Yeöraska Staats-— Inzriger nnd Ist-rollt J P. Windolph, Herausgeber Grund Island Nebr 28.k11i190.') RwetterThekU Jahrgang 25 No. 48. Dei-Eichensan ch trat in einen heilig diiftern ichwald, da hört’ ich leif’ und lind Ein Bächlein unter Blumen flüstern, Wie das Gebet von einem Kind. Und mich ergriff ein süßes Grauen, Es kaufcht’ det Wald geheimnisvoll, Als möcht’ er mir was anvertrauen. i Als möcht’ er heimlich mit entdecken,. Das noch mein Herz nicht wissen foll. Was Gottes Liebe sinnt und will; « Doch schien er plötzlich zu erschrecken· Vor Gottes Näh — und wurde stle N. L e n a u. -.--— Gelähmte Flügel Novellette von B. R it t w e g e k. Dr. med. Susanna Hartwig, Frauen- und Kinderiirztin. Sprech ftunden Morgens von 8———9,Nachmit tags oon 3——4 Uhr. 1. Treppe. So liest ein stattlicher, biirtiger Mann, der kopfschüttelnd vor dem Porzellanschilde steht. Dann eilt er raschen Schrittes die Treppe hinan und schellt an der Flurthiir, hinter der Dr. med. Susanna hartwig zu finden sein soll. Ein sauberes Mädchen öff net und läßt ihn auf seine Bitte in das Wartezimmer ein. Bald darauf erscheint FräuleinDok tor in der Thitr des Sprechzirnmers. — »Herr Dr. Metz! Sie — in meiner Sprechstunde?« Dunkle Röthe steigt der auffallend hübschen, noch jungen Aerztin ins Antliß, und sie befindet sich in sichtlicher Verwirrung, die sie nur mit Mithe durch einen Scherz zu bekämpfen sucht. »Sie kommen doch nicht als Patient —- ich bin ja nur Aerztin fiir Frauen und Rinden« »Hm, wie Sie's nehmen wollen! Es giebt Leiden, ich weiß es, für die auch ein Mann lHilfe bei Jhnen suchen mag. Wenn der Mann nämlich Ro bert Merz heißt. Haben Sie ein we nig Zeit siir mich, liebe Susanna? Es ist schon neun Uhr —- nunmehr werden wir wohl kaum gestört wer den. Jch wählte diese Zeit, weil ich sie da sicher zu Hause wußte-" »Zeit? Aber gewiß liber Freund, so beschäfti t bin ich noch nicht« »Das i mir lieb, Susanna. Sehen Sie, ich hätte Ihnen ja schrei ben tönnen, aber ich wollte nicht. Aug in Auge! Susanna, sagen Sie mir nur um himmels willen, wie sind Sie auf diese Jdee getommen?« »Auf welche Jdee —- ich verstehe nicht ——?« »Nun, auf die mit dem Porzellan schild da unten. Jch traute ja mei nen Augen nicht, als ichs im Anzei ger last Daß Sie es soweit treiben würden, ohne mir ein Wort davon Zu sagen. Mir, von dem Sie wissen, aß ———nein, Suse, das war nicht hübsch von Jhnenl Sie wissen doch, daß ich Sie liebe, Suse, daß Sie, nur Sie, mein Weib werden müssen Hören Sie, mein Weib. Und nicht praktische Aerztin Das taugt nicht für Sie Kind. Sie sind ja ——— aber erst die Hauptsache. Wär' ich nur eher so tlug gewesen, vor meiner Reise! Aber wie konnt’ ich ahnen, daß Sie so hats über Kopf, gleich nach Ziirich, sich niederlassen wür den? Und vorher durft’ ich ja nicht reden. Sie hatten sich’s ja nun ein mal in den Kon gesetzt, das mit dem Dotiorhut. Und allen Respekt vor Jhrere Energie. Doch damit hätten Sie’s genug sein lassen sollen, Suse! Soweit brauchten Sie’s nicht zu trei ben, bis zu dem Schild da unten. Denn Sie mußten ja wissen, daß ich Sie liebe. Und also, kurz und gut, Suse, wollen Sie mein Weib wer den? Jch fühle, ich bin Jhnen nicht gleichgültig, ja, ich weiß es, trotz al len und allem. Und ich habe gewar tet, Jahr um Jahr, ich habe