Tibseitqzder BeerfiraFIr. Eine tragiiornische Sommer-Sonn tags-Geschichte vcn Reinhold Ortmcnn Seit vierzehn Tagen schon hatte du Rentier August Kieinniichel stun denlang iiber der Generalstabskarte fessen, bei der er sich für seine Aus üge Raths zu holen Pflegte, saber erst am Tage vor Beginn der Som merferien ließ er sich herbei, seinen Angehörigen das Ergebniß seiner an gestrengien Studien mitzutheilen »Wir werden diesmal nicht aus der großen Heerstraße einhertrotien«, er klärte er mit Cntschiedenheit. »Es fällt mir nicht ein, mir meine Freude an der Natur durch randalirende Tourifien verderben zu lassen. Bis Reuhof sabren wir mit der Eisenbahn nnd von da wandern wir zu Fuß nach dem idyllisch gelegenen Dörfchen grendm Es sind höchstens drei tunden. Um acht Ubr geht der Zug. Sorgi also dafür, daß Jbr rechtzei iig fertig seid. Und ich bitte mir aus, liebe Amalie, keinen Toilettenlurus, weder bei Dir und Eise, noch bei den Kindern. Die Kinder sollen sich or dentlich austoben.« Gegen derartige Machtgebote gab es in der Familie Kleinmichel nie einen Widerspruch. Frau Amalie, de ren Körpergewicht sich im Laufe des lesten Wintcrs glücklich auf 200 Pfund abgerundet hatte, seufzte nur ganz verstohlen bei dem Gedanken an die dreistiindige Fußwanderung Der wölfjährige Paul und fein um zwei Fahre jüngeres Schwesterchen hüpften vor Freude, namentlich in der Vor aussicht des verheißenen Austoben dürfen-T und die achtzehnjährige Else fügte sich allem mit jener schwer miithigen Crgebung, die seit einigen Wochen den Grundton ihres Wesens bildete Auch die Toilettenfrage wurde durchaus im Sinne des Herrn August Kleinmichel erledigt. Ihn selbst aber hätte sicherlich Nie mand fiir einen behaglich von seinen Zinsen lebenden Rentier gehalten. Sogar auf den weißen Halstragen hatte er als auf einen überflüssigen Luxus verzichtet, und es verdarb ihm beinahe die Laune, daß er genöthigt war, ein Paar funkelnagelneue Stie fel anzuzieben Um sieben Uhr moraens schon war alles bereit. Der Rucksack war ftrotiend füllt mit allerlei guten Dingen. Der ug wurde glücklich erreicht und nach einstiindiger Fahrt entstieg die Fa milie Kleinmichel in Neubof zur Ver minderung der Mitreisenden dem Wagen. So berlodend wie der Rentier es den Seinigen geschildert hatte, sah es hier nun nicht gerade aus. Die Ge gend war flach wie ein Teller und ganz fern nur, am äußersten Hori zont, ließ ein dunkler Streifen den von August Kleinmichel verheißenden herrlichen Wald ahnen. Das Tagesgestirn sandte seine Strahlen freigebig hernieder, und es währte nicht lange, bis man den Mangel an Schatten ziemlich unan ehrn empfand. Der Sand war llenweise inöcheltief, und Paul und Grete waren bereits mit den fürchter lichsten Strafen bedroht worden, weil ihre ersten schüchternen Versuche, sich auszutoben, sie selbst und die Ihrigen in undurchdringliche Staubwolten eingehiillt hatten. Die »kleine Strecke« bis zum Saume des Waldes aber zog sich recht bedenklich in die Länge. »Die Generalstabstarte muß un genau fein,« hatte Herr Kleinmichel wiederholt erklärt, wenn er teuchend fiir eine Minute rastete. »Man kann sich doch auf nichts in der Welt mehr l Mlassem außer auf sich selbst.