Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 28, 1905, Sweiter Theil., Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Um der Mitgift willkn.
Original-Roman von Akthuk sapp.
10. ort e un .
Seit fes-tm Zmüxhkgengozn Anerbie
ten, das that durch den alten Neumann
termitteit worden war, hatte er von
Clara kein weiteres Lebenszeichen er
halten. Da traf eines Tages ein ge
richtliches Datument ein. Es war die
formelle gerichtliche Aufforderung an
Axeh zu feiner Frau zurückzukehren
oder sie bei sich aufzunehmen «
Tiefe Bitterkeit quoll in dem Ber
einsamten empor. Sie machte also
wirklich Ernst. Das war der erste
Schritt zur Scheidung. Ihr Herz
sprach nicht mehr fur ihn. Das Gefühl
ihres beleidigten Stolzes, ihrer ge
iräntten Eigenliebe war vorherrschend
in ihr nnd erstickte jede andere weichere
Regung. «
—
sehnte-Z Kapitel.
Daß Aer von Düringshofen es
mit seiner neuen Thätigteit sehr ernst
nahm, konnte Jeder auf dem Gute er
kennen. Er war vom frühen Morgen
bis zum späten Abend unermüdlich
thätig. Der Amtsrath zeigte ihm
von Tag zu Tag ein schmunzelnde
res, freundlicheres Gesicht. Ada da
gegen war mit dem Arbeitseifer ihres
neuen hausgenossen durchaus nicht
zufrieden. Sie hatte sich von Axels
Anwesenheit viel Angenehmes ver
sprochen und geglaubt, einen unter
haltenden Gesellschafter und galanten
Kavalier zu .ihrer Verfügung zu ha
ben, und nun bekam sie den Thatigen
fast nur bei den Mahlzeiten zu Ge
sicht. Und auch dann war er wori
karg still und in sich versunten.
Eines Tages erschien ein uner
warteter Besuch auf Plantitom Es
war Herr Gnntermann, der Herrn
von Düringshosen zu sprechen ver
langte. Es war in einer Nachmit
tags-stunde, und Arel befand sich aus
einem der Aecker, wo jetzt die Vorbe
reitungen zur Frühjahrsbeftellung ges
macht wurden. Ein Bote wurde ihm
sogleich nachgesandt.
Inzwischen erging sich Herr Gun
termann in Gesellschaft der Frau
Amtsröthin im Part, in dem es be
reits zu grünen und zu sprossen be
gann.
, Ada war natürlich sehr neugierig
zzi erfahren, was den Theilhaber der
Firma J. C. Rehfeld u. Eo. zu Axel
führte. Aber der ernste, schweigsame
alte Junggeselle erwies sich heute
durchaus nicht redseliger als sonst.
« , Er habe mit Herrn von Dürings
hoer etwas Geschäftliches zu erledi
gen. ’Das war Alle-T was Ada aus
ihm herausbrachte
Endlich erschien Axel, ebenso er
staunt und überrascht, wie Ada es
gewesen. Der Anblick seines alten
Widersachers, des ehemaligen Ver
trauensmannes des verstorbenen Kon
suls, berührte ihn peinlich. Seine
instinktiv-e Abneigung wurde noch er
höht bei dem Gedanken. daß der
Verwalter von Claras Vermögen in
seine —- Axels —- einstige Abmachun
gen mit herrn Habertorn möglicher
Weise eingeweiht war, und daß viel
leicht, ja, höchst wahrscheinlich, auf
die Einsliisterungen dieses seines ehe
maligen Rivalen die Ursache von Cla
ras Feindseligteit zurückzuführen sei.
Die Einfiihrungsworte: »Ich korn
nre im Austrage Ihrer Frau Gemah
lin —« mit denen Herr Guntermann,
kaum daß sich die Thür von Axeks
Zimmer hinter dem Eintretenden ge
schlossen, sein Erscheinen erklärte,
trieben dem Andern die Röthe des
Uergeri und der Beschäinung in die
Bangen Jn seiner Verdiisterung
und Vereinsenommenheit til-ersah er,
daß Elara von der stillen, geheimen
Feindseligteit, dies von Anfang an
· then den beiden Männern bestan
« , nicht- loußte und daß sie keinen
andern Vertrauensmann zur Verfü
grus hatte, sie hätte denn einen ganz
Myo- zu ihrem Vermittler zwi
« sich und ihm wählen müssen.
