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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (June 30, 1905)
gra Jn der Haide. Eine Hochzeitssahrt von C. Teschen. Crit n Helene Althaus war eine in vieler eziehung absonderliche Dame, ein altes Fräulein; denn derMan, den sie so sehr geliebt hatte, daß sie ihm ihre goldene Hand hätte reichen mögen, war ihr nicht zu Theil geworden, und alle anderen Bewerber hatte sie zuriieb gewiesen. Die Zeit half ihr das Bit tere verschmerzen, und ihre Lebensluft kam wiedi obenaus. Ein großes-, vom Vater erewtes Vermögen erleichterte ihr diese Ausgabe. Sie verpachtete ihr altes Stammgut, zog in die nächstge legene Stadt und richtete sich ein be guemes mit mäßigemLuxus ausgestat tetes Haus ein. Die Stadt war klein, und so galt die Gräsin darin als Erste. Die gesammte Bewohnerschaft, von dem Bürgermeister bis zum Nacht wächter, huldigte ihr, und zwar mit Recht· Sie largte nicht, übte prakti sche Wohlthätigkeit, liebte aber auch ein heiteres Leben und verstand es, Andern ein solches zu bereiten. Durch ihre Anregungen erhöhte sich die allgemeine Geselligleit. Die «Stadtgräsin«, wie sie schlechtweg ge nannt wurde, zog man bei festlichen und lünstlerischen Veranstaltungen immer zuerst zu Rathe. Eines war ihr dabei ein Greuel: schlechte Musik. Als sie nun in dem Liebhaber-Theater einen jungen Mu siker bemerkte, dessen Humor alles be lebte, dessen Fehler aber die Armuth war, machte sie sich zu seiner Projek torin und gab ihm die Mittel, sich eine eigene, zwar kleine, aber tüchtige Ka pelle zusammenzustellen »Zum Dank dafur,« wie sie halb scherzhaft sagte, entführte ihr Win Blen, so hieß der junge Dirigent, eine für sie sehr wichtige Persönlichkeit: ihr junges-, liebreizendes Kammerfräulein Lifa Schindler, welche zugleich die ge schickteste aller Schneiderinnen war.—— Dagegen ließ sich vernünftigerweise nichts thun. Lisa bat eines Tages ihre Gebieterin, den fidelenWillh heirathen zu dürfen und die Gräfin, die selbst kein Glück in der Liebe gehabt hatte, gab dein Liebesbundniß ihren Segen. Mit himmlischer Sorgfalt ebnete sie dem jungen Paare die Bahn. »Ich werde Dich ausstatten, Lifa,« sprach sie, »aber Du mußt auch ferner über die Herstellung meiner Garderobe die Aufsicht führen, und ich rathe Dir, selbst eine Konfettions - Anstalt ein zurichten. Suche Dein Talent auf junge Schülerinnen zu übertragen!« Lifa war voll Dankbarkeit Hatte sie doch aus eigenem Antriebe bereits mit ihrem Verlobten diese Jdee erwo gen, damit es in der Ehe »besser reich te.« — Der Tag der Hochzeit rückte heran. Alle Bekannten wünschten Willy Bley, dem »Schwerenöther«, Glück, bis auf Eine, Judith Keller, die Liebhaberin des kleinen Privat - Theaters, welche sich felbst auf den hübschen Musiker gespitzt hatte und nun Lisa um ihr Glück beneidete. Auf einmal tauchte eine brennende Frage auf, an welche Lisa bis dahin nicht gedacht hatte, und ihr Bräuti gam noch weniger. »Werdet Jhr eine Hochzeitsreife machen?« hieß es. »Ja, natürlich werden sie eine ma chen, nach der Schweiz oder nach Ti rol!« spöttelte Judith. Bei nächster Gelegenheit trug nun Lifa ihrem Verlobten dies Anliegen Ist. — Willy zog die Brauen hoch. »Liebfter Schatz,« sagte er mit ei nem Ernst, hinter dem der Schalk lauerte, »Du gretfft da an meinen »nur-us rerum«, wo er am empfind ltchften ist. —- Zum Reisen gehört Geld. Und ift ej denn überdies so an genehm, sich in theuren Hotels herum zudritcken und sich angaffen zu lassen? Du mußt nämlich wissen, daß man es den Leuten gleich an der Nase an geulgt,« wenn sie auf der Hochzeitsreise " »Was schadet dekm dase« versetzte Lisa mit geträuselten Lippen. »Uebri gens können wir uns doch in der-Stadt nicht als «pauvre« blarniren. Die Ju dith spottet schon, daß wiss nicht würden ausführen tönnen.