Geduld gehabt mit Jhren Jdeen aber nun, da Jhrem Ehrgeiz Genüge geschehen, nun tann ich nicht länger warten. Werden Sie mein, Suse, ich brauche Ste, und ich habe so lange gewartet. Jhre Antworts« « Blaß bis in die Lippen steht sie vor ihm. »Ich tann nicht, es geht nicht. Es sei denn, aber das werden Sie nicht wollen, es sei denn, ich tönnte meinem Beruf treu bleiben und zugleich Jhr Weib sein« »Nein, Suie, so mein ichs nicht. Und das kann ja gar nicht Jhr Ernst sein. Jch suche keinen Associe, ich suche eine Gattin. Die es nicht bereuen soll, mehr gelernt zu haben als An dere ihres Geichlechteg. Ihr Wissen Suie. wird nicht verloren sein. Und vielleicht wird es Stunden geben, in denen ich selbst Sie daran erinnern werde, daß Sie mein Fachgenosse sind. Aber das kommt erst in zwei ter Reihe. Jn erster suche ich das Weib in Ihnen, eine Gefährtin für ich. Und Sie sind die Einzige, die r mich paßt, denn ich liebe Sie, ich habe nie eine andere geliebt. Sie miissen die Meine werden. Sie mits ien wählen, Suse, zwischen mir und Ihrem Berus.« »Ich habe gewählt. Aus Jhnen spricht männliche Ueberhebung. Wie könnten Sie mir sonst einen solchen Vorschlag machen? Jeßt, wo ich am Ziel bin, seht kommen Sie und sor dern, ich sall alles ausgeben, wostir ich geschafft und gestrebt, soll nichts sein, ais eine demüthige Gattin und Hausfrau. Bedenken Sie, was Sie damit verlangen: die Früchte jahre langen Strebens. O. Jhr Männer! Wenn das von Euch jemand ver langte, den Beruf aufgeben um eines Weibes willen! Jch gestehe, ich liebe Sie, Robert, und ich hätte gewünscht, Seite an Seite mit Jhnen in die Reihe der siämpfenden eintreten zu können. Sie wollen es nicht, und so, in der schweren Wahl zwischen mei ner Liebe und meinem Beruf, bleibt mir nur ein Trost; ich leide siir die Allgemeinheit.« »Miige die Allgemeinheit Jhnen das Opfer lohnen, Suse. Aber ich fürchte das Gegentheii. Sie gehören nicht zu den Frauen, die siir Kampf geschaffen sind. Sie haben viel zu viel Phantasie, ein zu weiches Herz. Heute machen Sie sich ja nur künst lich hart. Wenn Sie Praxis bekom men, werden Sie bald einsehen, daß ich recht habe. Es ist ein Unterschied, Theorie und Praxis! Versprechen Sie mir eins: Wenn Sie einsehen, daß ich recht habe, wenn Sie »fliigel lahm« sind, wenn Sie in Konflikt kommen mit sich selbst, mit Ihrem ei genen weichen Herzen, dann kommen Sie zu mir· Jch warte.« »Ich verspreche es Ihnen, mein Freund« Ernst und fest sollten die Worte klingen, aber die Stimme der Sprecherin zittert und es blinkt feucht in ihren Augen« ,,Leben Sie wohl, Suse!« Etwas über ein Jahr ist vergan gen. Fräulein Dr. Susanna Hart wig ist bereits viel beschäftigt. Frauen und Kinder nehmen ihre Zeit und Kraft in Anspruch, und sie dient« ihnen mit ihrem ganzen Können und Wissen. Mit fortwährender Ueber windung ihrer selbst und ihrer Schwäche. Denn merkwürdig was ihr in der Theorie leicht erschien, in der Praxis wird’s ihr furchtbar schwer. Jmmer leiden sehen und so selten wirklich helfen können! Und in den Stunden des Alleinseins, der Muße welche Niedergeschlagenheit und Mii digteit da in ihr ist! Sie hat ja Belannte genug und gute Freunde, sie lännte sich erholen im geselligen Kreis. Aber-Mit die Frische dazu, die harmlose Freude am Verlehr. Sie sorgt