Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 19, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    Ein wenig Glück
Du fehnsuchtsvolle Fruhltngszeit,
Hast du für mich irgendwo
Ein Blümtein auf den Weg geftteut?
sinnt-streichen junger Maienwind,
Erhoffte ich nicht einen Gruß,
Glaubst, daß ich auf der Lauer stünd?
Du Wanderfonne aus dem Ost,
Hast du für mich von irgendwo
Nicht mitzubringen gute Post?
Auf heißem Weg, von Ort zn Ort,
Trintst dir zur Labung Blüthenthnu,
Nimm auch den Thon vom Auge fort.
Du Frühling nhnendeg Geschick,
Hast für ein armes Menschenherz
Du nicht ein ganz klein wenig Glück?
- -——q v f
f Jer Reine
Stizze von Gotthard Kurland
Der Schreiber des Justizraths"
Westen meldete Frau Jacobi seinem»
Chef« kam nach einer Minute nach«
dem Wartezimmer zurück und sagten
-«,Der Herr Justizrath läßt bitten.« ;
Die junge« sehr hübsche und ele-(
gante Frau trat ein. j
»Sie werden wissen« Herr Justiz-l
rath.·.Sie werden ..schons gehört ha
«ben...« begann die «junge Fran
stockend und erröihend, ,«wie es mitz
meinem Mann steht«; und in ihren;
Augen lag der Ausdruck jenes selt-»
samen Schamgesühls über eine be-’
gangene Schlechtigleit: das Scham
gesiihl über ein geschäftliches Unglück»
«das schon die Leute kennen. i
»Ja, ich weiß«« antwortete der
Rechtsanwalt mit dem Tone der
Theilnahme. »Wenn da irgend ein
Rath Jhneii von Nutzen sein tann . ."
»Ja« Jhren Rath. bitte, Ihren
Rath« sagte die junge Frau fast
slehentlich. ««Darum tomrn’ ich. Jch
weis; mir allein nicht zu helfen. Mein
Mann.«-.«
»Will Sie überreden, ihm Jhr
Vermögen auszuliefern,« unter-bracht
sie der Justizrath (
»Ja« das will er«« jagte sie tonlos.
»Das tonnt’ ich mir denken«« fuhr
jener fort. »Und Sie?"
»Ich? Ich weiß nicht« wag ich thun
soll. Jch habe ihm immer gesagt:
»Nein« ich darf nicht« sonst sind wir
total ruinirt. Jch wußte ja bis
heute nicht« wie schlimm es steht. Aber
nun . . .«
»Nun wollen Sie’s ihm geben?«
forschte der Justizrath scharf. »Um
des Himmels willenl« setzte er fasti
empört hinzu. - I
»Sie meinen, ich dars es auch jetztl
nicht hun?« fragte sie beklommen
.,Er sagt, ich könnte ihn damit ret
ten . · ·
«,Thorheit!« brach der Justizrat
los. »Retten! Es würde einfa
denselben Weg gehen wie all das an
dere Geld. Wenn Sie das thaten,
Frau Jacobi. Jbr Vater hätte keine
Ruhe im Grabe mehr, weiß Gott!«
»Das hab’ ich ihm auch gesagt.
Nicht einmal« zehnmal habe ich ihm
gesagt, daß es meine Pflicht ist« mein
Geld zu retten. Daraus hat er mir
geantwortet: »Deine Pflicht ist« dei
nen Mann zu retten; das heißt, wenn
du ein Herz hast.« Gestern war das«
als er so verzweifelt war. Und das
tann ich nichtA verwinden, das ver
folgt mich. Wenn Sie feine Augen
gesehen hätten« Herr Justizrath« als
er das fagtet«
»Meine liebe Frau Jacobi, beru
higen Sie sich. Das alles sieht schlim
mer auo« als es ist. Das hab’ ich
nun schon hundertmal erlebt. Lassen
Sie sich nicht von ihm fortreißen, un
besonnean sein. Jemand« der in
Noth ist« denkt natürlich an nichts an
deres-« als wie er sich möglichst schnell
hilft, einerlei, um welchen Preis. Sie
wissen ja«, fuhr er fort, »daß ich Ih
rem Vater versprochen habe« dafür zu
sorgen, daß Jhr Vermögen Jhnen er
halten bleibt. Und daß er mir da
mals gesagt hat: »Nun bin ich ruhig,
denn nun wird sie ihr Leben lang
ihre Nente haben« don der sie in Frie
den leben tann."
,,Alto nach bestem Gewissen rathen
»Sie mir, fett zu bleiben?«
»Ganz unbedingt! Bleiben Sie fest,
auch wenn Jhr Mann Sie immer
von Neuem überreden will. Das
schlimmste, was einem anständigen
Geschäftsmann passsiren kann, ein
Banlerott »s— lieber Himmel, den hat
schon mancher überlebt. Kein ver
niinftiger Mensch lann erwarten, daß
Sie, um den zu vermeiden, sich an
den Vettelsiab bringen.«
II li- c
Kaum eine halbe Stunde war ver
gangen. seit Frau Jacobi das Haus
des Jusiizrach betreten hatte; jetzt
wo sie es wieder verließ, war sie wie
verwandelt.
Was fiir ein Glück, daß ich mit ihm »
gesprochen habe, mußte sie immer von?
