Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 09, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    Jim, Jess und Joe.
Von denry F. Urban (NewYort)
Es war so gegen Nachmittag drei
Uhr, iin Frühjahr, da erschien im,
der Bauer, am Broadway. Er atte
einen altväterischen langen Ge rock
an, von lehingelber Färbun , der ihm
viel zu eng war. Seine Ho en waren
schwarz und weiß larirt und viel zu
kurz, so dasz die baumwollenen rothen
Strümpfe sichtbar waren. Seine Fuße
steckten in groben plumpen Schuhen,
dieRisse hatten und aussahem als
waren sie seit lehtem Sommer nicht
geputzt worden. Statt des Kragens
hatte er ein grünes Tuch um den Hals.
Aus dem strohlgelben ar sasz ein
iacherliches brannes rby-Hutchen
rollerBeulen, das oben grau und riin
schimmerte vor lauter Alter.
rothes jugendliches Gesicht war glatt
rafirt und aus der Nase trug er eine
silberne Brille aus der Zeit unserer
Großvater. Jn der Linien hielt er
einen Negenschirm aus hellblauer ver
ichossener Baumwolle und in der Rech
ten eine Reisetasche aus buntscheckigem »
»in.
Teppichstofs — beide so altmodisch wie s
nur dentbar.
lich den Broadioay hinauf. Hin und
wieder schoß ein Strahl braunen Ta
Latsastes aus seinem Munde aus die
Straße. Ihr könnt Euch vorstellen,
was fiir ein Aussehen dieser Bauer
unter den hastigen Dollarjiigern und
den eleganten Frauen des Broadway
irxcchtr. Er roch förmlich nach dein
Pserdestall und dem Kuhstall Man
niktterte Landlust, wo er ging· Alle
Augenblicke lief er gegen Jemanden
an, ohne sich zu entschuldigen, zum
Aerger der Angerannten und zum
Ergötzen der Anderen.
Ein langer Schwanz von Jungen
und Mägdlein hing ihm an und war
tei- der weiteren Verwiclelungen, die
der junge Bauer veranlassen konnte.
Wo tam er her? Aus New Jersey?
oder ans Pennsylvanien? oder noch
ireiter her, ans Ohio? So nahte er
sie-, dem riesigen Wolleniratzer an der
gli. Straße, dem sie wegen seiner drei
religen Form den Namen »das Bügel
eisen« gegeben haben. Osfenbar
liaite Jim noch nie einenWollentratzer
gesehen. Denn je näher er dem Ge
So stapste er geinüth- »
dar-de kam, desto grosser wurden seine
i«;ugen, desto weiter öffnete sich sein
Mund mit den gelben Zähnen darin.
Er stolperte jetzt über Alles und e
des, das ihm in den Weg lam. -S
hagelte leisere und lautete Verwün
schungem Und wie er nun an der
spitzen Ecke des »Bii eleisens« ange
langt war, blieb et ehen und gafste
die zwanzig Stockwerle hinauf· Im
mer mehr beugte er sich nach hinten
über, um bis zum Dache hinaussehen
zu können. Zuletzt bildete sein Kör
per fast einen rechten Winkel nach
rückwärts-. Und plötzlich verlor er
das Gleichgewicht und schlug aus das
Pilastet, daß es tnallte. Weibliche
ctimmen schrieen erschrocken aus.
Mönnliche Stimmen riefen »Hoh!«
oder lachten. Einige sprangen herzu,
d.ni Tölpel auszuhelsen Er ließ eg sich
r·efallen. ohne eine Miene zu verziehen
lsnd ohne ein Wort des Dante-D wie
wenn er stumm wäre. Seine Reife
tasche war ihm bei dem Falle aus der
Hand geglitten und lag etwas abseits.
Und jetzt entdeckten die Leute, daß auf
der einen Seite, die nach oben lag, ein
Stück weiße Leinwand mit plumpen
Stichen angenäht war. Aus der Lein
wand stand in ebenso plumpen schwar
zen Buchstaben, wie von ungelenter
Farmershand etwas geschrieben, ähn
Sich einer Reise-Adresse Neugierig,
tvie die Weltstädter sind, drängten sie
sich herzu und lasen: .,Pkäsident
Rrosevelt taust seine Hüte nur von
Ben Shutnaler. Es sind die besten
ttbis 5 Dollars das Stück.«
Ein lustiges Gelächter erhob sich.
