Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 07, 1905, Sweiter Theil., Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Die Grafen von »anl3e1mu
- Roman von TA. Z.
(3 Mundung-) ,
»Ich mache Jhnen mein Kompli
Ieent, gnädige Frau.« sagte er einmal,
von einer Eierspeise zum zweitenPZal
nehmend. »Die Omelette ist deltzios.
Gewöhnlich verstehen die deutschen
Damen nicht, Eierspeisen schmaelhaft
u bereiten. Jhre Omelette, gnadrge
ärms, schmeckt, als wäre sie von einer
ariserin zubereitet.«
Ein anderes Mal wieder wandte er
sich an Franziska, die ein geschmack
volles seidene-s Chediottleid trug, das
mit einer selbstgestickten Blumen-Bor
diire garnirt war.
»Gnädiges Fräulein tragen da eine
entzückende Rohe,« schwadronirte er,
seine Augen bewundernd aus das er
röthende junge Mädchen richtend.
»Ja Deutschland sieht man so selten
graziöse Kleide-r. Mit dem Kostijm
da hätten das gnädige Fräulein heute
in Hoppegarten Furore gemacht.«
Dietrich war sehr wortkarg. Er
empfand die ganze Situation als
höchst peinlich und unwiirdig. Daß er s
gezwungen war, seinen Bruder, wenn j
auch nur stillschweigend, zu verleug-«
nen, war für seine ehrliche, wahrheits
liebende Natur eine Marter.
Dazu gingen ihm verschiedene-Ge
danken im Kon herum, und ihm war
mehr als unbehagli zu Muthe, wäh
rend er sich mit der ra e beschäftigte,
wovon Bodo eigentlich ebte, und wa
rum er sich bei dem Wagenfabritanten
unter falschem Namen eingeführt
hatte. Materiell schien es ihm ja nicht
Ebel zu ergehen, denn er war tadellos,
sogar ausfallend prunkvoll gekleidet.
An feinen Fingern trug er zwei Bril
lantringe, und auch in feiner elegan
ten, hochmodernen Krauatte funkelte
ein echter Stein. Weniger aber befrie
digte ihn das Wesen seines Bruders,
der das große Wort führte, mit seinen
Reisen und Erlebnissen renommirte
und unbefangen plauderte, als be
sände er sich in den geordnetsten Ver
hältnissen, und als hätte es nie einen
dunklen Punkt in seinem Leben gege
ben. Dabei mischte er, wie Dietrich
sehr wohl wahrnahm, in seinen Er
ählungen Wahres und Erfundenes
skrupellos mit einander, und auch
iiber seine Beziehungen zu ihm gab er
eine Erklärung, die seiner schnell schö
pserischen Phantasie mehr Ehre machte
als seinem Respekt vor der Wahrheit.
Wie erlöst athmete Dietrich aus, als
endlich die Zeit gekommen war. wo er
sich schicklicher Weise verabschieden
konnte. Auch Bodo rüstete sich zum
Gehen, obgleich ihn der Hoswagerk
fabrikant aufforderte, u bleiben und
noch eine »Rauenthaler berg« mit ihm
zu leeren.
»Ein ander Mal, mein verehrter
herr Börner, tröstete er den Hofma
genfabrikanten. »Sie werden begrei
fen, daß ich mich mit meinem Vetter
Dietrich noch gern ein wenig ausspre
chen möchte. Wir zwei haben uns ja
eine Ewigkeit nicht gesehen.«
Auch Frau Börner sah man an,
daß sie den liebenswürdigen jun en
Mann, der so nett zu plauderrr rou te,
ungern schon gehen sah. Sie ver
sehite nicht, ihn aufzufordern, seinen
Besuch bald zu wiederholen, worauf
der Leutnsant mit großem Wortschwall
erwiderte:
»Seht verbunden, meine gnädigjte
Frau. Man findet in Deutschland
nicht oft so liebenswürdige, gast
freundliche Familien. Werde mir mit
giitigster Erlaubniß gern die Ehre
geben, mich gelegentlich nach dem Be
sinden der Damen zu erlundigen.«
Er schlug nach der ihm noch von
seiner Offizierszeit her gebliebenen
Ammolmheit die Hacke-n zusammen
und küßte beiden Damm galant die
hand. Draußen wollte er sich Diet
tich gegenüber vor Lachen ausschütten
Vomtsche Leute, wie? Dieser of
mgenfabritant, ein ultiger Kerl! st
Du gesehn-, Dietrich, wie die Frau
Doflkferant vor Entzücken strahlte,
cl- ich ihr den Handtu applizirte?
