Yeöraska Staats-Zuzeiger Und THErold J P Windolph, Herausgeber. Grund Island. Nebr« 21 knli1905 (ZweiterTheil) Jahrgang 25 No. 47 Das Glüc. versuche niche, due Glück zu hoc-sk, Und fchau’ nicht durch das himmelsi » ther, Es kommt auf leisem leisen Sohlen, I Unhörbar ernst schwebt es betont T Es schwebt auf Silberflügeln nieder’ Und legt Dir auf das Haupt diehand, Und all dein Hoffen bracht’ es wieder, Und all dein Seelenweh entschwand. Es blickt mit seinem Strahlenauge Dir weich und-warm in’s Angesicht, Und gleich dem ersten Frühlings hauche Jn deine Brust die Wonne bricht. Und hat es ganz dich hingenommen, Blick in den Lenz, der dich umblüht, Und frage nicht, woher’s gekommen, Wie lang es bleibt —- wohin es flieht! -——-.·.— Vas Zehnte Gebot. Novellette von B. H e r w i. Um die Rosenzeit war’s; in dem Garten, der die elegante Van um gab, dusteten diese herrlichen Som mergaben, der Abendwind strich leise darüber hin und wehte den balsami schen Hauch mild hinaus zu der geöff neten Baltonthiire, an der eine zarte, blonde Frau saß, die gedankenvoll vor sich hinstarrte. Wie sehnsüchtig die junge Frau aus die Blumen blickt . . . Heute war ihr Geburtstag, und von kostbaren Ge schenken bedeckt standen die Tische im Salon Jhr Gemahl hatte ihr die schwarze Perlennadel gebracht, die neulich am Fenster des Juweliers ihre Bewunde rung erregt hatte, auch ein indischer Shawl glänzte als Beweis seiner Aufmerksamkeit, aber an Blumen hatte er nicht gedacht; die waren nur von den vielen Bekannten und Freun dinnen gebracht worden und dufteten jetzt aus den eleganten Füllhörnern und Körbem Die tleine Anni. ihr ein ziges, siebenjähriges Töchterchen, war früh mit Mademoiselle Bertha, ihrer Gouvernanie, aus die nahe Wiese ge gangen und hatte Feldblumen ge pflückt; das Kind wußte, wie sehr Mütterchen die Blumen liebte Die junge Frau fühlte sich von dem Trubel der Gratulationen ein wenig ermüdet und hatte mit ihrem Gatten den Thee allein eingenommen. Man fred hatte seiner Frau damit ein gro ßes Opfer gebracht, denn gerade heute war der Benesizabend der von ihm so verehrten Miß Wanda. Er hatte me chanisch die Zeitung zur Hand genom men, aber zwischen den Zeilen tanzte eine graziöfe Figur, gluthvolle Augen leuchteten ihm entgegen, und perlende Zähne lachten ihm zu, dazwischen er schien ihm das verzerrte Gesicht des eisersüchtigen Clowns mit drohendem Blick. Berstimmt wars er die Zeitung aus der Hand. Daß er auch gerade heute nicht anwesend war, wo Nie mand fehlen würde, daß er ihren ver stohlenen, dankbaren Händedruck nicht empfangen konnte, —- o, er verstand es gut, Geschenke zu machen: gestern erst hatte sie es ihm in der Garderobe zugeschworen, daß nur er ihr Herz be säße und die Bewerbung des Ritt meisters von der Filow, von der man spräche, sie gar nicht interessirte. Jn dem einsamen Theestiindchen hatte Helene einmal aufrichtig und herzlich mit dem Gatten sprechen wol len, aber ihre Erregung war zu groß; nur bis zur Kehle kamen ihr die Bitt worte, —- Thränen erstickten sie, be vor sie ausgesprochen waren. »Wie er finster aussieht und wie ärgerlich,« dachte sie. »Ein veriorener Abend,« brummte er, —- ,,iie ist kalt wie Eis und un interessant, wie eine philosophische Abhandlung.