Jemand sagte: »Da sind wir nicht
schlecht reingefallen!« »
Ein Anderer sagte: »So ein gerie
tsenes Luder!«
Der Bauer aber nahm seine Tasche,
tel,rte die beschriebene Seite sorgfältig s
nach innen und stapste mit feierlichem s
Gesicht« in dem sich tein Muskel regte, s
vnn dannen. s
Einige Jungen sagten: »Laßt unss
ihm sol en. Wir wollen sehen, was er
jetzt.tre bt und wen er fest herein
legt.« .
Und Jim niarschirte weiter. An der ’
24. Straße treuzte er den Broadtvay. J
Ali- er Eber den Damm schritt, be-s
merlte er die Spalte siir den eleltri
scken Untergrnnd-Betrieb zwischen !
ten Schienen der Straßenbahngeleise. l
Tief unter der Spalte hörte er etwas !
sau en und surren. Er blieb stehen,l
mitten aus dein Geleisr. Dann lsiete
er nieder, guckte in die Spalte und
slocherte mit der Spitze seines blauen !
Regenschirmeö drin herum. Eine !
Menschenmenge ammelte sich und sah i
belustigt oder ertannt dein Bauer zu. T
Dicht bei dem Bauer brachte ein Wa
gensiihrer seinen Straßenbahntvagen
jäh zum Halten und ries:
, »H«h «-—«-— Stoppelhopserl Bist Du s
verrückt? Mach’, daß Du vom Geleisel
lornmst!« Der stocherte ruhig toeiterJ
Schon standen vier weitere Wagens
hinter dem ersten. Der sette deutsche
Polizist von der nächsten Straßenecke
scls den Auslaus. kam herbeigelausen,
trat dem Bauer aus die Rundung zwi
schen Rücken und Beinen, packte ihn
reirn Kro en und riß ihn in die Höhe.
Dann er uchte er ihn laut und ber
stöndlich, zur Hölle zu gehen mit sei
nsm Unsug. 0eint betrachtete den Po
lizisten mit ossenem Munde wie ein
neues Broadway-Wunder. Dann trot
ute er aus den uszsteig Hier bis
Inte er seine Resetasche, nahm eine
kchiibi e Aleidekbiirste heraus und bür
rte ch sorgsaltrg ab, besonders die
Rückseite Dabei fiel eine Men e
alter Posttarten au die Erde. r
schenkte ihnen keine eachtung, son
dern that die Bürste wieder in die
Reisetasche, llappte sie zu und ent
fernte sich. Alles stiirzte sich auf die
Prstkarten. Sie besagten: »An A.
L. Baker Fe Co» New York, 30·0
e’k«iinfte Avenue, bitte senden Sie mir
iosort noch lDutzend Schachteln Je
rer unvergleichlichen Anti-Berstop -
tin-is- PillenX
Da lachten die Leute wieder und
saqtenx »Der versteht st«
l si- iis si
Ein under Mal, auch wieder an»
einem schönen Frühjahrs-Nachmittag,
war wiederum ein großer Auflan am
Broadway. Die Menschen standen
vor einer Apotheke Aus der Apotheke
lam plötzlich Jeff, der Landstreicher.
Bo etwas Verwahrlostes hatte der
Broadway lange nicht gesehen Jn
fe: ner Berwahrlosung wirkte er wie
eine boshafte Berhöhnung des Luxus
um ihn her. Jeff war von Kopf his
zu Fuß ein wandelndes Lumpen
tiindeL Er trug einen ver chlissenen
Frack, der vorn mit einem indfaden
zuaebunden war. An dem Bindfaden
hing an dem Bauch eine Kuhflocke
Die Kopfhedeckung war ein Zy inder
ohne Deckel Kinn und Backen deckten
aritige blonde Bartstoppeln, die Nase
trar fuselroth Aber er war trotz
tcm ein moderner Landstreicher.
Gehen- eFiel ihm nicht im Traum ein.
Jkll fuhr. Da er sich tein ganzes
ijeirad leisten konnte, fuhr er auf
einem halben. Das heißt: es war das
Vorderrad eines alten Zweirads, dem
der Gummiring fehlte und die Lenk
st.inge. Aber es hatte einen schmutzi
aen, ledernen Sitz und zwei rostige
Pedalr. War es möglich, daß Je
mand auf diesem wider-sinnigen Jn
strnment fuhr? Jawohl, es war mög
lich. Jeff wird’s Euch sogleich zeigen.
Jeff kratzt sich erst an verschiedenen
Stellen seines Körpers, wegen der
vielen Bluts-verwandten, die er hat.
