Yeöraska Staats- Anzeing Und THATng J. P. Windolph, Herausgeber Grund Island Nebr. 23 kmii1905 Hweitchlich Jahrgang 25 No.4.3. Un die Matten Und ob ichs auch vergeblich kämpfte, Ob keiner mich erkannte hier, Ob alle Welt sich von mit wandte, — Du, Mutter, hieltest doch zu mir. Dein Auge hob sich himmelwärts, Weit über allen Schmerz der Erden, Und hoffend blickest du empor: »Es muß ja alles gut noch werden« Nun ruhst du in der engen Gruft; Doch über deines Grabmals Pforten» Ruf« ich dir, Mutter, dankend zu: Es ist noch alles gut geworden! Theodolinde von Posthin Die Grenz-cinde. ' F i Zum Frühling von Wilhelm H e r b er t. Die Leute gingen zwischen den mit der Frühsaat bestellten Feldern. Sie kamen vom Psarrdorf. Man hatte die alte Schrottenbäuerin eingegraben. Der Winter hatte ihren »-Gefund« zer ftort, und der erste Lenz hatte sie mit genommen. Nun lehrten alle, die nach dem Wei ler gehörten, wo der Schrottenhof lag, dorthin zurück. Die Leute redeten we nig. Der Verlust der Bäuerin ging ihnen nahe. Wenn ein paar Dutzend Menschen ihr ganzes Leben so eng nachbarlich mitsammen verbringen, reißt das Ausscheiden jedes einzelnen eine schwere Liiele in das Behagen al ler. Und der Tod der Schrottenhofe rin gleich gar. Sie war die älteste, die , gescheiteste, die beste. Niemand lamI um einen Rath, um einen Gefallenl vergebens zu ihr. Am meisten natürlich traf’s ihren Sohn und Erben-den Lorenz. Er hatte nun seine vierzig Jahre mit ihr zusammen gebaust, jede Stunde Leid und Freud mit ihr getheilt, und nun war sie fort. Er ionnte es noch nicht I recht glauben, Und wenn er jetzt wieder z zuriicklann iiberall sah und hörte er sie s auf dein Schrottenhof, das wußte er’ — in der Milchtamnier, an den Lin-i nenschriinlen, im Stall —- so schnell: reißt man eine sorgende Seele nichts aus ihrem Wirkungskreis-, wenn sies auch den Leib heute hinüber-trugen nach dein Höhensriedhof, wo die Ent schlafenen der Gemeinde ruhen. Lorenz Sclirotter blieb stehen undi sann vor sich hin. Die Nachbarn gin- s gen an ihm vorüber und nickten ihml einen Gruß zu. Er sah es nicht. » »Dein gibts bös nacht« sliistertens sie. —»Js iein Wunder auch!« meins l ten die andern. Eine ganze Weile stand ex so. Alle ivaren vorüber-. Da tain noch eine allein: eine hoch gewachsene, lrästiae Frauengestalt mit ruhigen, ebenmäfzici schönen Gesichts ziigen. Es war die Kuni voiii Sel benbaiiern, das Nachbarslind. Seit sie dachte-und sie war nun doch auch schon ein Vierteljahrhundert aus-hatte ihr nichts so ins Herz ge griffen, wie das Leiden und Sterben der Schrotteiihoferin. Wie sie immer mehr und mehr schwand und zusam menging, wie sie dann bettlägerig wurde und nur anfangs noch hie und da eine Viertelstunde sich herausraffte, am Fenster saß und mit ihrem müden Gesicht und ihren traurigen Augdn herübersah, und wie dann die letzten Tage lainen und endlich die letzten Stunden, und der Lorenz kniete ver zweifelt am Bett seiner Mutter, und sie schlug noch einmal die Augen aus, und ihr flackernder Blick suchte ängst lich im Kreise iind blieb dann wie mit einer letzten dringenden Bitte an Kuni haften—und dann schloß sie mit ei nein tiefen Seufzer die Augen, un ihre alte Wanduhr blieb plötzlich ste hen, der Tyras außen heulte grell auf, und in den alten, schweren Kästen trachte und ächzte es seltsam schauer lich. als wollte jedes Stiick im haus das Leid mitempfinden, das über den Hof gekommen. -» ,« --L·- k Während Kam oekn emsme . niiher schritt, durchlebte sie alles das