R Novelle bon Luise Westtirch L . Das Eoupe mit den Schimmeln hielt vor der Billa des Professors der - Pledizin Rudolf Meinhardt. Er prang aus dem Wagen und trat in die Halle. Ein Bierziger mit ver schlossenem Gesicht, das dunkle haat leicht angegraut. Ein wenig-. müde war er noch, abgesponnt von zwei — schweren Operationen. Er wars Hut und Mantel dem . Hausmädchen zu. »Ist meine Frau oben?« , »Die gnädige Frau sind vor weni II gen Minuten ausgegangen.« .««.:s Der Professor ging sinnend im ·«T Zimmer aus und ab. Die Gegenwart seiner jungen Frau würde ihm wohl gethan haben. Wie ein Schmetterling war ihm die reizende Ada Gräber erschienen, als er sie zuerst oben an der Treppe in ihres Vaters Hause in Mannheim stehen sah, wohin der Großlausmann ihn, dessen Name als Gelehrter in Deutschland bereits einen Ruf zu ge winnen begann, zu einer Konsultation berufen hatte. f so « : Ver skebslörwachem f Es gelang Meinhardt, mittelst ei , ner gewagten Operation den Vater von seinem Leiden zu befreien. Da bei hatte er nicht sein Wohlgefallen an der Tochter verbergen können. Um sie zu werben, zögerte er freilich noch, feiner vierzig Jahre und ihrer großen Jugend gedenkend. Aber Gräber, der seine Neigung und sein Zaudern ge wahrte, brachte ihm seine Zustim mung entgegen, und Adas Benehmen hätte auch ein nicht eitler Mann sich als Zuneigung deuten dürfen. Er ward, er heirathete. heDas war nun- anderthalb Jahre r. Seitdem hatte Professor Mein hardt die eilige Einwilligung seines Schwiegervaters begreifen gelernt. Schon im zweiten Bierteljahre feiner ! Ehe war die fällige Rate des als Mit gift verheißenen bedeutenden Jahres zuschusfes ausgeblieben. Jm nächsten Jahre präsentirten die Lieferanten von Adas Ausstattung dem Ehemann ihre bisher unbezahlten Rechnungen Der Schwiegervater bat um Geduld "und Nachsicht· Sein Haus stehe vor einer großen Krisev Kein Wunder-, wenn er vor Jahren ohne Zögern die gute Gelegenheit er griffen hatte, sein einziges Kind in sichere Hut zu bringen. Alle diese unerquicklichen Verhält nisse hatte Professor Meinhardt Ada verschwiegen. Er war einigemale im Begriff gewe sen, ihr schonend die Wolle über ihres Vaters Haus zu zeigen. Hörte er dann aber ihr helles Lachen, so fehlte ihm der Muth. Jn ihrer Unwissen heit war Ada fa überglücklich Wäre sie nur hier! Jetzt würde er’s ihr sagen, würde ihr die Noth zeigen, die über dem Haupt ihres. Vaters hing. Er drückte auf den Knopf der elek trischen KlingeL Der Diener, der die Tasse Fleisch brühe und das belegte Butterbrod her ein brachte, trug ein Papier in der Hand. »Vor einer Stunde ist diese Depr sche gekommen. Herr Professor wa ren gerade im Operationssaal.« Unruhig öffnete Meinhardt das» Blatt. Es trug den Poststempelf Mannheim. Als der Diener dass Zimmer verlassen hatte, las er: ( »Heute Morgen auf Herrn Gräbersf l Verlangen Konturs angemeldet. Seit dem Herr Gräber nicht auqu inden.f Bitte die gnädige Frau schonen vor-! zubereitem Gerlach, Proturist.