« «Die Judith?« rief Willy lachend. »Da hätte sie mal wirklich die Wahr heit gesprochen. Eine Hochzeitsreise! Lappalie! Natürlich machen wir eine, aber wie und wohin, das brauchen die wißbeaierigen Seelen hier nicht zu wissen. Wir besteigen den Dampfma gen, fahren bis zur zweiten Station, dort lassen wir bei meiner alten Muhme unsere Koffer stehen und flüchten an den Busen der Natur.« »Wie denn?« fragte Lisa zweifelnd. »Du meinst: in eine Sommersrische?« »Nein, sFußpartien wollen wir ma chen, bald da, bald dort hin, ins Blaue hinein, frei wie der Vogel in der Luft, der fröhlich von einer schönen Stelle zur anderen fliegt; durch Feld und Wald, lagern uns auf blumigen Wie -. sen und unter schattigen Bäumen, hö . ren die Lerchen nnd Drosseln singen, belauschen die Vogelnester, und wo es nnd geistli, da kehren wir ein.« , Dies idyllische Geiniilde muthete Pisa an. Aber wenn die Bekannten mich nachher fragen, und« ich weiß nichts zu erzählen f« meinte sie. »Wenn Dei mal in Berlegenbeit zip-engen spätest, dann sagst Du, Du Hätt-est m lauter Mel- qu mir eigent Dir doch glauben?« »Zweifelft Du denn daran, Schlin gel?« erwiderte sie mit iomischem Ernst und küßte ihn zärtlich. »Also so wird s gemacht, « bemerkte er, die Sache abschließend. »Ich athme wieder aufl« »Aber die Gräfin!« rief Lisa er schrecken. »Ihr kann ich doch tein Märchen aufbinden?« , Win stutzte. " »Du hast Recht, Schatz, ihr müssen wir die Wahrheit sagen. Wohlan, thei len wir ihr, wenn wir unseren Besuch vor der Trauung machen, alles mit. Sie wird’s nicht ausplandern!« s Damit beruhigte sich Lisas Gewis en. Nach feierlich ernster Trauung und fröhlichem Hochzeitsfriihstück ging s zu dem Bahnhof unter dem Geleit ei ner lachenden Schaar Und das junges Paar lachte auch ! Willys Programm entwickelte sich glatt Bei feiner alten Muhme wurde; der Reisetoffer abgegeben. Hier sollte; der Mittelpunkt der Ausfliige sein. — Lifa nahm nur ihren leichten Regen mantel über den Arm und ihren gro ßen Sonnenschirm mit Gehstock zur Hand. Willh mochte nicht ohne seinen »Affen« sein, und um ihn nicht leer zu tragen, stopfte er einen zweiten, hel len Sommeranzug hinein, hing seine lich wenig gesehen. Das werden sie l mit rennt-engem geiuure Veioyiasche um, und fort ging es in das grüne Land hinaus· — Nach längerem Wandern erreichten sie einen kleinen Hügel, auf welchem ein vereinzelter Baum stand, in dessen Schatten sie sich niederließen und die Gegend überschauten. Ueppig grüne Aehrenfelder, blühende Wiesen breite ten sich weithin aus. Darüber sangen die Lerchen ihre Jubellieder. Fernab tauchte der weiße Thurm einer Dorf tirche auf. Jm Hintergrunde erhoben sich blaugesäumte Hügel. Nach einer« anderen Seite schloß duntler Wald die Aussicht ab. Die ganze Landschast war eine Auaenweide. Liebe frohloctte in den Herzen des jungen Paaresx keine Lebens-sorge trübte sie, sie scherz ten und lachten voll seliger Lust. Plötzlich verdunkelte und erweiterte sich der Schatten, den der Baum warf. Willh blickte aufwärts-. Es zog soeben eine schwarze Wolle über die lachende Sonne. Ein Windstoß tam und schüt telte wie unwirsch den Baum. Dann, nach einer Pause banger Stille, folgte ein zweiter Windstoß, heftiger als der erste, und amRande desharizonts stieg » eine schwarzgraue Wolkenwand auf. »Na, na!" sagte Willh. »Sollte gar’ ein Gewitter kommen-« ’ »Komm. wir wollen gehen!