« »Ach!' seufzte dann statt aller an deren Antwort Frau Amalie, deren rundes Antlih die Farbe eines getoch- s ten Hammers angenommen hatte. ! Nur Fräulein Elfe wandelte still? " dnrch Sand und Sonnenbrand. I Endlich aber hatte man den Rand ! des Waldes doch erreicht, und Herrs U ufi Kleinmichel hatte mit einemi lage alle ausgestandenen Müh-s seligteiten vergessen. i »Das-i mik, Kind-k, wie neuich die 1 Zögel fingen. Das ilinat anders als ’ das Gegriihle halb bezechter Ausfliig ler, nicht wahrs« »Recht« seufzte Frau Amalie. Und Baut, der den Rucksack keinen Mo ment aus den Augen ließ, fragte mit ? erbenehelter Unbefangenheit: ! Wollen wir denn hier frühstiicten. Laut« August Kleinmichel fah auf die Uhr. ; Dazu ist es noch zu früh. Eine » strenge Zunebaltung der für die ein einen ahlzeiten einmal festgesetzten agesfmnden ist das erste Erforder nih einer naturgemäßen Lebensweise Wir werden also ersi ein wenig ruhen« »Aber wir sind gar nicht müde, Papa- wandte Grete weinerlich ein, »sich fur ibar hungrig.« hr nicht müde seid, könnt , he ja inzwischen noch ein bischen maner Dann schmeckt’s nach her desto besserf user-P fdabei gilebt ei. Der Nucksåck einen a an einer vor r Mistiig auf das Vorhandensein von « - sen nnd anderem ier unter Sielle.Rocku1-cd ui wurden v seiest und ihnen gefellien sich vie-even Stiefel zu, die Arn Qleinmichel unbeanern gewor zvnrern So bis auf das unum - Rothwendige erleichtert, z sich das Mirdige Haupt der « ilie auf die dnftige Lagerstätte —««- - Dann schlossen sich seine An Hese wohlverdienten Schlamme-n Die treue Gefährtin seines Leben-T aber war ihm bereits vorangegangens in das Reich der Träume. Paul und ’ Gerte begaben sich aus nautische Ent- l deckungsreisen zu einem kleinen Tüm- » pel, und Fräulein Eise, der das ver- s einte Schnarchen ihrer schlummern- I den Eltern die beruhigende Gewißheit gab, daß man ihrer Gesellschaft nicht l bedürfe, wandelte mit gesenktem-köpf chen nach der entgegengesetzten Rich tun hin in den stillen Wald hinein. Zlötzlich aber blieb- sie erschrocken lauschend stehen. Ein leise zischender Ton war an ihr Ohr geschlagen, ein Laut. der schwerlich oon einem Thier des Waldes herrühren konnte Und der ! ihr überdies nicht ganz unbekannt zu ! sein schien. Zwischen dem Gezweigs des Unterholzes schimmerte es auf wie von einem hellen Sttotht u. gleich daraus wurde auch das dazu gehörige Antlis sichtbar, ein hübsches frisches Männergesicht mit einem stattlichen blonden Schnurrbartsp « »vcuooq — perr Doktor — nno Sie es wirtlichi Um Gotteswillen, seien Sie vorsichti ! Es wäre schreck lich, wenn mein Japa Sie bei mir sände.« »O, er wird mich nicht finden. Und wir sind weit genug von ihm entfernt, daß Du mich nicht zu siezen brauchst. Oder ist etwa seine Abneigung gegen den Stand der Aerzte inzwischen auch auf Dich übergegangen?« »Ach nein!« seufze räulein Else so recht schwer aus erzensgrund. »Aber, warum mußtest Du meinen Vater auch so schwer beleidigenl Er wird Dir das nie, nie vergeben.« »Aber mein Gott, was habe ich denn gethan? Daß ich ihm am Abend lichen Stammtisch einmal griindlich meine Meinung sagte über seine Kur pfuscherei. war doch einfach meine ärztliche Pflicht. An sich selber mag er ja mit seinen Luftbädern und Ue bergießungen und Einpactungen so viel sündigen als er will. Aber der Gedanke, daß er es möglicherweise auch einmal bei Dir und Deinen wehrlosen Geschwistern versuchen könnte, zwang mich, ihm dasGesähr liche seiner Marotte ilar zu machen. Daß ich mich durch den überlegenen Ton seines Widerspruches vielleicht etwas weiter hinreißen ließ, als ilug war, will ich gern ugeben. Jedenfalls ist er immer noch fehr ergrimmt, das beweist mir dieBeharrlichteit, mit der er bei zufälligen Begegnungen auf der Straße meinen Gruß ignorirt. Aber es wird schon eine Gelegenheit kom men, das zerrsissene Band wieder an utniipfen.