« f Da war es nun, dasUnheil, grauen voller, als er es hatte voraussehen tön nen. Und er hatte die kleine, lachende Frau nicht vorbereitet. Wo war Ada? Er mußte auf der Stelle nach Mannheirn fahren. Sie pflegte zur Frühstücksstunde ihres Mannes -niemals- auszugehen. Wo blieb sie heute? Aber vielleicht war sie gar nicht von Hause fort, vielmehr saß sie, wie so oft, in ihrem Boudoir in ein Buch vertieft. Er ging hin iiber. Nein, sie lehnte nicht in dem tiefen, weichen Sessel am Fenster, und schon beim Eintreten fiel ihm etwas , rerndes, Kahles im Gemach auf. ie kleinen Bilder ihrer Eltern fehl ten, die immer über dem Schreibtisch gehangen, hatten. Und was bedeutete der bläulichweisze Umschlag mitten auf der mattgrünen Brief-napr »An herrn Professor Dr. Rudolf Meinbardt. . Lieber Rudolf! Von Tag zu Tag erlenne ich mehr, daß ich Dir fremd bleibe, wie Du mir. Jch bin eben eine viel zu unbe deutende Frau für Dich, und Du bist für mich zu sehr der große Gelehrte, der der Allgemeinheit gehöri. Nur eine gewaltige Liebe könnte die Brücke schlagen. Jch habe einmal davon ge träumt. Jehiisi sie aufgewacht — Ueberzeugi, daß ich Dir damit lei nen Schmerz beröiie, lehre ich noch heuie zu meinem Vater zurück. Die nöthigen gesetzlichen Schritte zur Wie dererlangung unserer beiderseitigen Freiheit zu thun, überlasse ich Dir. Da ich der verlassende Theil bin, werde ich mein eingebrachies Vermö gen einbüßen. Sei gewiß, ich lasse es Dir ohne Groll. Nur meine per sönlichesFreiheiL bitte ich Dich, gieb mir zurück. Ada Gräber.« Professor Meinhardt steckte lang sam den Brief in seine Mensch-J Die Hand zitterte nicht einmal. Nur die Gedanken jagten in seinem Hirn, blitzschnell und unpersönlich. Ganz von selbst reihte sich Schluß an Schluß. Sie hatte geträumt. Nun swar sie aufgewacht. Wer aber hatte sie denn geweckt? Plötzlich weiteten sich seine Augen. Ein hochmüthiges, blasirtes Gesicht trat vor seine Phantasie, Sporen llirrten. Leo von Matternl Ein seit zwei Jahren in der Residenz ausge tauchter Sportsmann und Rennstall besitzen ein junger Mann ohne be stimmten Beruf, der aus großem Fuße lebte, den meisten Männern ein Greuel, aber trotzdem ein großer Liebling der Frauen. Der war’s! Der Professor steckte eine Geld summe zu sich und wars sich in die erste beste Droschie. »Zum Bahnhos!« Zur selben Zeit ging durch eine der aus den Bahnhos mündenden Straßen mit eiligen Schritten eine Frau in elegantem Reisetleid. Goldblonde Locken sielen unter dem großen Hut hervor fast bis aus die schmalen, dun ieln Brauen· Aus dem runden, rosi gen Gesicht, der sedernden Bewegungs der Glieder, dem ungeduldigen Aus schreiten sprach sorglose, tindliche Ju gend, aber die großen, dunkelbraunen Augen spähten unruhig unter dem breiten Hutrand hervor, und die tin-I terlippe schob sich unter die Vorder zijhne wie bei einem trotzigen Kinde, das mit Bewußtsein eine Unart be geist. i Da bog hastig ein eleganter, junger s Mann um die Ecke und faßte ihre’ Hand. i »Endtich, Ada! Endrich!« ! Sie schöpfte tief Athem. ,,Leo!« »Jn welcher Unruhe habe ich Sie erwartet! —- Hier das Billet. Es ist Zeit —- tommen Sie!