unausgesetzt um ihre Patienten und trägt jedes Einzelnen Geschick aus dem Herzen. Wie könnte sie in froher Gesellschaft weilen, wenn sie weiß, eben bangt eine Mutter um das Leben des einzigen Kindes! Es mag ja Frauen geben, die das trennen können, den Beruf und das innerste Fühlen. Sie vermag’s nicht. und das reibt sie auf. Sie nimmt Alles ganz persönlich, und so leidet sie unausgesetzi. Ob doch — ob sie doch nicht geeignet war zu diesem Beruf? Ob es ihr Beruf gewesen wäre, eines geliebten Mannes Weib zu sein? Ob die Sehnsucht nach ihm, nach Robert. schuld ist an diesem ganzen Zustand? So fragt sich Fräulein Dr. Suse oft, und es kommen ihr reuevolle Gedanken. Aber sie wehrt ihnen mit dem ganzen Rest ihrer viel geprüften Energie. Gäbe sie das zu, dann wäre sie ja ver Pflichtet, ihm Alles zu gestehen. Nimmermehr! Sie hat die Last ihres Berufs auf sich genommen, sie muß sie weiter tragen. Heute ist die Sprechstunde am Morgen recht besucht gewesen und Susanna fühlt sich schon vom Beginn ihres Tageswerts grenzenlos ermüdet. Da schellt es noch einmal und dienst bereit, denn das ist sie immer, wintt sie mit freundlicher Miene der schwäch lich aussehenden, nicht mehr ganz jugendlichen ·Frauenerscheinung, ins Sprechzimmer zu kommen. ,,Fr«ciulein Harttvig, ich bin Jhnen fremd, natürlich. Aber gerade des halb komme ich zu Ihnen. Bitte, un tersuchen Sie mich. Jch huste immer nnd bin so matt. Und nun stehe ich vor meiner Hochzeit. Sieben Jahre sind wir verlobt gewesen, und ich habe ihn so lieb. Und nun bin ich trank. Er ioiil’s nicht glauben. Aber ich fühl’s, ich darf keine Ehe eingehen. Und ich muß Gewißheit haben." Die Sprechende iff in furchtbarer Aufregung Susanna, tief ergriffen, ftammelt ein paar Worte von übertrie bener Aengstlichteit. Aber das Aru ßere des Mädchens sagt ihr genug. Und nach der Untersuchung ist kein Zweifel mehr. Doch nicht um eine Welt hätte sie der Armen das Ergeb niß mittheilen können: Lungentuber iuiofe im vorgeschrittenen Stadium. »Ich würde Ihnen rathen, einen Specialisten aufzusuchen, ich bin nicht ganz sicher, Fräulein, und in solchen Fällen -—-« s »O bitte, bitte, Sie wollen mich nur schonen. Sagen Sie mir die Wahrheit. Es ist so hart, nochmals zu einem Arzt, und ich hatte so großes Frau sind« . Weil ich eine Frau bin, kann ichss nicht. Weil ich selbst liebe, weil ich weiß, was es heißt, entbehren, wo man besitzen- möchte, deshalb eben tann ich Dir nicht Dein Todesurtheil sprechen. —- So hätte Susanna ru-l fen mögen. Aber sie thut’s nicht. Sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, spricht sie: »Es ist doch besser, tonsultiren den Geheimrath Höfer Er ist Autorität.« Die Arme geht trostlos, wie sie gekommen. Suf fanna Hartwig aber verfällt, allein, in eine Art Weintrampf, aus dem sie sich nur mühsam aufrafft. »Flüsgellahm", so flüstert sie nach ei ner Weile— » zu ihm!« ; Dr. Merz hat feine Sprechstunde ;beendigt. Er greift nach Hut und sStoct Da,- ein schüchternes Klopfen, und sie fteht vor ihm —- Susanna J— blaß, mit gesenkten Augen, aber «lieblich, unendlich lieblich in ihrer de müthigen Haltung. ,,Suse, was führt Sie zu mir, und fo blaß sind Sie -— was ist Jhnen, fehlt Jhnen etwas — sprechen Sie ein Wort — ,,Flügellahm, Robert!« ,,Suse!