« ver setzte sie ängstlich. »Nun teine Angst, Schatz! Das ist. noch weit, und wenn’s wirklich näher kommen sollte, haben wir gewiß längst das nächste Dorf erreicht.« » Sie gingen; erst gemächlich, dannl schneller. Denn es erhob sich ein sau- « sendet Wind, dessen Zug leine Pause mehr unterbrach. Beide trabten. »Ach, wären wir doch zu Hause ge blieben!« »Ist Dein Muth schon in die Winde gegangen?« erwiderte er. »Wer wird so ängstlich feint« « Jn diesem Augenblick riß der Wind Lisa den Hut vorn Kopfe, er slog in ein Aehrenseld, und Willh mußte mit großen Sprüngen ihm nach. Während sie weiter trabten, tamen große, schwere Tropfen herab und plößlich ein Regenguß, der sie beide in » wenigen Minuten durchniißte. Die Wegbahn wurde sofort grundlos. «Da3 wird schön werden!« jam merte Lisa. Sie hatte sich in ihren Regenmantel gehüllt, doch der Sturm 1vind zaufte daran, so daß die Zipfel des Mantels wie Fledermausslügeln flatterten. Der Weg war stellenweise yolperia. Win stolperie über einen kleinen Erd taufen und tollerte am Boden. Lisa hielt an· »Hast Du Dir wehe gethan, guter Willy?« »Nein,« erwiderte er, sich ausrup pelnd. »Aber die Malerei an meinem Anzuge, Spritzmanier!« Es ging weiter. Die Atmosphäre hatte sich ganz in Grau verwandelt.—— Der Wind legte sich; aber es regnete, als ob der Himmel alle seine Schleu sen geöffnet hätte. Lisas Kleider schmiegten sich ilatschend an ihre Glie der und binderten sie am raschen Ge hen. An einer Stelle gabelte sich der Weg. »Was nun? Ach bah! Beide Rich tungen werden ja in ein Dorf führen, nnd nun ist’5 schon gleich, ob ein Vier telstündchen eher oder später. Also rechts!« — Dieser Weg schien endlos zu sein. —- Die Felder wurden spärlich, es kam haideland, hin und wieder besth mit Bäumen. —Abendliches Dunkel brach a»halt»! Vorsicht, Lisa! hier ist ein TümpeW Kaum hatte er die Worte heraus da sant seine Gattin hin, wie auf ein Sopha Sie treischte. Samiei hiels!« brummte er. »Du hast ein ge Eises Moorbad genom men. O we! Er hob sie empor. Sie lachte, dann weinte sie. Beruf-ice Dicht« tröstete er. »Wir werden ja bald unter Dach sein!« »Ja wohlt« spottete sie kläglich. — »Das hab' ich nun Dir zu verdanken!« »Aha, die erste Gatdinenpredigtp seufze er. »Hils mir weniastens, meinenSchuh suchen; er ist sim Schlamm stecken ge blieben,« sagte sie mürrisch· Willy tauchte mit der Hand in die weiche Tiefe hinab und fand nach eini gem Umherwiihlen den Schuh. Sie nahm denselben und trug ihn in der Hand. Es wurde dunkler, der befahrene Weg hörte aus, sie lamen aus beraste Stellen. Rechts war Wald, links dehnte sich die Haide aus. Nun war es offenbar, daß sie den richtigen Weg verseblt hatten. »Was nun? Umkehr-en und stunden weit denselben Weg zurückwaten? Wir kämen mitten in die Nacht hinein. O, Himmel, gieb ein Obdach!« seufzte Willy, dem längst aller Humor vers gangen war. — ,,Jch tann nicht mehr!« llagte Lisa. »Hier werde ich sterben müssen!" »Nanu!« stieß er mit Galgenhumor hervor. »Erst lege bei Gericht Dein Testament nieder. Doch sieb, dort! Was ist das-? Ein Haus, wenigstens eine Hütte! Schnell dahin! Es wird ein Obdach sein!« Sie eilten auf das Ding zu und fanden, mitten auf der Haide stehend, eine Schäferhütte auf zwei Rädern. Dieselbe von Brettern erbaut, war of fen« aber sein Mensch war zu sehen und zu hören. Willy machte die kleine Thiir auf und blickte hinein. Soweit er erlennen konnte, zeigte sich ihm ein Laub- und Heulager. Das Häuschen war nur zum Sitzen und Liegen ein gerichtet. «Heda!" rief er hinein. »ReineSeele darin! Frau, da ist ein Fingerzeig. Hier finden wir Schutz für die Nacht. Hier bleiben wir!