Damit kann man so ’ne rspiicßbivgsek
frau rein schwindlig machen vor -
"gen. Na, Schwamm drüber!
bor nun sage mal, was machen denn
die Alten?«
Dietrich tu lte die Stirn, und
auch im Ton einer Stimme klang
deutlich der Tadel heraus, der auch in
der Bedeutung feiner Antwort lag:
»Bei-da arbeitet von früh bisAbends
xnd Mann biirmt und grämt sich noch
unnen«
Bedo senkte fein Gesicht und erwi
derte nichts. Freilich, tief konnte der
Eindruck nicht gewesen sein. den Diel
richs Worte auf ihn hervorgebracht
hatten, beim als gleich darauf fein
Bruder die Frage an ihn richtete
«Bist Du schon lange aus Amerika
zurücks« klang seine Erwiderung hell
und munter und zeugte von dem alten
Wsinm
»Von Amerika? Ja, dort habe ich
mich überhaupt nicht lange aufgehal
ten. Kaum ’n halbes Jahr. Dann ging
ich nach England, von da nach Paris.
Ich lage Der, Paris, Dietrich, das ist
’ne Stabl!« Der Sprechende ließ
eines schmlzenbm Laut hören. »Der
seine Zucker! Einfach ’n Paradies!
sber ibeuerl Da liegt der Hund be
srabem Ich konnte mich da nicht
lange haltet-. Vor vier Wochen lan
dete its in Berlin.«
Dietrich runzelte die Stirn.
»Du haft doch Papa mitgetheilt,
daß Du hier bift?«
Der Ex- Leutnant lachte.
Papa? J, wo werd’ ich denn! Der
Alte glaubt mich sicherlich noch in
Amerilaf
Dietrich blieb stehen und fah seinem
Bruder bei dein hellen Schein einer
Glühlicht-Laterne in das Gesicht
,,Aber Du hast Dich doch Papa ge
genüber verpflichtet, vorläufig inArne
rila zu bleiben.«
Bodo machte eine nachlälsige Hand
bewegung. Ein frivoles Lächeln ver
zerrte feine hübschen, aber etwas ver
lebt aussehenden Züge.
»Was verspricht man nicht Alles-,
wenn einem das Messer an der Kehle
fikt! Jch hoffe die Yanlees. Eine
langweilige, fteifleinene Gesellschaft
die nichts kann, als arbeiten und Geld
verdienen. Das tackeri sich fein ganzes
Leben lang ab, ewia auf der Jagd
nach dern Dollar. Das Wort Ver
gnügen nnd Lebensluft scheint über
haupt nicht in ihrem Lexiion zu ftehen·
Amerika kann mir gestohlen bleiben,
das fage ich Dir.«
Sie festen ihren Weg wieder fort,
Jeder eine Weile feinen Gedanken
ftnmrn nachhängend
»Was treibst Du denn- hiet?" nahm
Dietrich wieder das Wort
Der Gefragte zuckte mit den Achseln
und lachte dann laut aus.
- »Vorliiufig atllimatisire ich mich
wieder Jch besuche die Wettrennen
l und suche Fühlung mit Sport-streifen
Berlin hat sich in den letzten Jahren
sehr zum Vortheil verändert. Freilich,
Paris ist’s nicht und wird’s auch nie
werden. Aber man amiisirt sich aanz
s leidlich hier.«
l Dietrich biß sich auf die Lippen.
thn überlief es heiß und kalt, mäh
sreiid er daran dachte was wohl sein
i Vater empfinden würde, wenn er das
Gespräch hätte mit anhören können.
Fodo pfiff einen Gassenhauer vor sich
in.
, »Ich meine, wovon lebst Du?«
; fragte Dietrich seinen Bruder.
l »Wovon ich lebe? herraott, ich sagte
Dir ja schon, ich besuche die Nenn
bahnen. Was glaubst Du wohl, wie
viel Geld sich in Hoppeaarten und in
Carlshorst verdienen läßt? Man muß
den Rummel nur verstehen· Und ich
verstehe ihn-—aber aus dem if.«
Dem Referendar trampste sich das
Herz zusammen. Ein heißes Wehm
fühl durchzuckte ihn, und zugleich trieb
ihm eine Empfindung brennender
Scham den Schweiß auf die Stirn.
»Also als Spieler, als gewerbs
mäßiger Spieler fristest Du Dein
Leben!« stieß er im Tone der Ver
; achtuna hervor.
s »Als Spieler? Erlaube mal, Du
haft gar leinen Grund, mich über die
Achsel anzuse . , weil ich auf der
Rennbahn "te. Ich befinde mich
dabei in sehr anständiger Gesellschaft,
sage ich Dir. Ueberhaupt, roas Un
ehrenhafteseist das gar nicht« Wenn
das Weiten aus der Rennbahn eine
tin-moralische Institution träte, dann
würde ja doch der Staat den Totali
sator längst verboten hol-ein«
Der Sprechende sah seinen Bruder
triumphirend von der Seite an.