Und nun hohl-! sitzt er auf dem Rad,
ganz frei, und fährt unter dem stau
nenden Gelächter des Publikums da
von. Ab und zu, wenn ihm eine
Ciraßenbahn entgegenkommt, him
melt er wie rasend an der Kuhglocle
auf seinem Bauch und winkt dem
Wagensiihrer. Es ist fabelhaft, wie
er sich zwischen dem Wagengewimmel
hindurchfchlängeli. Jetzt scheint er
rettungslos in eine Droschle hinein
zurennen. Frauen treischen. Aber
mit einem jähen Ruck wendeter um,
so jäh, daß es aussieht, als miisse er
mit dem Rad umfallen. Die Leute
nsachts nervös. So sauft er him
melnd und sich tragend hin und her.
Vor jedem Polizisten an einer Stra
kcnecke nimmt er den deckellosen Cy
linder ab und bimmelt einen Salut.
Es ist zum Wälzen «- wahrhaftig!
»Warum verhaften Sie den Kerl
nicht, er ist ein Vertehrshindernißl«
lsrüllt der Droschlenlutscher wiithend
rom Bock herunter.
»So dumm!« sagte der Polizist.
,Dag will er ja gerade!«
Jesf hat das gehört nnd fahrt nun
aus Niederträchtigkeit unausgesetzt
:!m den giftigen Drofchlenlutscher
l:c:«um. Der wird immer giftiger und
flucht, daß dem Gaul die Haare zu
Berge stehen. Die Zeitungsjungen
teilten vor Entzücken Immer mehr
Lilienfchen sammeln fich. Jesf läßt jetzt
von dem geplagten Drofchlenlutselief
ab. Ihm wird warm, sehr warm. Er
niiirft im Fuhren die Strippe um
den Rock ab, dann die Kuhglocke, zieht
den Rock aus, bindet die Kuhglocke
wieder vor, nimmt den Rock über den
Arm. Hinten auf der Weste hängt
ein Plalat mit der Aufschrift: »Das
ist ein halbes Famaisweirad das so
extoag aushält. Ein ganzes hält
ewig. Preis 25 Dollars.«
Da wieherten die Leute vor Lachen
und meinten: »Nicht übel, wahrhaftig
nicht übel!«
.«. .- .-.
Wieder ein Mal wars ein liihler
Herbstabend am Broadway, schon so
mich dem Winter zu. Jm Schauspi
ster des Kleiderladens stand beim
Schein eleltrischer Lampen eine Glie
dcrpuppe. Ein Zettel besagte, es sei
di schöne Joe, die volllotnmenste aller
Gliederpuppen. Saperlipopette -—- er
nsar auch wirllich schön! Er steckte in
einem dunkelbraunen, funlelna el
nenen Anzug, der ihm so prall ffasz
wie das Kalbssell auf der Trommel
Aus der Rocktasche linls sah der.
Zipfel eines schneeweißen Taschen-’
incbes heraus und darüber im Knopf
loch stal eine mächtige .elbe Chrysan- !
theme; sie war lünstli . Jm roth
seldenen Schlips funlelte ein mächti
aer Diamant aus Glas· Auch hatte
er blitzende Lackstiefel an und trug»
einen ebenso blitzenden Cnlinder nach
der neuesten Mode. An den Händen T
Monaten die feinsten Leder-Hand
schuhe. Sein Schnurrbart war dun- ’
telbraun, aber man lonnte sehen« daß
er nicht echt war. Und zwei lnalls
rkthe Backen hatte er und zwei knall
rothe Lippen, das; es eine Freude war.
Kurzum — es war dasEbenbild eines
schönen Mannes, wie er den jungen
Mädchen im Traume zu erscheinen
pflegt. Schade nur, daß es blos eine
Gliederpuppe war.
So stand er im Schanfenster und
stierte nach Art der Gliederpuppen mit
zwei glänzenden dummen Augen re
gungslos geradeaus in die Ferne. Jn
der rechten Hand, die ein wenig er
hoben war, hielt er eine Tafel« die
verkündete, daß drinnen im Laden die
tadellosesten herbst-Anziige siir Her
ren von 20 Dollars aufwärts an e
fertigt würden. Dann plötzlich ob
er mit einem Ruck die ltnle hand, die
ebenfalls eine Tafel hielt —mit einer
W-» —q,—» » »
ähnlichen Jnschrift daraus· Zugleich
fuhr die rechte Hand mit einem Nuck
nach unten, nur der Kopf drehte sich
ebenso ruckweise nach links. Einige
Minuten späer beim nächsten Hände
wechsel drehte er sich ebenso ruckweise
nach rechts. So trieb er’s unausge
setzt. Die Menge, die vor dem Schau
fenster stand, beobachtete das mit gro
ßer Andacht. Besonders die jungen
Mädchen waren ganz entzückt und
konnten sich nicht sattsehen an dem
schönen Joe.