« »Was?« rief sie empört. »Jn dieser elenden Bude? Nein, da hinein bringst Du mich nicht!« »Weßhalb nicht?« erwiderte er, ganz erfreut. »Es ist doch ein trockenes Nachtlager!« »Nach meinem Geschmack ist es nicht!« »Noch meinem auch nicht, Geliebte! Aber Du wolltest ja durchaus eine Hochzeitsreise machen. Nimm an, wir wären in der Schweiz, kletterten auf einem Eisberge herum, stürzten in den Abgrund und fielen aus solch ein molliges Lager, würdest Du nicht vor Wonne jauchzen?« « Schmerzlich seufzend, entledigte sich die junge Gattin ihres tiitschnassen Kleides, tastete aber vergeblich nach einem Halt, um es aufzuhängen. Sie legte sich und schloß die Augen. »Wie mancher Bösewicht würde uns um unsere schöne Müdigkeit benei den!« schloß er. »Wir werden wie die Götter schlafen!« . Am andern Morgen strahlte die Sonne, als sie erwachten. Die Natur prangte nach dem erstischenden Regen im Festgewandr. Aus den Wir-fein des nahen Waldes ertönten Vogelstimmem Sonst war alles still. Win öffnete die niedere Tbür der Hütte und trat, sich dehnend, ins Freie. »Kellner, den Kassee!« rief er scher zend. Aus seinem Nänzel holte er die Kleiderbürfte. mit welcher er sich vor sorglich versehen hatte, und reinigte sein feuchtes Gewand. Als er in sei nen Taschenspiegel blickte, sah er trock nes Laub in seinem krausen haar hängen. »Wie Bacchus im Weimar-b kranz!« lachte er. Lisa stieß einen Jammetruf aus. »Ach, mein Kleid. Es ist noch ganz naß und über und über vollSchlamm. Unmögkich sann ich es so anziehen. Und der helle Regenmantel sieht noch schlimmer aus. Was soll ich anfan gen?« f « . »Ich hab’5!' riet er ploßlich trotz lockend. »Staune meine Helligleit an, Lisa!" »Nun, was hast Du denn?« »Eine Maskerade! Mein zweiter Anzug ist trocken und rein geblieben. Den ziehsi Du an, bis wir ins nächste Dorf kommen. Dort lannst Du Deine Sachen aemiithlich wieder in Ordnung bringen« »Unsinn! Wenn man’ö entdeckie?« »Niemand entdeckt’s! Hei, Lisa, das ist der schönsteScherz, den wir je ma chen können! Jsch sage Dir, wandle Dich um werde ein Mann! Du wirst Figur machen!« Schließlich ging sie aus den Vor schlag ein. Sie war von derselben Größe und Gestalt wie er. Jbr »Pol kakops« und die Facon ihres Hütchens ließen sehr wohl die Täuschung zu, sie brauchte von letzterem nur die vom Regen verdorbene Schleise abzurei ; Fen. Mit großer Sorgsalt kleidete sie ich und sah in mönnlicher Tracht nanz niedlich aus, so niedlich, daß Win versicherte, nie einen schöneren Jungen gesehen zu haben ,,Aber nun rasch fort, damit wir bald stübsiiieken können!« triebe-r und stopste die beschmutzten Sachen in sei nen Ränzei. Nach kurzer Strecke kam-ihnen an einer Weawendung ein alter, eisgrauer Schiiser an der Spitze einer roßen herde entgegengezogen. Er ma te er staunte Augen, als er die beiden Wan derer bemerkte. »Gott eiiß’ Euch, Alters Schmeckt das sei chen?« ries Wtlly ihm u. » ie kommen denn Sie da ek« seaate der Alte mit dünner Stimme. «Ja, wie!« erwiderke Win heiter. »Wenn Sie alles wii ien, Gro apa, könnten Siemit dem "ser T rbauk Fragen: Wie kommt ein solcher Glanz m meine Mittei« »Den Schüser kenne ich nicht,« ver setzte der Greis. »Aber sagen Sie uns doch: wo kom men wir zum nächsten Dorfs Wir haben uns nämlich verirrt.