« Lrgendwo im Walde regte sich et was und Fräulein Eise fuhr erschro cken zusammen. »Himmel, wenn man uns entdeckte! Der Papa würde natürlich nicht an einen bloßen Zufall glauben.« «Es ist selbstverständlich auch tei ner, mein Lieb! Deine Schwester Grete hat mir gestern Abend das Ziel Eures Sonntagsausfluges mit getheilt und in der Zuversicht, daß uns Gott Amor zu einem tleinen Zwiegespräch verhelfen würde, habe ich mich schon mit dem ersten Früh uge ausgemacht. Ich wußte, daß hr auf dem Wege nach Prenden hier vorbeitommen müßtet, denn ich habe bis vor einem Jahr in dieser Gegend Praktizirt und tenne sie ganz genau." Der größeren Sicherheit halber zogen sie ein wenig weiter von dem Schlummerplätzten ihrer Eltern hin weg in den Wald hinein und eng umschlungen wandelten sie zwischen den Stämmen dahin, um in der Glückseligkeit ihrer jungen Liebe für eine ileine Spanne Zeit alles Unge mach u vergessen, mit dem Herrn Augu Kleinmichels unversöhnlicher Groll sie bedrohte. Genau um die nämliche Zeit näherte sich aus der entgegengesetzten Richtung her ein einsamer Wanderer dem ilei nen Hügel. Aus den zahlreichen Lä chern seines dünnen Röckchens schim merte ein Hemd von mehr als zweifel hafter Reinheit; seine Stiefeletten be wahrten nur nach wie durch ein Wun der ihren äußerst losen Zusammen hang mit dem Oberleder, und der Knotenstock in seiner Rechten sah eben sowenig vertrauenerweckend aus wie sein verwittertes Gesicht mit der blau rothen Nase und dem borstigen Schziurrbarn » -·-·- - s- s IIUI clllclll Dllll ylcll kl iuUIUskllU aus seinem Wege inne. »Donnerwetier,« knurrte er. »Ich will aus der Stelle gehängt sein, wenn da nicht einer schnarcht. Den wollen l wir doch mal ansehen« Mit dem Spiirsinn eines India ners und der Vorsicht eines weidge rechten Jägers piirlchie er sich an den Hügel heran, und seine-vorquellenden Augen stierten aus das anmuthige Bild friedlichen Familiengliicks, das das schlummernde Ehepaar darbot. Herr August Kleinrnichel hatte sich im Schlafe ein wenig aus die Seite edreht; die Sonnenstrahlen ließen Feine dicke goldene Uhrlette verführe risch funkeln, und die Tasche seines Beinkleides stand einladend offen. Der einsame Wanderer aber schien plii lich von einer höch merkwürdigen ish degierde ergris en, den nhali die er Tasche zu ergründen. nn er der senkte seine nnsaubere Rechte so ge schickt in ihre Tiefe, daß keine verra therische Berührung den Schlasrnden seiner Traunrwelt entriß. Blihschnell ließ der Unbekannte den länglich vier eckigen Gegen and, den sein kühner Forschung-san zu Ta e gefördert, in einer eigenen Hosenia che verschwin den, und dann machte er sich daran, zacht die ldene Uhrlelte von der » dei» - n Meile zu lösen. Reue hatte die Wißbegierde des Un betannten eigentlich befriedigt sein Weinen. Aber ein siir die Familie Kleinmichel höchst unglücklicher Zufall lenkte seinen Blick auf jene Stelle, wo der Rucksack mit dem abgelegten Rock und den neuen Stiefeln des Rentiers ein verlockendes Stillleben bildete. Mit drei Schritten hatte er sie erreicht, nnd dann —- ein berufe-mäßiger Verwand lungstünstler hätte nicht schneller zu Werte gehen tönnen —- bewirkte er mit Hilfe der abgeleaten Kleidungs stücke des Herrn Kleinmichel eine ebenso unrechtmäßiae als vortheilhafte Metamorphose seines in der That sehr aufbesserungsbediirftigen äußeren Menschen. Dann schwang er den schweren Rucksack frohgemuth auf den Rücken, und in einer Anwandlung großmüthiger Freigebigkeit ließ er so wohl seinen Roci und seine Faßt-eini dungen auf dem Schauplay der Er eignisse zurück« »Papa —- Mama — wo ist denn der Rucksack?