Sek tithl und srvstig deutete Axel
aus einen Stuhl, indem er zugleich er
klärte: Dich wüste nicht, daß noch et
iose gefing zwischen meine- —
dte Insdhen Frau und mir zu erledi
ss wäre-'
Herr Guniermann nahm auf dem
ihm pantomimisch angeboteten Stuhle
Platz
»Doch wohl", entgegnete er und zog
ein Poetefeuille aus seiner Rocktasche.
«EI handelt sich um die Abrechnung
bezüglich Carlshagens.«
Uer von Düringshofen machte eine
ungeduldige Bewegung
«J(h habe doch der waldigen Frau
sähen visit-eilen lasse-M entgegnete er
ziemlich heftig, »daß ich auf jeden An
kheil von Carlshagen verzichte, und
des ich von ihr keine Geschenke an
sehnte-«
aEbenh- weigert sich Frau von Dü
« Pius-pfeif« , Jud Here Guniekmann
vItzt IIIM Zufall, aber mit einer
Muse-« Bestimmtheit zurück, «von
Ihnen sich etwas schenken zu lassen.«
Der heißbliitige Aer von Diirings
hosen runzelte die Stirn. Er mußte
sich fühlbaren Zwang auferlegen, um
die Unterredung mit dem ihm steif
und förmlich Gegenühersihendem ge
gen den sich eine immer leidenschaft
lichere Abneigung in ihm regte, fort
zusehen Herr Guntermann aber ent
nahm seelenruhig seiner Briestasche
einen zusammengeinissten Bogen Pa
pier, den er jeyt auseinandersaliete,
und begann ganz geschäftsmäßig:
»Die Abrechnung stellt sich folgender
maßen: Von dem Vermögen der gnä
digen Frau sind zuerst siebzigtausend
Mark, dann noch einmal fünfzigtau
send Mark zur Ablösung von Hypo
theken und zur Bezahlung restirender
thothetenschulden verwandt worden,
ferner sind weitere vierzigtausend Mk.
zur Meliorirung des Gutes hergege
benworden, im Ganzen also hundert
sechzigtausend Mark. Der volle
Werth von Carlshagen wird auf zwei
hundertsiinszigtausend Mart geschätzt.
Fünszigtausend Mark ruhen noch als
Hypothek aus Carlshagem mithin hät
te die gnädige Frau, wenn sie Caris
hagen als ihr Eigenthum übernehmen
würde, Jhnen noch vierzigtausend Mk.
herauszuzahlen.'·
Herr Guniermann faltete seinen
Rechnungsauszug mit aller GEWAN
ruhe zusammen und steckte ihn wieder
in sein Poetefeuille.
Mit der geschäftlichen Uneinpfind
lichleit des Bankiers tontrastirte die
fieberhafte Erregtheii des Andern,
dessen-Augen blitztrn, dessen Wangen
glühten, ausfallend. Auch gegen
Clara erhob sich Entrüstung und Zorn
in ihm. Daß sie ihn in die Lage
brachte, gerade dem da gegenüber diese
peinlicheii Dinge zu erörtern!
»Sie vergessen,«' sagte er mit einem
gewissen sinfteren Trotz, »daß ich Ih
rer Mandatin noch von früher be
trüchtliche Summen schulde, abgesehen
davon, daß mir der Werth don Carl-I
hagen etwas zu hoch gegriffen er
scheint« Sich stolz aus seinem Sitz
emporreckend, fuhr er mit einer often
tativ hochmüthigen Miene fort: »Ich
fühle das dringende Bedürfnisz, der
gnädigen Frau Alles, was feiner Zeit
von ihrem Vermögen für mich verans
lagt wurde, auf Heller und Pfennig
zurückzuerstatten Jch bin lein großer
Rechner und weiß im Augenblick
nicht« wie hoch meine Verbindlichkeiten
sich belaufen. Aber vielleicht wissen
Sie es «
Die letzten Worte wurden im forta
stischen, beinahe höhnischen Ton ge
sprachen Jn herrn Guntermanns Ge
sicht verzog sich jedoch keine Miene er
machte eine kurze zuftimmende Ver
neigung und sagte: »Ich bin aller
dings genau darüber informirt. Zu
erst achttausend Mari, die seinerzeit
der Herr Konsul siir verschiedene Ver
bindlichkeiten gezahlt hat, nämlich
zweitausend Mart —«
Aber Axel unterbrach mit einer
hastig protestirenden Handbeweguna
»Es ist unnothig zu spezialistrenI
erklärte er.
here Guntermann verneigte sich
abermals ein wenig ironisch.
