W von Paul Herniann ««« Hartwig Der alte Mann schaute wie entgei Irrt auf das Schriftstüch das seinen en entsunken war und nun aus dttngkich weiß auf der Diele in einem stimmernden Sonnensleck lag. Durch das geäffnete Fenster der nie drigen, weiten Schulstube wehte die warme, schwüle Sommerluft einen Duft von Rosen und Levtojen hinein. Jn feurigruther Pracht blühten auf den Fensterbrettern Geranien überall. »Die Somit-erstiegen schwirrten hin ; und her, und eine grüngoldige Itrummfliege fuhr in kleinen Pausen » wider eine geschlossene blanke Fenster- ; scheibr. Unter dem vorspringenden ? Dach des alten Hauses hattenSchwal den ihre grauen Nester angeklebt, und die junge Brut, die in kurzer Zeit flügge sein mußte, zwitscherte unauf- » hörlich. Kein fremder Laut störte die I holde Sommersinfonie —- cs warMit- l tag und die Leute des Dorfes hielten( nach der harten Arbeit in ihren Be hausungen kurze Rast. Der alte Mann hatte sonst wohl ein feines Ohr für die klingenden, singen den Stimmen des Mittags, deren vol les Berständniß ihm ein langes, der Arbeit und der Natursreude gewid metes Leben offenbart hatte. Heute schwieg ihm der Klang, nur die eine betäubende Gewißheit erfüllte ihn gänzlich, daß nun Alles zu Ende sein sollte —- keine Hoffnung mehr. — Richt, daß ihn der Schlag völlig unvorbereitet getroffen hätte; von sei ner vorgesetzten Behörde war ihm mehrfach der Gedanke nahegelegt wor den, um seine Pensionirung einzutom- » men. Er hatte solche Vorschläge stets ’ für freundliche Fürsorge gehalten und jeden Gedanken an den Ruhestand weit von sich gewiesen. · Ein guter Hirte verläßt seine s Heerde nicht — den Dorfbewohnern s war er noch nicht zu alt —"— die Hart- ; gewöhnten liebten den alten Schul-; meister auf ihre Weise. Es war einl ternfester, guter Menschenschlag. Roh heiten, Verfehlungen kamen natürlich auch hier vor, aber sie waren nicht das Alltäglichr. Ein tüchtiger Mensch hatte nimmermüd Samentörner ausge streut, allgemach durch sorgfältige Pflege gefördert. waren sie aufgegan gen und viele hatten reiche Frucht ge tragen. Der alte Schulmeifter war sich fei nes Werthes kaum bewußt, es steckte in feiner innerften Natur, zu helfen und zu sorgen, und nun machte das weiße Schriftftiicl da feiner«Lebens freude ein Ende — —- »in den wohl- ! verdienten Russland-, das warm ! dieselben Worte, die der Herr Schul- : rath bei feiner letzten Jnfpeltion mit ? falbungsvoller Milde geäußert hatte. J Nun war es Wahrheit geworden, et I war zum alten Eisen geworfen. weil feine »Methode« nicht mehr in die neue Zeit paßte. Seine Lebensarbeit gehörte der Vergangenheit an —- er galt nichts mehr, er war nichts mehr. Der Schlag war noch zu neu, als ( daß er klare Sichtung der Gedanken f ermöglicht hätte. Eine Bitterkeit er- l fiillte ihn völlig, wie fie feinem lan- l gen Leben bis jetzt fremd geblieben Mk. Er saß unbeweglich und überhörte auch das Eintreten der alten Magd, die das Mittagessen hereinbrachte. »Herr Kanten hier ift das Essen, Plummen und Pliimp, nu langen S’ man tau,« mahnte fie, als er ihres Kommens nicht achtete. Nun blickte er aus und strich mit der schönen, runzellosen Hand — eine Künstlerhand trotz der harten Arbeit, dir sie zuweilen verrichtete — über die Stirn. »Es ist gut, Hunne, geh’ nur, ich lange schon zu.