« « Aber sie zögerte. »Mir ist so wun derlich. Jch —— ich will lieber doch nicht reisen.« »Nicht reisen? Ada, fehlt Jhnen plötzlich der Muth, einem Zustand ein Ende zu machen, den Sie selbst ent wiirdigend nannten?« »Ja, das habe ich ihm auf Jhren Rath hin sogar geschrieben. Und trotzdem — Leo, ich bitte Sie, lassen Sie mich allein zu meinem Vater rei sen.« »Allein! Den weiten Weg? Ada, vor mir werden Sie sich doch nicht fürch ten? Sie wissen, daß ein Wort von Jhnen mich nach Jhrem Willen lenkt. »So sehr liebe ich Sie! Jch bin Jhr Reisemarschall, Jhr Kamerad. Jch übergehe Sie Jhrem Herrn Vater und warte in Demuth ab, was Sie weiter iiber mich bestimmen.« Die Bahnhofshalle lag jetzt vor ihnen, mit ihren staubigen Perrons voll durcheinander wirbelnder Men schen Ada seufzte. Sie hatte sich den Bruch ihrer Ehetetten anders vorge stellt. Leo von Mattern redete eifrig auf sie ein« — »Ada, können Sie noch schwanken? Wollen Sie mein und Jhr Leben zerstören —- in einer An wandlung von thörichtern Edelmuth? Weiß er denn nur, was er an Jhnen hat? Jch weiß est Jch kenne Sie ganz. Jhm nehmen Sie nichts. Jch dagegen-J Während sie sprach, hatte sie angst voll forschend ihre Augen liber die zum Zuge diängende Menge schweifen las sen; mit einem Aufschrei riß sie ihren Arm aus dem seinigen. f »Da ist er! Jch hab’s gewußt!« ; Mattern zuckte zusammen, aber er faßte sich rasch und richtete sich stramm s Meinhardt stand schon vor den bei i den. Er grüßte höflich. Ganz ruhig sah er aus -—— unheimlich ruhig. Maiiern nahm die Hacken zusam men. —- ,,Herr Professor sehen mich zu jeder Genuguihuung bereit. Jch werde den ganzen Tag zu Hause bleiben, um die Freunde des Herrn Professors zu erwarten.« Meinhardt sah dein jungen Mann an. Etwas wie Spott blihte in sei nen Augen aus. »Ich vermag nicht in jedem Fall die Pistole» ais die glücklichste Lösung anzusehen. Für unsere Vermittelung scheint mir eine ruhige persönliche Aussprache vorläufig zweckdienlicher. Wenn ich Sie also bitten dürste, Herr Baron, mir zu folgen —- nur in das hoiel dem Bahnhos gegenüber. Der Wirth wird uns gern aus eine halbe Stunde ein Zimmer zu ungestörter - Unterredung zur Verfügung ftellen.« Mattern verbeugte sich. Durch die Billetthalle wanderten die drei zurück zur Stadt, zu dem be zeichneten HoteL Eine kurze Unterredung mit dem Portier. Ein Kellner öffnete ihnen einen kleinen Salon zu ebener Erde. Sobald sie allein waren, trat Ada auf Meinhardt zu. Jn ihren Augen blitz e der Muth der Verzweiflung. » he du ein Wort sagst, hör’ mich! Es ift alles wahr, wie ich's in dem Brief geschrieben habe. Jch fühlte mich überflüssig in deinem Haus. Da rum bin ich gegangen. Darum gehe ich zu Papa zurück. Das ift der Grund, der einzige! Jch brauche mich nicht zu schämen. Herr von Mattern wollte mich nur begleiten. Jch bin keine Unwürdige.« - Meinhardt hatte sie mit keinem Wort unterbrochen. Jetzt sagte er langsam: »Und wenn du frei wärest von dem Manne, bei dem du dich überflüssig fühltest, wie du sagst, dann wolltest du dich Herrn von Mattern schenken. ——War’s nicht so?