»Du denkst wohl," fahre-r mit ver
schmisiter Miene fort, während seine
Stimme zugleich einen Ausdruck heuch
lerischen Pathos annahm, »Du dentft
wohl, die Wettrennen sind nur zum
Vergnügen da und der Totalisator
nur, um der Wettlust zu stöhnen. hat
sich was! Das Geld was der Totali
sator einbringt, ermöglicht überhaupt
erst die Wettreniien und die Rennen
selbst sind eine nützliche Einrichtung,
um die Pferdezucht zu heben. Wer
also hoppeaarten und Carlshorst be
sucht. der handelt in nationalem n
teresse, der ist einfach ein Patriot.
wohl, mein Lieber!«
Refan hielt es nicht fitr
nöthig, auf diese Ehrenerlliirungedie
Bodo sich. sowie allen Rennba hnsu
chern und Freunden des Totalisators
gab, etwas zu erwidern.
Das upt sank · aus die Brust
und nie ziehende danleii gingen
I ihm durch den Sinn. Widerwillen und
HAbscheu kargen in ihm niit dem Ge
fithl verwandtfchaft, der
Bruderliebe rdachte an ihre ge
» meinsamenEltern, und das he fße Ver
lanaen packte ihn, den Leicht inningn
zu retten und zu versuchen,i ist-en
«Ba-hn eines geordneten an iindigen
Lebens zu führen-. Es war ja doch
nicht möglich, daß ein jeder mit-e
»eines ehrenhaften, besseren les
in dem Menschen erloschen war, der
jfolelbiw dieselben Eltern hatte, wie er
l « « .. . ,
Even vogen vie Bruder von ver
Feiedtichsiraße in den Schifft-quet
damm ein, der um diese Zeit fast anz
;menschenleet-wm. Diettich legte feine
sRechte aus den Arm des neben ihm
’ Schreitenben
»Bodo,« sagte et in warmem, dring
lichem, beschwörendem Ton, »ich bitte
Dich, doch einmal ernstlich in Dich zu
»geben. Denke doch an unsere armen
s Eltern, denen Du schon so viel tsc
;leid bereitet hast! Denk an amo,
Jdeten Liebling Du immer gewesen
Lvisi, nnd-Die um Deinem-Wen furcht
) tm leid-u Dein- em m, km Du qu
Ischuldet basi! Das kann Ia doch nicht
Alles an Dir f rlot vorsan
"sein.» Rasse doch einmal auf,
sBodoL Denke an die Familie-. denke an
die-Herrn alten Namen, an die Ehre
u eres Heuter Laß doch einmal das
Spielen, mit dem Du Dich ja doch
in’ö Unglück gebracht und Dir eine
schöne Karriere verdorben haft! Werde
doch endlich einmal ein ordentlicher
« enfch und lerne arbeiten!"
; In seinem Eis-r, ganz von feinem
Verlangen durchglüht, den Bruder zu
Irühren, zu erschüttern und zu bessern,
Iblieb Dietrich stehen, und er hatte
Fwirllich die Genugthuung, zu sehen,
jwie es in Bodo’5 Mienen zuckte, wie
»ein ernsterer Ausdruck seine Züge be
lherrschte und seine Augen zu blinzeln
i begannen.
»Was soll ich denn anfangen?«
stieß er jegt heiseren Tones heraus.
»Das ist es ja eben. llnfereiner ist ja
jfiir keinen anderen Beruf vorbereitet.
)Du freilich bift besser daran. Du haft
gut reden. Ueber-haupt« —— ein Lä
cheln kämpfte schon wieder in dem Ge
sichtdes Leichtsinnigen gegen die leise
vibrirende Rührung an »überhaupt
eine furchtbar tomifche Sache ift’s
eigentlich: Du, der Jüngere, hältst
mir, dem Aelteren. eine Moralpredigt.
Das ist doch wirklich die verkehrte
Welt!«
Er setzte sich wieder in Bewe ung,
hell auflachend. Dietrich fuhr si mit
der Hand über die Stirn und seufzte
tief auf.