« Das war nun ein vor acht Jahren heiß ersehntes Glück! Endlich aber konnte er seinem Un muth nicht mehr widerstehen, er erhob sich, ohne die fleißig stickende junge Frau, in deren Jnnern es gährte und wogte, noch zu beachten, und näherte sich der Thüre. »Du gehst fort, Manired,« ries sie ihm ängstlich nach, —- Du hast mir versprochen ——« »Ich werde auch mein Wort hal- i ten, — ich muß ein wenig in’5 Freie, laß mich, Helene.« ; Jetzt geht er dort zwischen den Ro sen uniher, —- nun bricht er sie und windet sie zu einem kleinen Strauß, — nun wird er kommen, wird ein liebevolles Wort sagen und leise sei nen Arm um ihre Schulter legen, wie in früheren, glücklicheren Tagen, als er noch keine Göttin neben ihr hatte, » als sie die einzige war, die in seinem setzen thronte ja, jeht kommt er suriich sie sieht aus und will ihm ent gegeneilem —- liebevoll neigt er sein Antlih in die töstlichen Rosen; doch wai ist das er eilt nicht die Stuer iu ihr hinaus, er wendet nicht . den site-I zu ihr . . . . er ruft den Dies L ner . . » er sliistert leise einige Worte ; giebt ihm die Rosen eines Karte aus der Briestasche dazu, ver Diener verneigt sich und geht Oelene zittert vor Erregung und Enttsnschung —- sie sucht vergebens lich en beherrschen- iie tiibtt lich nicht wohl; — sie klingelt schnell dem Die ner, aber an seiner Stelle erschien Lisette mit der Meldung, dafz Franz niit einem Austrage des gnädigen Herrn fortgeschickt sei. Der Diener also fortgeschickt mit den Rosen, —- mii ihren herrlichen Rosen, die sie zum Geburtstag von ihm hat haben wollen« die ihr allein zukommen. Wie darf ihr Gatte es wagen, sie dieser Kunstreiterin zu sen den, denn keine andere wie diese kann die Empfängerin sein. Sie steht hastig auf — die zittern den Hände werfen die Stickerei in den Korb, der bei der heftigen Bewe gung zur Erde fällt, achtlos tritt sie darüber hinweg und eilt in ihr Bon doir. Manfred promenirt noch immer im Garten. — leise pfeift er vor sich hin ——er sieht nach der Uhr, dann, wie von einem schnellen Entschluß ge drängt, geht er eilig die Treppe zur Veranda hinauf. »Entschuldige, Helene,«« beginnt er, »ich habe doch noch einen nöthigen Gang —,« es war mittlerweile dunkel geworden, und nun bemerkte er erst, dafz seine Frau den Platz verlassen. Mit schnellem Schritt geht er in-’s Nebenzimmer, findet aber auch hier alles dunkel. ,,.f,)elene!« ruft er. Ein leises Schluchzen vom Fenster her antwortet ihm, ein Weinen aus Kindermund, ein ängstliches Stöhnen. »Anni —-bist Dus? —- was ist Dir, weshalb sitzest Du so allein, fehlt Dir etwas?« Er zieht den Liebling zu sich empor und küßt die zarte Stirn. »Wo ist Madernoiselle Bertha?" fragt er. ,,Mademoiselle ist ausgegangen,« llagt Anni, »das weißt Du ja, Papa, zur Hochzeit ihrer Freundin; ich tann meine Schulaufgaben nicht lernen, und noch niemand hat mich überhört ach, und das Fräulein ist so strenge, ich trau’ mich morgen gar nicht in die Schule« « »Was hast Du denn auf, Anni?« »Arb, Papa, die Gebote, —- und zu morgen gerade das zehnte —- das ist so schrecklich lang und schwer; ich habe schon so viel gelernt und hob« Mama aebeten, mich zu überhören, aber Mama weint so sehr, heut’ an ihrem Geburtstaae, daß ich es gar nicht an hören konnte, —s1e schickte mich hin-« aus —-—« Das Kind konnte vor Schluchzen den Satz nicht vollenden »Die Mama hat geweint —wann denn, Anni. und ——weöhalb?