wieder, und es zog ihr das Herz im Leibe zusammen wenn sie daran dachte wie Lorenz gelitten haben mochte und noch litt. Sie brauchte ja nur daran zu denken wiss ihr selber wäre, wenn eines ihrer alten Eltern einmal stürbe oder gar beide und sie auch allein dastandr. Allein wie er! Er war ja nicht wie die anderen, nicht, wie die Bauern jugend von heut ist. Tanz fiillt oft all ihr Denken neben der Arbeit aus. Er war aus einem harten, spröden Holz geschnitten --— sonst wären sie vielleicht längst ein Paar geworden; denn die Eltern hüben und drüben hätten es immer-' aern gesehen und die —- Kuni auch. Aber ihm war stets alles nur seine Mutter gewesen« Er war wohl aanz blind gewesen fiir das, was die junge Nachbarin fiir ihn im Herzen trug, was sie all die Jahre her schon manchen ehrenvollen Antrag hatte ausschlaaegn lassen. Unwillkiirlich seufzte sie ties auf, wie sie alles das überdachtr. Der Seufzer drang ihm in der Lenzmoraenstille ans Ohr. Er fuhr aus seinen Träumen auf und sah sieh um. »Ah. du Kuni bist’s!« sagte er mit seiner trauriaen, freundlichen Stimme. .Gel' i dank dir auch recht schön, daß d’ meinem alten Mutterl die letzte Ehr’ geben hast! Von dir hat sie’s ge wiß b’sonders g’freut——du hast alle weil am meisten ’golten bei hr! Wo sind denn deine Eltern ha?« l »Schon voraus-t« antwortete das Mädchen. Jhre flaumigen, gewann-s ten Wangen hatten sich bei seinen Worten mit einem zarten Noth über zogen und ihre Hand zitterte leise in der seinen. Er hatte ganz vergessen, sie nach dem Gruß wieder loszulassen. Auch jetzt ließ er sie nicht los. »Was studierst denn du?« fragte sie. »Mei««, sagte er, »den Lindenbaum hab’ i betracht’t!« »Den alten Lindenbaum?« Er nickte. »Der alte Kerl thut mir leid!« meinte er. »Aber warum denn?« fragte sie er staunt. »Wie kommst denn heut’ grad’ zu dem Mitleid mit dem alten Baum?« «Grad’ heuti« antwortete er mit Betonung. »Weißt, er steht auf un serer -Grenz’!« »Auf unserer Grenz’?« Er nickte wieder »J hab’ nie g’wußt,« sagte das Mädchen treuherzig, »wo unser Grenz’ is.« Er lachte bitter. »Mir sind solche Gedanken auch nie ’kornmen bis heut’!« stieß er hervor. »Aber hab’ i mir denn je zu denken ’traut, daß mei’ gut’s, alt’J-5 Mutterl stirbt, und is sie jetzt net doch g«storben? Und wird so net auch einmal der Tag kommen, wo s’ mich auch so ’naustragen, und ein an derer, ein Fremder, zieht aus den-Hof, nnd seine erste Frag’ wird sein: »Wo ist die Grenz’? Wem g’h·o·rt der Barmi? Hiniiber oder herüber? Der Baum ahört mir!« Und wird danns net die alte Linden berdorren und ihr der Saft stocken in den Wur zeln, wenn sie, die jahrhundertelang Frieden und Freundschaft g’sehen hat zwischen unseren Familien, den Nach barnstreit mit anhör’n muß und selber mit in den Streit g’zo·aen wird? Da wirst wohl bald auch umg’fchlagen sein, alter treuer Freund!« Er nickte dem Baume zu, und es war, als ginge ein leises, trauerndes Rauschen durch den mählich ergrünen den WipseLO Kuni stand bis in das tiefste Herz erschrocken. Welches Bild rollte Toni da vor ihr auf? Zank und Streit zwischen den beiden, seit uraltersher befreundeten Geschlechtern? Und er sterben? Lorenz jemals sterben? Jhn nicht mehr in der Nähe wissen bei der Arbeit im Feld, bei der abendlichen Feierstunde, beim Kirchgang Sonn tags? Sie Preßte die Lippen fest zusam men und schlug angstvoll die Augen nieder. Dann aber besann sie sich und sah zu ihm aus, und ihr Blick iiberflog seine kraftvolle Gestalt, sein gesundes Gesicht, seinen ebenholzschweren Lo ckenkopf, aus dem noch kein silberner Faden blinkte. . Sie mußte trotz der traurigen Stunde leise lachen iiber den Wider sinn seiner Rede, so daß er verblüfft aussah »Du sterben?