« . Ada fah ihn an, öffnete die Lippen, aber die Stimme versagte ihr. Da sprach Leo von Mattern ftait ihrer. »Es wäre unwiirdig, Herr Professor, wollte ich mein Glück ver leugnen. Ja, die gnädige Frau hat mir in der That diese Aussicht eröff net.« Meinhardt nicktr. »Das ist’s was ich klar gestellt zu sehen wünschte. Jch danke Ihnen. Nach der herrschenden Sitte wäre-ich ja nun verpflichtet, Sie über den Haufen zu schießen, Herr Baron. Aber als ich mich vor anderthalb Jahren als ein schon sehr reifer Mann entfchloß, eine viel jün gere Frau zu heirathen, habe ich die Möglichkeit, daß sich die Neigung nachträglich einem Mann ihres Alters zuwenden könnte, von Anfang an ins Auge fassen müssen. Und nachdem nun festgestellt ist, daß meine Frau ihr Lebensglück in einer Verbindung mit Ihnen, Herr Baron, sieht, will ich diesem Glück nicht im Wege stehen. Jch bin bereit, unter gewissen Bedin gungen zurückzutreten und in eine Scheidung zu willigenI Unter der Voraussetzung allerdings-, daß Herr von Mattern meine Bedingungen an nimmt.« ,,Jede Bedingung, Herr Professor, die sich mit meiner Ehre vereinigen läßt« ,,Andere Jhnen vorzuschlagen, würde ich mir nicht erlauben,« erwi derte Meinhardt höflich. »Ich habe lmich, als ich diese sehr junge Frau heirathete, stets auch ein wenig als ihren Vormund betrachtet. Als sol cher fühle ich mich verpflichtet, ihre Zukunft zu sichern. Ich stelle also die Bedingung, daß Sie, Herr Baron, sich Edurchs-Ihr schriftlich gegebenes Ehrenwort verpflichten, Ada zu hei rfithem sobald« ihre Ehe mit mir gelöst l .« »Ich wünsche nichts sehnlicher, J Herr Professor.« s »Das ist wohl möglich, aber das ILeben ist voller Wechselfälle und un sere Wünsche wandeln sich-« ; Mattern runzelte die Stirn. »Herr fProfessor. wenn die Gewalt meiner f Liebe nicht einmal vor der Heiligkeit ? der Ehe Halt zu machen vermochte, so ! wüßte ich nicht, was sie sonst zurück s halten tönnte.« l l s »Ich dars also um eine schriftliche s Erklärung bitten.« s Meinhardt drückte auf den Knopf z der elektrischen Schelle und gab dem lherbeieilenden Kellner den Austrag. iPapier und Tinte zu bringen. Ada saß noch immer starr ausge richtet, im Gegensatz zu dem Sieger ausdruck in Matterns Zügen nicht«-J i als qualvolle Spannung in ihrem Kindergesich Mit leisem Knirschen glitt Meinhardts Feder über das Pa- I ter. ,,Dars ich bitten, den Revers durch zulesen, Herr Baron? Wenn Sie die. Güte haben wollen —- laut!« Mattern las: »Ich gebe hiermit mein Ehrenwort, daß ich Frau Ada Meinhardt, aeborene Gräber, heira then werde, sobald ihre Ehe mit Pro sessor Meinhardt gelöst worden ist, und zwar in der türzesten, gesetzlich zulässigen Frist, und ohne daß ir gendwelche etwa eintretende Umstände mich von diesem Ehrenwort entbinden lönnten.« »Stat) Sie bereit, diese Erklärung zu unterschreiber Herr Baron?« »Selbstverständlich, Herr Profes sor. Mattern nahm die Feder vom Tintensaß. Professor Meinhardt hielt das Blatt Papier noch in der Hand. »Noch eins-« sagte er, dem jungen Mann dabei scharf ins Auge sehend, »Herr von Martern, Sie haben sicher Verwandte, bei denen Ada während der Zeit der Scheidung ein anständi ges Unterkommen finden könnte?