« »Heut, Papa, und so oft schon, — das weiß ich nicht, ich höre es wohl, wie sie die Hände ringt Und Deinen Namen ruft.« Manfred holte tief Athem und biß sich aus die Lippen. »Als-) doch nicht Gleichgiltigteit —- doch Liede, doch Temperament; daß sie es somit-fin den wiirde, —das häte ich nicht ge dacht...« »Geh nur fchlafen, mein Liebling,« saate er, »eg ist schon spät-« »Aber ich weiß ja noch nicht genü aend meine Aufgabe, Papa, überhör’ mich doch erst; siehst Du, hier steht’s; und immer das schreckliche »Was ist das?« das ich gar nicht behalten kann —« »Nun sag’ e, Anni, ich helfe Dir schon nach.« Er hatte das Kind vor sich aus das breite Fensterbrett gesetzt, von außen fluthete das helle Mondlicht herein und erleuchtete das Gesichtchen der Kleinen unbeschreiblich schön-, es hatte ein Aermchen um den Hals des Va ters geschlungen, sah ihm zärtlich in die Augen und sprach nach Kinderart monoton Und doch pathetisch: »Das zehnte Gebot. Du sollst nicht be ehren Deines Nächsten Weib, Knecht, agd, Vieh oder alles was sein ist-—Was iss das?« Und dann in schnellerem Tempo: »Wir sollen Gott sürchten und lieben, dasz wir unserem Nächsten nicht sein Weib oder . .. oder . .· dasz ein Jegli eher sein Weib... oder...« »Aber, Anni, Kind, Kind, das ist ja ganz salschi« Da barg die Kleine sich weinend an des Vaters Brust und stammelte leise: »Ach, Papa, es ist ja so schwer, diese Gebote zu lernen« »Ja, Anni, sie sind schwer, sehr schwer zu lernen —— ich glaub’ es Dir wohl, aber noch schwerer ist es, sie sür’s Leben zu behalten. Deshalb lerne, mein Liebling, lerne, — tomrn’. ist« will Dir helfen, —dann wird es schon geb'n —- also, —- noch einmal »Daö zehnte Gebot«.« »Du sollst nicht begehren —« »Para, glaubst Du, daß Mama trank werden wird?« «,,Bewahre, mein Kind, —- morgen tvird alles besser sein —« »Vapa. .. Lisette sagt, wenn man am Geburtstage weint, dann weint man das ganze Ja r —-« »Unsinn, Anni. u sollst sehen, wie die Mama morgen fröhlich sein und lachen wird.'« i »Wird sie denn morgen nicht zu sagte?« »Ja Großpapa2 . .. wir fahren alle zusammen zu Großpapa, in den Fe neu-« Nun nickte das Kind befriedigt. Franz brachte eben die Lampe ins Zimmer, mit pfiffigem Lächeln mel dete er Manfred den Dank der Dame. f »Schon gut, schon giut,« sagte dieser urz. . Anni saß an der Lampe mit ihrem Buche und lernte still vor sich hin, liebtosend strich Manfred über ihre blonden Locken. Immer ruhiger wurde es in dem traulichen Gemach —- Annis Kopf lag jetzt aus dem Tisch —sie war eingeschkafen. Manfred hielt inne mit seinem Aus- und Niedergehen, liebevoll nahm er das Töchterchen in seine Arme und trug es behutsam in sein Zimmer-. Das Fräulein war noch nicht zurück getehrt: Frau Sallbach hatte befohlen, Annis Bett in ihr eigenes Schlasziw mer zu bringen, — ihr Bettchen stand nuni neben dem der Mutter. Sor fäl tig legte der Vater sie hinein, na dem er ihr das Kleidchen gelöst hatte, und deckte sie liebevoll zu. Dann verließ er leise das Gemach und ging wieder hinunter in den einsamen Garten. Tief in schmerzliche, vorwurssvolle Gedanken verloren, wandelte er durch die vom Monde beschienenen Gänge. Jetzt kam er an die Nosenbeete, deren Dust ihn schmeichlerisch umzog. »O, ich Thor,« murmelte er, »ich berblendeter Thor, —die kleine weiße Rose gegen die glühende Gistblume,« schon wollte er einen Rose brechen, doch zog er die Hand zurück. ,,Morgen,« sagte er leise, »ja, zum Morgengruß.