»Also achttausend Mart für diverse
Verbindlichkeiten sodann kommt ein
Betrag, der an Herrn Haberkorn für
gewisse Bemühungen gezahlt wurdek
Der Sprechende machte eine Pause;
er konnte ein spöttisches Zacken um
seine Mundwinkel nicht unterdrücken.
Dem Andern schwoll die Zorness
ader.
»Es genii t, wenn Sie die Zahlen
nennen,« rief er ausbrausend, brüst,
»die Verwendung des Geldes geht Sie
nichts an.«
Zum ersten Male giröz durch die
lange hagere Gestalt des ankiers ein
Ruck; auch seine Stirn verfinsterte sich,
seine Lippen preßten sich au einander
nnd er sah sein Gegenüber einen Au
genbliet unschliissia an. Dann ent
nete er langsam, äußerlich ganz
Häng aber doch rnit wahrnehmbarer
Schärfe im Klang seiner Stimme
chbitte nichtæu vergessen, daß ich
nicht in eigener Helegenheit hier bin,
sondern nur als rtreter Frau von
Düringiho ns Es macht mir durch
aus kein rgniigen, aus diesen dem
Herrn HnberIorn gezahlten uns-uner
anjcklichen Posten näher einzu
gehen-—
»Jch bitte, sich jeder Kritik zu ent
halten,« warf der Andere hitzig ein
Herr Guntermann zuckte leicht mit
den Achseln, sah in sein Blatt und fuhr
kaltbliitig fort: »An Herrn habet
korn gezahlt zwanzigtausend Mart.«
Aer von Düringshvsen stutzte. Er
griff mit der Hand nach seiner Stirn
und dachte einen Augenbiick nach
,,Sie irren,« nahm er jeht das
Wort, »zehntausend Mark
»Pardan!« Jn den Mienen des
Sprechenden spiegelte sich sichtbar die
Genugthuung ab, mit der er die fol
gende Erklärung abgab: « winzig
taufeud Markt Soviel be ru die
rechtliche, Beten Habertorn vpn hnen
selbst zeige and-ne Forderun . Frei
lich wurde ihm seiner it au Veran
lassung des Herrn snful nur die
hackte ausgezahit, die gnädige Frau
aber hielt ei siir a gesen, nachträg
lig die zweite häl te des ihm zuge
sr erten Bettages an Herrn Haber
iorn durch mich zur Auszahlung brin
gen zu lassen.«
Aer von Düringshosen fuhr vom
Stuhl empor, als wäre der Bli plötz
lich vor seinen Füßen einses lagen.
Seine Gemüthsbewe ung war eine Lo
heftige, daß sein eficht alle Far e
verlor und daß er an allen Gliedern
bebte.
»Das —- das hat meine Frau ge
than!« ries er, von Scham und Zorn
und Erbitterung durchglüht. »Und sie
hat Sie damit beauftragt, einen mir
gänzlich Fernstehenden2 Jch hätte
meiner Frau eine so indistretr. rück
sichtslose. tattlose Handlung nicht zu
getraut.«
Jn die schmalen Wangen des Ban
kiers stieg eine seine Rothe, und auch
er erhob sich jetzt in seiner ganzen
Größe
»Ich muß doch sehr bitten«, sagte
er zurechtweisend. »Ich bin nicht
hierher gekommen, um Beleidigungen
meiner Auftraggeberin mitanzuhös
ren."
I Ein heftiger Ruck ging abermals
" durch Axel von Diiringshofens ganzen
Körper. Der Zorn siedete in ihm
über und mit nach hinten gestreckten
Armen die Hände zu Fäusten ballend,
schrie er: »Herr, Sie wagen es, mir
Vorhaltungen zu machen, wenn ich
iiber meine Frau spreche s—— Sie!'«
Seine Rechte in den Brustansschnitt
sseines Rockes steckenb, den Blick fest,
Emit vernichtendem Ausdruck aus ihn
)richtend, entgegnete Herr Guntetmann
mit kaltem Hohn: »Sie vergessen,
daß sich meine Mandantin nicht mehr
als Jhre Frau betrachtet, daß sie auf
die Ehre verzichtet —"
»Herr!" brauste Aer auszer sich auf.
»Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre
Tauf den ihm Gegenüberstehenden los
jgestiirzt, um den Mann, dessen bloßer
xAnblick das Blut in ihm sie-den ließ,
Jvon dem jedes Wort ein Keulenschlasg
für ihn war, dessen kühle überlegene
HRube ihn rasend machte, thiitlich zu
iziichtigerr. Außer dem rasenden Zorn
« den die erlittene Demüthigung ihm be
;reitete, war es auch eine Regung von
infersuchL die ihn in allen Fibern er
Jsiilltr. Der Gedanken, daß. der listig
sberechnende Bankier, der sich ja einit
Fvergeblich um Clara beworben,
i hinter Allem stecke, daß er mit taltblii
stiger Berechnung darauf ausgegangen,
;Clara gegen ihn aufzustacheln, um bei
Idee Geschiedenen seine ehemals vergeb
jlichen Bemühungen mit besserem Er
ifolge wieder aufzunehmen, entfachte
vollends blinde Raserei in ihm.
»Herr!« schrie er. ,,Jhre Worte
sind eine sreche Anmafzung, eine bo:
denlose Unverschämtheit. Sie ver
dienten wahrhaftig, daß ich Ihnen —
Der Rasende machte eine nicht miß
zuverstehende Bewegung mit der
Hand.
Bleich bis in die Lippen trat Herr
Guntertnann unwillkürlich vor seinem
Beleidiger einen Schritt zurück. Auch
ihn verließ die tiihle Ruhe, die er bis
her bewahrt hatte.
»Sie werden die Beleidigung zu
rücknehmen«, stammelte er, zitternd
vor Erregung —- »aus der Stelle zu
rücknehtnen!«
Axel von Düringshofen ließ ein
gellendes," höhnisches Auflachen hören.
»Fiillt mir gar nicht ein«, rief er.
»Im Gegentheil! Jch halte voll aus
recht, was ich soeben gesagt habe. Und
wenn Sie Anspruch daraus erheben,
ein Gentleman zu sein, wenn Sie auch
nur einen Funken von Ehrgesiihl und
Konrage in Ihrem fischbliitigen, tauf-.
männischen Leibe besitzen, so werden
Sie wissen, was Sie hiernach zu thun
haben, was unter Männern von Ehre
in unserer Lage der Brauch ist«
Damit drehte sich der Mathem
brannte um und verließ, der früheren
Beleidigung eine neue hinzustigend,
als Erster das Zimmer, sich um sei
nen Besuch nicht weiter .tiimrnernd.
Auch Herrn Guntermanns Fäuste
ballten sich im Stillen, auch in ihm
quoll brennender Daß empor, wäh
rend er nachdem Andern sich hastig
entfernte, nur daß sein Daß nicht jiih
aufflaelernd war, wie bei seinem heiß
bliitigen Beleidiger, sondern sich
langsam, aber fest und unauslöschlich
in seine Brust trallte.
l
Elfies Kapitel
Axel von Düringshofen hatte sich
jedoch in dem »sifchbliitigen'« Kauf-»
mann getäuscht, wenn er geglaubti
hatte, Herr Guniermonn würde ru
hig die Beleidigung auf sich sitzen las-«
sen. Schon am nächsten Vormittag
erschienen zwei herren, ein Rechtsan
walt und ein Fabriibesitzer, beide Re
serveoffiziere, um int Auftrage des
herrn Guntermann eine Forderung
auf Pistolen zu überbringen falls
sein Beleidiger nicht revocire.
Jn Axel war inzwischen ein großer
Theil seiner gestrigen Aufregung und
feines Zornes verroucht, aber er fühlte
sich immer noch erbittert und verlegt
genug, um jeden Gedanken an ein
Rachgeben und Abbitien weit von sich
zu weisen. Arn meisten war es das
Gefiibl der Eifersucht, das ihn gegen
feinen Gegner eufstochelte und ihn
veranlaßte, die Forderung desselben
ohne Weiteres anzunehmen.