»Meine Schuld ist’s ja nicht," er
widerte er mehr ernst und traurig, als
vorwurfsvoll, »daß ich mich in der
Lage befinde, Dir in’s Gewissen reden
zu müssen. Uebrigens, der Alters
unterschied ist ja nicht so groß zwi
schen uns, daß Dass als besonders de
müthigend zu empfinden brauchst, von
mir ein paar wohlmeinende Ermah«
nungen hinzunehmen Ich bin ja doch
Dein Bruder und kann ja als solcher
nicht ruhig mit ansehen, daß Du ein
Leben führst. das doch sicherlich tein
— tein einwandsfreies ist und das
Dich friiher oder später zmu Unter
aang führen muß. Bodo'· —— er ergriff
die Hand des Bruders —-— »noch ein
mal bitte ich Dich; aieb die Rennbahn
auf! Laß ab von dein Spiel! Wer
wird denn seine Existenz von den Zu
sällen eines Glückspieles abhängig
machen!? Du mußt doch selbst ein
sehen, das; das nichts fiir die Dauer
ist, dasz Du da bald scheitern mußt.
Arbeite, gründe Dein Lebensglück aus
einer regelmäßigen anständigen Thä
tigteit!"
Der Leichtsinnige strich sich mit der
Hand iiber die Augen.
»Höre mal’,'« erwiderte er,’ halb
zwischen Erarissenheit und Selbstver
svottung ——-- »Du kannst Einem wirt
lich den inneren Menschen um und um
treniveln. Du sprichst ja tvie ein Mis
sionsvrediger. Aber wie aesagt, reden
ist leicht. Was thun? Was anfangen?
Womit soll ein Kerl wie ich sein Le
ben machen ----- wie der Yankee sagt?«
»Ich will mich bemühen, etwas sit-r
Dich zu sinden.«
»Das wird Dir sehr schwer fallen,
mein lieber Tietrich Welche Stellung
könnte ich denn zum Beispiel ver
sehen?«
Dietrich seufzte und versank in ein
tiefes Nachdenten Schweiend schrit
ten die beiden Brüder durch die Nacht.
Sie bogen in die Louisenstraße ein
und schritten sie hinauf. An einer Ecke
machte Dietrich Halt.
»Hier wohne ich,'« sagte er. »Nam
mer dreißig. Versprich mir, daß Du
mich recht bald besuchen wirst. Wir
überlegen dann gemeinsam. Zwischen
drei und vier Nachmittags findest Du
mich immer zu hause.«
Bodo drückte seinem Bruder die
hand.
»Gut, mein alter Junge. ch korn
me. Na, schlafe wohl! Jch wer mich in
eine Droschte. Gute Nachtl«
Dietrich hielt den Bruder noch einen
Augenblick zurück.
»Er neigte sich zu Bodo’s Ohr hin
n .
«Bsrauchst Du Gelds« fragte er fast
schüchtern
Der Andere lachte. ,
«Geld kaan der Mensch immer ge
brauchen. Aber wenn Du mit Deiner
Frage annimmst, ob ich Noth leide, so
kannst Du Dich in dieser. hinsicht be
ruhigen. Mir gehsz gerade je t bes
ser, als seit Langew. Jch m nnt
Börner sozusagen Kompagnig chiistr.
Wir prosperireru Aber mit ir, alter
Junge, scheint's, was den Mammon
anbetrisft, nicht sonderlich ut zu
stehen, wiirdest doch sonst niät den
Schalmeister spielen, noch dazu bei so
einem Wasser, so ’nem protzigen Ple
bejer. Amor-ed soll ich Dir ’n bischen
unter die Arme greifen, Brüderchen«i«
Er machte eine Bewegung nach sei
ner Hosentasche inn
Aber der Resetercdar wehrte mit
einem heftigen- rauhen «Dante« ab.
«Also nicht! Na, denn gute Nacht,
Dietricht Auf Wiederseben.«
Der Ex-Leutnant nickte und ent
fernte sich pfeisend in der Richtung
nach dem Zentrum der Stadt.
Siebentes Kapitel.
Am nächsten Abend stattete Dietrich
einen Besuch in der Familie eines
Schwagers ab. Wunderbarer «se
traf er das Ehepaar-, dessen Zeit sonst
von gesellschaftlichen Verpflichtungen
sehr in Anspruch genommen wasc, zu
hause. Der Kammerherr be küßte
den Eintreten-den mit dem ver irrt-li
chen Lächeln, das einem Gesicht -
wohnheitsmäßig au gepröthz war, geie
Schwester mit wørtrerchen orwürsen,
warum er sich so selten sehen lasse·
Dietrich hielt nicht lange mit dem
eigentlichen Grund seines Besuches
hinter dem Berges Als er von seinem
unerwarteten sammentrefsen mit
Bedo sprach spie eite in den Mie
inen der beidenE len ehrlichei Er
schreckni. Von des Kammerberrn Ge
sicht wich mit einem Male der stereo
type. iiebenswiirdige Zu
; »Verdammt!« gab er feinen Gefüh
Flen ungezwungen-en Ausdruck. »Ich
wünschtg der Menskh wäre, wo der
Pfeffer wächst; er wird uns tompro
mittiretr Fatal, höchst fatal!"