« Dann ging er hinauf, schloß die Thüren und betrat vorsichtig das Gemach. Mildes Licht schien von - der Decke herab und beleuchtete die beiden Schläferinnen, Mutter und Tochter. Ergriffen blickte Manfred in Hele nens vergrämtes Gesichkchen - - -« »Du sollst nicht mehr weinen, Helene,« sliisterte er vor sich hin, ——— »das Kind hat mich zurückgerufen, —- beim All mächtigen, Du sollst mit mir zufrie den sein.« Da bewegt sich Anni im Schlafe, bas- kleine erregte Mädchen konnte noch immer nicht die rechte Ruhe fin den, und selbst im Traume ward sie von ihrem Pensum erfüllt —- ihre Lippen bewegten sich. Manfred beugte sich herab —- und mit leiser Stimme, aber vernehmlich, hörte er das Kind flüstern: »Du sollst nicht begehren Deines Nächsten . . .« dann wurde es undeutlich und erstarb "in leisem Murmeln. Manfred drückte einen heißen Kuß aus die Stirn des schlafenden Kindes. Der ,,Stallmeikter des Teu fecö.« Der ,,Stallmeister des Teufels« — so nannten die Wiener den exzentris schen Grasen Moritz Sandor, den Va ter der bekannten Fürstin PaulineMet ternich, die mancherlei von ihm geerbt hat, vor allem seinen Witz und seine Gabe, sich in liebenswürdiger Weise bei der Wiener Bevölkerung populär zu machen; und dieser ihm vom Volke ver liehene Titel war wirklich bezeichnend fiir den originellen Mann, dessen eben so tolle wie kühne Reiterthaten und sonftige Scherze manchmal eines me phistopheliichen Beigeschmackes nicht entbehrten; erwähnt doch auch sogar Hebbel ein paar seiner Einfälle in seinen Tagebiichern, und bei einer die ser Notizen kann es der Dichter sich nicht versagen, hinter der Notiz ein »Gut« zu vermerken. Das ist die berühmte Geschichte sei ner Wette, daß er in einem Kassees hause arretirt werden würde, die einen genialsch - satirschen Zug des Reiter grasen verräth. Er saß —--- die Ge schichte ist nicht erfunden, sondern be ruht vollkommen aus Wahrheit —- mit einigen seiner Standesgenossen gemüth lich im Kasseehaus, als das Gespräch aus die ost recht verkehrten Maßnah men der wohlhochlöblichen Polizei inm, die von den anderen vertheidigt wurde. Da meinte Gras Sandot, er verpflichte sich, ohne daß er sich nur das Geringste gegen die gute Sitte zu schulden kommen lasse. noch auch das Gesetz irgendwie verletze, die Aufmerk samkeit der Polizei zu erregen und die selbe zu seiner Berhastung zu veran lassen. Man ging aus die Wette ein; der Gras ging in sein Palais und kam nach kurzer Zeit aus demselben in ganz zerlumpter Kleidung wieder. So betrat er, in angemessener Entsernung von seinen Wettgegnern beobachtet, ein einsaches, seiner Erscheinung angemes senes Kasseehaus, bestellte eine Kleinig keit und legte zur Bezahlung dafür eine Tausendguldennote aus den Tisch. Svsott liesz der Wirth einen Gendar men kommen und den des Diebstahls verdächtigen »Bettelmann« mit der Tausendguldennote verhaften. Graf Sandor hatte die Wette gewonnen — unter der Voraussehung daß es der ,,guten Sitte« entsprach, zerlumpt sich in ordentliche Gesellschaft zu mischen. anessen das eigentliche Feld des Grafen waren seine Reiterstüelchen. Einer Zeit und einem Lande entstam mend — er erblickte am 28. Mai 1805 in