« »Nein, hören Sie erst. Sie hat ten Recht, tausendmal recht, Robert. Jch bin nicht dazu geschaffen, ich kann nicht länger, ich habe getämpst, ge rungen, gelitten für meinen Beruf — vergebens. Und ich hatte Zähnen ver sprochen, wenn es soweit— »Und endlich ist s soweit! Gott sei Lob und Dant, Suse! Jch hab s er .hofft, ersehnt, erfleht — endlich! Mein Weib, meine Suse, endlichl tommft Du zu mir! Und ich lasset Dich nicht mehr. Und mach’ Dir tei nen Vorwurf, lieb’ Herz, über Deine ,yahnenslucht. Sieh, wenn Du mir all das wirst, wasich von Dir hoffe, dann nützest Du auch der Allgemein heit, denn ein Mann, dem ein gelieb tes Weib zu eigen dem verdoppeln sich die Kräfte, der wirkt und schafft für »zwei. Es ist also alles in Ordnung ; Find-nun, Suse, wann soll die Hochzeit ein « ,,Sobald Du willst Liebster« Vertrauen zu Ihnen, weil Sie eine nach d?m"FTiiIk-iifksg. Novellette von P a ut B l i ß. Die armen Junggesellen! Wenn sie nicht schon früher die ganze Einsamkeit ihres inhaltlosen Daseins fühlen, dann geschieht es ganz unzweifelhaft um die Zeit her um, von der empfindsame Seelen sagen: es ist die eit, da der Früh ling schwindet —- —— . Kurt Neumann war nun 30 Jahre, er hatte — wie man das so schön nennt —- sein Leben genossen. Er war in der Wahl seiner Eltern recht vor sichtig gewesen, und so brauchte er sich keine Sorgen zu machen und konnte leben, wie es ihm gestel. Aber wie das so geht —-— selbst ein sorgloses Dasein wird auf die Dauer zur Plage, wenn man die Strapazen des Vergnügensi nicht durch die Wohlthat irgend einer ernsten Arbeit ausgleicht. Kurt Neumann aber war nie ein - Freund der Arbeit gewesen, er hatte stets nur Lust und Zeit, der Göttin Lustbarteit zu opsern, —- na, und so kam, was denn kommen mußte: eines Tages sah er voll Entsetzen in den Spiegel und machte die grauenvolleE Entdeckung, daß sein Haupthaar sich zu lichten begann, daß sein schöner brauner Vollbart schon einige weiße Fäden auszuweisen hatte, und daß die verrätherischen Krähensiiße sich ganz bedenklich bemerkbar machten; als er « alles Dies ionstatiren mußte, ließ er den Spiegel sinken, machte ein melan- . cholisches Gesicht und dachte: Die er l sten Anzeichen, daß der Frühlings kvcicht. j Und von jenem Tage an erkannte er T dann die Oede feines inhaltlosen Da- ! feinst, -—— er fand die Vergnügungen seiner Mut-genossen fade und abge- » schmackt; er fand das Essen in dens Restaurants indifferent und auf dies Dauer ungenießbar; et fand sein sonst s sso traulich wirkende-B Garcon - Logiss Höde und langweilig; er merkte, daß, TWirthe und Diener ihn bestahlen, — siurz und gut, er hatte jenen großen moralischen Katzenjammer, von dem eine geistvolle Frau einst behauptete daß er der einzig höhere Weg zur Ehre l ser. »Ja, was soll denn aus mir wer den·?« fragte er sich eines Tages und zog dann den Gedanken an eine Hei rath ganz ernsthaft in Erwägung. Und so ließ er die Damen feiner Bekanntschaft im Geiste Revue pas stren. Aber troßdekn er eine ganz statt liche Reihe schöner, geistvoller und rei L) cher Damen zu seinen Bekannten zäh len durfte, war doch nicht eine Ein zige darunter, mit der er einen Bund für das Leben hätte schslie en mögen. Der gute Kurt war näm ich eine et was romantisch angelegte Natur, und obgleich er ein Drittel seines Lebens