« Er siillie sich wie mechanisch die ein fache, irdene Schüssel rnit Speise, aber es war ihm unmöglich, einen Bissen zu essen. Die jungen Schwiilbchen zwitscher ten und lratehlten im Nest. Der Alte erhob sich schwerfällig, bückte sich nach-dem verhängnißvollen Schreiben und-barg es, nachdem er es geglättet hatte, in der Brusttasche sei nes langen, schwarzen Rockes. Dann griss er zu dem breitrandigen Stroh hut und verließ langsam das Zimmer. Sommerlich dustete das Gärtchen, das in seiner Art ein Juwel war und den Fremden, die zufällig in's Dors lamen, Bewunderung abnöthigte. Der alte Schulrneister hatte, wie mit den Menschen, auch mit den Pflan zen Glück. Diese löstlichen Rosen — Schönbeit lag über den vielsarbigen, in üppiger Pracht blühenden Büschen, und die Frübnellen und sarbensrohen Levlofen ans den schmalen Rabatten meinten es in diesem Jahr besonders gut. An den Johannisbeersiriiuchern W ei schon in seurigem Noth s, nnd die jungen Apfelbiiume bogenaxch Um der Last. aEin gesegnetes Jahr,« murmelie der alte Schalmeister, sein Blick um fing die blühende, strodende Fülle, die . Mitr- seiner hnnd gedieh und wuchs. ( -.-j" , » vielen Aepfel, da werden sich die ! i nlkinder zu Weihnachten sreuen.« s tsstzmnßte sichs erst besinnen, warum er ! W dumper Schmerz bei diesem 1 Wirtin eint-sand- Jhm war, als ob 1 seinen Null-il mehr an dem Se- l Ost Hm dürfe VII site Rotte tnarrte, all er die DoM gewann, die M MI, wie ausgehkbem im Sonnenbrande . lag. Ei sont so heiß, daß sieh die Hofhunde irr ihre Hütten zurückgezogen hatten, selbst die sühnen die sonst immer aus s der Straße scharrten und pictten, ruh » ten im Schatten der Fliederbüsche, die Hin weißer nnd violetter Pracht über sden slechtengranen Lattenziiunen hin gen. Der Alte achtete der drückenden hisze nicht, ihn beengten die wohlbe-« staunten Höfe — er hatte Sehnsucht nach dem freien Feld. « Aus der letzten Kathe trat ein klei- s nes Mädchen, das eine graue Katze auf dem Arm hielt. Zutraulich tam ! sie nahek. l »Dag okt, Herr Kanten tieten’s mal, mrn gries Katt.'· Er strich der Kleinen über das wirre braunblonde Haar. »Du büst Mieten Kruse.« »Aerverst, Herr Konter, Mieten Rieftohl het ict doch.« »Richtig min lütt Diern, na denn spel man schön mit dien Ratt, äwek nicht drangsalen.« Die Kleine sprang weiter. Das war nun seit seiner Ankunft im sDors die vierte Generation ——im tommendenJahr würde sie schnlpslichs dig sit-r einen anderen werden-für einen anderen. Diesen einen Gedanken würde er nun rvo l nicht mehr los werden. Die traße stieg etwas, und der alte Kantor spürte die Gluthwogen, die ein leiser Südwind ab und zu mitführte, nun doch trotz der Bäume, die rechts und link-Z vom Wege ge pflanzt waren. Unter seiner Leitung hatten die widerstrebenden Bauern sie eingeseßt, und nun spendeten sie, breit verzweigt, bereits Schatten. Esr hatte seinen Willen ost durch gesedt, ganz leise, ohne daß die ande ren es recht merkten. Aus der Höhe, von der aus das Dorf so gut zu übersehen war, lag ein schmaler Streifen Land, um den sich die beiden angesehensten Bauern Jahre lang grimmig besehdet hatten. Das Dorf war in zwei Lager getheilt, und Neid, Haß und Gemeinheit er wuchsen wie Unkraut in schlecht gefäh tetern Weizenseld. Er hatte mit un endlichem, nimmermiidem Eiser eine Versöhnung herbeigeführt Das Streitobiett belam keiner, eine arme Häuslersomilie erhielt die Nutznieß ung. Das war ein schweres Stück Arbeit gewesen, aber nicht so schwer, wie die Mühe, die er sich bei der armen Diela Hauser unterzogen hatte, die mit ih rem vaterlosen Kinde bungernd aus der Schwelle ihres Elternhauses lag. Wie dem Vermittler damals die rechten Worte gekommen waren, das wußte er selbst nicht, aber er macht-, was selbst der Herr Pastor nicht ge tonnt hatte, die