Am Nachmitng beurlaubie er sich
von dein Amme-th, ihm unter vier
Augen den Grund mittheilend, uns
fuhr nach der Stadt, unt zwei seiner
Regimeniskomeraden zu bitten, sich
mit den Aarielltriigern seines Geg
neri behufs der Bestimmung der nä
thesen Bedingungen in Verbindung zu
c en
Es war schon am späten Abend,
als Aer nach Plautuko zurück
kehrte. Ada empfing ihn in einer ei
genthiimlichen Bewegung. Jhr Ge
sicht war außergewöhnlich blast und
ihre Augen stackerten urruhig, wie iin
Fieber. Das hastige Davonftiirzen
des Herrn Gunterrnann, der sich nicht
einmal von ihr verabschiedet hatte,
und Tags daraus das Erscheinen der:
beiden, in seierliches Schwarz geilei
deten Herrn und ihre ernsten Mienen
hatten ihre Neugierde und ihren Arg
wohn stark erregt. Es war ihr nicht
schwer geworden, die Bedeutung die
ser aussallenden Vorgänge aus ihrem
Gatten herauszubetommem
Dem Heimtehrenden servirte das
Stubenrnädchen einen tleinen meiß,
von dem er jedoch nur wenig genoß.;
Es herrschte ein driickendes SchweH
gen in dem Zimmer. Der Hausherrs
war nach einem Nachbargui gefahren
auf dem an diesem Abend die übliches
wöchentliche L hoinbre Partie statt-’
fand
Nachdem das Mädchen den Tisch
abgeräunit und sich entfernt hatte.
trat Ada, die unruheooll im Zimmer
auf- und abgeschritten war, plötzlich
vor Arel hin
»Du darfst Dich nicht duelliren,
Axel!"
Er blickte sie erstaunt und betreten
an.
»Wer hat Dir gesagt —?«
»Ich weiß es«, rief sie ungeduldig.
»Das Duell darf nicht ftattfinden."
Arel runzelte unzufrieden dir
Stirn.
»Ich bedauere«, sagte er, »daß Du
es errathen hast oder daß Dein Mann
geplaudert hat« Aber gestatte mir die
Bemerkung, daß ein Duell eine Ange
legenheit ist, in die sich eine Frau nicht
hineinniischen sollte.«
Der tief Erregten stürzten dieThrä
nen aus den Augen, und ihre Hände
ineinanderschlingend und zu ihm er
hebend, rief sie: »Wie hart, wie grau
sam, wie mitleidslos Du bist, Axelt
Wüßtest Du nur« in welchem Zu
stande ich den ganzen Nachmittag
oerbracht habe. Jch bin beinahe um
gekommen vor Angst und Aufre
guvg"
Jhre Fassung verlierend, schlug sie
ihre hünde vor ihr Gesicht und in den
ii: ihrer Nähe stehenden Fauteuil sin
tend-, brach sie in ein heftiges Schluch
zen aus.
Axel sprang bestürzt in die Höhe.
»Aber Ade-", redete er ihr zu und
versuchte, ihr die Hände vom Gesicht
zu ziehen, »so fasse Dich doch, so sei
doch vernünftig! Du, ein Soldaten
tindi Es wird ja nicht gleich so
schlimm werden.«·
Sie ließ die hände sinten und sah
ihn mit überströmenden Augen an.
»Aber die Angst, die Ungewißheit!«
rief sie und rang ihre Hände. »Wenn
ich bedeute, daß Du morgen um diese
Zeit vielleicht schon mit der Todes
iounde ——« Sie brach schaudernd ab
und verhüllte abermals ihr Gesicht in
den Händen.
»Nun«, gab er lächelnd, rnit einem
humoristischen An lug zurück und
strich ihr sanft mit r Hand über das
haar, »ich gebe Dir hiermit die feste,
feierliche Versicherung, daß ich morgen
noch gänzlich ohne Todeswunde her
umgehen werde. Morgen sprechen
meine Zeugen erst rnit denen meines
Gegners. Dann findet zunächst die
Prototollaufnahine att und so weiter.
Das Duell wird al o vor übermorgen
friih nicht stattfinden tännen.«
Ada blickte aufathinend auf. Und
schnell Axels Hand erfassend, sagte sie
dringlich: »Gott sei Dankt Dann
ifte salso noch nicht zu spät. Liebster,
bester Axel, versprich mir, daß Du die
Sache rückgängig machen wirst, daß
Du morgen in aller Frühe in die
Stadt eilen und Deine Freunde beauf
tragen wirst, fiir einen friedlichen
Ausgleich zu sorgen.«
Sie hielt seine Hand fest in deri
ihren und sah mit einem bittenden, be- »
schwörenden Blick zu ihm auf· Aber
Axel schüttelte ernst und entschieden
mit dem Kopf.