« «Mama —- Papa — seht doch, was für iomische Stiefel!« Die hellen Stimmen ihrer säugten Strößlinge waren es, die das he paar mit diesen Zurufen aus seinem Schlummer weckten. Schlaftrunten öffnete Augustpleiw michel die Augen und das erste, was sie erblickten, war die Gestalt seines von oben bis unten mit Schlamm be sprißten Töchterchens, das gleich Sie getrophiien in der rechten Hand den klä lichen Ueberrest einer vor Jahren vie eicht sehr eleganten Gummizug Stiefelette und in der linlen das Wrack eines schiesgetretenen Schust stiefels hielt. « Frau Kleinmichel stieß einen Schrei des Entsetzen-? aus; ihr Gatte aber ließ sich in seinem ersten Unwillen da zu hinreißen, Gretchens Sonntags laune durch eine nachdriickliche Ohr feige zu entweihen. »Wir haben blos Salamander ge sucht,« heulte die in ihren zartesten Empfindungen geltiintte junge Dame. »Du hast doch gesagt, daß wir uns austoben dürften.« ,,Papa — Mama —— der Rucksack ist weg,« erklang aus dern Gebüsch eine zweite heulende Stimme. »Was sollen wir jetzt sriihstiickeni Jch kann es nicht mehr aushalten vor Hunger.« Und nun folgte die grausame Ent deckung dessen, was sich hier zugrun gen hatte. Und mitten in dem allgemeinen Jammer schrie die würdige Muiter der Familie in neuem Schrecken auf. »Else! Wo ist Eise? Die Räuber haben uns auch unser unglückliches Kind entsiihrt.« "".,Rede doch leinen Unsinn!« fuhr Herr August Kleinmichel die treue Gefährtin seines Lebens an. »Ein achtzehnjiihriges Mädchen läßt sich nicht stehlen, ohne auch nur Piep zu sagen. Und da lommt sie ja auch schon. Wo in aller Welt hast Du denn gesteckt, Mädel?« Fräulein Eise war ersichtlich aufs äußerste bestürzt über die seltsame Aufregung, in der sie ihre Angehöri gen vorfand. »Weil Jhr so schön schlieft, war ich ein Stück in den Wald hineinge aangen, um Blumen zu pflücken,« ammelte sie. »So. also Blumen hast Du ge: pflückt, während man uns hier schamlos auspliinderte! Man pflückt nicht eine Stunde lang Blumen, und so lange muß es wenigstens her sein, daß wir uns hier gelagert haben. Es ist — aber um Himmelswillen, wo ist denn meine Uhr?« —- —— -—— »Fort —- sort meine Uhr und mein Portemonnaie: Dieser Raubmörder. dieser Schinderhannes hat mir alles gestohlen!«' Namenlos traurige Minuten waren es, die der neuen niederschmetternden Entdeckung folgten. Herr Kleinmichel wetterte und fluchte, seine Gattin saß wie ein Bild der Verzweiflung da, die Kinder heulten und Fräulein Else hatte ebenfalls das Taschentuch vor dem Gesicht. Da man doch aber schließlich nicht mitten im Walde den aualvollen hungertod sterben konnte, faßte der Rentier endlich einen mann haften Entschluß. »Nun hort endlich eint mit Jam mern und Flennen, damit wird nichts gebessert. Wir müssen zusehen, daß wir sobald als möglich zu Menschen gelangen. »Aber Du kannst doch nicht aus den Strümpfen geben« August,« wandte Frau Kleinmichel ein. »So schlecht sie auch sind, möchtest Du nicht die Stiefel da anziehen Z« »Was? Diese Fetzen? Wie kannst Du mir das zumuthen?« Herr Kleinmichel sah schließlich doch ein« daß er sich entschließen müsse, in die zutückgelassenen Fu be tleidungen des Räubers zu schlüp en. Und so setzte man sich endlich in Bewegung. Eine halbe Stunde etwa mochte man gewandert sein, da ertönte plök lich ein auietender Aufschrei und Frau Amalie klammerte sich wantend an ihren Gatten. Ach Du mein Gott, seht habe ich mir den Fuß vertreten. O, wie das schmerzt -- wie das schmerth «Ra, das hat uns ja gerade noch gesehltl' knurrt-e here Klemmichel in anmmig »Komm bee. Else, wir wol n versuchen, die Mutter zu stüten.