harten Herzen weich. Gras wuchs über die Geschichte Diela schaltete längst selbstständig aus ihrem Hose und ihr Sohn diente bei dem Leibregiment in der Residenz. »Hö, hö, Dag Herr Kanterl" Am Grabenrand faul hingestreckt lag Jochen, der »Dwatsche« des Dor ses. Selbst die Sorge des Schulmei sters hatte es nicht vermocht, aus dem Ibliiden Hirn des Knaben den Funken hervorzuzaubern, aber er hatte dem Halt-erwachsenen das Amt des irgen birten verschafft. Durch die schei denen Pflichten war er zum Bewußt sein seines geringen Menschenthums gekommen und er suchte es zu wah ren· Seit er einmal bei der Thier quälerei betroffen war und von dem alten Schulmeister selbst eine gehörige Tracht Prügel betommen hatte, war teine Klage über ihn laut geworden. »Schick di ock iimmer god, Jochen!« »Den will ick woll daubn, Herr Ka·nter.« · Weiter schritt er. Zu seiner Rechten und Linien blühte der Wintereroggen; wenn ein schwa cher Luftzug übere die grünen Qua drate strich, flog eine bräunlich schim mernde Wolte auf. - Segen, wohin er blickte. Weit hinten an dem schmalen Fluß chen, das die Gegend anmuthig be lebte, erfiteckten sich weite Wiesen flächen, an denen fast alle Bewohner des Dorfes Antheil hatten. Der erste Schnitt war prächtig, und alle Hände arbeiteten daran, das wohl durchtroel nete Teu rechtzeitig unter Dach zu bringen. Ueber dem Wald stand, von der Junifonne überstrahlt, ein dräuendes, weiß funtelndes Woltengebirge — wenn der Wind umsprang, tonnte es ein Wetter geben. . Vom Dorfe her zog die Schaar der Arbeiter heran. Der alte Kantor hatte teine Luft, ihnen zu begegnen. Er bog vorn Wege ab und schritt, die Hauptfiraße verlassend, iiber das Brachfeld dem Walde zu. Der war auch einmal fein Sorgentind gewesen. Der schöne Wald, der eine natürliche Schutzwehr gegen den strengen Nord oft bildete und die Felder fehlt te, war zum großen Theil in bäuerli m Besitz, und die Eigenthümer ließen wie toll den alten Bestand nieder fchlagen. Auf das Wort des Schul meifters hörten sie nicht-was der wohl davon verstand. Da war er heimlich in die Residenz gefahren und war beim Minister vor siellig geworden. Und wirklich, die Regierung nahm sich der-Angelegen heit an. Die Bauern; denen ute Reife geboten wurden, entschlo en zum Verlaub So wurde erei tet, was noch zu retten war· old blößen wurden wieder aufgeforftet, und die Wunden, die der Unverßand »getchlaaen. heilten allgemach. «- Der tiefe Schatten unter den dicht vermeinen Sinnen-im that um vor Mittagsgluth und langer Wande krung doch ermüdeten Alten wohl. — s Links vom Wege schoß der Jangwald ’iippig aus, Sonnenlichter spielten da thiber, und die Blätter schimmerten smaragden. Kein Bogellaut, nicht einmal das Summen der nsetten störte die feierliche Stille. s war, als schlummere die Natur, und etwas von dem Frieden zog lindernd in seine Seele. Er konnte seine Lage in Ruhe über denlen, und eins wurde ihm zur Ge- ? wißheit, mochte man ihm, dem Alten« vielleicht auch Veralteten, die Thötig-J teit nehmen, von seiner Lebensarbeit( blieb doch eine Spur, und um den» Ruhm vor den Menschen hatte er nicht gesorgt und geschafft. Sein Leben lag vor ihm; an Fehlern und Irrungen mangelte es nicht, aber er hatte das Gute gewollt, seinThun war gesegnet, sollte er nun am Ende llein werden? — Klaren Blickes wollte er dem Kom menden entgegensehm — Er wandte den Schritt. Die feierliche Stimmung, die in der grünen Waldwirrniß lag, änderte sich plötzlich, mit eins erlosch der lichte Schein über dem Jungwald, durch die Wipfel ging ein mahnendes