»Ach, wenn ich so einen Mann be
täme — wie glücklich wäre ichl«
seufzte die kleine Mamie, die bei Linn
stone cke Co. Ladenmamsell war.
»Wie schade, daß es nur eine Glie
derpuppe ist!« meinte ihre Freundin,
die kleine Cissy.
Jm selben Augenblick stieß sie ein
allerliebstes Schreichen ans. Die Glie
,derpuppe hatte plötzlich die Uhr aus
der Tasche gezogen, einen Blick darauf
geworfen und sie wieder in die Tasche
gesteckt. Dann hatte sie den Leuten
auf der Straße eine lange Nase ge
dreht und war mit einem Satz in den
Laden hineingesprungen und ver
schwunden. Ein schallendes Gelächter
erhob sich aus der Straße.
»Nein —- so was!« sagte die kleine
Mamie. »Nun ist er doch lebendig.
Jetztwarten wir, bis er das noch ein
mal macht.« Jm Ladensenster zogen
sie einen Vorhang herunter und als er
wieder hochging, stand abermals der
schöne Joe da, als Gliederpuppe, und
abermals sammelten sich Leute, um
ihm zuzusehen — —
åt II M
Aber Jim, der Bauer, und Jefs, der
Landstreicher, und Joe, die Glieder
puppe, waren allesammt ein und die
selbe Person, nämlich John Geiger,
der Sohn eines braven deutschen Bar
biers aus der Avenue A in New.York.
Sein Vater hatte ihn vor zwei Jahren
aus dem Hause geworfen, weil er ein
arbeitscheuer Thunnichtgut war.
»Für Drohnen,« hatte er ihm nach
gerufen, ,,ist in diesem Lande der flei
.ßigen Bienen kein Raum. Werde eine
nützliche Biene. Lerne etwas Ver
niinftiges und arbeite. Nur so wirst
Du’s zu was bringen!«
i
Biene und arbeitete schwer im Dienste
sder Retlame, bald als Jim, der Bauer,
jbald als Jess, der Landstreicher, bald
Hals Joe, die Gliederpuppe. Er reiste
siiber die ganzen Vereinigten Staaten
Hund verdiente ein Heidengeld Als er
jPapa Geiger zum ersten Mal wieder
aufsuchte, umarmte der ihn gerührt
und pumpte ihn um 500 Dollars an
fDann sagte er: »Dies- ist wirklich das
Land der unbegrenzten Möglichkeiten
siir den, der arbeitet! Gott sei mit
Dir!«
,,Amen!« sagte John. »Du mußt
mir aber drei Prozent Zinsen auf die
fünfhundert Dollars zahlen. «
! ---——.—. --—---——
Des Richters Uhr.
Humoregle von J. Kn op f.
Der ehrenwerthe Herr Cadbi), der
in New Orleang das schwere Amt
eines Richterg bekleidete, war nicht
inur ein dorziiglidfer Jurist, sondern
auch ein guter Gatte und Haue-baten
Oelten ermangelte er aus seinem
»Ganz-re nach dem Gericht, den aus dem l
Wege liegenden Martthallen einen.
"Besuch abzustatten, um von den dort;
prandenden Leckerbissen der Saison
einige zu taufen und sie seiner lieben
«Gattin nach Hause zu senden. Maul
wußte dies-» und manche Ehesrau hielt !
ihrem weniger ausmertsamen Mann
den guten ZlJtisier Cadbh als Muster
exemplar vor.
Wieder wandelte Mister csadby i
nach dem Gericht; an seiner Seitel
hatte er einen guten Freund und Kol-: «
legen. Heute ging er nicht zur Markt
halle. Er war nicht ruhig genug da
zu, denn ein doppelter Raubmörder
sollte zum Tode und zu sieben Jahren
Ehrverlust verdonnert werden.
Vor dem Kriminalgericht hatte sich
eine große Menschenmenge angesam
melt, die die neueste Berühmtheit —
eben diesen Doppelmörder — sehen
wollte. Ehrfurchtsvoll machte man
den beiden Mchtern Platz. Da —
während sie durch den Menschenhau
sen schritten, saßte Mister CaCdby nach
seiner Uhr· Ein leichter Schreck —
sie war nicht da. Doch er faßte sich
schnell.