im tollen Jubel und Trubel verpraßt hatte, war er im Grunde seiner Seele 'der ideal angelegte Junge geblieben, der nun, nachdem die Wildheit ausge tobt hatte, wieder sich zurücksehnte nach der Stille eines harmonisch schönen Lebens. So saß er eines Tages zur Däm merskunde im Schautelstuhl, sah träu mend den blauen Rauchringen seiner Zigarette nach und dachte an die glück selige Zeit seiner Jugend, als er im ersten Erwachen seines Frühlings die ersten Liebesabenteuer erlebt hatte . . hei! Das war ein Glück gewesen! Da hatte er des Daseins Wonne als ein keines, ungetrübtes Glück empfunden! Da war es ihm noch möglich gewesen, sich in das erste beste Mädchen aus dem Volk zu verlieben. wenn sie nur ein reines Herz und ein treues Auge gehabt hatte! Ach, es war eine so herrliche, unvergleichliche Zeit gewe sen! Das ganze wilde Kraftgesiihl der Jugend war noch da, so daß man meint, es gäbe in der ganzen Welt kein Hinderniß daß nicht überwunden werden könnte! Alles-, Alles hatte ihm gehört, denn die Kraft und Phantasie war so stark, daß er sich Allem gewach sen fühlte! Und wie er so saß und seinen Träu men nachhing, kam ihm urplötzlich ein Mädchen in Erinnerung . . . . Lucie hieß sie, hatte blonde—Zöpfe, blaue Augen — ach, so liebe. treue Augen-— und war ein so schlankes, zartes We sen, daß er zuerst gar nicht wagen wollte, sie fest in seine Arme zu schlie ßen, —- und ein Schalk war sie dabei, immer ein Lächeln aus den Lippen und immer ein« heiteres Wort in Bereit schatf, — ein liebes, herziges Mädel, mit dem er Wochen des ungetrübten Glücks genossen hatte, des Glücks rei ner, teufcher Liebe, die so hoch und heilig über allem erischen dasteht, daß kein rohes Wort des Alltags sie entheiligen kann. Ach, ein rechter Narr ist er aewe sen, daß er sich dies Glück nicht ge wahrt hat! Denn erst jchh nun er des Lebens Oede kennen gelernt, weiß er ja, wo das einzig wahre Glück zu fin den ist. Plötzlich aber springt er aus. Ein Entschluß durchrüttelt seine müden Nerven, —- nein! es ist noch nicht zu spät! er weiß ja, wo sie ist, er wird sie aufsuchen, und wenn sie noch frei ist, und wenn sie ihn nicht verschmäht dann wird er sie noch ietzt nehmen, dann wird er nun noch das Glück sich holen, das er damals in blinder Thor heit verscherzt hat! Und unu ist er mit einem Male wie umgewandelt. Verschwunden die Mü digkeit, verslogen die Blasirtheit. Er richtet sich vor dem Spiegel auf, streicht den Schnurrbart hoch, läßt die tadel losen Zähne sehen undlächelt, voll froher Hoffnung, seinem Spiegelbild zu: nur Muth, nur Vertrauen, noch ist es nicht zu spät! Und dann, in fiebernder Eile, wer den die Vorbereitungen zur Reise ge: macht. Es kann ihm jetzt Alles nicht schnell genug gehen, er hat immer das Gefühl, als tönne ein Anderer ihm zuvortommem als könne diese letzte Rettung ihm vielleicht doch noch ge raubt werden, —- schnell, nur schnell, bis er ihr erst wieder gegenüber steht. Endlich, endlich sitzt er im Zug, der ihn nach den Gefielden der Heimath bringen soll. Aber ach, obgleich es ein Schnellzug ist, es geht ihm doch viel, viel zu langsam vorwärts. Das Herz pocht ihm in jugendlicher Ungeduld und die Gedanken eilen voraus, vor aus zu ihr. Es ist ihm, als habe er sie erst Vor wenigen Tagen verlassen, so sonnen hell