Ungarn als Sohn des Grasen Vin gknz aus dem uralten weitverzweigten f delsgeschlechte der Sandor das Licht Eber Welt ——, wo der Aristotrat seine höchste Tugend und höchste Bildung in fder kühnen Ausübung des Reit- und Zagdsports zeigte, suchte der junge » ras Morih diese Tugend und Bil dung schon in sriihefter Zeit zu bewäh oen. Ehe er noch gehen konnte, hatte er schon reiten gelernt, und als junger Knabe soll er fester im Sattel gesessen haben als mancher ergraute Stallmei ster. Eine sogenannte elegante Figur hat er freilich als Reiter weder in der Jugend noch in späteren Jahren ab gegeben. Aber niemals hat es wohl vor ihm noch nach ihm Reiter gegeben —- Zirtuskiinstler inbegrissen ——, die so verwegene Reiterstückchen ausführten wie Gras Sandor, dessen wie gesagt, bon frühester Jugend an geübte Reit iunst durch einen keine Grenzen ken nenden Wagemuth gefördert wurde, der sreilich einen pathologischen Zug hatte. Man kann als unzweifelhaft annehmen, daß der Graf, dessen Irr sinn in seinen späteren Jahren offen bar wurde, auch schon früher, als diese eine geistige Anomalie noch nicht von allen erkannt worden war, wohl die Tragweite seines Wagemuthes nicht immer erkannt haben mochte, und der Leichtsinn, mit dem er tausende Male sein und anderer Leben aus’s Spiel setzte, war sicherlich eine Folge trank hafter Nervenüberreizung Jn zahlreichen illustrirten Blättern früherer Jahrzehnte ist besonders eine kühne That des Grafen in Wort und Bild geschildert, wie er mit einem Vie rerzuge über hohe Treppen herauf «und herabfuhr. So unglaublich dies jKunststück auch erscheint, seine buch isttihlicheWahrheit steht sest. Des-Grafen Tochter, die Fürstin Pauline Metter nich, hat sich einmal ausführlich über diese berühmte Treppenfahrt ihres Va ters in einem längerem Aussatz ge-« äußert. « «Stunden, von Wien nach Jschl (43 . und endlich den theils zu Pferd, theils Jim Wagen in acht Stunden zurückge . gen Jahrhunderts wanderten die Wie ’2)teiter, sondern auch einer der geschick Als berühmte Reiterstüclchen des Grafen sind noch weiter zu erwähnen sein kühner Sprung mit seinem best drefsirten Pferde ,,Tatas« über einen mit drei Pferden bespannten Bauern wagen, den er in einer ganz engen Straße ohne jeden Ansatz ausführte; dann ferner auch seine Schnell- und Dauerritte von Salzbura nach Mün chen l18 Meilen) in nicht ganz neun Meilen) in 16 Stunden 7 Minuten legten Weg von seinem Schlosse zu Bajna bis nach Wien, 3 Meilen. Aber er war nicht nur ein kühner teften Pferdedresseure, und in den drei sziger und vierziger Jahren des vori ner nicht selten hinaus nach Boden, wo Graf Sandor im Sommer zu wohnen pflegte und wo er seinen lieben Wie nern manche Ertravorstellung gab, recht drolliger Art, zum Beispiel wenn er! zu jedem der Fenster seiner Villa ein anderesterd binaugschauen ließ, auch( im zweiten Stockwerk, wo er dann nicht i selten neben seinem Lieblingspferde heraus-schaute, wobei beide, der Grafx und das Pferd, Pfeier tauchten. I Dasz das den Wienern sehr gut aei I stel, läßt sich denken, und daß er da-; ber und auch, weil er verschwenderisch sreigebig war, eine der beliebtesten» Gestalten war in dem vormärzlichen Wien, ist ebenso erklärlich. Weniger leicht begreiflich erscheint es daher,« das; er im tollen Jahre doch nicht dem Schicksal entging, daß