Rauschen. Die Sonne stand wie eine matte Scheibe in grauem Dunst, und das Wolkengebirge hatte seine silberige schimmernde Farbe in ein bläuliches Schwarz verwandelt »Wenn-Ei Heu nur rechtzeitig binne tommt,« dachte der Alte und beschleu nigte den Schritt, um vor Ausbruch des Wetters das Dorf zu erreichen, von dem er immerhin eine Stunde entfernt war. Von den Wiesen her tönte das Lachen und Ruer der Leute, die ihre Kräfte sicherlich verdoppelten. Nun hatte er die Höhe hinter sich, das Dorf lag vor ihm —- das liebe alte gewohnte Bild. Er wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn und ging langsam, denn nun war ja nichts mehr zu befürchten. Als er die erste ausgebaute Kate er reichte, ließ ihn ein scharfer brenzlicher Geruch aufmerten. Sein Auge brauch te nicht lange zu suchen, aus einem strohgedeckten Ställchen schlug jäh eine helle Flamme empor. Ein furchtbarer Schreck ließ sein Herz beinahe stille ste hen, entsetzliche Möglichkeiten zogen blitzschnell vor seinem geistigen Auge vorüber.——-An dem Ställchen lag nicht viel, aber der Gewittersturm konnte in jedem Augenblick losbrechen und dann war alles verloren —- teinMann im Dorf — tein Retter. Und wieder schossen neue Flammen empor und ein Funkenregen sprühte nach der Kate herüber, deren Bewohner alle im Heu waren. l Nun war der alte Kantor entschlos fen —- bevor er auf die Wiesen kam, das Unglück zu verkünden, konnte al les zu spät sein. «Mieten, Mielen Rieflobl, lop fixing na de Wies, Rewers Stall brennt.« Die Kleine begriff sofort und trabte ab. , Er selbst rannte wie ein Jüngling die Dorfftraße herunter, der Kirche zu, zu der er den Schlüssel stets bei sich trug. Er stürmte, Athentnotb und Beschwerden nicht achtend, die steile Thurmtreppe beraus, seine Hände, dieser Arbeit längst entwöhnt, griff nach dem GlockenseiL — — Der eherne Klang der Glocke rief, nicht feierlich, warnend in wilder Er regung. Der Alte dachte nur ein: »Gott, rette mein Dorf, laß die Män ner rechtzeitig heimkommen« Jn die wilden Glockentlänge misch ten sich andere Töne. Der Sturm brach los, durch das Schallloch pfiff er, wild aufjauchzend schien er die Warnrufe verschlingen zu wollen. Jiihe Blitze erhellten das Dämmer der Kirche, fern grollte der Donner — bini — bin-i —- bam bim —- birn — barn —- der Ruf der Glocke übertönte den Sturm —- bim —- bim barn — komrnt und reitet. Aus der Straße Schreien und Lär men und Rollen eiliger Wagen. Bim — birn, der Ruf erstarb —- es wurde ss:ill m der dämmrigen Kirche —- ganz ill Das Feuer konnte aus das ausge- " baute Gehöst und eine leere Scheune, auf die bereits Funken übergesprun gen waren, befchräntt werden. Erst am Abend besonnen sich die Leute aus den alten Schulrneisteu er hat doch Feuer geläutet ——" er hat das Dorf gerettet. Sie suchten ihn und fanden ihn nicht« Da fiel es dem al ten Vater Lamprechi ein, daß die Glocke so plötzlich verstummt sei. An die Kirche hatten sie noch nicht ge dacht. Da fanden sie ihn denn. Er glich eine-n Schlafenden, die Züge gil tig und mild, wie im Leben, und ein schwacher Widerschein der in purpur ner Pracht fcheidenden Sonne lag auf dem Gesicht und verstärtte den Ein druck des Lebens. So zufrieden sah er aus« wie einer, der gern ausruht. »So einen wird das Dorf nicht wie der lriegen,« sagte der Pastet, als er ihn aus dem grünen stillen Friedhof begrub. »hei is würtlich ’n gauden Kierl west,« meinten die Leute. . Gitter Instit-. »Hm, das ist noch nicht bestimmt meine Frau will nach Italien, an the Mutter ist dasttr.