« »Zum niichsten geht’s hier gerade aus, nachher links ab bis zur Wald spitze, nachher rechts bis an den Amei- » senberg, links um den herum, und da . können Sie auch schon den Kirchthurm sehen.« . »Gut, ichünt Also grad’ aus, links, I rechts, links um den Berg herum. — » Besten Dank auch siir Alles!" Sie gingen. Der Alte blickte ihnen kopfschüttelnd nach. - »Wenn das nicht richtige Galgen vöael sind —- !« murmelte er in den s Bart, und als er zu seiner Hütte tam, bemerkte er sogleich, daß darin Leben l i gewesen war. Zum Uebersluß lag da die von Lisa herabgerissene Schleife. »Ich sagt’s gleich, Galgenvogel, und hier haben sie genächtigtL Na, wart’, wenn ich den Gendarm fehe!« Mit beflügelten Schritten erreichten die beiden Wanderer das bezeichnete s Dorf nnd erfragten leicht das Wirths haus. Hier trat ihnen ein junaesJ nettes Mädchen, die Tochter der Wir- t thin, entgegen, welche über den zeiti aen Besuch verwunderteAugen macht-n Sie führte Beide in ein saubere Zimrncrchem und bald prangte ein reicheg Frühstück aus dem weiß gedeck ten Tisch Nun war aber auch in dem hübschen Wirthstöcherlein die Neugier wach, die sie nicht lange bezährnen konnte. Sie forschte, woher »die Her ren« schon so früh kämen, und wohin sie wollten. Durch das gute Früh stück belebt und immer zu einem komi schen Streich"ausgeleat, ließ Win das Mißverständniß von den zwei Herren bestehen. »Wir sind Gefchwifter,' tagte er, ,,reifen incognito.« Das Wort hatte das fchlichte Land kind noch nicht vernommen. unNatürlich zu unferem Vergnügen,« fugteer, ihren fragenden Blick beant trortend,« hinzu. Jndeß war Lifa doch nicht Schau spielerin genug. um ihre Rolle mit Geschick durchführen zu können. Nach einer Weile, als die Wirthstochter, — Malchen hieß sie, — wieder herauf tam. um wegen des Mittagessens zu fragen. ging Lifa ihr auf den Kolli dor nach. Jn der Absicht, sich in einem Zimmer umzulleiden, vergaß sie ihre Pseudomiinnlichleit und le te ihren Arm vertraulich um des Mad .chens Schulter. Erröthend und la jchend wand dieses sich los und eilte « davon, wähend Lifa ihr verdutzt nach schaute. Ganz erregt tam Malchen in die Küche »Na. was haft Du denn?« fragte sie die Mutter mit einem verwunder ten Blick in ihr lachendes Gesicht. »Mutter,« sagte das Mädchen, »ich glaube. der Stadtherr liebt mich!'« »Mach’ teine Alfanzerei!« entgeg nete die Ærthin. »Hei Dir der fremde Mensch fo etwas gefagt?« »Nein, nicht gesagt; aber ich hab’ ihn doch verstanden, und Du follteft nur sehen, wie er mich mit feinen Au gen verfolgt! Und was fiir hiihfche Augen hat er, und ein fo liebes, jun ges Gesichts« »Mädchen, hist Du bei Trost? Laß Deinem Bräutigam fo was hören!« »Erift aber viel, viel schöner als der Guftel!« Nach mehreren Stunden und mit vieler Mühe hatte Lifa die beschwich ten Sachen wieder tleidfam gemacht, und lleidete sich um. Während sie damit hefchöftigt war, erfchien unten im allgemeinen Gaftzimmer der Gen barm. »Sind heute zwei junge Kerle hier gewesen, einer dunkel, der andere hell ( gelteidetlt« fragte er. l »Die Anziige«ftimmen,« fagte die Wirthin; »aber wie Kerle sehen die! Leutchen nicht aus. Sie sind noch da, als Gösie.« ( .Wo?« sagte der Hüter der Sicher heit voll Eifer. »Ohen im blauen Stühchen.« Ohne sich weiter aufzuhalten, ftampfte der Gendarrn die Treppe hinauf. Malchen ging ihm voll Span nung nach. Er ließ sich die hlaue Stube zeigen und riß ohne Weiteres die Thtir auf. Die Polizei hat ·a das Recht, rücksichtslos zu fein. Lifa wollte sieh heim Anblick des Unifor mitten hinter ein Bett verbergen-» »Dam« rtes der Oenoarm vorm-. i »Hier wird nicht Versteckens gespielt!