ihm die Wie ner eine Katzenmusil brachten. Frei lich hatte er das weniger seiner eige nen politischen Qualität zu danken — er hat sich zeitlebens nicht um Politik qetümmert —, sondern der Thatsache, daß er der Schwiegersohn des bestge baßten Mannes in Oesterreich war, des Staatstanzlers Fürsten Wetter nich —- Gras Sandors Tochter hei rathete ihren Stiesoheirn—, vielleicht auch galt der Unwille des Volkes der ganzen aristotratischen und so gar nichts nüdendem aber ost recht un nützen Lebensführung des Grasen. Genug, man brachte vor seinem Pa lais eine Kayenmusih Aber wie sich Gras Sandor dieser Situation ge wachsen zeigte, auch darin bekundet sich ein genialer Zug. Als er den Vollshausen seinem Palais nahen sah, tras er schnell seine Anordnun gen, und als alle vor dem Hause Ver fammelt waren, betrat er mit zwei Dienern den Balkon. Er selbst, in der Mitte, hatte eine helltönende Flöte, auf der er die Katzenmusik übertönend und begleitend ein mäch tiges Furioso blies, seine beiden Die ner aber mußten Katzenmusil im ei gentlichsten Sinne des Wortes ma chen; sie hatten jeder einen Sack, in welchem sich Katzen befanden, und fo bald sie diesen Sack auf Befehl ihres Herrn schwenkten, entstand ein fürch terliches Gequietsche und Miauen der eingesperrten Thiere. Als dieses ge schehen war, ging Graf Standor, mit Steinen bewaffnet, hinunter zum Voltshaufen, warf in seinem eigenen Palais die Fenster ein und fragte dann die »Revolutioniire« in gemüth licher Weise: »So! Nun sind wir hier fertig! Wohin gehen wir jetzt?« Na türlich ging der Vollshaufe lachend auseinander, Graf Sandor hatte mit seinem Witz die Stimmung besiegt. Das Ende des Grafen Sandor, war, wie gesagt, ein recht trübes. Be reits zu Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hieß es, er sei völliger Geistesumnachtung ver fallen. Er soll da viel Interesse für das Köpfen gezeigt und den Wiener Hofburgschauspieler Ludwig Löwe in der Rolle des Holofernes leuchtenden Auges, das durch sein unheimliches Funteln den Jrrsinn verrieth, vor feinen Freunden kopirt haben. Alsj er dann allen Ernstes dem Pförtners seines Palais den Befehl ertheilte,i dem ersten, der da käme, den Kopr herunter zu schlagen, wenn’s auch sein bester Freund wäre, erkannte man endlich, daß man einen Wahnsinnigen vor sich habe. Beinahe ein Menschenalter lebte er noch im Jrrsinn dahin. Erst am 28. Februar 1878 erlöste der Tod ihn von seinen Leiden. Da er außer seiner Tochter Pauline nur einen im jugend-( lichen Alter verstorbenen Sohn hefes-’ sen hatte, war er der letzte zwar nicht des weitverzweisgten Geschlechte-Z der Sandor, doch der bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinausreichenden altbe riihmten Grafenfamilie Sandor in Both und Bajna. Die falschen Zähne des Scheiks. Im Alter von 90 Jahren hat der Araber-Scheit Mohamed Omar Or, dessen Volk in der Nähe von Suatim lebt, und welcher jederzeit sehr loyal zur Sudan- Regierung gestanden hat, eben der Stadt Chartum einen Besuch abgestattet. Er wurde äußerst freund schaftlich von der Regierung empfan gen und erhielt von dem Sirdar einen ,,ersttlassigen« Satz künstlicher Zähne als Geschenk. Der alte Scheit ist außerordentlich gerührt von dieser Aufmerksamkeit und er hofft, damit seinen ganzen Stamm in Staunen zu setzen, wenn er mit einem Mund voll neuer zermalmender und schneidender Zähne nach Hause kommt. Seine ein eige böse Ahnung, sagt der Reuter siorresvondent, ist die Einwirkung auf seine Hauswirthschasi. Er drückte seine Furcht in folgender Weise aus: »Gott gab mir Zähne und nahm sie mir wieder als ich alt wurde. Er weiß es am besten. Jetzt hat man mir neue eingesetzt. Kann der Zahnarzt mir auch sagen, was gut fiir meinen Magen ist?