« »Und SM« Ochs Ia, ich bin bis jetzt noch nicht gefragt wordenl« per-kanns- Antwort ) Slizze von B. Rittweger. Fred von Böning saht an seinem j Schreibtisch vor einem unbeschriebenen zBriesbogem Nach längerem Zögern . erst ergreift er die Feder-, die nun, ohne ldaß er sie einmal ruhen läßt, übers Papier fliegt. Als der Schreiber seinen Namen unter den Brief gesest hat, athmet er tief auf. Dann iiberliest er noch ein mal, was er geschrieben hat: »Liebe Friedal Es wird Dir nicht unerwartet kom men. was ich Dir heute mittheilen muß. Du hast sicher gewußt, daß un ser Verhältniß — als Verlobung hab’ ich’s ja nie betrachtet — einmal enden muß. Jch bin überzeugt, daß Du be reit gewesen wärst, auch ein bescheideq nes Loos mit mir zu theilen. Aberj ich bin dazu einmal nicht geschaffen. Meine ganze Karriere lärne in Frage. Niemals würde ich mit meinem Gehalt ; als Regierungs-: oder Landrath ein Haus machen können, wie es nun ein mal verlangt wird. Und ich bin erst Assessor. Mein Vermögen habe ich bis auf einen geringen Nest ver-; braucht. Also ist eine Heirath zwi-; schen uns ausgeschlossen. Jch muß mich durch eine reiche Frau zu rangi-» ten suchen. Nie werd’ ich vergessen,j was Du mir warst, nie werd’ ich auf- ? hören, Dich zu lieben, Frida. ESJ waren so schöne, selige Jahre! Jchs tann·’ö nicht bereuen, daß wir nichts eher »verniinftig« geworden sind. Die» Erinnerung tann uns niemand rau ben. Sie mag Dich trösten und stät-l len. Du hast’s leichter, als Dein ar-; mer Frei-, Kind. Du bist nicht ge-! zwungen. eine liebeleere Ehe einzu gehen. Mich trifft das härtere Loos. Jch rathe Dir dringend, die Stelle in England anzunehmen. Jn anderer Umgebung wird Dir’s leichter werden, l über alles hinwegzukommen Theile mir umgebend Deinen Entschluß mit und zürne mir nicht. Beilage viel mehr und bewahre ein freundliches denten Deinem Fred von Böning.« Beim Lesen haben sich die blossen Wangen des Mannes leicht geristhet. Er schämt sich. ohne es sich gestehen zu wollen. Welch lrasser Egoismus spricht aus diesen Zeilen! Aber sie wird das gar nicht bemerlen. Sie ist so gut, so sanft, ein Engel! Sie wird ihn bedauern, wenn er’s erbittet, und sie wird tein Wort der Anklage sitt den Mann haben, der ihr siins Ju gendjahre geraubt hat, und der sie nun verläßt, um des Geldes willen, das eine. andere ihm zubringen wird. Aber nun weg mit solch’ sentimen talen Gedanke-il Es muß sein. Wer weiß, ob sich ihm noch einmal Gele genheit bietet, eine so reiche Frau zu bekommen. Die Erbinnen sind diinn gesät, besonders die unabhängigen. Anna Sonden, die »reine Waise«, ist mündig, sie liebt ihn, sie wartet nur aus seinen Antrag. Als ihr Gatte wird er niemals die gemeine Noth des Lebens kennen ler nen. Dasz er sie nicht liebt, daß ihr Aeußeres ihn eher abstiißt, daß ihre ganze Art ihm unsympathisch ist — bah — das lann nicht in Betracht kommen. Alles tann der Mensch ein mal nicht haben. Nun wird er den Brief an Frida abschieien, und dann wird er noch zwei Tage warten, bis er Antwort hat« Es muß alles torrett zugehen, wie es sich sür einen Mann oon seinem herkom men und seiner Stellung ziemt. Kor rett ist Fred von Bönings Lieblings ausdruck und korrett die Richtschnur seiner handlungen Sich verloben, während die junge Lehrerin sich noch als seine Braut betrachtet, min, das wäre inlorrett im höchsten Grad. Al les hiibsch der Reihe nach. Bravo, Fred oon Böningl So handelt ein Ehrenmann. · J- - · Anna Sonden ist allein. Sie hat ihre Gesellschafterin, eine ältere Da me, gebeten, einige Besorgungen siir sie zu erledigen. Sie