« stotterte sie. »Geh’ bild’ dir doch so was net ein! Du stirbst net, und du darfst auch net ster ben —« Jhr Ton war unwillkürlich ein herzlich warmer geworden. Jn den Augen Schrotters leuchtet es aus. »Wegen dem Lindenbaum!« verbes serte sie sich schnell in glühender Be sanaenbeit. Zweifelnd betrachtete er den Baum ob dem damit schon gedient sei. Dann sah er sie fest an, wie in einem plün lichen, energischen Entschluß. »Ja«, sagte er zögernd, »wenn i auch net stirb, aber zum Beispiel, du tbätst heirathen« dann kommt gleich ein Fremder in die Nachbarschaft, und wieder is’s g’sehlt um den Linden baum!« Die arme Linde! Schmunzelnd be trachtete das hattherzige Dirndl den alten Baum. dem so gar nicht zu hel fen war. Oder wußte sie doch einen Auswea? ,,Ja?« meinte sie mit schelmischem Ernst, ,,heirathen thät’ ich freilich gern —« ,.Kuni!« rief er erschrocken. Jn ihr jauchzte es aus. Wie sie sich an seinen Todesschreck freute —- die Gesiibllosel »Was ist den dabei!« meinte sie achselzuckend »Du wirst ja auch hei rathen!« · »Ich —- nie!« rief er. »Dann ·freili««, saate sie trübselig, kann i auch net heirathen!« »Warum?« Er sah sie verblüfft an. »Weil —'« ,,Weil,« rief er da jubelnd, ihr lie bendes Recken durchschauend, »weil du nur mich nehmen thätest —- is’s so, Kuni?« ,,So is’s!« sagte sie leise und ließ sich an seine Brust ziehen. »Mutterl«, meinte Lorenz, während er das Mädchen zu der Bank Unter der Linde führte, ,,wirst’s net übel neh men, daß wir grad heut unsern Bund schließen für’s Leben —- aber ’s is ja nur wegen dem Lindenbaum — hast’n ja selber auch gern g’habt!« Und durch den Wipfel tönte ein ge währendes Lenzwindrauschen, ein Zinsen und Klagen der ewig jungen ie Ein ganzer Held. Humoreske von Max Wundtke. 'Kein Mensch, der ihn einmal ge sehen, hätte ihn für einen Schneider gehalten, so stattlich war er von Fi gur, so derb und kräftig in seiner Struktur. Und doch war Karl Mau sig ein Schneider. Sehr zu seinem Leidwesen! Nun ist ein Schneider durchaus nicht verpflichtet, über große Körper kräfte und über bemerkenswerthen Muth zu verfügen; Karl Mausig aber renornmirte gern mit beiden. Wenn man ihm trauen durfte, hatte er schon die größten Heldenthaten ver richtet, so spielend, als wäre es zum Schweineschlachtfest gegangen. Und an Körperkraft nahm es so leicht kei ner mit ihm auf. Berühmte Ring känipfer, die fiir Geld auftraten, hatte er geworfen und manchen Preisboxer übel zugerichtei. Er behauptete näm lich, in Engl-and gewesen zu sein und dort das Boer aus dem FF gelernt zu haben. Natürlich hatte sich das alles früher zugetragem und nichts war bedauer licher, als daß niemand aus seinem jetzigen Umgiang Augenzeuge seiner damaligen Triumphe gewesen. Aber schließlich —- er schilderte ja alles so oft und so eindringend, daß sie fast überzeugt sein mußten, und so konnte es denn nicht ausbleiben, daß man ihm in Hinblick auf seine außerordent lichen Leistungen die fchwierigsten Sachen zutraute. Auf der Barieteebiihne der Stadt vroduzirte sich der »weltberühmte« Boxer-Champion Master Bob Porter aus London. Selbstverständlich wurde alle Welt liebenswürdigst von ihm eingeladen, ein paar Gänge mit ihm zu riskiren, aber nierkwiirdigerweise fand er wenig Gegenliebe. Meister Mausig saß natürlich mit einigen Freunden im Parkett und be