Und John wurde eine nußche
l
»Diese entsetzliche Zerstreutheit« —
bemerlte er mit feiner lauten Stimme
gegen den Kollegen gewendt —-—— »dnl’
Dir nur, wieder ’mal habe ich meine
goldene Uhr auf dem Nachttisch liegen
lassen«
Der Freund lachte.
»Na, Du wirst Deinem Mörder auch
ohne Uhr sagen lönnen, wann seine
letzte Stunde ichliigt.«
Womit die Sache abgethan war.
Das Urtheilt war gesprochen. Miß
muthig lehrte Mister Cadby in das
eheliche Heim zurück. Mißmuthig —
denn der Mörder war zwar zum Tode
verurtheilt worden, aber die sieben
Jahre Ehrverlust — die hatten die
Gelchworenen gestrichen. (
Zärtlich empfing ihn die liebende
Gattin. Ein leckeres Mittagsmahl
stand bereit.
Da, man war gerade bei der Suppe,
fiel dern Richter feine Uhr ein.
»Ach Frau,« tagte er, »thu rnir doch
den Gefallen nnd hole mir meine Uhr
vom Nachttisch. ich habe sie heute lie
gen lafsen.«
Die Frau lachte.
»Aber Cadby, Du wirst immer ber
geßlichert Wo soll das nur hinführen!
Jch habe sie Dir doch schon vor drei
Stunden nach dem Gerichtshof ge
schickt!«
« »Unmöglich!« fiel Mister Cadby
ern.
»Nicht unmöglich. Du hast sie ja
selbst holen lassen."
»J-—i—ch?« Entsetzt ließ er den
Löffel fallen. Jhm ahnte Schreck
liches.
»Ja, Du! fuhr die Frau eilig fort.
»Du warst kaum eine Stunde fort —
ach, was sag’ ich, kaum eine halbe
Stunde war’s —- da tlingelte ein hüb
scher, junger Mann — ein Gerichts
bote, wie er sagte. Der brachte mir
eine prachtvolle Rehleule, die Du heute
in der Martthalle getauft hast, mit
einer hübschen Empfehlung von Dir.
Ich möchte sie übermorgen auf die Ta
fel bringen, so sagte er. Schon wollte
er gehen, da besann er sich, Du hättest
Deine goldene Uhr auf dem Nachttisch
liegen lassen, und er solle sie Dir gleich
mitbringen!«
Mister Cadby flimmerte es vor den
Augen.
»Und Du —— gabst ihm die Uhr?«
»Na gewiß! Oder« ——— nun wurde
Mistreß sCadbh aber doch ängstlich —
,,hätte ich etwa nicht sollen?«
»Nein, Du hättest nicht sollen, Du
Juwel von einer klugen Frau!« brüllte
Mister Cade wüthend. »Wie kann
eine Richtersfrau nur so — so« —
Mister Cadbh besann sich rechtzeitig
auf seine gute Erziehung —- »so —
leichtgläubig sein. Einem verständigen
Menschen dürfte so etwas gar nicht
passiren. Danke für den Tausch! Eine
Rehieule für ’ne goldene Uhr! O
sancta simplicita5! Die Rehkeule hat
der Schuft selbst gekauft, um den
Gimpel auf den Leim zu locken· Ahnst
Du jetzt was?«
An jenem Tage aßen Herr und Frau
Cadby nicht weiter.
Geschehenes läßt sich nicht ändern,
und so war der uhrenlose Richter am
nächsten Morgen milder gestimmt.
Eine zärtliche Uniarmung -- ein
sanfter Kuß, und Frau Cadby war
wieder versöhnt und versprach, ihm
die bösen Worte von gestern nicht mehr
nachtragen zu wollen.
Wohlwollend ermahnte Cadby seine
kleine Frau, nicht mehr so leichtgläu
big zu sein, und beruhigt ging er dann
aufs Gericht. Die Sitzungen dauerten
lange, und mit einer sehr großen Ver
spätung kam er wieder zu Hause an.
Dort erwartete ihn schon seine Frau
ungeduldig. Freudig umarmte sie den
Ueberraschten und srohlvckend rief sie.
»wes-suchen — trat-by es ist doch!
reizend, daß wir Deine Uhr wiederj
haben!« ’
»Wie — was haben wir wieder?«
fragte er überrascht
»Nun ja, Deine Uhr; sie haben doch
den Hckllunten von Dieb erwischt Und
ihn des Diebstahl-Z über-führt«
Dem Richter wurde schwül zu
Muth; er zog das Taschentuch hervor
und wischte sich die feuchte Stirn.
»Frau, Du sprichst in Räthseln.
tirtliire Dich deutlicher, denn ich weiß
weder von dem Dieb noch von der Uhr.