muß allein sein in dieser Stunde, die ihr das höchste Glück bringen soll. Ach, wie sie ihn liebt, den stolzen Mann, der um sie wirbt, wie er sie liebt! Anna Sonden tritt vor den Spie gel und mustert sich aufmerksam. So· rothe Flecken brennen aus ihren Wan gen. Das macht die Aufregung. Ob sie etwas Puder nimmt? Aber nein, sie haßt solche Mittel. Sie ist ein Wesen von unbegrenzier Wahrhaftig keit. Puder und Schminle scheinen ihr gleichbedeutend mit Lüge. Sie wird nur eine andere Krabatte um binden, eine leichte, weiße, die die zu lebhaften Farben mildert. Weg mit der bunten, die heute ganz unerträglich wiriii So, nun ist’z besser. Wenn auch —- nein — es ist alles vergeblich! Häßlieh bleibt häß iieh. Aeh, was gäbe sie darum, schön u sein! Für ihn, damit sie gewiß sein könnte, daß ei nicht ihr Geld, daß es ihre Person ist, hie er sucht. Pfui, welch’ häßlicher Berdachti hat Fred ihr nicht gezeigt, seit Monaten schon, daß ihre Unterhaltung, ihr Geist, ihre scharfe Urtheilitrast es sind, die ihn anziehen, die sie ihm begebeenöwerth machen? hat er nicht immer und im mer wieder betont, daß er nur aus den Einklang der Seelen Werth legti Thärin, die sie ist! Daß sie nicht lglauben kann an das Stils-. von ihm geliebt zu sein. »Bitte —- Brrrrot —« Anna erschrickt fast, als ihr Lieb ling. ein grauer Papagei, sich so mel det. »O, mein armes Peterchen, dich hab’ ich ganz vergessen —- hier —,« sie bricht einen Rates in zwei hälften und reicht ihm die eine —- »hier, Peterchen, nun sei aber schön brav heute, wenn er kommt, dein künftiger herr. Gleich muß er da sein Peterchen, und du Mußt ihm auch zeigen, wie lieb wir ihn haben. Darfst nicht so eigensinnig sein, wie bisher, dummes Peterchen. Sag doch endlich ’:mal Fred — Frrred —- bitte, bitte, Peterchen — Frred —« Es tlingelt und das Zimmer-mäh chen meldet Herrn Assessor von Bö ning. »Ich lasse bitten.« Die Flecke auf Annos Wangen brennen dunkler, ihr Herz klopft stür misch Sich gewaltsam beherrschend, reicht sie dem Eintretenden die Rechte, die er ehrfurchtsvoll läßt, dann bittet sie ihren Gast, Platz zu nehmen« Doch der Assessor wendet sich erst Peterchen zu: »Guten Tag. mein Freund. Nun, immer noch schlechter Laune? Jmmer noch lein Wort der Begrüßung? »Peterchen, sei brav, sagl schön: Guten Morgen — guten Morrrgenk Aber selbst die Bitte seiner Herrin vermag nichts über den eigensinnigen Vogel. Boshast funkeln seine Augen den Assessor an« und sein Gefieder sträubt sich vor Muth Zugleich stößt er ein mißtiinendes Geschrei aus, was ein Zeichen heftigsten Zornes ist. »Ach, du häßliches Peterchen« wir wollen uns gar nicht mehr um dich be tiimmern. Jch werde heute den ganzen Tag kein Wort mit dir sprechen und Zucker betommst du auch nicht! Bitte« herr Assessor —«« sie deutet aus einen Sessel. Anna Sonden empfindet es unan genehm« daß ihr Liebling, der Papa gei, eine ausgesprochene Abneigung gegen den Assessor hat. Sie hat das Gefühl, als müßte Peterchen, der schon lange Jahre im Besitz ihrer ver storbenen Eltern gewesen ist, es wis sen, daß dieser Mann ihr theurer ist« als alle anderen Menschen. Es isi tin disch, daß das Gebahren des Thieres sie träntt. Und gerade heute! Es bleibt ihr jedoch teine Zeit, über das unartige Peterchen nachzudenken« denn nun sißt Fred ihr gegenüber und seine etwas müde-n Augen senten sich in die ihren, und seine Stimme, diese geliebte Stimme, spricht in werdenden Worten von seiner tiesen Neigung, von seinem heißen Wunsch, sie zu be sitzen. »Sagen Sie, »ja«, Anna, theures, geliebtes Wesen, und machen Sie mich zum Glücklichsten der Sterblichen!