« Mattern sah verwundert auf. »Sollte die gnädige Frau nicht bei ihrem Vater am besten aufgehoben sein?« ,,Jn der That würde das Vater haus der angemessenste Aufenthalt sein,« stimmte Meinhardt in seiner unerschiitterlichen Ruhe bei. »Um so schlimmer,«daß Ada zur Zeit kein Baterhaus hat.« »Kein VaterhausL Kein Vater haus hätte ich?« rief Ada. Meinhardt sprach über die vor Aufregung Zitternde weg. »Ich weiß nicht, Herr Baron, ob es Jhnen schon bekannt ist, daß die Firma Gräber in Mannheim in Kon kurs gerathen isi?« »Konturs?« Ada war fassungslos. »Ja, es ist so!« Er reichte ihr die Den-fisk Gierig buchstabirten ihre Augen die blauen Schriftzeichen, bis sie mit ei nem Aufschrei das Blatt aus den Tisch wars-. ,,Papa! Er ist todt! Mein lieber Papa!« »Das steht nicht fes ,« erwiderte Meinhardt weich. »Sie aber, Herr Baron, sehen nun, daß Herr Gräber augenblicklich nicht im Stande sein dürfte, seine Tochter auszunehmen.« »Ja, ja, —« Leo von Mattern strich mit der Hand einige Male über seinen Spitzbart. Jn seiner Berlegenheit nahm er die Depesche auf und las sie. »Ein schweres Unglück! Ein sehr be dauerliches Unglück!« »Das auch Jhre Zukunft beein flussen dürfte Herr Baron. Sie be sinden sich auch in der angenehmen Lage, eine Frau ohne Vermögen wäh len zu dürfen.« »Ja, ja, allerdings. — Wenn auch ein kleines Nadelgeld — im Interesse meiner Gemahlin selbst —— ich meine, in Bezug auf meine Verwandten und die Welt — Ja, ja, schon ein kleines Nabelgeld würde schließlich genü en —« , »Ich verstehe. Sie» rechnen aus Adas in die Ehe eingebrachtes Ver mögen!« ' Leo von Mattern warf den Kon zurück. »Ich hab’ an al1’ diese Dinge überhaupt nicht gedacht, Herr Pro fessor. Erst Jhre seltsame und unver mittelte Eröffnung veranlaßte mich dazu.« »Ganz recht. Ein ritterliches Ge müth erwägt dergleichen nicht. Jch aber als nüchterner.Mann der Praxis fühle mich verpflichtet, Ihnen mitzu theilen, daß Ada von ihrem Vater überhaupt keine Mitgift in die Ehe mitbetommen hat. Es wird Jhnen also eine besondere Genugthuung sein, Herr Baron, der Frau, die Sie lieben, alles geben zu dürfen. Wenn ich also jetzt bitten dürfte, den Schein zu un terzeichnen?« Unwillkiirlich trat der junge Lebe mann einen Schritt zurück. Mit der Tochter eines armen Mannes in en-« gen Verhältnissen leben! Er zog sein Taschentuch hervor und iupste sich die Stirn. » »Jhre Mittheilungen sind so über raschend, die Dinge werden dadurch so wesentlich verändert, daß —« Er stockte, er begriff, daß diese Liebelei, die wie ein Lustspiel begon nen hatte, zur Tragödie seines Lebens wurde. »Herr Professor,« sagte er mit Würde, »meine Hochachtung vor der gnädigen Frau verbietet mir, unter solchen Umständen das Blatt Papier zu unterzeichnen.« fHerr von Mattern!« schrie Ada au . Aber sein Entschluß stand jetzt ganz fest. »Ja, gnädige Frau, ich schätze Sie zu hoch, uns. Jhnen ein Leben voll Demüthigungen zuzumuthen. Jch weiß, daß ich Sie einem Ehrenmann lasse, gnädigeFrciu.