Er stemmte seine Stirne in die
Hand und grübelte während Frau
Erita ebenfalls ein sehr bestürztes
und sehr sorgenvolleö Gesicht machte.
» Der Kammerberr faßte die beiden
mittelst eines Brenneisens senkrecht
snach oben gedrehten Spitzen seines
HSchnurrbaries mit je zwei ingeni,
eine Bewegung, die bei ihm tereotyp
war wenn et sich zu einem Entschluß
aufgerafft hatte.
- Wir müssen den Menschen wieder
siiber den Ozean schicken, « erklärte er
»in Dietrich hinüberblictend. »Was·
meinst Du?'«
s Der Referendar zuckte mit den Ach
eln.
»Er wird nicht geben. Er haßt
iAnierita Wir haben keine Mittel,
th zu zwingen-«
. Der Kammerherr verzog sein hüb
setzes, regelmäßiqes Gesicht zu einer
sGrimasse des Auges-.
’ »Der Mensch wird uns fortwährend
sbelästigetr. Scheußlich!«
»Wir sollten etwas für ihn thun,«
rückte nun Dietrich mit seinem Anlie
i aen heraus. »Jhm in geordnete Ver
s hältnisse helfen.«
! Der Kanimerherr blickte verwun
s dertf auf.
. »; n geordnete Verhaltnt et Wir-«
,, un ja, wenn wir als eine nach
, sten Angehörigen uns seiner nicht an
snehmem wer sollte es denn sonst
s thun?« entgegnete Dietrich warm.
I Der Kammerherr machte mit seinen
sheiden weißen, wohlgepslegten Hän
sden eine sortschiebende Bewe ung und
zeigte eine kühle, vornehme iene.
»Solche Angehörige existiren siir
! mich einfach nicht, mein Lieber.«
In Dietrich stieg es heiß aus.
»Aber was soll denn aus ihm wer
den, wenn wir ihn ialtherzig aus
sgehenit Den Versuch müßten wir doch
z wenigstens machen.«
; Frau Erita sah zu ihrem Gatten
hinüber. Der Kammerherr sragte:
»Wie denkst Du Dir das, Piet
rich?«
’ Der Reserendar athmete auf.
’ »Bei Deinen Verbindungen,'« sagte
er, »iann es Dir doch nicht schwer
fallen, ihn in irgend einem Bureau
unterzubringen. Es tomrnt doch zu
nächst daraus an, ihn an eine regel
mäßige Thätigteit zu gewöhnen.«
Baron v. Gliimer-Nottenseld zuckte
entrüstet mit den Achseln.
»Ich begreise nicht, Dietrich, wie
»Du mir zumuthen kannst, mich mit
: dem Menschen zu lomdromittirenl Du
xverlangst also allen Ernstes, daß ich
herumgehen und sagen soll: hier ist
» mein Schwager, ein heruntergetommes
ner Mensch, den sein Vater ausgegeben
hat, ein Thunichtgut, ein Spieler, ein
ehrloser Lump. Das geht doch ein
sach nicht. Es tann doch Niemand
von mir verlangen, daß ich mich selbst
in dieser Weise bloßstelle.«
»Pava sollte etwas siir ihn thun,«
wars hier Frau Erita ein.
Der Kammerherr nahm sogleich das
Wort aus. "
»Jawohl,« siel er eisrig ein, »Pada
Hsollte ihn einsach zu sich nehmen. Er
;bätte ihn überhaupt in Buchenau de
halten sollen. Da wäre er am- besten
aufgehoben gewesen. Unter des Alten
scharfen Augen kann er doch teine
Idurnmen Streiche machen.«
; »Du vergißt,« entgegnete Dietrich,
swiihrend ihm der Unwille eine Blut
welle in’ö Gesicht trieb, »wie viel
Kummer Papa seinetwegen gehabt hat«
lDer stete Anblick Bad-« wäre eine
sGeißel siir Papa. Man kann gerechter
Weise von Papa nicht verlangen, daß
er so rasch Alles vergessen und ver
zeihen soll. Und bei Papas strengen
sGrundsiitzen —« »
s »Ja, mein Lieber,« unterbrach hier
sder Kasurnerherr mit dem Brustton
ltiesster Ueberzeugung, »in Funlto
Fhsiåe habe ich nicht minder rund
a .«
Eine brennende Rothe breitete sich
über Dietrichö ganzes Antlitz. Er
gedachte des Familienrathes in Buche
man, und eine bittere, hohnische Ant
i wort wollte ihm aus die Lippen treten.