steht ihre ganze Erscheinung nun vor ihm, es ist ihm, als sei Zeit und Raum vermischt, alg sei die ganze Zeit feines wilden Leben-z nicht gewesen, so stark, so machtvoll wirkt die Erinne rung, die ihm das lichtumflossene Bild der Geliebten vorsiihrt. Er preßt die Hände zusammen und erfleht vom Himmel dies Glück, dies letzte große Glück; von dem er Alleg, Alles erhossh Und endlich dann, nach einer qual vollen Stunde, hat er das Ziel seiner Reise erreicht. Er säh-It in das HoteL macht Ini lette. sehr, sehr sorgfältig, dann kaust er einen Strauß, Veilchen natürlich, denn Veilchen waren ja ihre Lieblings blumen und dann macht er sich aus den Weg en ihr. Se ne Aufregung ist so groß, als wäre er ein Primaner und ginge zu seinem allerersten Riendezvous. Als er vor dem Hause ihrer Eltern steht, wagt er nicht, gleich hinein zu gehen, sondern geht erst einige Male davor auf und ab, so daß er den Vorübergehenden schon auffällig wird, — endlich, dann faßt er sich ein Herz, drückt auf die Thürllinke und betritt den Flur des Hauses. « Tiefe Stille umfängt ihn. Alles ist noch so wie es- damals war, —- der alte Schrank, die große Uhr, die schwere Truhe, sogar die alte Lampe hängt noch da, —- als ob er es gestern erst verlassen hätte. Plötzlich kommt Jemand. Fast wagt er kaum zu athmenJ Zaghaft bleibt er stehen und wartet. Eine dicke Frauensperson kommt; sie ist nachliissig gekleidet, ein fettiger Morgenrock umschließt die üppige Ge stalt; auf dem unordentlichen Haar thront eine ehedem weiß gewesene Hau be. Erstaunt sieht die Frau den Frem den an. Endlich sagt sie mit heiserer Stimme: »Sie wollen wohl zum ) Herrn, —- bitte, die erste Thiir rechts.« Nun rafft Kurt sich auf und sagt imit leisem Erzittern: »Verzeihung. lich möchte gern Fräulein Lucie spre-» ; chen.« ' I ; »Fräulein Lucie?« Erstaunt siehtl »die Frau den Fremden an. ! Und Kurt nickt: »Jawohl, Fräu lein Lucie Müller·« » Plötzlich lacht die Frau laut schal lend auf und ruft mit hattet Stimme: «,,Ach, Sie sind ja der Herr Neumann, I na, Sie hätt’ ich, weiß Gott, nicht wie der ertannt!« ; Und dem armen Kurt ist es, als ob ( i plötzlich Alles um ihn her versinkt, als job er allein, mutterseelen allein da j stände. « »Na, dann treten Sie nur näher, Herr Neumann; aus dem Fräulein ist l s’ne Frau geworden, und auch an mir list die Zeit nicht spurlos vorüberge L gangen, wie Sie wohl sehen.« , Langsam, saft mechanisch, tritt Kurt ,in das Zimmer. Er kommt sich plötz " lich vor, als sei er eine Figur, die im Rahmen dieses Zimmers einen un glaublich komischen Eindruck machen smuß. - Und nun sitzen sie sich gegenüber, diese beiden Menschen, aus denen das» Leben so verschiedene Geschöpfe ge-l Lmacht hat, und nun sprechen sie von Iden gleichgiltigsten Sachen, und keiner i wagt es, an die Vergangenheit zu rüh » ren. Endlich, nach qualvollen zehn Mi nuten, erhebt er sich; er giebt vor, in sder Stadt noch ein paar Geschäfte zu . haben, und deßhalb empfiehlt er sich « jetzt. s Langsam, wie träumend, geht er, sgeht zurück ins Hotel, packt seine Sa ; eben, fährt zur Bahn, steigt in den Zug ,und fährt ab, und dann erst, dann i »als er den Fluren der kleinen Stadt sfern und entrückt ist, dann erst weicht H diese Lethargie von ihm. s Und jetzt, je mehr er der Hauptstadt Jnäher