»Davon tann lerne Rede sein. Die
Forderung ist ergangen nnd angenom
men. Zu ändern ist daran nichts
mehr. Als Ofsizierstochter solltest
Du das wissen. Und nun gute Nacht,
Ada! Wir wollen uns nicht nnniitz
das Herz weich machen.«
Er entzog ihr seine Hand und drehte
sich um. Aber wie der Blitz war sie
aus ihren Füßen, und an ihm vorbei
eilend, stellte sie sich zwischen ihn und
die Thür, ihre Arme aushkeitend und
ihn so am Weitergehen hindernd.
»Ich lasse Dich nicht so von mir«,
ries sie leidenschaftlich, »niit dem Ge
danken, Dich vielleicht nie — nie wie
derzusehen. O Axel, warum bist Du
ists hart und unerbittlich gegen mich!
HHast Du Alles —- Alles vergessen?«
«Laß wicht« stieß ee keuchend, aus
schwer athniender Brust hervor «Las3
mich hinaus! Es ist besser sitt mich
undSsiir Dixh —«
ie lege ihre Hände au eine
Schultern f s
»Nicht eher, als bis Du mir ver
sprochen hast, daß Du Dein Leben
nicht in Gefahr bringen willst-«
Jhr aar streifte seine Stirn, der
Tau-ich hret Athenis sächelte seine
n.e ohne fe zu kühlen. Erhisem
danken lagen durch sein Dir-n .
Die Erinnerung kam plsslich liber
I
W
ihn, die Erinnrung an liincst ver
;gangene schöne Stunden. Eine wei
sche, sentitneniale Stimmung regte sich
in ihm. Aber er gab ibr nicht nach,
sondern iiimpfie mit seiner ganzen
moralischen Kraft dagegen an. Ada
an beiden Handgelenien ergreifend,
Zog er ihre Hände von seinen Schul
ern.
»Sei vernünftig, Ada!« sagter er
fest, fast raub. »Was mir auch ge
schehen mag. Du wirst darüber bin
wegiommen. Jch bin siir Dich nicht
gnentbehrlich Du hast Deinen Mann,
er —« (
Ein grellez, lautes Auflachen aus
Adas Munde unterbrach ihn.
»Das —-— das ist Dein Trost?« rief
sie außer sich, «damit willst Du mich
beruhigen? Du bist herzlo3, efiihllos
gegen mich. O, Arel. Arell llles —
Alles ist in Dir erstorben. lind doch
hast Du einst behauptet, daß Du —
Du mich liebtest.«
Ganz von Sinnen stürzte sie in ihre
Kniee und hob flehend die Hände zu
ihm empor.
Ein unendlich peinliches Gefühl
malte sich in des Mannes Zügen. Un
willliirlich warf er einen raschen,
ängstlichen Blick nach der Thür. Jrn
nächsten Moment ergriff er die Wei
nende an den Händen und zog sie in
die höhe
»Du —- Du weißt nicht, was Du
thust, Ada!« raunte er ihr hastig, ei
lig zu. »So iomm' doch zu Dir! Was
einst zwischen uns war, darf nicht,
lann nicht mehr sein. Meine Empfin
dungen fiir Dich sind nicht er rben,
aber sie haben sich in die eines renn
des, eines ehrlichen, aufrichtig ergebe
nen Freundes verwandelt. Jch schulde
Deinem Manne Dant, Du auch, Ada.
Nie — nie werde ich die Gastfreund
schast, die er mir erwiesen, mit schänd
lichem Undant lohnen . . . Gute Nacht,
Ada! Morgen wirst Du denlen wie
ich. Es ist nur die erste Bestiirzung,
die erste Erregung, die aus Dir spricht.
Gute Nacht!«
Er drückte ihr noch einmal beide
hände und führte sie zu dem nächsten
FauteuiL in dem sie weinend zusam
menbrach, während er zur Thüre eilte
und hinaus in sein Zimmer.
Fortsetzung folgi.)
W
Das Lied vom Hunger-.
Kinder sind es, jammervolle Ste
lette, mit großen, starren Augen, die
über das eigene Elend staunen —
Kinder sind es. die es singen oder wei
nen, dieses Lied, am Eingang der
Dörser und den Wegen entlang, in
dem sie die Hände aus den eingesunte
nen Leib halten, dessen Haut gefaltet
ist, wie an einem leeren Wassetsack.
Um das Lied in seiner vollen Kraft
zu hören, muß man tiefer landein
wärts gehen, noch einige hundert Mei
len, nordwestlich zum Lande Rast-u
tana, wo die Leute sterben wieMäuse,
aus Mangel an ein wenig Reis, das
man ihnen zu schicken vergißt.