« Leben Sie wohl! —— Herr Professor, unsere Wege wer den sich schwerlich wieder kreuzen, da ich morgen eine Reise nach Uganda anzutreten gedenke. Jch habe die Ehre.« Die Tbür schlug hinter ihm zu. Nur ein kurzes Auflachen Mein hardts erwiderte feinen Gruß. Ach hatte ihr Gesicht in die Kissen des Sofas gepreßt. Sie sah nicht auf. Da legte Meinhardt ihr die Hand auf die Schulter. —— »Komm!« »Wohin? Mein armer Papa ist todt. Ich bin eine Obdachlofe.« »Du hast ein Haus, in dem du ge borgen und als geachiete Frau leben iannst, wenn du willf.« Da hob sie den Kopf, fah mit Eicheuem Blick zu ihm auf. Sein Ge sicht war undurchdringlich wie wäh rend des ganaen Auftritts, nur ein wenig müde, ein wenig traurig. i »Willst du mich wirklich wieder bei dir ausnehmen?« fragte sie kaum hdr bar. »Sollte ich dich jetzt verlassen?« Seine Stimme klang hart. Da bäumte sich noch einmal ihr Temperament auf. »O, besser aus der Straße, als in eines Mannes Haus, der nichts nach mir fragt, der mich nur aus Barmherzigkeit duldet!« »Ada! Hast du das wirklich ge glaubt? Glaubst du das noch? Nach dieser Stunde noch?« Sie senkte den Kopf, erschrocken vor der Flamme in seinem Blick, den sie nur kühl und Väterlich nachsichtig kannte. ,,Bergieb,« sagte sie unsicher, »ich weiß nicht, was ich denke, glaube es. Jch bin toll vor Kummer und Scham. —- Aber was du mich heißest, thue ich. Habe Geduld!« Meinhardt winkte eine Droschke herbei. Kein Wort wurde während der Fahrt gesprochen. In der Halle kam ihnen der Diener mit einer zwei ten Depesche entgegen. »Von Papa,« murmelte Ada. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Jns Zimmer tretend, hatte Mein hardt den Inhalt überflogen. »Armes Weib, « sagte er ernst »Jn der Siraßenbahn hat ihn infolge der Aufregung ein Herzschlag getroffen Jch fahre noch heute nach Mannheim und sorge dafür, daß ihm die letzte Ehre in würdiger Weise zutheil wird.« Sie fand lein Wort. Nur die Au gen hob sie endlich und sah ihn an, scheu und dankbar, und mit einer schüchternen Bitte —-— ein Blick, so tief, wie ihn ihre Augen bis dahin nie gehabt hatten. Ihn erschütterte dieser Blick. Stumm streckte er ihr die Hand hin nnd stumm und bebend leate sie ihre Finger hinein. Sie war kein Schmet terling mehr. Die Seele war in ihr taufgewachL die Seele, die leidet und H liebt. «Er fühlte es und selige Hofs nung zog siegreich über seinen ge lriintten Mannesstolz in sein Herz. O weh, ich hab’5 gewonnen. Hutnoreske von A d o lf T h i e l e. Jn einem Restaurant der Berliner Friedrichstrafze saß ein jüngerer Herr und las die Zeitung. »Mahlzeit!« sprach ihn da ein an derer Herr an, der soeben eingetreten war. Der Angeredete dankte, und der Andere, ebenfalls ein feingelleideter jijnaerer Mann, nahm Platz. ,,Lese da eben eine ganz unglaub liche Geschichter, Walter, begann der Erste, der Bankbuchhalter Kräticke. »Jn ein Juweliergeschäft tritt eine Dame, wählt einen Schmuck für vier hundert Marl und legt einen Tau fendmarlschein hin. Dem Verkaufer kommt die Sache faul vor, er schickt die Note nach einer Bank, um ihre Echtheit feststellen zu lassen. Die Dame wird ungeduldig, der Verlän fer machte Ausflüchte, sie wird ent rüstet, und als der Bote mit dem Schein ziirücllommt — er war echt — verläßt sie stolz den Laden, ohne zu taufen.