« 1 Malchen, die über des Gendarmen Schulter hinweglugte, machte große, erstaunte Augen, als sie ihren ver- » meintlichen Verehrer in Frauenllei- « dung erblickte. Willy war wie ausi den Wolken gesallen. »Was soll denn das heißen?« fragte er entrüstet. Warum dringen Sie, ohne anzuilopfem hier ein?" »Bei solchem Gelichter erst anpo chefrzk entgegnete der Gendarrn höh nt . «Gelichter?« wiederholte der junge Gotte wie erstarrt. »Sie sind wohl verrückt?! Wofür halten Sie unsi« »Wird sich gleich erweisen, wer Jhr seid. Wo ist der andere Bursche, und wer ist diese Frauensperson?« Willy lachte laut aus »Wenn Sie vor Neugierde brennen, will ich den Brand löschen! Jch hin hier der einzige Mann, und dies ist meine Frau!« «,,Na, der Schwindel nüßt Auch nichts» versetzte der Gendarrn. »Ihr seid wo gesehen worden! Herumtrei ber seid lec die in Schaserhiitten kampirenl « st’D etwa nicht wahrt« Willy la te aqu Neue. »Auffallend wahrz« ries er. » - rurn etrieben in der Jrre nnd aus er Rot eine Tugend gemacht, ein glück liches Ehepaar aus derhochzeitsteisel« s l l Malchen im Hintergrunde legte vor Staunen iiber den chwindel« die Hände zusammen s «Liigen nützt hier nichts! Zeigt Eure Legitimation!« s «Bedaure unendlich! Habe meine Visitenlnrte zu Hause gelassenk »Also keine. Dacht ich’s doch! Jch hab’ ein paar lange gesuchte Einbu cher etwischt. Werde gleich die Sig- . nalements vergleichen Pier Nummer Eins: Haare dunkel, Na gewöhnlich, kleiner Schnurrbart, besondere Kenn- ’ zeichen teine, Alter 27 Jahre Stimmt . genau. Nummer Zwei: Haare roth, xckisrzal näher, Bürschchen im Weiber »Herr!« brauste Willh aus. »Dies l ist meine Gattin! Jch verbitte mirs jetzt Jhre Grobheiienl Werde mich energisch über Sie beschweren!« l »Nur nicht gemault, sonst gibt s ein ( Kettchen um die Händel« drohte der Gendarm. Lisa trat ietzt vor. »Nehmt Eure Sachen und vor- ; wärts zum Ortsvorsteher!« Willh protestirte. Als aber der Gen- ; datm drohte, Gewalt gebrauchen zu; wollen, hielt er es für besser, zu gehen.; Beim Ortsvorsteher würde sich ja alles auftlären. Er hatte wohl Ursache, den letzten Rest seines Humors zu verlieren, als der Weg zum Ortsvorsteher zurückge-« legt wurde Der Gendarm ging hin: l ter ihnen mit schußfertigem Gewehr, und die Dorfjugend geleitete den Zug s gaffend. Aber wie verzweifelt war er erst, als er bemerkte, dasz der Orts vorsteher nur die Aufgabe hatte, zwei Transporteure herbeizuschaffen, wäh- - rend der Gendarm seine Anzeige an das Landrathsamt schrieb, daß er zwei steckbrieflich verfolgte Einbrecher einliefere, einen davon in We er tracht, der sich besonders auffällig be nommen habe. . »Wie denn? Was denn?« fragte Willv außer sich. »Wir sollen nicht . freigelassen werden?« : »Das wird der Herr Landrath ent- T scheiden,« sagte der Vorsteher miß trauisch. »Sie werden jetzt nach der Kreisftadt transportirt.« i »Aber ich will den fürchterlichen i Jrrthum auftlären!« rief der Ver zweifelte »Kann ich nicht nach Welt heiin telegravhiren?« ,,Vom Kirchthurm vielleicht?" ver setzte der Vorsteher, indem er die Arme wie Telegraphenflügel bewegte. »Da kommen die Transporteurr. Nun gehen Sie ganz gutwillig, und machen Sie ja keinen Fluchtversuche Die ver stehen teinen Spaß!« »Was? Laufen sollen wir?« »Ja, natürlich!« »Aber das ist bunmöglich! Eine schwache Frau, das Aufsehen, nein, zu Fuß gehen wir nicht! Schaffen Sie uns einen Wagen, ich werde gern be zahlen!