urtheilte mit Kennerbliclen Mr. Pot ters Leistungen. Erwartungsvoll sahen ihn die Freunde an. Wie würde die Kritik lauten? Vernichtend! Der Born-Karl ge-« langte zu dem Resultat, daß es eine ,,hundsgemeine Stümperarbeit« wäre, die sich da oben als edle Boxerkunst ausgäbe. Das Thema ward zum Stadtgei spräch. Die herbe Kritik unseres Helden von der Nadel und der Faust mußte dem Champion zu Ohren gekommen sein: in den Blättern erschien ein Ausruf, daß er 200 Mark dem zusichere, der ihn niederboxen würde. Karls Freunde geriethen in gelinde Aufregung. 200 Marl... »Die mußt Du Dir verdienen, Karl! Du bist der rechte Mann dazu!« Karl aber zuckte geringschätzig die Achseln und schien sich um die Sache nicht zu kümmern. Das verdroß den edlen Borer und er erhöhte die Beloh nung aus 300 Mark. Die Freunde wurden immer drin gender, und er versprach, die Sache in Erwägung zu ziehen. Er hoffte, das-, Mr. Porter tveiterziehen würde, noch ehe er sich meldete. Dann konnte er wenigstens behaupten, daß dem edlen Briten doch bange geworden sei. Mr. Porter tvar wüthend, das; das Gerücht von seinem minderwerthigen Leistungen sich erhielt und der Urheber trotz der ausgesetzten 300 Mark sich nicht meldete. Eines Abends erklärte er von der Bühne herab, daß der Kerl, der ihn so verlenmde, ein ganz feiges Subjekt sei, dnkz sich ihm nicht stellen möge, dass er ihn aber sehr gut kenne, und daß er sich in den nächsten Tagen die Ehre geben würde, den betreffen den Herrn in seiner Wohnung auszu sncben, um daselbst an Ort und Stelle einige Gänge mit ihm zu machen und ihn über die Vorzüglichkeit seiner Kunst eines Besseren zu belehren. Noch an demselben Abend wurden diese Worte dem Schneidermeisterw überbracht, und es wäre unrecht, zu behaupten, sie hätten zur· Erhöhung seiner Nachtruhe wesentlich beigetra-« gen. Als Karl aus dem Bette klet terte, fühlte er sich bereits so zerschla gen, als hätte er dem ehrenwerthen Mr. Porter die ganze Nacht zum Spielzeug gedient. Wie zufällig wars er von seinem Schneidertisch einmal den Blick auf die Straße und ...Mausigs Augen wurden groß wie chinesische Theetassen und das Blut in den Adern fing an zu frieren. . . der da über den Fahr damm kam und forschend nach dem Hause in die Höhe sah...war das nicht . . . ganz gewiß» . Mr. Porter! Das war seine Figur, sein Gesicht, sein fiirchterlicher Schnurrbart .. . ah, kein Zweifel: es war wirklich Mr. Porter, der jetzt lam, ihn so lange in Grund und Boden zu boxen, bis er dem Hau sen Flicklappen glich, der dort neben dem Ofen lag. Karl war ausgesprungen und stand jetzt mitten in der Stube, zitternd wie Espenlaub, dabei aber die Elle in der Ham, wie ein Ritter nach gewonnener Schlacht. Er lauschte. Bei Gott, schwere, schwere Tritte die Treppe heraus. Es hält vor der Thitr an . . . es klin gelt...der Schneider wischt sich mit einem zugeschnittenen Hosentheil, der ilun gerade zur Hand liegt, den Angst schweif-, von der Stirn. Jetzt hört er, wie seine Frau öffnet. »Wahnsinnige, Du überantwortest Deinen geliebten Gatten den unbarm herzigen Fäusten eines Mörders.« »Wohnt hier der Schneidermeister Karl MausigZ Jch habe eine sehr wichtige Angelegenheit mit ihm zu ord nen«, klang es draußen. »Ja, ja,« stöhnte Karl auf, »diese wichtige Angelegenheit tenn’ ich. Aber nein, ich lasse...niich...nicht...