« Des Scheils Bart, der roth gefärbt ist, steht in sonderbarem Kontrast zu seinem schneeweißen Haar und seinen Augenbrauen Eine hübsche Epifode. vom Aufenthalt des Kaiserpaareg in Wiesbaden wird nachträglich dortigen Blättern berichtet. Jn der Stadt hatte sich das Geriicht verbreitet, die Ver letzung der Kaiserin infolge des be kannten Unfalls sei ernster Natur. Daraufhin bestürmten einige kleine Mädchen die vor dem königlichen Schlosse Posten stehenden Soldaten, sie möchten doch der Kaiserin gute Besserung wünschen und ihr einen Blumenstrauß, den die Kleinen mitge bracht hatten, in’"s Schlon tragen, wag den Soldaten natürlich ihre Wachtins strultion verbot. Die Posten hatten Mühe, die Kleinen, die absolut ohne die erbetene Nachricht von der erfolg ten Besserung nicht gehen wollten, ab zuweisen. Die ganze Szene war aber vom Kaiser von einem Fenster aus beobachtet worden, und wenige Minu ten nach einem seitens der Posten er neut abgeschlagenen Angriffe erschien ein Adjutant auf der Bildsläche, der die Posten fragte, was da vorginge, und von ihnen eine wortgetreueMel dung des Falles empfing. Der Kaiser ließ, als er den Hergang der Dinge erfahren hatte, die Kleinen sofort in’s Schloß holen und theilte ihnen selbst mit, daß sie sich um ihre Kaiserin keine Sorge zu machen brauchten, da es ihr gut ginge. Die Kleinen wur ; den mit Kasfee und Kuchen bewirthet, mit Süßigkeiten reichlich beschenkt, auch wurde ihnen durch einen Hoche diensteten aus Befehl des Kaisers as ganze Schloß gezeigt. Es ist verboten. Das Londoner Wochenblatt »Aus wers« veröffentlicht unter dem Titel ,,Berboten« eine kleine Plauderei über ,,Deutschland, wie es ein Leser der ,,Answers« sah. Die amiisante Schilderung lautet: »Das Wort,· das man am häufigsten in Deutschland zu sehen bekommt, lautet ,,Berboten«. Wenn man im Bahnhos einläuft, fällt der Blick auf lauter riesige »Verbo ten«, ehe man etwas anderes sieht. Es ist verboten, die Gekeife zu überschrei Iten, Es ist verboten, diese Treppe hinabzugehen. Es ist verboten, dieser andere hinaufzusteigen. Es ist ver boten, links auszusteigen. Es ist ver boten, aufzusteigen, während der Zug sich in Bewegung setzt. Es ist verbo ten, den Perron ohne Billetabgabe zu verlassen. Es ist verboten, den Kopf zum Fenster hinauszustrecken. Es ist verboten, Flaschen zum Fenster hin auszuwerfen. Es ist verboten, das Nothsignal ohne Lebensgefahr zu ziehen. Und wenn man sich mit allen diesen Vorschriften glücklich vertraut gemacht hat, sein Billetabgegeben hat und durch den richtigen Ausgang marschirt ist, dann stößt man mit Sicherheit aus ein Schild ,,Durchgang verboten«. Will man nun wieder durch den Ausgang, den man benutzt hat, zurück, so erfährt man zu seinem Entsetzen, daß das ,,verboten« ist. Man muß sich einen anderen Ein gang suchen, und kann dann durch ei nen anderen Ausaana endlich dem Bahnhos entfliehen.