« Fräulein Else gehorchte willig. Aber was bedeuteten ihren schwachen Qiiiste dieser Zentner-last argenkiber. Ein paar hundert Schritte hielt sie es wohl us, dann aber mußt-e sie ek kzlnetcheäd gestehen, daß sie nicht mehr .ne· here Kleimnichel entschied nach kurzem Ueberlegen, daf- alle drei Kinder hier bei der Mutter zurückblei ben sollten, während er ganz allein von Prenden Hülfe herbeiholen wollte. Jn trostloler Stimmung llieben die anderen zurück. Zu den Hirt-ser lichen Leiden, die Hunger, Durst und Schmerz ihnen bereiteten, gesellte lich die Furcht vor einer abermaligen Ueberrumpelnng durch die Räuber, die den abgelegenen Wald unsicher zu machen schienen. tlnd als Paul plötz lich schrextensbleich atsrieft »Da kommt einerl« ftikfs Grete ein fürch terliches Geheul aus. Fräulein Elle aber, deren Gesicht sich wieder mit einem verrätherilchen Noth überzogen hatte, rief ihr vorwurfsvoll zu: »Sei doch still, Kind, siehst Du denn nicht, daß es der Herr Doktor Leuenberg ist?" Und er war es wirklich. Mit der unbefangensten Miene von der Welt schlenderte er gemiichlich daher. Natürlich kliirte man ihn mit ra schen Worten über das Vorgesallene auf und Doktor Leuenber schätzte sich glücklich, den Herrscha ten seine Dienste anbietenzu können. Zunächst machte er sich an eine Untersuchung des verletzten Fußes und brachte die Sache wenigstens so weit wieder in Ordnung, daß Frau Kleinmichel im Stande war, ein paar Schritte zu machen. Die hülssbereitschast des Doktors aber war damit noch nicht erschöpft. »Natürlich können Sie nicht hier mitten im Walde aus die Rückkehr des Herrn Kleinmichel warten," er ktarte er. »Und es ist ja auch glück licherweise kaum zehn Minuten bis zur Försterei. wo man Ihnen mit Vergnügen gastliche Ausnahme ge währen wird.« Frau Amalie war entzückt von der Liebenswiirdigteit und Artigkeit die ses jungen Mannes, den sie geradezu als ihren Lebensretter betrachtete· Die Ausnahme, die man den be dauernswerthen Aussliigliern in der Fürsterei zu Theil werden ließ, war ganz so freundlich und gastlich, wie der Dottor es vorausgesagt hatte· Während die Dinge für seine Hm gehörigen so eine günstige Wendu::«z genommen hatten, wanderte Herr Au aust Kleinmichel mutterseelenallein aus dem Wege nach Prenden dahin. Die Stiefel des gewissenlosen Räubers be reiteten seinen empfindlichen Füßen bald eine unerträgliche Pein. Im mer mühseliger schleppte er sich vor wärts, under war froh, als er am Wege einen Knüttel sand, dessen er sich als Stütze bedienen konnte, und er bemertte es nicht, als aus einem Seitenpsade ein Mann daher kam, den sein grüner Waffenrork und seine blinlende Pickelhaube als einen bitter des Gesetzes kennzeichnen-L Der Gendarm aber hatte ihn gesehen. Daß ihm die Erscheinung dieses Wanderers einigermaßen verdächtig vorkam, würde herr August Klein michel selbst ihm wahrscheinlich kaum verübelt haben, wenn er sein Ebenbild hätte im Spiegel blicken können. Jn Ermangelung eines solchen aber sehlte es ihm an der nöthigen Unbefangen heit in der Verurtheilung der Situa tion, und er fuhr wiithend aus, als er plötzlich eine rauhe, gebieterische Stimme sagen hörte: »Wer sind Sirt —- Zeigen Sie mir Jhre Papiere!« »Wer ich bin? Das geht Sie gar nichts an. Thun Sie lieber ordentlich Jhre Pflicht und sorgen Sie dasiir, daß in Jhrem Revier ehrliche Leute nicht von herumstrolchendem Gesindel ausgeplündert werden.« Herr August Kleinmichel kam da mit sehr übel an. »Noch einmal srage ich Sie, wer Sie sind!