« Ohne auszusprechen war er durch eine Thür in das Hinterzimmer ge tsrungen Athemlos sah er sich um f ein, sicher war er hier auch nicht Ein rettender Gedanke durchzuckte ihn Schnell entschlossen — hinter ihm wurde geklopst — riß er das Fenster ans und schwang sich empor. : »Halt doch! Halt doch! Ich will I Sie ja. " s »Natürlich, ich will Sie ja«, dachte "Mausig; »aber Du sollst mich nicht triegen!« und ließ sich aus das nur leinen kleinen Sprung unter ihm gele gene Remisendach hinab. Der Besucher war ans Fenster ge Tftürzt und schrie und machte mit den Armen so wilde Gesten, daß der Schneidermeister bis an den äußersten Dachrand retirirte nnd nahe daran i war, hinabzustiirzen. ) Einen Augenblick schien es, als be sabsichtige sein Bersolger, ihm nachzu steigen, und Karl sing an, um Hilfe i zu rufen. i Eine lachende und gestitnlirende ? Menschenmenge fand sich bald ein, die s ihm von unten zusah. ! Hilfe! Hilfe! Er will mich todt » schlagen!« schrie der Schneider. Plötzlich verschwand der Mann, um ’ bald daraus unter den Menschen auf der Straße zu erscheinen und mit auf Igeregten Gebärden mit beiden Armen ihn einzuladen, herabzusteigen. Kurz entschlossen ließ sich der Ber solgte auf der entgegengesetzten Seite der Remise in den Hof hinab. Seine Frau kam ihm entgegenge stiirzt, um ihn aufzuhalten; er aber ließ sich auf nichts ein, durchjagte den anderen Hof und erreichte so athem los die Straße. Kaum hatte der unheimliche Mensch ihn erblickt, als er ihm nachstiirzte, ge folgt und begleitet von der johlenden Menschenmenge, und alles schrie mit wahnsinnigen Gestilulationen durch einander: ,,Haltet ihn! Halt! Haali!« Er aber stiirmte davon, als säs3’ ihm der leibhaftiae Tod auf den Fer sen; schweißtriefend flog er einem Schutzmann in die Arme. «Retten Sie mich! Jch bin verlo ren! Man will mich zu Grunde rich ten!« ächzte er. Rrrr riß der Schutzmann seine Plempe heraus und stellte sich schü tzend vor den völlig Zusammengeinict ten. »Zurück! Stillaestanden! Was geht hier vor?« schrie die bewaffnete Macht den Menschen entgegen. ,,Herrgott,« rief jetzt der Demnac iommene, »was rennt denn der Mensch so? Es thut ihm doch keiner was ...« Mausig ließ ihn nicht ausreden. ,,Glauben Sie ihm nicht, Herr Schutzmannl Nehmen Sie ihn fest; ; legen Sie ihn in Ketten! Zu Tode will er mich boxen, zu Tode! Er hat’s mir zugeschworen!« »Herr, was fällt Ihnen denn ein?« entgegnete der Herr aufgebracht. »Wie käme ich dazu, mich mit Jhnen boxen zu wollen? Jch bin Bureauvorsteher beim Notar Dr. Klugfchmiedt . . . .« ,,Bureauvorsteher . . . und nicht Mr. Porter?« stöhnte der Schneider kläg lich. »Sie phantasrrenl Jch bin von mei- : nem Chef gesandt, Sie davon ins Kenntniß zu setzen, daß ein Onkel von Jhnen in Amerika gestorben ist, ohne Erben zu hinterlassen. »Sie werden also hiermit ersucht, die nöthigen Pa piere zu beschaffen zwecks Theilung in das nachgelassene, nicht unbetriichtliche Bermögen.« Der tapfere Schneidermeister fing von Neuem an zu zittern. Diesmal aber geschah es nicht aus Furcht. »Vermögen? Erbschaft? Ja, aber warum sagten Sie denn das nicht gleich?« »Haben Sie mich denn überhaupt zu Worte kommen lassen? Sie rissen ja vor mir aus wie Schafleder.