Was ist das nun wieder?«
»Aber, lieber Gott,« stief; die Frau
betroffen hervor, »heute gegen Mittag
tlingelte wieder ein sehr sein gekleide
ter Herr, stellte sich alS Gerichts
sctxreiber vor und erzählte, der Dieb
Deiner Uhr wäre glücklich erwischt.
Zu seiner vollständigen Uebersiihrung
beviirfe es nur noch des Corpug de-«
liiti. der Rehteule. Aus Deinem Be
fehl sei er deshalb zu mir geeilt, und
er bitte um die besagte Keule«
»Und — Du ——s hast sie ihm ge
geben?«
»Na natürlich! Einem richterlichen
Beschlusse darf man sich doch nicht wi
versetzen «
Zerschmettert sant Mister Cadby
in einen Stuhl·
Doppelt betrogen! Denn der Spitz
bube hatte sich natürlich gehütet, der
Polizei in die Arme zu tausen. O,
diese schlaue Frau! Sich auch die
tröstende Rehteule abschwindeln zu
lassen!
Und diesmal besann sich Mister
Cadbv nicht rechtzeitig aus seine gute
Erziehung
—- — —,-A
Vom Leben.
Nun breche ich wieder die Zelte ab,
Eine Spanne Zeit sinkt wieder ins
Grab;
Und was ich hoffte und was ich litt,
Tag Gute und Schlimme, das stirbt
mit,
Und alles umweht ein liebes Licht
Als wie ein theures Todtengesicht . . · .
Was bringt mir die nächste Spanne
Zeit?
ich denke viel Hoffen und viel Leid;
Dann öffnet sich wieder das breite
Grab,
Und wieder sinkt ein Stück Leben
hinab.
So gehe ich weiter, das Ziel kommt
heran,
Hoser und Leid sind noch immer
dran,
Und dazwischen zur Stärkung und
Herzensstillung
Ein bißchen Sonne,lein wenig Erfül
ung,
Und doch, wenn die Stunde zum
Schlage hebt-—
Jch habe mein Leben gern gekebtt
Wie man ausbricht
Die Romane der älteren Zeit sind
reich an Fluchtversuchen berüchtigter
Verbrecher, die oft ihr Leben auf’s
Spiel setzten, um ihren unfreiwilligen
Aufenthalt verlassen zu können. Daß
derartige Fluchtbersuche auch heute
noch vorkommen, kann man fast täglich
in den eZitungen lesen und wenn wir
hier einige solcher Versuche aufführen
so handelt es sich um Borsälle, welche
die Kühnheit und Ausdauer des ge
wöhnlichen Verbrechers bedeutend
übersteigen und wohl der Beachtung
werth sind.
Vor einigen Wochen entfloh ein
französischer Einbrecher aus seiner
eZlle im Gefängniß zu Lille in wahr
haft wunderbarer Weise. Er stellte
sich vermittels des Brotes, das er er
hielt, einen Abdruck des Zellenthür
schlosses her, und machte sich dann,
ebenfalls aus Brot, eine Form, in die
er einen Schlüssel aus dem Metall ei
nes Zinntruges preßte, den er auf ei
nem Kohlentopf geschmolzen hatte.
Mit unsäglicher Mühe öffnete er die
Zellenthür, wiederholte dann das Ber
fahren, indem er sich einen Schlüssel
für die massive Thür des Kjorridors
anfertigte, in welchem seine Zelle lag,
und schließlich kam er ungehindert in
den Gefängnißhof, nachdem er fast
zwei Jahre auf diese Vorbereitungen
verwendet hatte. Er ertlomm die mit
zerbrochenem Glas bestreute Mauer,
fegte das Glas mit einem Besen, den
e’r sich ebenfalls hergestellt, zur Seite,
brach in das nächste Haus ein, stahl
dort einen Anzug, verschwand und
ward bis heute nicht wieder gesehen.
Vor einigen Jahren machte ein
englischer Verbrecher ebenfalls einen
äußerst sinnreichen und fast unglaub
lich erscheinenden Flrichitversuch Er
hatte sich in den Besitz eines Schrau
benschlüssels gesetzt, den er, wenn er
ihn nicht benutzte, außerhalb seines
Zellensensters an einer Schnur auf
hing, und vermittels dieses einfachen
Instrumentes gelang es ihm, ein Loch
in die dicke Mauer seiner Zelle zu
bohren. Er brach die Ziegel aus, so
daß er sie nur herauszunehme nbrauchs
te, und füllte die Löcher, die entstan
den, mit den Blättern seiner Bibel
aus, während er die Kanten mit Seife
beschmirte. Das wiederholte er drei
Jahre lang täglich.