« Den Begleitern war diese Erleich terung auch angenehm, und so wurde denn siir hohen Preis ein Korbwägel chen herbeigeholt, auf welchem die Ar restanten sammt den Ersteren Platz nahmen. Die Fahrt ging zum Theil auf demselben Wege vor sich, welchen das junge Paar am Tage vorher in lustiger Stimmung zurückgelegt hatte, und in der Kreisstadt befand sich die ; Eisenbahnstation bis zu welcher fiel ihre hochzeitssahrt gemacht hatten. « Welch ein Kontrast! Fröhlich waren sie ausgezogen, und mit Empfindun gen tiefster Berstiminung und Ent riistung zogen sie wieder ein. Lisa verhielt sich ganz stumm und kämpfte fort und fort mit ihren Thränen." Hätte sie wenigstens noch ihren Ento utas gehacbt, um ihr Gesicht vor gaf senden Leuten dahinter verbergen zu tönnent Aber der Schirm war beim Gehen im Schmutz zerbrochen und von ihr ärgerlich sortgeschleudert worden. Nun hats sie sich nur mit vorgehalte nem Taschentuch. »Grer Seelen dulden stillt« raunie Willy ihr zu. Zwischen den mit Kniivpeln be waffneten beiden Bauern hielten sie ihren Einzug in’s Landrathsamt. hier wenigstens fanden sie Einsicht. Der Landrath war selbst anwesend und schüttelte den Kopf, als Willy seine Abenteuer vortrug, vielleicht mehr über seinen Gendarnien als über deren Unglaubwiirdigkeit. »Ich wills sagte er, »Jhnen den Gesallen thun, an den Bürgermeister Jhres Wohnortes zu telegraphiren.« Willy’erschrat. Es war eine entsetz liche Blamaae. »Aönnen wir nicht an die Gräsin telegraphiren?« sliisterte Lisa ihrem Gatten zu. Der Landrath hörte ihre Worte. »Welche Gräsin?« fragte er. ,,Gräsin Helene Althaus.« »Sie tennt Sie?« sagte er, scharf ausblickend. »Es ist meineVerwanbte.« »Ich habe bei ihr sechs Jahre als Kammersräulein gedient, bis zu mei-- » ner Verheirathuna.« »Und mir hat sie großherzig ausge- . holsen!« ergänzte Willy. - »Es ist ab emachi,« erklärte der Landrath. » s Mißverständniß ist aufgeklärt Wir wollen nicht telegra phiren. Jch entlasse Sie. Reisen Sie, wohin Sie wollen!« ; Froh und doch wehgestimmt ent ;sernte sich das junge Paar. Der nächste l sWea sührte zur alten Muhme Willys. J »Du mußt Dich jetzt vor allem leiniae Tage erholen, liebster Schadl« Isagte Wille »Sag’ mal. Mühmchen, s wie viel Betten hast Dut« ; »Ich? Nur meines und ein altes KinDerbettchen von meiner seligen kleinen Watte-« « »Hm! Na, Frauchem Duwxiehsh in dem Kinderbett können "r nicht schlafen. Wir· werden also einige Tage hier in einem Gasthause bleiben, um den guten Schein zu wahren, und l dann — heiml Jch habe genug von der hochzeitsreise!« » · »Und ich mache mit Dir lerne wie der!" schmollte Lisa. · » Sie langweian sich mehrere Tage in der Stadt, dann uhren sie heim, um endlich am eigenen Herde ruhiges Glück zu finden. Erst acht Tage pil ter machte Lisa dei der Gräsin li haus wieder ihre Aufwartung. »Nun?« rief di e jovial. »Du Böse! Seit vers iedenen Tagen, hörte ich, seid Jhr gwei Schmetter linge heimgelehrt, un erst heute sehe ich Dicht Erzähle, wie'war’s?« »Ach, gnädige Kotnteß . . . !« »Das llingt Ia so wehleidig! War es nicht schön draußen?« « Lisa erzählte alles. Die Gräsin wollte sich vor Lachen aus-schüttert. Die gute Gräsin war verschwiegen. Sie schonte das Geheimniß ihrer Schützlinge. Lisa indeß stichelt gegen ihren Eheliebsten oft scherzend auf die mißgliickte Landpartie, und wenn sie ihn ein wenig ausziehen will, dann fragt sie: »Liebes Männchen, wann kvmpvnirst Du denn Dein Hochzeits reifelied?