Jn dieser Gegend sind die Wälder
todt — das Gras ist todt —- Alles ist
todt.
Die Frühjahrsregen, die ehemals
vom arabischen Meere her niedergin
gen, träufelten an anderen Stellen
herab, verwehen ohne Nutzen auf den
Küsten von Beludschistan. Die Bäche
haben teinen Tropfen Wasser, die
Flüsse vertrocknen, die Bäume und
Felder grünen nicht mehr.
Den welligen Wegen iiber Nutlam
und Jndore entlang, zieh ich zum
Hungerlande —- das heißt mit der
Bahn; denn betanntlich wird heut-zu
tage ganz Indien von der Eisenbahn
durchtreuzi. DDer Zug ist fast leer und
die wenigen Neisende sind Eingew
rene. An meinen Augen ziehen stun
denlang die Wälder vorüber. Es sind
teine Palmen mehr; sie haben Aehn
lichkeit mit unseren Bäumen-. Man
könnte sich wähnen in den Wäldern
meines Heimathlandei, wenn sie nicht
so ungeheuer groß wären und nicht
eine solche wilde Linie am Horizont
bildeten. Und was man sieht, ist nur
braun und grau, wie bei uns im De
zember. Und dennoch sind roir in Jn
dien und im Monat April; und diese
trovische Frühlingitviirme ist er
stickend —- diese brütende Hochosem
hitze über der winterlichen Landschaft.
Und nichts während des ersten Theils
der Reise, nichts verräth die Gegen
wart menschlichen Elends. Aber man
hat die Empfindung von etwas Ab
normen, von einem riesenhasten, un
abwendbaren Absterben, von einem
Todestampse der ausgetobten Natur.
Hindostam die Urgroßmutter Eu
ropas, ist ein Land der Ruinen. Fast
überall steigen die pomvhasten Phan
Jtome der Städte, die im Laufe der
»3eiten, der Jahrhunderte und Jahr
Jtausende vergingen, empor: Städte,
deren Namen vergessen sind, die aber
Fürstinnen waren unter all' den
Stödten und die aus Berge gegründet
standen, über Abgrunde thronten, um
geben von zntlopischen Felsenwällen,
viele Meilen lang. mit Palästen und
Tempeln, worin seht Assen und Co
braschlangen hausen . . .. Wie niedrig
und ärmlich im Vergleich zu diesen
Ruinen sind unsere Burgen, unsere
Ritterschlösser, alle die Ueberreste un
seres seudalen Mittel-lind
Ruinen und Wälder, rostfarbig
und schl, ziehen vorüber aus meinem
Wege und über die zerstörte Begetai
tion, über das diirre Gebetne der le
F
gendarischen Städte sinlt die Sonne
nieder,triibe vom Staud, matiroth,
graurostig wie eine Wintersonne.
Am nächften Morgen wacht man
auf an den Grenzen der Wildniß. Und
beim ersten Dorf, wo man hält, hört
man, sobald das Dröhnen der Räder
und das Knirschen des Eilen
schtveigt, ein fremdartiges Rufen- Mk
eigenthiimliches Jammern, was sofort
einen Schauder erregt, ohne daß man
weiß, woher es kommt. Es ift das
grausame Lied, das hier anfängt, um
uns nicht wieder zu verlassen. Wir
sind im Lande des Hungers. horch!
es sind fasi lauter Kinderftimmen. Es
könnte scheinen, als ob man den-Lärm
einer Kinderbewahr - Anstalt hörte
— wenn es nicht etwas Abgestnrnpfs
tes, Klagendes, Röchelndes hätte, das
das Herz ergreift.
O! diese armen, kleinen Wesen, die
sich gegen das Gitter drängen und die
diirren Händchen uns zustreckem an
Arme gehängt, die Haut iiber Beine
sind. Unter der braunen Haut, mit
hernnterhiingenden Falten. zeichnet
sich das ganze Gerippe schauderhaft
ab. Man wiirde glauben, sie hätten
keine Eingeweide mehr, so eingefallen
ist der Leib. Fliegen haben sich .an
Augen und Lippen geliebt, um noch
auszufangen, was an Feuchtigleit«
iibrig geblieben ist. Reinen Athem,
fast kein Leben jpiirt man —- und
dennoch halten sie sich aufrecht, schreien
sie. Essen wollen sie, essen! Und sie
glauben, daß die Fremden, die in fol
chen schönen Wagen vorüberfahren,
wunderreich fein müssen und Mitleid
haben und ihnen etwas zuwerfen wer
den.