« Fred ist ausgesprungen und beugt seine Kniee vor dem zitternden Mäd- , chen. s Sich gewaltsam zur Ruhe zwinwl gend, denn nicht ohne ihm alles gesagt zu haben, was sie bewegt, will sie ihm ihm Jawort geben. spricht Anna: » »den von Böning, Jhre Ertliirung T kommt mir nicht überraschend. Jchs wußte« daß Sie heute das entscheiden de Wort sprechen« um meine Hand bit- ; ten würden. Jch verhehle Jhnen auch . nicht« daß ich Sie liebe, von ganzem ; hergen. Sie versichern mir, daß Sie ? mich lieben, Fied. Ziirnen Sie mir nicht« daß ich einen gelinden Zwei-s nicht« daß ich einen bangen Zwei-s sel nicht ganz betämpsen kann. Jch bin nicht schön, Fred, ich bin sogar häßlich —- mein Spiegel ist aufrichtig. Kann, dars ich glauben« daß es nicht nur mein Reichthum ist« der meine Band Jhnen begehrenöwerth erschei- « l l nen läßt; rann ich —- ! WAnna nicht weiter — :,Doch Fred, Sie miissen mich zu Ende hören.« Anna hat jeßt ihre volle Sicher heit wiedergefunden » »Ich sinde es ganz begreiflich, daß s Sie bei der Wahl Jhrer Gattin die äußeren Verhältnisse mit in Betracht ziehen. Mein Gott« wir leben in der Welt, und ich bin erfahren genug, um zu wissen, daß die Liebe in der Hütte ihre großen Schattenseiten hat. Also, ich verstehe, daß mein Reichthum Ih nen nicht als Hinderniß erscheint, aber Sie müssen mir versichern können, . daß es nicht nur dieser Neichthum ist, der Sie zu dieser Werbung bestimmt hat. Jch frage nicht nach dem, was gewesen. Jch bin nicht so kindisch, die erste Liebe eines Mannes sein zu wol len. Jch habe leinen Vater mehr, der die Frage siir mich stellen tann. Jch muß es selbst thun. Schwören Sie mir, Frei-, daß jeßt tein anderes Bild in Jhrem Herzen wohnt, daß ich voll Vertrauen meine hand in die Jhre legen kann. Sonst, Frev, ist’s besser, ich gehe meinen Weg allein.« «Anna. geliebtes Mädchen, ich schwöre Ihnen, daß ich tein größeres Glück fiir mich ersehen kann, als von Ihnen geliebt zu sein, daß ich ohne Rücksicht aus äußere Güter, nur mei ner Neigung solge. Jch liebe Jhre Seele, Anna, Jhr gutes, großes Herz, Ihren Geist — ich habe noch niemals so geliebt —« ' «Psut — pfui!« to tönt s in diesem Augenblick aus Peterchenö Bauer. Fred von Bitning zuckt jäh zusam men und ein unsagbar widriger Aus druct tritt aus sein Untlic Dieser infame Papagei, diese abscheuliche boibafte Kreatur! Der Jäbzorn, den der torrette Mann mit aller Willens traft nicht immer zu beherrschen der mag. packt ihn. Er stürzt aus das Bauer zu. ergreift es und schmettert es zu Boden. Anna Sonden sieht wie erstarrt. Sie hat das Mienenspiel des Mannes beobachtet —- ihre Augen haben an seinen Lippen gehangen, als er ihr seine Liebe zugeschworen, sie hat be merkt, wie sein Antlisi sich veränderte bei dem »Pfui« des Vogel-, wie er er bleichte und zitterte gleich einem über siihrten Verbrechen Und dann der häßliche Ausbruch seines ZornesL Wie ein Bliystrahl durchzuckt sie die Er tenntniß: Er liebt dich nicht, er lügtt Sie athmet tief auf. Eine große Ruhe kommt iiber sie. Sie drückt auf den Knopf der elektrischen Klingel und spricht zu dem eintretenden Stu benniädchem »Schafer Sie hier Ordnung,Rosa, ich habe das Bauer umgestoßen.« Dann wendet sie sich an den As sessor: ,,Verzeil)en Sie, Herr von Böning, daß ich mich zurückziehe. Jch bin so seht erschrocken. Meine Antwort aus Jhre Frage hat Ihnen Peterchen ge geben. Leben Sie wohl!« ,,Vetdainmtes ViehM —- so mur melt der torkelte Mann, als die Haus thür sich hinter ihm schließt —- »ka vielt.