’ Aber er unterdrückte sie noch rechtzeitig
und begnügte sich, zu erwidern:
«Uns Beiden hat Bedo doch nichts
zugesiigt!«
»Nichts zugesiigtl« sprudelte der
Kammerherr entrüstet, mit einem zor
nigen Auslachen, und sah zu seiner
Gattin hinüber.
»Du vergißt, lieber Dietrich,« nahm
Frau Erita das Wort, »daß Papa
Hunderttausende geopfert und Alt
Möhren verkauft hat, um Bot-W
Schulden zu bezahlen. Darunter ha
ben wir doch Alle mitzu«leiden.«
Dietrich sah von dem Einen zum
Anderen.
»Ach so,« sagte er, während es ihn
innerlich durchsröstelte, «allerdings,
materiell haben ja auch wir gelitten.«
Und nachdem er das, was innerlich
in ils-n ausstieg, mit Anstrengung hin
untergewiirgt hatte, siigte er hinzu:
»Du lehnst also ent chieden ab, mir
behilflich zu sein, Bo o eine anstän
dige Existenz zu gründen?«
Der Kammerherr strich mit der
rechten band energisch durch die Lust.
»Entschieden! Gans entschieden!
Jch folge dem Beispiel Papa t. Der
Mensch existirt siir mich einfach nicht
mehr. Jch er t'enn ihn als meinen
Schwager n mehr an.« Dersank
nierberr sen z.te »Er wird a nun
kommen und ten-« zu bran chasen
michs-« tbek Speers-use bucke- zu
seiner rau hinüber und gab sich, seine
Stirn finster runzelnd und düsser
bliebend, den Anschein unerbittlicher
Stengr. »Wenn er kommt, ich bin
nicht zu haufe. Verstehst Du, Erita,
einfach nicht zu Haus«
Dietrich erhob sich.
»Wie, Du willst schon gehen?«
fragte sein Schwager erstaunt.
Und Frau Erit fiel ein-:
»Du wirst d zum Abendbrod
bleiben, Dietrich! Wir haben Hum
mer, er ist ganz frisch, vom Hofliese
ranten Borchard.'·
Aber Dietrich lehnte dankend ab.
Er habe noch eine Verabredung für
den Abend.
Während Dietrich seiner Wohnung
zuschritt, faßte er seinen Entschluß.
Für Bodo mußte unter allen Um
ständen etwas gethan werden. Jhn
einem Schicksal zu überlassen, umha
tig zuzusehen, wie er immer mehr dem
Dämon des Spieles verfiel, das schien
ihm als Bruder ganz unmöglich.
Das Einfachste war, er —- Dietrich
—--— bemühte sich persönlich um eine
Anstellung für Bodo, etwa in einem
Bureau der Versicherungsbtanche oder»
sonst in irgend einem größeren Pri
vatunternehmen. Wenn er die erste
Zeit lein Gehalt beanspruchte nnd
Bodo als Vollontär arbeiten ließ»
würde sich ja eine Stellung sinden..
Er —- Dietrich — würde dann vor-J
läufig aus eigenen Mitteln Bodo erst
halten. , ;
Nun hieß es nur noch, den Bruderj
seinem Plan geneigt zu machen. Vor-!
läusig aber bot sich noch gar leine Ge- i
legenheit dazu. denn Tag aus Tags
verging, ohne daß Bodo den verspro-!
chenen Besuch in der Marienstraße 30
abstattete. Des Bruders Adresse aber
wußte Dietrich nicht; auch im Hause
des Hoswagensabritanten begegnete er
Bodo nicht« obwohl er gelegentlich
Mittheilungen seines inzwischen nach
Tertia versetzten Schülers entnahm.
daß Bodo sehr lebhaften Bericht mit
Herrn Vörner unterhielt und auch inl
der Familie wiederholt als Gast er
schienen war. «
Daß die Beziehungen zwischen deml
Pseudo-Baron von Oetting und deri
Familie des Hofwagenfabrilanten sich
zu immer intimeren gestalteten, davon
erhielt Dietrich — er benutzte einen
freien Nachmittag zu einem Spazier
gang nach dem Thiergarten -—— Den
überzeugendften Beweis.
Unweit des Brandenburger Thors
lreuzte die Eauipage des Hofwagem
fabritanten den Weg des Spaziergän
aetL. Der Landauer war voll besetzt.