« W Düppler Morgenroth. Am 18. April war der Gedenktag des glorreichen Tages von Düppel, mit dem vor nun 41 Jahren Preu ßen-Deutschlands große Zeit begann. Aug diesem Anlaß veröffentlicht ein alter Mittämpfer jener Zeit, Herr Wrohel, Jnspettor am Evangelischen Vereinshause in Breslau, folgende hübsche DüppelsErinnerung: , Es war einige Tage vor dem 18. April —der Tag des Sturmes war noch nicht festgesetzt ——— da hatte das Musittorps unseres Regiments, des 1.Posenschen Nr.18, eine Abendmusit bei Sr. Königl. Hoheit dem Kron orinzem dem nochmaligen Kaiser Friedrich Während der Abendmustk trat der Kronorinz in den Kreis »und sagte zu dem Kapellmeister: »Dann Sie mal, Zilosf, aus Wunsch mener Frau sollen Sie einen Marsch tonma niren und im Trio das Haufs’sche Volks-lieb verwenden: »Morgenr«oth, Morgenroth, leuchtest mir zum sruhen Tod« — ,,Königl. Hoheit,« entgegnete Ziloss, »das wird nicht gut gehen, das Lied ist im Dreivierteltatt geschrie ben.« —- »Ja, Zitoss,« sagte dastan prinz, »was Sie siir einen Talt schla gen, das ist Jhre Sache. Sie haben ja aber schon manchen guten Marsch geschrieben, Sie werden ung über morgen zur Abendmusit also den ge wünschten Marsch vorblasen.« »Was blieb mir übrig,« so erzählte Zitosf später, »ich sagte stramrnr ,,Zu Befehl, Königl. Hoheit,« und mar schirte mit meinem Musiltorps ab. Auf dem Heimwege schon stellten sich allerhand Marschmelodien ein. Es dauerte nicht lange, da nahm ich, ohne es zu merken, Gleichschritt an und pfiff: »Morgenroth«. Sollte ich aus Dreivierteltatt Sechsachteltatt ma chen? Nein, denn die Sechsachteltatts märsche marschiren sich schlecht. So wurde ich mit mir selber auf Vierviers teltatt einig und pfiff wieder: Mor genroth, — bald wird die Trompete bla—asen, 2 Schritt Pause — dann mus; ich mein Leben la-—afsen —— wie der eine Pause. Ja, wie fülle ich diese Pausen aus? Da geschah etwas Son derbares. Gerade als ich wieder dachte und vor mich hin pfiff: Bald wird die Trompete bla——asen, blies im nächsten Dorfe ein Artillerie Trompeter das Signal ,,Trompeter rus«. Na also, da war ja die Kunst oause ausgefüllt . Jch ließ also in den beiden Pausen die Trompeten blasen und am anderen Morgen war der Marsch fertig. Die Partitur wan derte von einem hoboisten zum ande ren zum Ausschreiben der Stimmen, sodaß ich Sr. Königl. Hoheit pünttlich zur befohlenen Zeit den ,,Diinpler MorgenrothsMarsch« voripielen tonn te. Aus Bescheidenheit hatte ich den neuen Marsch als Schlußpieee aufs Abendmogramm gesetzt, mußte aber aus Befehl des Kronprinzen das Pro gramm umdrehen und mit dem Mor genroth-Marsch beginnen. Beim Trio tlopste Se. Königl. hoheit mir auf die Schulter drückte mir zwei Friedrichs dor in die Hand und sagte: »Braoo, Zitofs!« Am Schlusse der Abendmusit brachte mir ein Diener noch drei Fla schen Selt und Se.-königl Hoheit rief mir lachend zu: »Zitosf, mehr habe ich selber nicht.«« Die Partitur wurde nach Potsdam an das Könil große Militär-Wai senhaus geschickt, dessen Kapelle den Marsch der Frau Kronprinzessin im Neuen Palais vorspielen mußte. W Vertheilhaste Schwäche. »Das ist aber doch arg: So ost ich den Schummerich bei der Table d’hote ichs nimmt er sich die stärksten Por tionen!« · »Ja, wissen Sie, der ist so turjsich tig, daß er nur die größten Portio nen sieht!'« Oel-Ilsen »Was sagst Du dazu« der Mater soll der Wittwe, die er erst neulich tennen lernte, die band zum Ehe bunde gereichte haben?« »Ja, ja, der gute Mann hat ja so recht g’wuszt, was er mit seine Händ« anfangen sollt« — Wider-legt haust-schien »Sie haben nun schon den dritten Schad, Karoline —- Ih nen sein« offenbar an Beständigteit.« J Köchin: »Im G entheil, nur den Männern: wenn i ’rnal einen pr identtich 'rausgesiittert habs gieich schnappt er abi«