« —- Nachdem sich der Engländer über die deutsche Ti telsucht und noch einiges andere lustig gemacht hat, weiß es erfreulicherweise auch etwas Gutes zu sagen: »Seit 1871 sind die Deutschen darauf aus, alle französischen Fremdwörter aus ihrem Sprachschatze auszumerzen. Jetzt ist der Kampf über alle Fremd wörter überhaupt entbrannt. Das Wort ,,Telephon« ist über die ganze Welt verbreitet. Man gebraucht es selbst in Ländern mit ganz anderem Alphabet, z. B. in Rußland und der Türkei. Einst hatte es auch in Deutschland Heimathrecht. Aber jetzt trifft man weit häufiger das Wort »Fernsprecher«, und das finde ich sehr verständig. Jedes deutsche Kind von 3 oder 4 Jahren kann sich bei dem Worte Fernsprecher etwas denken, während keines wissen kann, was das Wort Telephon bedeuten soll. —- Die Meisten denken, die französische Spra che ist reicher an Bezeichnungen für v Speisen und Nahrungsprodukte als die deursche. So dachte ich auch. Ader ich war so überrascht über den Wort schatz der deutschen Speisekarte, daß ich mir die Mühe nahm, die Bezeich nungen für Gerichte in einem franzö sisch-englischen und einem deutsch englischen Taschenwörterbuche zu zäh len. Resultat: Frankreich 8 Spalten, Deutschland 11. Und das ist eigent lich kein Wunder, denn die Deutschen scheinen nicht nur mehr eßbare Dinge zu haben, sondern ihnen auch tüchtiger zuzusprechen.« -—--.-—.--— Schiller, der Heros des deutschen Jdealismus, ist auch französischer Bürger. Am 26. August 1792 wurde ihm und einer Anzahl berühmter Aus länder der Titel Eitohen de France verliehen. Selten hat der Druckfehler teufel -—— wenn es nicht zum Theil ein fache Unwissenheit war —- so schlimme Possen getrieben, wie in dem Beschluß, der diese Ehrung aussprach. Wir fin den da Klopsloc statt Klopsiock, Ben thonn statt Bentham, Mackinlosh statt Mackintosh, Pestalorri statt Pestalozzi, Kocinsko statt Kosziusko; Schiller endlich war Gillers geschrieben, das Deiret war an ,,le sieur Gille, publi ciste allemand« gerichtet. Die in Wei mar aufbewahrte Urkunde hat einen eigenthiimlichen Reiz durch die hastige Huldigung von der Jdee und der Ver nachlässiaung des Persönlichen. Schil ler, der in den Räubern seiner faulen Zeit mit dem Zorn eines jungen, frei heitberauschten Titanen Dolch und Pistole unter die Nase gehalten, der in Kabale und Liebe kühler und beißender den kleinen Despoten ihr Skündenregi ster aufgezählt hatte, begrüßte anfäng lich in der Revolution die Morgen röthe der Freiheit, wie diese sich in sei nem Kon malte. Als sich aber im mer schrecklicher das Wort bewahrhei tete, daß Revolutionen nicht mitRosen wasser gemacht werden, als die gewal tigen Wogen allen Schlamm, alle Un geheuer, die in der Tiefe des Volkes schliefen, an die Oberfläche wälzte, da empfand er nur noch Abscheu gegen die »Schindertnechte« und war der Ansicht, dieRevolution habe nicht nur das fran zösische Volk, »sondern mit ihm auch einen beträchtlichen Theil Europas und ein ganzes Jahrhundert in Bar barei und Knechtschast zurück-geschleu dert«. Als ästhetischer Philosoph konnte Schiller der Revolution, die seine theoretischen Ideale so grausam zertrümmerte, nicht anders gegenüber stehen, erst spätere Zeiten erwiesen, daß die Revolution trotz alledem in der Ge schichte der Menschheit ein gewaltiges Schritt vorwärts gewesen ist .