« herrschte ihn der Vertreter der Staatsgewalt an. »Und ich verlange Jhre Ausweisuapierr. Wenn Sie sich nicht legitimiren können, erkläre ich Sie sür verhaftet. Jch frage Sie jetzt zum letzten Mal: »Haben Sie Legiti mationsvaviere oder habenSie teine"?" »Den Teufel habe ich! Sehen Sie denn nicht, daß ich schändlich bestob len worden bin, —- ausgevlündert bis aus’s Hemd?« Und in hastiaen Weiten berichtete er fein Mißgeschick Der Gendcrm schüttelte itirnrunzelnd den Kopi. «Hören Sie mal, mein Lieber, mit solchen Näuberaeichichten haben Sie bei mir tein Glück. Erzählen Sie das meinetwegen dem Herrn Odrisl-erste hen der Sie sich morgen oder über moraen aus dem Polizeigeiiingniß vorführen lassen wird. Vielleicht —« Jetzt packte herrn August Klein michel doch mit einem Mal das Ent setzen. »Aus dem Polizeigefiingnißi herr, Sie wollen mich doch nicht im Ernst arretiren? Wenn Sie mir nicht glau ben, so geben Sie mit mir zurück bis zu dem Wenn-seien Da werden Sie meine Frau und meine Kinder finden und können sich von ihnen bestätigen lassen, daß ich nichts als die Wahrheit gesagt habe.« »Na, darauf soll mir’s schließlich nicht ankommen. Aber Sie werden natürlich mitgeben. Und ich bitte mir ans: keinen Fluchtoersuch. Sonst bin ich ge wungen. zu ichießen.'« Es wei te nicht allzulange, bis der Wegweiser vor ihnen attitauchte. «Wo sind denn nun Ihre werthen Angehörigen wenn ich fragen darfi Möchte-i Sie ietzt nicht lieber einge rtehen, daß Sie mir ein Märchen aus binden wolltens« Wie ein Berzweifelter schaute Herr August Kleinmichel nach allen Rich tunYn aus· - « maliel« schrie er. «Else! — Pault —- Gretet« Aber nur ein bodhastes Echo gab ihm Antwort. Völlig gebrochen sont August Kleinmichel auf den Stein am Wegweiier nieder. Aber der Gendarm herrschte ihn an: »Vorwärts jetzt! Und nicht ge muckstl Jch habe schon viel zu viel Zeit mit Jhnen verloren.« »Nein, ich gehe nicht Von der telle.« erwiderte der unglückliche enticr. »Der Mensch kann viel ans halien, aber alles hat schließlich eine Grenze. Es ist ja, als hätten sich alle Teufel der hölle gegen mich verschwo ren.« Der Gendarm nahm eine Drohende Miene an, und wer weise. bis zu wel cher Katastrophe sich die Situation derschiirft hätte, wenn nicht im kriti schen Augenblick herr Dottor Rudolf Leuenberg zum zweiten Mal als Ret ter in der Noth auf der Lildfliiche er schi nen wäre. »Gott sei Daue, da ist ein Mariens der mich legitimiren kann. herr Doktor! Herr Doktor!« Der junge Arzt hatte die beiden schon längst bemerkt. Der Ausruf des herrn Kleinmichel machte es ihm nicht schwer, die Sachlage zu errathen. Aber ganz ohne Strafe für seinen bisher bewiesenen Starrsinn sollte der Vater feiner angebeteten Else doch nicht bleiben. - »Meinen Sie mich, mein herr?« fragte er. »Womit tann ich Ihnen dienen?« »Aber um des Himmels willen, Doktor, thun Sie doch nicht, als ob Sie mich nicht tennen! Jch beschwöre Sie, sagen Sie diesem Beamten, wer ich bin.« »Erlauben Sie —« August Kleinmichel begriff alles. »Sie wollen Vergeltung iiben — ich verstehe es wohl. Aber es wäre nicht großmüthig, wenn Sie sich auf solche Art fiir ein in der Uebereilung gesprocheneö Wort rächen wollten. Jch nehme alles zurück, was ich an jenem Abend gesagt habe; nur be freien Sie mich aus dieser schauder haften Situation!« »Sie nehmen Jhr Verbot zuriick — das ist allerdings etwas anderes. Sie kennen mich doch, Gendarm ?« »Natürlich, Herr Dottor!« erklärte der Mann des Gesetzes salutirend. »Hei-en Sie mir denn nicht vor an derthalb Jahren mein zerbrochenes Bein wieder zurechtgeflickt?