Jm Fand saß das Ehepaar Bdrnet,
während der Rücksitz von Fräulein
Franziska und Bodo eingenommen
wurde. Der Tertianer Alfred, dessen
Nachmittagsunterricht abgesagt wor
den war, thronte neben dem Kutschen
Dietrich konnte sich einer widrigen
Empfindung nicht erwehren, als er
seinen Bruder lebhaft plaudernd, ein
verbindliche-J Lächeln in feinen Mie
nen. neben Franziska Börner er
blickte.
Wenige Tage darauf verhalf ihm
der Zufall zu einer zweiten Begegnung
mit Bodo. Tiegmal war es unweit
des Börnetschen Hauses, das Dietrich
eben, vom Unterricht kommend, ver-«
lassen hatte.
»Na, Du Schulmeifterik fpottete
Podo, seine Schritte anhaltend, als
er den ihm Entgegenkommenden er
blickte.
Dietrich dtiickte dem Bruder die
nd.
»Ich habe Dich Tag fiir Tag et
wattet,« sagte er im Ton des Vor
wuer
»Ach fo!« entgegnete Bodo leichthin.
»Du mußt schon entfchuldigen. Kom
me nächstens. Glaubst gar nicht« wie
ich beschäftigt bin. Kein Tag ohne
Wettrennem Und ver eht wirtlich
mal ein Tag, ohne daß m Hoppegap
ten oder Carlshorst etwas los ist, fo
heißt’s, die Herren Trainer und Jo
ckehö poufsiren und sich sonst umthun,
um gute Tips zu erfahren.«
. Dietrich athmete tief und schüttelte
mit einer Miene herben Tadels das
haupt, ohne jedoch seinen Empfin
dun en offenen Ausdruck zu geben.
,, ch hätte gern einmal mit Dir et
was besprochen«
»Was isss denn? Du machst ja
ein furchtbar feierliches Gesicht. « !
»Ich habe Dir einen Vorschlag zu
machen.'«
Dietrich entwickelte dem Bruderi
feine Absicht. Er
beredt, ganz von seinem Eifer beseelt,
Eindruck auf den Leichtsinnigen
machen an ein Ehrgefühl pochend
und sich bemühend, bessere Empfin-i
dringen in ihm aufzuriiileln. j
Boda hörte seinen Bruder in star-:
reni Erstaunen an. Jetzt unterbrach;
er ihn lachend. l
»Du hist nicht recht gefcheidt, Ast-l
rich! Jch soll mich in einem Burenu
einiperren, soll Schreiberdiensie thun?
Ja, warum denni habe ich ja garl
nicht nöthik Mir geht’s ja brilliani, !
Menschl esser kann ich mir’ö ja!
ar nicht wünschen. Schwimme jal
yörmlich in Geld. Wenn ich einenl
Wunsch habe, isi’ s nur der: Ach, wenn l
es doch immer so bliebe!« I
»Das ists ja eben. Wenn die
Rennzeit vorbei, was dann?«
Doch Bedo lächelte überlegen, zog
feinen Arm in den des Bruders und
feste sich mit ihm in Bewegung
»Mein lieber unge, vor dem Win
ier iiirchte ich m ch gar nicht. Wir
haben stehe Dinge vor. Wir werden
einen euniiall anlegen, daß heißt
der Doswergensabrilant mit meiner
gütigen Unterstützung .Und wenn
jder Stall erst angelegt ist, dann bin
lich geborgen.«
T Dietrich löste seinen Arm von dem
des Brude»rs»undsah Nihm durchdrin
gend in’s Auge.
g »Pfui, Bodo!« sagte er, dabei mit
dem Ausdruck ftärlster Mißbillrgung
»Mut? Wieso?« »
»Du willst Herrn Börner verleiten,
sich in Dinge einzulassen, von denen
er nichts versteht, die ihn seinem «Ge
-schäft entfremden werden und ihm
überdies gefährlich werden ldnnen,
nur weil Du Dir einen Vortheil dar
aus fiir Dich versprichst!«
»Verleiten? Erlaube mal! Der Ovi
wagenfabrilant braucht gar nicht erst
lange verleitet zu werden. Der
brennt ja darauf, meine Jdee auszu
führen. Der Kerl ist ja Feuer und
Flamme, der läßt ja sein Leben sur
den Sport. Uebrigens, was glaubst
Du wohl, was solch’ ein Rennstall
einbringt? Ost Hundertansende Ueber
schuß!« ·
»Und wie oft bringt er nichts ern
und ruinirt seine Besitzer?«
Bodo zudte leichtsmnig mit- den
Achseln.
»Ja, mein lieber Junge, bei wel
chem Unternehmen gäb’s lein Risiko?