Er ging mit ungeheurer Geduld zu
Werte, bis er schließlich ein so großes
Loch durchgebohrt hatte, dasz er hin
durchkriechen konnte. Vermittels einer
Strickleiter, die er sich aus gestohlenem
Material —er wurde mit dem Flech
ten von Matten beschäftigt —.her
stellte, stieg er in den Gefängnrßhof
hinunter. Hier indessen sah er· sich
einer hohen Mauer gegenüber, die er
tsfcht erklimmen konnte; man bemerkte
ihn und brachte ihn in das Gefängniß
zurück.
Ein englischer Kriminalist erzählte
rrn der Flucht eines Verbrechers aus
dem Gefängniß zu Nottingham. Der
Gefangene war aus seinem Zellenge
sängnifz gellettert und hatte sich ver
mittels des Blitzableiterg auf das
Dach des Gefängnisse-Z geschwungen.
Hier trennte ihn ein breiter Abgrund
ron dem Dach des nächsten Gebäudes.
«·«.·it verzweifeltem Sprung gelang es
ihn, den Raum zu iiberspringen,
dann kletterte er wie eine Katze am
Wasserrohr des Hauses hinunter, in
welchem merkwürdigerweise ein Poli
zeibureau lag.
Eine sehr gefährliche Flucht wird
auch aus dem englischen Gefängniß
zu Dartmoor berichtet· Dort war ein
Gefangen-er beschäftigt, mit mehreren
Genossen einen Schornstein ·zu bauen.
Im Einverständnis-, mit diesen ver
steckte er sich in einer Nische, während
seine Mitarbeiter weiterfchafften und
Ilin sozusagen in den Ziegeln ein
mauerten Als die Nacht hereinge
lrrrchen war, gelang es ihm mit über
menschlicher Anstrengung, die Mauer
dssrchiubrechem er gelangte auf die
Straße und ward nie wieder gesehen,
ooivohl sich die englische Polizei alle
Fitiilse gab, um sich seiner wieder zu
ermächtigen
——--—R.
Onkel Sam alø Wasser-Ratsp
gehet-.
Die Abtheilung unseres geologi
schen Bundesdiensieg, welche der Hy
dxologie oder Wasser-Nachsorscl)ungg
lunke gewidmet ist, hat schon Viele-;
Werthvolle hinsichtlich der Untersuch
ung sowohl von Oberfläche: wie von
Untergrnnd - Quellwässern geleistet
und steht irn Vergleich zu ähnlichen
Institutionen in einer Reihe anderer
Liinder auf einer hohen Stufe.
Sie erfreut sich denn auch großen
Ansehens im Auslande, nnd schon
öfter wurde ihr Rath von denchie
rungen anderer Länder in Anspruch
genommen. So hat sich im verfloss
senen Jahre Peru einen Hydrologen
von uns geborgt, um vielleicht an der
beinahe regenlosen Kiiste jenes Landes
Wasser aus dein Boden zu gewinnen,
nnd auch das Colonialanit von Ber
niuda wandte sich in gleicher Sache an
Onkel Sain um Rath. Und neuer
dings sucht Antonio Olhntho, welcher
der Eommissär Brasiliens auf der St.
LouiserWeltausstellung war, im Auf
trag seiner Regierung bei unserer
lsydrologischen Abtheilung Auskunft,
welche es den Brasilianern ermögli
chen soll, ihre, unter dem Boden lie
genden Wasserhilfsquellen zu ent
wickeln. Für Brasilien ist dies von
besonderer Wichtigkeit; denn aner
lannterrnaßen sind diese Oilfsquellen
sehr bedeutend, aber noch so gut wie
garnicht ausgebeutet, so förderlich
dies auch für die culturelle Entwick
lung des Landes wäre!
Ballgespråch.
Junger Mann: »Waren Sie schoß
einmal in China, mein Fräulein?«
·Fr·ciulein: »Nein! Und Sie?«
cgtijnger Mann: »Ich auch noch
1,’ t «
Fräulein: »Merlwürdig, da waren
wir ja Beide nicht dort. «
Fortschritt.
»Du, Deine Tochter lernt Klavier
spielenL Macht sie denn Fortschritte?«
»Und ob! Den ersten Monat, als
sie lernte, zogen alle Parteien im
ersten Stockwerk aus, und jetzt haben
alle Parteien im zweiten Stockwerk
gekündigt!«
Prattisch.
