,
wurde auch der Bürgermeister von
Hesselhurst in der Nähe von Straß
burg mit einer Einladung beehrt.
Der Bürgermeister ist ein kleiner
Landwirth mit einem Besitz von etwa
10 Hektar, aber er ist ein stolzer
Hanauer Bauer und scheut sich nicht,
noch heute die rothe Weste und die
goldverbrämte Pelzkappe mit großer
Würde zu tragen. Er berichtete, wie
der in Engen erscheinende Hegauer
Erzähler mittheilt, dessen Redakteur
selbst bei der Hoftafel war, an das
Präsidium des MilitärvereinS-Ber
bandes, daß er der fürstlichen Ein
ladung gerne Folge leisten wolle, aber
einen Fracl habe er nicht. Das Prä
sidium trug die Sache dem Großher
zog selbst vor. Dieser entschied, daß
der Bürgermeister von Hesselhurst
auch in seiner bäuerlichen Tracht zur
Hoftasel kommen dürfe, und er zeich
nete diesen Bauer, dessen Tracht sich
von den Generalsuniformen und den
goldbestickten Fräcken nicht zu ihrem
Nachtheil abhob, durch ganz besondere
Liebenswiirdigkeit und Herzlichkeit
aus.
W
Ein Mißverständniss.
Der Seibendorfer Schorsch-l, der
noch nie aus seinem Dorfe herausge
kommen ist, ist wegen eines Grenz
streites mit seinem Nachbar in einen
Prozeß verwickelt worden, der Ihm
viel Sorge und Kummer macht. »
Da haben sie ihm so einen thch
vom Gericht geschickt mit allerlei Zah
len und Zeichen, und nun soll er Ant
wort geben, ob das alles so richtig ist,
oder ob er Einspruch will.
Rathlos dreht er den verflixten Zet
tel hin und her. Auch der Schulmei
ster weiß ihm keine Auskunft zu ge
ben. »Gehst eben in d’ Stadt zum
Av’kat!« ist sein einziger Rath. Und
so ungern ’s der Schiorschl auch thut,
es bleibt ihm nichts anderes übrig.
Jm Sonntaasstaat, mit hohenStul
penstieseln, das runde bütchen auf
dem dicken Bauern-schädel, langt er in
der Stadt an, wo er schließlich auch
nach vielen Kreuz- und Ouerwegen die
Wohnung eines Rechtsantvalts her
aussindet.
Eben will er die wenigen Stufen-,
die zur Hausthür führen, heraufstol
pern, da fällt sein Blick auf ein klei
nes ovales Schild an der Seiten
mauerz »Bitte die Füße zu reinigen!«
»O mei, o mein,« denkt er, ,,san dös
feine Leut. Und de Berscht is a glei
dabei!« fügt er, den vor der Hausthür
befestigten borstenbesetzten Stiefelrei
niger erblickend, hinzu.
Es ist lzwar keine leichte Arbeit, die
mächtigen ,,.Kanonenrohre« von den
Füßen zu l·;iehen. »Aber was sein
muß, muß eben sein,« denkt der
SchorscheL retelt seine langen »Roh:
re« mühsam herunter und unterzieht
seine unteren Gliedmaßen mit Hilfe
der Schuhbiirste einer gründlichen
Reinigung
Dtnn steigt er wieder in die Stie
fel hinein, und tappt nun, froh, seine
Pflicht gethan zu haben, die Treppen
zum ,,Ao’katen« hinauf.
——---.
Das Empfehlicngskchreivem
Der junge Mann war schon seit
einiger Zeit ohne Stellung. Um sei
nen Bewerbungen um einen anderen
Posten mehr Nachdruck zu geben, bat
er seinen früheren Prinzipal, ihm ein
Empfehlungsfchtreiben auszustellen.
Dieser kam dem Verlangen nach.
Das Zeugniß war aber fo undeutlich
geschrieben, daß weder der junge
Mann noch seine Freunde, denen er
es zeigte, die Worte entziffern konn
ten. Ein Vetannter gab ihm den
Rath, damit in eine Buchdruekerei zu
gehen, da bekanntlich die Schriftsetzer
im Stande wären, auch die verwor
rensten Handschriften zu lesen.
Er ging in verschiedene Drude
reien, aber kein Setzer vermochte den
analt des Schreibens zu entziffern.
Als letzte Hoffnung wurde ihm
empfohlen, sich an einen Apotheter zu
wenden
Der Pillendreher nahm das Blatt
Papier und blickte es lange und ge
dantenvoll an. Dann ergriff er eine
leere».8llcedizinflasche, eilte hinter dem
Tisckse auf und ab, goß aus verschiede
nen großen Flaschen kleine Mengen
von Flüssigkeiten in die Medizin
flafche und schüttelte die Mischung
eine Zeit lang kräftig durcheinander.
Dann überreichte er die Flasche
dem Eigenthümer des Empfehlungs
fchreibens, der mit wachsendem Er
xtaunen sein Thun betrachtet hatte und
agte:
»So« zwei Mart, wenn ich bitten
darf. Es ift nämlich ein aunz vor
zügliches Mittel gegen den Hulten.«
« »Hu-«