Dadurch darf man sich doch nicht zu
rückschreclen lassen. Wer wird gleich
an so etwas denken! Jch werde die
Sache schon deichseln, sage ich Dir."
Wiederum schob der Ex-Leutnant
einen Arm inden des Bruders, neigte
sich vertraulich zu ihm hinüber und
fuhr mit verschmitzter Miene fort:
»Ich habe überdies noch einen speziel
lerk Plan. Jch habe die Absicht, mich
mi dem Hause Börner noch enger zu
verbinden.«
Dietrich horchte hoch auf.
»Noch enger? Wie meinst Du basi«
Bodo gab dem Arm seines Bruders
einen sanften Druck.
»Na, erräthst Du’s denn nicht?
Das liegt doch nahe. Jch tam schon
das erste Mal daraus, als mich der
Hostieserant in seine Familie ein
führte. Das Möbel ist nicht übel,
hat Chir, ist aus ganz anderem Holz,
als die beiden Alten. Die Natur
spielt oft wunderbar. Meinst Du
nicht, daß sie als Gräsin Buchenau
eine ganz gute Figur machen würde?«
(Fortietzung solgt.)
---·-.
Riesenmuschekm
Die gigantischste Muschel der Welt
erreicht eine Länge bis zu sechs Fuß.
Um sich der Riesentbiere zu bemächti
gen, bedienen sich die Cingeborenen
der Marschallginseln folgender Me
thode: Sie zerkauen Rolosnuß und
speien sie an Stellen, wo sie Mu
scheln, vermuthen, aus die Wasser
obersliiche. Das Oel verbreitet sich
sogleich und glättet auch das kleinste
Weilchen. Glaubt jemand eine Tri
dacna zu erkennen, so springt er aus
dem Boote, stectt den Kopf unter Was
ier und sucht so über die Stelle, wo
jene sich befindet. klar zu werden.
Man läßt dann einen Strick aus Ko
kogfasern herab, der unten einenStein
trägt. Gelangt der Stein zwischen
die acössneten Klappen der Schale, so
schließt das überraschte Wei thie:
dieselben auf das festeste und it ge
fangen. Die Eingeborenen schaden
das Fleisch dieser Muschel sehr.
Außerdem benutzen sie die Schalen,.
indem sie daraus Beile herstellen, die
an den Korallenfelsen angeschliffm
und geschärst werden, sernek saust
dicke, handlange, kleine Keulen käm-.
Klopfen der Kotosfasetn Bei ne
absoluten Mangel an Steinen auf
Atollen tonnten solche Werkzeuge
nur aus Muschelichale hergestellt wer
den. Die Riesenmuschel ist somit nicht
nur ein Nahrungsmittel sondern sie
·war den Eingeborenen auch kultur
histotisch von größter Bei-minnan
dem ibr Vorhandensein allein die
Möglichkeit gewährte, sich bis fu einer
Stufe emporzuarbeiten, die e toa der
unserer Steinzeitrnenschen entspricht-«
Ein nettwürdiser Beete-.
Daß es im 20. Jahrhundert Beru
fe giebt, von denen sich unsere Vorfah
ren nichts haben träumen lassen, be
weist eine eigenartige Visitenlarte, die
jüngst der Redaction des Gaulois zu
geflogen ist. Aus dieser Karte ist zu
lesen:
»Georges X .....
Quatorzieme
Rue de Courcelles Nr ...... ·
Was fiir eine Bewandtnisz hat es
mit diesem Vierzehnten? Georges X.
ist mit Glücksgiitern nicht überreich
gesegnet und hat trotzdem das Be
dürfniß, ut zu leben. Da er nuw
aber die rbeit nicht erfunden hat und
ein unverbesserlicher Faulpelz ist, hat
er sich einem höchst seltsamen und
einstweilen noch seltenen Beruf zuge
wandt: er ist gebildet und ein aus e
zeichneter Gesellschaftslowe und w rd
deshalb als Vierzehnter dort zu Tisch
geladen, wo durch irgend einen bösen
Zufall ohne ihn nur dreizehn —- die
ominösen dreizehn! — Tischgäste zur
Stelle wären. Sobald die besorgte
hauösrau erlennen muß, daß von den
geladenen Gästen so viele abgefagt ha
ben, daß nur dreizehn Personen an
der Schmauserei theilnehmen würden,
schickt sie rasch einen Nolzrpostbrief
oder ein Stadttelegramm an Georges
X...., und der» Vierzehnte von Beru«
findet sich pünktlich ein und erweitv
sieh nicht nur als Gourmet erstenRans
ges. sondan weiß au als seiner
Causeur die ganze Tis esellsehast zu
unterhalten.