« »Na, und weiter?« fragte der Freund. »Noch zwei Stunden kommt sie zu rück, sagt, sie finde sonst nichts Pas sendes, sie wolle den Schmuck neh men. Mit der größten Zuvorlommen heit wird ihr der Schein gewechselt, sie verduftet mit dem Schmuck und den 600 Mart, und natürlich —« »Was natürlich?« »Na, doch sehr sirnple Geschichte: Der Schein war falsch!« »Ein raffinirter Streich!« rief Walten »Aber hören Sie mal!« sagte Krä tide in ijlserlegenem Tone. ,,Solche dummen Kerle, darauf hineinzufal len.« ’ »Nun, so sehr dumm finde ich das nicht,« sagte Walten »Da fällt mir übrigens ein Geschichtchen ein, das die ser Tage meinem Schuster passirt ist. Jn seinem Laden in der Poststraße probirt ein fremder Herr Stiefel an. Eben hat er ein paar passende—aller beste Sorte——an den Füßen, da tritt ein anderer Herr in den Laden, ruft: »Ach, da sind Sie ja!« giebt dem An dern ein paar Ohrfeigen und springt zur Ladenthijr hinaus. Der Geschle gene ist zuerst perplex, dann ruft er: »Das lasse ich nicht auf mir sitzen! Einen Augenblickl« und springt hin ter dem Beleidiger her. Mein Schuster blickt den Beiden voll Spannung nach und —- tvartet noch heute auf den Schuhtäufer!« »Ach, was Sie sagen!« wollte Krä ticke rufen, besann sich aber auf seine Ueberlegenheit und hielt mitten im Ausruse inne, um nachlässig zu sagen: »Na, so ein dummer Kerl!« »Wieso?« fragte Walter. »Das ru hige Auftreten des Käusers, feind-Zut gespielter Schreck, sein leicht begr sti cher Wunsch nach Genugthuung—-das Alles mußte doch den Schuster täu schen!« »Wie kann man nur so reinfallen?" sagte Krätickse von oben herab. »Diese Spitzbuben wenden doch stets nur ganz simple Tricks an. Die Dummen wer den eben nicht alle, das sehen Sie doch schon an den Taschendiebstählen.« »O bitte,« entgegnete Walter, »zum Taschendieb gehört bedeutende Ge wandtheit. Es ist gar nicht leicht, Je mand etwas aus der Tasche zu holen.« ,,Blech!« erwiderte Krätickse tolerant. ",,Jeder halbwegs gewandte Mensch nimmt einem andern etwas aus der Tasche, wenn er den richtigen Moment abpaßt.« »Das möchte ich doch bezweifeln,« sagte Walten »Wollen wir swetten?« rief Kräticke. »Eine Kiste Zigarren, wenn ich Ihnen unbemerkt etwas aus der Tasche hole. Aber mindestens Achtpfenniger!« »Gut, ich halte die Wette!« Am nächsten Abend um sechs Uhr verließ Walter sein Bureau. Er ging die Königsstraße entlang, wo das üb liche Menschengewoge herrschte, und be merkte dabei nicht, daß Krätickie ihn abgepaßt hatte und ihm heimlich folate. Jn den Berliner Schaufenstern sieht man alle Tage etwas Neues, und Wal ter betrachtete daher mit Aufmerksam keit einige vortreffliche Bilder. Nicht lange darauf sah ein »Arbei ter, wie ein feingekleideter Herr einem andern ein Taschentuch heimlich her auszog. »Da is ’n Marder!« Mit diesen Worten wandte er sich an eine Gruppe von Männern. »Wo? Ach der da! Haut ihm!'