»Das Klavier, den alten Klimm
tasten meiner Frau, habe ich gegen
inne Violine eingetauscht.«
»Ach, was hast Du da geil-aus«
»Nu: Verniinftigesl Jetzt wenn
meine Frau schlecht spielt, kann ich die
Violine zum Fenster hinauswersem
mit dem Klavier ging das nicht «
Die junge Frau.
»Ich habe neulich einen Schinken
bei Ihnen gekauft; haben Sie noch
welche?«
»Gewiß, hier hängen sie.«
»Sind sie aber gewiß von demsel
ben Schwein?«
»Jawohl!«
»Dann geben Sie mir noch vier
Stückl«
ZuvieL
Räthim »Ich habe so viel Ber
irauen zu Ihnen, Herr Schnäbler, daß
ich Ihnen mit ruhigem Gewissen
meine älteste Tochter anvertrauen
tdnnte!«
Schnäbler: »Es ist zu viel, Frau
Räthin, so ein großes Vertrauen kann
ich nicht annehmen!«
Borsichtig.
Hauswirthin (zu dem neu ein itza
aenen Studenten): ,,Wann wünschen
Sie morgens geweckt zu werden . . . um
sieben?«
»Meinetwegen; ich kann Jhnen aber
nicht versprechen, daß ich dann schon
zu Hause bin!«
Wahre Liebc. »
»Der sicherste Beweis, daß ein
Mann seine Frau liebt, ist, wenn er
.hr alles kauft, was sie wünscht.«
. »Ganz und gar noch nicht« Der
! sicherste Beweis ist« wenns er ihr alles
:tqut, was sie sich wünscht, —- und
:n.cht darüber raisonnirt.«
Vom Stnudcsamt.
Taxameter: »Ic! will msci Neige
borenet anmelden!«
Standesbeainter sden Fall registri
rend): ,,Also heute haben wir den
i 25.«
Taxameter: »Nu nee, Herr Stan
degbeamter, erlooben Se mal, et is
man erst der Elfte.«
quernenhofbliithe.
Unterossizier (zum Rekruien, der
in der Reitschule vom Pferd gestürzt
ist): »Na, Sie glauben wohl, wir sind
hier an der Ostsee, tvo man Sand
biider nimmt?!«
Vorschlag.
Bankier: »Herr Graf wollen inei’
Eiingste Tochter? Wissen Se wag —
machen Se noch eine Viertelmillion
Schulden und kommen Sie dar-m um
mei Aelteste!"
Daher-!
»Mensch, Du schtoiizesi ia, als
wenn Du Steine getragen hätte-ist«
,,Hab’ ich auch!«
,.Wieso denn?« .
»Die meiner Frau in·k— Leihl«san-3.«
Macht der Gnaden-rein
Junger Vertheidiger lel;en;aiiger
Keuleurstudent. seine erste Verthiidi
aungsrede schließend): »Und nun ap
iellire ich an die Güte der Gesetnoos
reiten, indem ich Sie bitte, mit 100
Mart zu pumpen!«
Richtig.
Lehrer: ,.!-’5rii3chen, sage mir ein
mal, was Du vom Fiameel meißii
Wo ist es zu Hause?«
FritzchenJ »Das Kameel isi nie zn
Hause s— das liiust immer in der
Ekliiiste umher.« «
Unctwartete Wes-dann
Fran: »Sage ’mal, Mann, warum
nennst Du mich eigentlich Deine
Sonne?«
Manns »Weil Du mir an so vielen
meiner Lebenktage so - « hübsch warn
eemacht hast«
Musikalisch
! »Ich höre« der Kassirer Ihrer Bank
soll so außerordentlich musikalisch
trin«
»Sie können sieh davon überzeugen
tliersuehen Sie nur einmal eine falsche
,.?)?ote« bei ihm anzubringen«
Im Großen Garten.
Braut: ,,.Horch nur, Edgar, toie
herrli—ecq die Nachtigall schlägt! Komm,
laß uns aus dieser Bank Platz nehmen
und warten, bis sie mit ihrem Lied
zu Ende ist.«
lNach 5 Minuten, als die Nachti
gall schweiat): »Das war ein Genuß«
siir den ist jedes Concert hingebet«
Bummler (aus dem Gebüsch tre
tend): »Diirst’ ich die Herrschaften
vielleicht um ein kleines Douceur bit
ten?«
Bräutigam: »Ein Doueeur — wo
für denn?«
Bummler (Bogelstimmenimitator):
»Na, ich bin doch die Nachtigall, die
Sie eben so entzückt hat!«