« »Dann wird es Jhnen hoffentlich auch genügen, wenn ich fiir diesen Herrn jede etwa erforderliche schei nende Bürgfchaft übernehme. Außer dem glaube ich auch auf die Spur des Spitzbuben helfen zu können, der mei nen bedauernswerthen Freund im Schlafe ausgeraubt hat. Vor unge fähr zwei Stunden sah ich den Stein tlopfer Petereit hier im Walde. Und dem alten Zuchthöusler wäre die That wohl zuzutrauen. Wenn Sie sich jent gleich auf den Weg nach sei ner Hütte mache, gelingt es Ihnen vielleicht, ihn zu überrumpeln, ehe er seine Beute irgendwie in Sicherheit bringen iönnte.« Der Gendarm, der vor dem jungen Arzt offenbar großen Respekt hatte, zögerte nicht, seinen Wint zu befolgen. Dottor Leuenberg aber tliirte den schwergepriiiten Rentier vor allem über das Schicksal seiner vermißten Angehörigen auf und begleitete ihn dann zur Försterei. wo auf allen Sei ten große Freude iiber das Wieder sehen war. Mit Thränen der Rüh rung schilderte Frau Amalie ihrem Gatten die Verdienste, die der Doktor sich um sie erworben und in einer aus Dankbarkeit und Beschämung ge mischten inneren Bewegung schüttelte August Kleinmichel dem hülfreichen Jünger Aesiulaps die hand. »Ich bin ein Esel gewesen, Doktor! Wenn Sie wollen, werde ich es Jhnen Jschriftlich geben« Dann, nachdem der Forster Herrn Kleinmichelz mangelhafte Toilette aus seinen eigenen Garderobebestän den ergänzt hatte, setzte man sich zu dem leckeren Mahle, und die Stim mung wurde bald so vergnügt, wie es noch vor einer halben Stunde keiner von allen Betheiligten siir möglich ge halten hatte. »Hier bleiben wir bis zum Abend«, erklärte August KleinmicheL »Es ist nur schade, daß wir diesen ereigniß reichen Sonntag nicht mit einer fest lichen Bowle beschließen tönnen.'« Aber selbst dafiir wußte der Aller weitsdoktor Nath. Und während das von ihm angesetzte dustige Getränt seiner inneren Vollendung entgegen reiste, nahm er den Vater Elsens bei seite, um ein ernsthaftes Wort mit ihm zu reden. Als die beiden Herren in das haus zurücktebrtem rief here August Kleinmichel nach seiner Gattin und eine Viertelstunde später auch nach seinem Töchterchen Eise, um sie aus Ehre und Gewissen zu sra en, od es wirklich ihr sester, unumsfßlicher Wille sei, den Doktor Rudolf Leuen berg zu heirathen, in welchem Fall er in Gottes Namen seinen Segen dazu geben wolle. Man war eben im Begriss, das erste Glas aus das Wohl des jungen Brautpaares zu leeren, als der Gen darrn wieder erschien um Deren August Kleinmichel mitzutheilem daß er sein gestohlenei Eigenthum noch heute beim Amtövorsteher in Neuhos in Empfang nehmen tönne. Petereit habe alles wieder heraut egeben, als der Gendarm ihm den Ziehstahl aus den Kopf zusagte, alles, bis aus den anhalt des Rucksactes, tcr bis aus das letzte Krümchen und den ledten Tropfen verzehrt war als der Arm der strafenden Gerechtigkeit den Frev ler ereilte. « « Gedankeutefem TM Ein berühmter Gedankenleser und Spititisi unterhält sich und seine Mit passagiere im Eisenbahncoupe des Schnellzuges mit dem Errathen ihrer Gedanken. Zupan Junos, ein mittei sender Pserdehiindler aus Dbreczin, amiisirt sich sehr, weil er die Sache als Scherz auffaßt und sagt zu dem Gedankenleser: »Werde ich Jhnen zahlen 50 Gulden, wenn Sie mir er rathen meine Gedanken!« Der Ge dankenleser (srchtlich erheitett): »Sie fahren zum Pferdemarkt nach Budas pest, wollen dort siir zehntausend Gul den vertausen, dann schleunigst nach hause zurückkehren Konturs anmel den und mit Jhren Gläubigern aus drei Prozent akkordiren!