« mit diesen Worten drangen die Männer auf den Taschendieb ein. Der Eine gab dem feinen Herrn zunächst eine schallende Ohrfeige, der Zweite besaß anscheinend eine besondere Fertigkeit darin, mit der Faust von der Seite zu stoßen, und versetzte dem Diebe ver schiedene fühlbare Rippenstöße, ein. Dritter hieb diesen mit einer Stange auf die Beine, und ein Vierter helt es fiir seine Menschenpflicht, ihn am Haar zu packen und heftig zu riitteln. Sofort bildete sich ein Menschen knäuel um die Gruppe. Der tödtlich erschrockene Taschendieb rief: »Aber meine Herren, ich bin ja gar kein Taschendieb!« »Was, kein Taschendieb?« rief der Erste »Ich hab’ es doch selbst gese en.« »Ich auch, ich auch!« riefen die An deren, und eine Hochfluth von Büser prasselte auf den Spitzbuben nieder; Eobald sein Gesicht frei wurde, fielen breite Hände wenig anmuthig auf seine Backen, und ein besonders für Ehrlich ) keit in Handel und Wandel schwärmen sder Mann hielt es für seine Pflicht, den herabgefallenen theuren Seidenhut des feinen Herrn zu einer unkenntli chen Masse zu zerstampfen. Der Lärm dieses Vorgang-s veran laßte Walter, sich von den Reizen Ve nedigs, die sich ihm eben im Schauer ster enthüllten, abzuwenden. Er trat auf den Knäuel zu. »Was ist denn hier los?« Mit dieser heiter-kräftigen Frage wandte er sich an einen der Wallenden. »Ein miserabler Kerl, ein Taschen dieb!« hörte er. »Aber meine Herren,« ertönte es, »ich bin ja ganz unschuldig, es war ja nur Spaß!« Die Stimme kam Walter bekannt vor, er drängte sich nach der Mitte der Zwickmühle. Kräticke stand in trauriger Verfas sung vor ihm, sein Haar war zerrauft, seine Backen waren geröthet, seineKra vatte herabgerissen. ,,Erlauben Sie, meine Herren,« rief jetzt Walter laut, »hier liegt ein Irr thum vor, dieser Herr ist kein Taschen dieb, ich kenne ihn!« »Ja natürlich!« rief der Zerpriigelte. »Wir haben ja gewettet ——« »Was, gewettet?« riefen einigeMän ner. »Freilich!« erwiderte Walter und befühlte seine Taschen. »Ach, mein Taschsentuch haben Sie genommen?« »Jawohl,« Jhr Taschentuchl« seufzte Kräticke· Nun klärte sich die Sache auf, und die vorher so entrüsteten Männer stimmten ein lautes Gelächter an, das Kräticte fast noch mehr schmerzte als die Piiffe. « Die beiden Herren zogen sich in einen Hausslur zurück, und nach dem Walter seine Garderobiersdienste beendet, sagte er: »Gratulire, Sie ha ben die Wette getvonnen!« »Ja« leider!« seufzte Kräticte. « »Noch ein solcher Sieg, und ich bin verloren! Oshweb, ich hab’s gewonnen!« — Und zugleich rieb er seine schmer zenden Rippen-— - —-— Stint-ermannt. Mutter: ,,Hans, Du gehst jeyt zu Schneider-E- und bleibst dort, bis ich komme.« Hans: »Nein, Mama, zu Schnei ders gehe ich nicht mehr, bei denen riecht es nicht einmal nach Benzin.« Bot-haft Dunklek Ehrenmann (zu einem Be kannten): »Und was mein Sohn jetzt fiit ein feiner Kerl geworden ist, der trägt sogar ein Akmband!« Der Bekannte: »Aus Gold oder Eisen!« 3. SBinbotyl), .jperauSfleber. (Sranb 3$lanb. Webr., 16. 1905 (£ioeiter Xfjetl.) ^laljrgang 25 Wo. 42.