kommt, jetzt überfällt ihn eine Jneue eigenartige Stimmung, ein mü jdes Lächeln der Resignation umspielt Hseinen Mund, und ganz still und zu frieden denkt er jetzt: es ift vielleicht ganz gut, daß sie nicht dein Weib ge worden ist. J Dann fuhr er in den Bahnhof der Hauptstadt ein, und hier umbrauste ihn dieltausendfaches Leben und Trei ben, das seine sentimentalen Anwand Jungen vergessen machte. Der Iruthahn in Europa. Die europäischen Truthühner haben mit den wilden Truthühnern in dens Ver. Staaten und in Meriko so große l iAehnlichteit, daß man die sHeimathI dieser Hauschiere wohl in der neuen Welt suchen muß. Demnach müßten : auch die Leute unrecht haben, die in al Eten lateinischen Werken Erwähnungen Ioder Beschreibungen dieses Vogels ge i sunden haben wollen. ! Nach den neuesten Untersuchungen iliaben die llrahnen der europäischen Puter in Mexilo und Tean gelebt, und zwar sind es vermuthlich die al ten Mexilaner gewesen, die sich zuerst s mit der Züchtung dieses Gesliigels ab Igeqeben haben. Als Fernando Cortez 1520 Mexilo eroberte, fand er mehrere Tausende von Truthühnern in den Hö sen des Palastes des Kaisers Monte zuma. Natürlich war Spanien das erste Land Europas, das diese exoti schen Vögel zu sehen bekam, die da mals den Namen der indischen Pfauen erhielten. Es dauerte aber wahrschein lich nur wenige Jahre, bis sie von Spanien auch nach England lamen. Ein altes Gedicht berichtet, daß die Truthühner, die Karpfen und das Bier in demselben Fahr (1524) ihren Einzug nach Engiand gehalten hät ten. Zu vielen Jrrthiimern hat auch die englische Bezeichnung des Puter als Turteh Cocks Gühner aus der Türkei) Anlaß gegeben. Man kann ihre Entstehung wohl nur durch die Annahme erklären, daß man damals M o den Ursprungder Truthühner wirk lich in die Türkei verlegte. Es wäre möglich,- daß man in jener Zeit, ulö das neuentdeckte Weftindien mit dem eigentlichen Ostindien verwechselt wurde, auch die indischen Pfauen nicht richtig unterzubringen wußte. Die Bekanntschaft ’rnit den indischen Hühnerm namentlich mit denen aus Calicut, mag diese Verwechslung noch befördert haben. Jm 16. Jahrhundert waren die Puter in England eine Kostbarkeit allerersten Range-T und der Erzbischof Cranmer erließ 1541 ein Verbot, bei einem Gastmahl mehr als ein Stück der großen Geflügel arten zu servirem zu denen Kraniche, Schwäne und Puter gezählt wurden. 40 Jahre darauf waren die Truthüh » ner schon zahlreicher geworden, so daß sbei einem Bankett neben anderen De lilatessen im ganzen sechs Exemplar-e erschienen, von denen jedes nur 4 Schilling gekostet hatte, während Schwäne und Kraniche damals noch 10 Schilling und die Kapaunen eine halbe Krone kosteten. Auch bürgerte sich nun schon die noch heute in Eng land herrschende Sitte ein, zu Weih nachten einen Truthahsn zu braten. Die Grafschaften Norfolk und Sus folk bemächtigten sich hauptsächlich der Truthahnzucht und schon vor 100 Jahren schickte die Stadt Not-wich in drei Tagen allein über 4000 Puten nach London. Jn Frankreich wurden nach der Ueberlieserung dem König Karl dem Neunten beim Durchzug durch Amiens von der Bürgerschaft zwölf Truthühner als Seltenheit zum Geschenk dargebracht, aber schon viel früher war dies Geflügel auch dort bekannt geworden. Als im Jahre 1546 