« »Und ich dachte, Sie wollten mich zu Tode boxen,« murmelte der tapfere Mausig kopfschüttelnd Ich bin so glücklich. Skizze von Michael Sawka. Die Nacht ist klar. Tiefes Schwei gen herrscht ringsum. Weit hinaus schimmern Häuser und Gärten, vom Mondlicht iiberftuihet, in bläulicher Helle, wie ein endlos-es, stilles Meer. Milde an die Fensterbrüstung ge lehnt, blicke ich hinaus und verfolge mit meinen Augen die lustigen, weißen Wolken, die pfeilfchnell da hinfiiegen. Dabei denke ich an den Spaziergang, den ich vor einigen Ta gen in aller Friihe vor Sonnenauf gang unternahm. Auf dieser Wande rung fesselte ein kleines Haus weit draußen, außer dem Weichbilde der Stadt, meine Aufmerksamkeit Was gefiel mir nur so ausnehmend an dem Häuschen? Richtig, der Epheu !Var’s, der es dicht umrantte; dabei war alles an dem Häuschen so freundlich und anheimelnd, so blank, daß es die Auf merksamkeit unwillkürlich auf sich zog. Auf dem braunen Dachfirst trippelten Tauben lustig umher. An das Haus schloß sich ein ziem lich großer, wohlgepflegter Garten. Die aufgehende Sonne warf ihre er sten Strahlen auf die bethauten Blät ter und Blüthen —- hei, wie es da. flimmerte und glitzerte! —- und auf die grünumrankten Fenster, deren hell blintende Scheiben mich wie erstaunte, froh und ungetriibt blickende Kinder augen anstarrten. Jm Garten wur den Staare laut. Wie idyllisch! Hier müssen glückliche Menschen hausen — dachte ich. Dann lächelte ich über meine idnllischen Gedanken. Nicht ohne Neugier trat ich näher und warf einen Blick in den Garten. Unter einem wilden Kastanienbaum saß ein Mädchen von etwa zwanzig Jahren. Jch erkannte an dem star ren, ausdruckslosen Blick, der immer während auf einen Punkt gerichtet war, daß es blind sei, daß ewige Nacht um die Arme herrsche. Aber wie schön war diese Blinde! Jch hatte noch selten ein lebendes Menschen antlitz von solcher Harmonie aller ein zelnen Züge gesehen. Es war ein fei nes, blasses Gesichtchen, umrahmt ver: einer Fülle rabenschwarzen Haares-, das in einem bläulichen Schimmer förmlich strahlte und fessellos über den Naclen und die Schultern fiel. Das eng anliegende, dunkle Kleid hob die blasse Gesichtssarbe noch mehr her vor. Dabei keine Blume im Haar, kein farbiges Band am Kleid. — Diese Eintönigleit that meinen Augen weh. Mitleid tramPfte meine Brust zusammen. Die Arme sah nicht die ausgehende Sonne, nicht die in jung sriiulichem Blättcrschmuck prangenden Bäume, nicht« daß junge Veilchen um sie her ihre blauen Augen aufschlugen und selig erschauerten unter dem Mutterkuß der Frühlingssonnel Ein wollenloser Azur wölbte sieh iiber die erwachende Flur, und die lächelnde Sonne zieht mit tausend Strahlenarmen die geliebte Erde em por an ihr flammendes Herz, und durch die Menschenseele geht ein siiszes Ahnen und Sehnen, ein neuer Glaube durch ittert sie, ein neues Hoffen. Al les cingt an zu blühen. Und von all’ diesem Entfalten und Werden, von all’ der Lenzes-pracht weiß die Arme nichts —- sie ist blind! .. .. Wie sehr H—--r hatte ich Recht, bei dem Gedanken, daß hier glückliche Menschen wohne-n zu lächeln. Ein ungelenker, junger Mann trat aus dem Hause und gesellte sich zu« der Blinden. Welcher Gegensatz! Sein Kopf war groß und die hell blonden Haare glatt, schulmeisterlich nach hinten gekämmt, die Nase adler artig gebogen, das Kinn beinahe vier eckig. Ich vergaß aber auf seine Miß lichteit, als er mit seiner tiefen, klang vollen Stimme zu der Blinden zu sprechen begann. Er erzählte ihr von der Pracht des Sonnenaufgangs, Von den Blumen, die ringsumher blühten. Die Blinde richtete ihren ausdruckslo sen Blick aus den Sprechenden und öffnete den Mund, aus welchem mir szei Reihen der herrlichsten« Zähne entgegenlachten: «Bruno. Er unterbrach fie, indem er ihre Hand an seine Lippen führte. Ein schwache-Z Roth stahl sich auf das Antlitz der Blinden. ,,Adelheid, wie ich dich liebe!« hörte ich ihn mit vor Erregung zitternder Stimme sagen. Sie nickte. »Ich weiß es!