« Der Ungar greift in den Stiefelschast, zieht eine schmutzige Börse hervor und zahlt schweigend die 50 Gulden. Gedan kenleser (triumphirend): Sehen Sie, ich habe Jhre Gedanken richtig erra then!« Ungar: »Nein, das nicht, aber Sie haben mich gebracht aus eine sa mose Jdee!« O trauieo heim! Haft eines Heimes Süßigkeit Du je fiir kurze Zeit empfunden, O schlag in eitler Müßigteit . Nicht einer fremden Heimftatthndenc Es wird ein Glück so leicht zerstört, Nicht immer läßt sich’s wieder bauen, Du kannst, wenn Dir ein Glück gehört, Dann auch der fremden Nachsicht trauen! Es steht kein Heim so felsenfest Jn diesem wilden Kampf um’sDasein! Jn Nitterfchloß und Bogelnest Kann Liebe sich nur flüchtig nah’ sein. Darum, wo Zwei sich angebaut, Es seien Menschen oder Meisen· O, störe nicht durch That und Laut Sie in’ den kleinen, stillen Kreisen! Greif in tein Nest zur Frühlingszeit Und stiehl« die Vöglein nicht. taum flügge, Bedenl’, der Räuber ist nicht weit, Der sich vergreift an Deinem Glücke! Eine seltsame Handschrift aus Nord-England Durch englische Blätter geht zur Zeit eine einzig dastehende Inschrift, die ein amerikanischer Besucher auf ei nem Grabsteine im Kirchhof eines Dorfes in Cumberland ausgestöbert und im »Ladies Home Journal« der äffentlicht hat. Sie lautet: »Hier liegen die irdi schen Reste von Thomas Bond und sei ner Ehefrau Mary. Sie war enthalt teusch und wohlthätig; —- aber Sie war hochmüthig, mürrisch und hitzig. s— Sie war eine zärtliche Gattin und liebevolle Mutter; —- aber Jhr Ehe mann und ihr Kind, die sie beide liebte, Sahen selten ihr Antlitz ohne absto ßende Stirnfalten, Während sie für Besuchen die sie verachtete, ein gewin nendes Lächeln hatte. — Fremden ge genüber war ihr Betragen verständig, — Aber Unvernünftig in ihrer Fami lie. — Außer dem Hause zeichnete sie sich aus durch Höflichleit, —- Aber Da heim durch schlechte Laune· —- Sie war eine ertlärte Feindin aller Schmeichelei und hatte selten Lob oder Anerkennung iibrig; — Aber Jhre hervorragendsten Gaben waren Mei nungsberfchiedenheit und das Aufspii ren von Fehlern und Mängeln. —— Be wundernswerth war ihre Sparsam keit, —- Und ohne Verschwendung Theilte sie all den Jhren zu in Hülle und Fülle; —- Aber ihre Augen brachte sie billigen Talglichtern zum Opfer-. Manchmal beglückte sie ihren Gatten durch ihre guten Eigenschaften! — Aber viel öfter betiimmerte sie ihn durch ihre vielen Schwächen, sodaß er nach dreißigjährigem Zusammenleben oft tlagte. Trotz ihrer Tugenden habe er alles in allem kein zweijähriges Ehe gliick genossen. Endlich entdeckte sie, daß fie die Liebe ihres Mannes wie die Achtung der Nachbarn verscherzt hatte, da Familienklatsch durch die Dienstboten ausgetragen wurde, und starb aus Aerger darüber am 20. Juli 1768, im Alter von 48 Jahren. — Ihr gemarterter Chemann til-erlebte sie 4 Monate und 2 Tage, und schied aus diesem Leben Am 22. November 1768, In seinem 54. Jahre. William Band, der Bruder des Verstorbenen, Errich tete dieses Denkmal Zu allwöchentlichet Erinnerung der Ehesrauen dieser Ge meinde, Auf daß sie die Schande ver meiden, daß ihr Andenken der Nach welt in so bunt zusammengeflicktesi Nachruf überliefert wird.« Die Worte tragen so augenscheinlich den Stempel des Wahrheit, daß an der Echtheit taurnz eifek ist. Sehen wir sie nicht leibha at uns, diese treffliche und unauiftehliche Mes. Bands Jhe grimmiger Schwager iannie seine Ebastöchtey ob es ihrer allzu viele giebt, in denen nicht im Kei me etwas lebt von jener längst vermo derten Ehefran Marhf