« - Die Ehe-te dee hat-see Roth schild. Von Nathan Rothschild, dem Sohne des Begründers des auseo Roth schild, erzählt die ,,Bossi che Zeitung« ein Geschichtchen, das, wenn es nicht ganz wahr sein sollte, doch immerhin sehr amiisant ist: Nathan Rothschrld, der an der Spitze des Londoner Ge schästs stand, hatte wohl am meisten von dem Genie des Vaters geerbt. Mit unermüdlichem Eifer und ange strengter Thattrast stand er von Mor gens bis Abends den ungeheurenGes schästen vor. Eines Tages prasen tirte man bei der Bank von England einen Chect, der von Anselm Kotg schild, Frankfurt, und Nathan Rot - schild, London, unterzeichnet war. Damals war der Checkvertehr noch selten. Die Bank wies die Zinszah lung der Anweisung mit der Bemer kung zurück, daß sie nur ihre eigenen Noten aus-zahle und nicht die von Privatleuten ausgestelltem »Privat leute!« ries entrüstet Nathan Noth schild aus, als ihm der Vorgang be richtet wurde, »ich werde den Herren zeigen, mit was sür Privatleuten sie »zu thun haben.« Nach drei Wochen Hersstsien Rothschild gleich nach Gröss nun« der Bank an der Kasse und zog Ieine Fünf-Psundnote heraus, die er in Gold eingewechselt haben wollte. Man wunderte sich, daß der große Bankier um solche Kleinigkeit sich selbst bemühte, doch wuchs noch das Erstaunen, als er sortsuhr, eineFiinsi Pfundnote nach der anderen heraus zuholem Er unterzog beim Einst-ech seln jedes Goldstück einer genauesten Prüfung, ja verlangte manchmal als sein gutes Recht die Gewichtspriisung eines einzelnen. Nachdem das erste Porteseuille geleert war sRothschild hatte drei Wochen dazu angewandt, Fünf-Pfundnoten zu sammeln) und der erste Goldsacl gestillt war. ließ er sich von einem dazu mitgebrachten Be dienten einen anderen reichen und fehle daraus dieses Geschäft bis. zum Schluß der Bank sort. Er hatte dann sieben Stunden dazu gebraucht, 21, 000 Pfund Sterling einzuwechseln. Da er aber noch neun Angestellte sei nes Hauses in derselben Art beschäf tigte, so hatte die Bank von En land an diesem Tage 210,000 Psd. terl. in Gold auszuzahlen und die Kasse war derart damit in Anspruch genom men,· dasz sie lein»anderes Geschäft erledigen konnte. Alles, was ein we nig außergewiihnltch ist, gestillt den Engländekn, und man amiisirte sich also im Augenblick sehr über Roth schilds Eifer. die Bant von England zu beschäftigen. Man lachte weniger, ais Baron Nathan am anderen Tage wieder mit seinen neun Angestellten beim Erössnen der Bank erschien. man hörte aus zu lachen, als Rot schild beim Einwechseln ironisch lo chelnd bemerkte: »Die Herren haben meinen Check nicht auszahlen wollen. ich will in folgedessen teine Note von Jhnen be balten und habe euzzenug davon um Jbre Kasse zwei onate lang zu be schiiitigen.« Man wurde nachdenklich,11000 000Psd· Sterl in Gold auszuza len wäre eine Unmöglichkeit siir de Bani gewesen. Es mußte etwas ge schelten Am folgenden Tage las man eine Anzeige der Banl von England in den Blättern, die erttärte, daß sie bereit sei, Checks von Rotbschild wie die eigenen einzulöien. Aus dein OerichtstaaL «Wo habt Jbr den Angeklag: mit Eurer Sau erwischt? ?« ’ »Bei der heidebriicte —- sast »Meilen von meinem Hause!« s »Und was babt Ihr, Angetlaztey daraus zu erwidern?« « WHerrNath es war nur einScherz!« ; Richter (nach dem Urtbei1):,,Sechs jMonat also — dasük, daß Jbr der Scherz soweit getrieben babt3« Der Vontosielheld A. tzu einem Freunde): »Wie, Du sähest schon wieder nach haufe?« Autler: »Ja. Meine Frau bat mir sbtos fiir fiins Kilometer Benzin mit gegeben-'