« Dabei lächelte sie still, glückselig vor sich hin. Mit einem unterdrückten Jubelruf beugte er sich über sie und bedeckte ihre Augen, Wangen und Mund mit Küf sen. Sie wehrte es ihm nicht —- ihr Hanpt sank an seine Brust. Nach einer Weile wollte sie ihr Köpfchen empor-· heben; er aber drückte dasselbe sanft zurück und flüsterte leidenschaftlich: »Meine theuere Adelheid! Also du mußtest, daß du mir das Liebste auf dieser Welt bisi?« Sie nickte und lächelte wieder so perträumt und glückselig, dabei fuhr sie liebkofend mit der Hand über seine Wange. Nach einer Weile setzte fie hinzu: »Ich bin glücklich!« Ich schlich leise davon. Kartenspiel vel Hofe. Es ist bekannt, daß am preußischen Königshofe nur zum niedrigften Satze Karten geschielt wird, und daß Kaiser Wilhelm ll. seinen Viertelpfennig Skat wie jeder schlichte Bürgersmann spielt, Es ist dies eine im Hause der preußischen Herrscher von alters her iibernornmeneSitte, wofür nachstehende Episode aus der Regierungszeit Kö nig· Friedrich Wilhelms 1V. einen er götzlichen Beweis erbringt. Jn den fünfziger Jahren wurde eines Tages während der Berathungen des Herren hauses in Berlin Graf Konrad von Dyhrn, Majoratsherr auf Reesewitz und Schönau, zur Königlichen Tafel geladen und dann an den Whisttisch der Königin Elisabeth befohlen. Graf Dyhrn (geb. 1802, gestorben Ende der 60er Jahre) war zwar ein gewiegter Politiler und hochgebildeter Mann, der sich vielfach schriftstellerisch beschäftig te, aber ein schlechter Kartenspieler. Zudem bekam er an jenem Abende die denkbar schlechtesten Karten, sodaß er Robber um Robber verlor. Als Neu ling bei Hofe mit dessen Gepflogenhei ten nicht vertraut und in dem Glau ben, daß um hohe Beträge gespielt werde, machte Graf thrn einen Ueberschlag seines Verlustes und kam zu dem Schlusse, daß der Inhalt seiner Börse bei Weitem zur Deckung nicht ausreichen würde. Jmmer näher riickte das Ende des Spiele-J- heran, und die Verlegenheit des Grafen steigerte sich aufs Höchste. Da nahte die Rettung: Ein intimer Freund ging an seinem Tisch vorüber. Schnell entschlossen sprang Graf Dyhrn vom Spieltifche auf, trat an seinen Freund heran und setzte ihm mit fliegender Hast von fei ner Berlegenheit in Kenntniß. Dankt nahm er wieder an seinem Spieltische Platz, um weiter zu spielen. Einige Minuten später trat der Freund an den Tisch des Grafen thrn heran und schob diesem unauffällig eine Rolle Louisdor zu. Beruhigt setzte Graf Dyhrn das Spiel fort. Als das Spiel beendet war und die Berechnung er folgte, hatte Graf Dyhrn 300 Points verloren. »Gras Dyhrn, Sie haben 121,-k»- Silbergroschen verloren!« sagte da die Königin und fügte halb ernst haft, halb scherzend hinzu: »Das ist doch recht leichtsinnig von Jhnen«. Man hatte das Point um PL- Pfennig gespielt. -——-—-——.-.-—.— Schnell abgeholferr. Vereinsvorstand (zum Herrn): »Ich muß Jhnen bemerken, daß wir nur ver heirathete Leute in Unsern Verein auf nehmen! . . . . O, deshalb brauchen Sie nicht gleich Jhren Hut zu nehmen, ich habe drei Töchter!« Wechselwirkung. »Denkst Du auch,« fragte Frau Stylisch ihren Gatten, »daß das Tra gen von Hüten graue Haare macht?« »Aber gewiß, « meinte dieser, »das ist ganz zweifellos-; die theuren Hüte,« die Du trägst, machen meine Haare grau.« Symptom. . »Worauj schließen Sie, daß der Patient in einem Vororte wohnt, lie ber Herr College,« fragte ein Arzt den anderen. ,,Keine Frage; sein rechter Arm ist viel länger als der Linie von den Pa cieten, die er zu tragen gewohnt ist.«