Maharadjh2 Maharadth (d. h
großer herrl) wimmern Alle zusglers
cher Zeit mit dünnen Stimmen und
ftehendem Wimmern. Es giebt darun
ter welche, die taum fiinf Jahre ·alt
sind, und auch diese rufen kläglich:
Maharadjht Maharadjhl und strecken
die jämmerlichen Pfötchen durch da
Gitter-.
Die Mitteifenden im Zuge sind
arme Eingeborene der dritten und
vierten Klasse. Sie neben, was sie
haben: Neste von Reisbrod, auch
Kupfermünzen — und hierauf war
fen sich die Aus· hungerten wie rei
ßende und tämpende Thiere. Daß
Geldmunzen noch so begehrt werden,
beweist, daß Lebensmittel im Dorfe
noch vorhanden sind -—— aber nur fiir
Diejenigen, die es bezahlen können.
Und thatfächlich befinden sich an un
serem Zuge vier Waggonladungerr
Reis, und die pafsiren täglich. Aber
hiervon betommen die Kinder nichts,
teine band voll, kein Krümchem das
ihr Leben verlängern könnte. Sie sind
bestimmt fiir die Stabtbewohner, die
noch Geld besitzen zum Kaufen
Warum geht der Zug nicht? Wa
rum stehen wir so lange still an die
sem ichauderhaften Bahnhofe. wo von
Minute zu Minute die Herde der
hungrigen sich vermehrt und das Lied
vom Hunger anschwillt?... Siehe,
Weiber tommen. Frauengerippe mit
Brüsten, die wie trockene, braune Lap
pen abhängen. Sie fchaufeln heran.
turzathmig, mit gebrochenem Ga
in der Hoffnung, die schweren, iibe
riechenden Sachen, die sie auf dem
Kopfe tragen, vertaufen zu können; es
sind die Häute ihrer Kühe, die vor
Hunger lrepirt sind. Aber der Preis
einer lebenden Kuh ist hier bis auf
eine Rupie lungefiihr 10 cents) ge
funten, weil man fiir diese Thiere lein
Futter hat und weil keine Macht der
Welt die Leute in diesem brahmanis
tchen Lande zwinaen kann, Kuhfleisch
zu essen, da Kühe dem Brahma hei
lta sind. Wer würde ihnen die faut
ablaufen, die ftintt nach Verwe ung
und die einen Schwarm Fliegen he
ranlvclt.
Jch habe schon Alles, was ich an
Geldstücken bei mir hatte, aus dem
Fenster geworfen ..... Endlich fährt
der Zug ab und das Geschrei entfernt
sich. Wir sind wiederum iin Herzen
der schweigenden Wälder·
Todt sind sie. Todt ist der Wald,
der in dieser Frühlings-seit hätte rau
schen sollen von Lebens-tust Das
Gras, das Gesträuche, nichts wird
wieder grün. Der April bat die
Macht nicht, den sterbenden Saft zu s
neuem Leben auszuwecken. Gazellen
sieht man umherschweisen, mager und
scheu, sie finden lein Gras und wissen
nicht, wo es siir sie Trant giebt. hier
und da an einem dürren Baume hat
ein junger Zweig noch versucht, ein
paar ärmliche Blätter zu entfalten.
Oder eine große, rothe Blume blüht
einsam und schwermiithig in diesem
trostlosen, grauen Elend.
Und an jeder Staiion, wo der Zug
hält, drängen sich auch wieder die Ver
hungernden an das Gitter. Jbr Lied.
vor dem man sich das Ohr verschließen
möchte, ist immer das Gleiche; es steigt
empor, immer derselbe grelle Jammer
ton. Es beginnt, sobald der Zug sich
nähert. Es steigert sich bis zu einein
Chor von botsnungslosem Schreien,
der noch nachllingt, wenn man schon
längst in der Wüste dieses trostlosen
hungerlandes verschwunden ist«
Und dieses indische hungerlied, es
verballt ungehört an den verbittteten
Ohren der Machthaber des glorreiches
Großbritannien.
Vierte Loti.
W
Wenn König Oscar hier lebte, listi
er einfach eine Jnjunltion gegen Rm
wegen erwirtt.