ein reicher Bürger von Rouen ein Baniett veranstaltete, wurde in einem Festgedichi von 442 Versen auch der auf der Tafel vertretene Truthahn befangen. Die Benennqu ver Taschen U ro Es ist Thatsache, daß mit den Ta schenuhren meist recht sorglos und gleichgiltig umgegangen wird. Jn folgedessen hat man oft über Unregel mäßigkeiten zu klagen und bereitet sich selbst unnöthige Unkosten. Eine wirk lich gute Taschenuhr ist aber ein so werthvolles Objekt, daß man bei der Behandlung desselben schon etwas Aufmerksamkeit und Sorgfalt anwen den soll. " Um einen gleichmäßigen und zuver lässigen Gang der Uhr zu gewinnen, ist es unbedingt nöthig, daß sie täg lich und zwar stets zu derselben Zeit aufgezogen wird; am besten geschieht dies Morgens. Es ist diese Pünkt lichkeit im Ausztehen sehr wichtig! Gilt es sodann die Zeiger zu stellen, so thut man dass in der Weise, daß möglichst wenig gedreht werden muß Kann das leichter gesche en, wenn man den Zeiger rückwärts reht, drehe man rückwärts. Es ist eine irrige Annahme, daß das Rückwärtsdrehen dem Uhrwert Schaden bringt. Kann man dadurch ein längeres Drehen er sparen, nehme man es ruhig vor. Müßte man beim Vorwärtsdrehen den Zeiger mehr oder weniger fast den ganzen Kreislauf machen lassen, ist äahs viel weniger vortheilhaft für die r. Außerdem vermeide man es, sie Abends beim Abnehmen auf eine Marmorplatte oder sonst eine kalte Fläche zu legen. Bei feinen Uhren, besonders bei Damenuhren, kann es sehr schnell und leicht passiren, daß der jähe Temperaturwechsel durch u sammenziehen des Metall-s die Fe er absprengt. Die Kälte verursacht aber auch das Gerinnen des Oeles, mit dem die Räder und Zapfen beseuchtet sind; sie arbeiten dann weniger mühe los und beeinträchtigen die Exaktheit des Ganges. Das Günstigste für die Uhr ist, sie in schräger Stellung, ähn lich der, die sie in der Westentasche oder im Gürtel einnimmt, an einen weichen Gegenstand zu lehnen. Von Zeit zu Zeit sollte man seine Uhr übrigens gründlich vom Uhr macher saubern lassen. Nach und nach trocknet alles Oel ein, Staub sammelt sich immer mehr an. und es werden dadurch nicht allein die Funktionen unregelmäßig, sondern es wird auch noch die feine Maschinerie ganz erheb lich ftrapazirt und abgenutzi. Wer darum eine gediegene Uhr besitzt und sich selbe lange in gebrauchsfähigem Zustande erhalten will, lasse sie alle zwei Jahre von einem Fachmann rei nigen, vertraue sie aber nur tüchtigen und zuverlässigen Händen an. Er hat da eine kleine Ausgabe, im andern Falle leicht größere, denn Uhrrepara turen sind meist kostspielig Ausswa Baron ann vonPumpwitz sitzt zwar ewig in der Klemme, aber er erträgt die Sache mit Humor, und mit den Mahnbriefen tipezirt er sich seine feu dale Junggesellenwohnuna. Doch die Situation wird immer schlimmer; alle Wände sind schließlich vollgeklebt mit Mahnbriefen. Da meint er zum Die ner: »Johann, weißt Du denn keinen Rath, schau nur, jetzt sind alle Wände mit diesen scheußlichen Brieer voll?!« »O,· ganz einfach,« antwortet der Diener, »wir können ja noch ein Zim mer dazu miethen!« » Böse Zungen. i »Du, was sagst Du denn zu dem lalten Oberst mit seiner blutjungen sFtau« - »Na —- sie sieht aus, wie wenn sie aus der Pension käme und er sieht aus, wie wenn er in die Pension gingt«