Neuem denken, was für ein Glück!
Gott im Himmel, sie war ja wahr
hastig nahe daran gewesen, sich und«
ihn mit einem Federsirich unglücklich
zu machen, bettelarm. Jbr Mann
hatte ihr gesagt, die einfachste Sache
Yebraska
Staats-— Anzeiger nnd Yerold
J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island Ncbr 19 Mai 1905 ( 1Fwectcr Meil) Jahrgangh No 338
s von aller Sorge befreien könnte: bloß
sihre Erklärung auf dem Amtsgertcht,
daß die Gütertrennung zwischen ih
nen aufgehoben werden solle, und al
les wäre gut Sie sollte mal sehen,
wie das seinen Kredit wieder heben
würde, wenn es sich ausspräche —
und so was spricht sich aus-, man
weiß nicht wie ———, daß er ja noch das
Vermögen seiner Frau zu seiner Ver
fügung habe. Dann wäre ihm mit
einem Schlage geholfen, hatte er er
klärt.
Sein alter Fehler, dachte .sie, daß
ee zu optimistisch ist, immer sangui
nisch! Und dann seine ganze über
flüssige Noblesse! Nobel sein, ist sehr
schön, aber man muß das Geld dazu
haben. Damals zum Beispiel die
Geschichte mit Langner, seinem
Freund Sie wußte es noch genau,
wie er an jenem Abend zu ihr ge
kommen war und ihr gesagt hatte,
daß aus ihrer gemeinsamen Schwei
zerreise dieses Jahr nichts werden
könne, weil er seinem Freunde Lang
ner habe helfen müssen. Sie war na
tiirlich sehr ärgerlich gewesen ——-- nun,
war ihr das vielleicht zu verdenten,
wo sie schon ihre Toiletten bestellt und
sich in jeder Beziehung auf die Reise
eingerichtet hatte? spsi so in letzter
Stunde diese fatale Aenderungt Sie
hatte ihm das auch ziemlich deutlich
zu verstehen gegeben. Da hatte er sie
groß angesehen, wie namenlos er
staunt, und hatte gesagt, ganz ruhig,
fast traurig: »Bertha, ich begreife dich
nicht, ich habe dir doch gesagt, es
handelt sich unt seine ganze Existenz
— vielleicht um sein Leben. Dagegen
ist eine Schweizerreise eine ganze
gleichgültige Sache-« hatte er dann fast
verächtlich geschlossen
So war er immer gewesen, immer
hilfsbereit, dachte sie geärgert. Und
was hatte er davon gehabt? Wer
Lf ihm jetzt wo er Hilfe brauchte?
Und Frau Jacobi dachte: »Selbst
wenn’s zum schlimmsten kommen
sollte, zum Banterott, wenigstens
brauch ich mir nun keine Sorgen zu
machen, wie ich Böcker und Schlöchter ;
und Kaufmann bezahlen soll. Das
tönnt' ich nicht ertragen, die Augen
nieder-schlagen zu müssen vor Leuten,
weil ich ihnen was schuldig bin.« ;
It it If ·
Sie ging durch den fchon Minute-!
eigen Hauggang. zog die Glocke an ·
der Korridorthiir ihrer Parterrewoh
nung nnd sagte dem öffnende Haus
miidchen: »Aber machen Sie doch
Licht, eg ift ja iiberall finster.« Sie
trat in ihr Zimmer, in das durch die
verhängten Fenster nur noch ein mat
ter Schein vom Tageslicht fiel.
Das Mädchen brachte die Lampe,
und von ihrem weißen stillen Licht
floß sogleich ein töftliches Behagen
über den kleinen luxnriös ausgestatte
ten Raum, das ihr wohl that wie nie
sonst an den Erregungen dieses Ta
ges. Sie versank in tiefes Sinnen.
Aber nach einer Weile stand sie auf.
Zog die Vorhänge ur Seite. öffnete
as Fenster und fah hinaus. Es
war Zeit, er mußte bald kommen.
Da sah sie ihn um die Ecke biegen,
langsam näher kommen, wie jemand
geht, der sich fürchtet vor seinem Ziel.
Ihr Herz klopfte heftig; nun ist es da,
fagte sie sich. und sie schloß mit zit
ternder Hand Fenster und Vorhänge.
Jetzt erschien er in der Thür, ange
griffen, wie übernächtig und gealtert.
Er blieb einen Moment stehen mit
dem wartenden starren Blick, vor dem
sie Furcht gehabt die ganze letzte
Stunde hindurch. Sie fliegt mir
nicht entgegen, sie will nicht? stand es
in seinen entfetzten Mienen.
Es that ihr leid, wie er so verstört
vor ihr saß, der ehemals so schöne
Mann, auf den sie so eitel gewesen.
Und sie dachte, das; es ihm wohl thun
müsse, wenn sie ihn ihre Antheil
nahme an seinen Sorgen zeige. Dai
rum fragte fre, freundlich, duldsam,
fast liebevoll, ob die Besuche, die er
den Nachmittag gemacht. Erfolg ge
habt hiitten, ob feine Gläubiger war
ten wollten auf ihr Geld, alle oder
wenigstens einige.
»Nein, das wallen sie nicht," ant
Ivortete er ausdkuckslos, fast mecha
nisch, mit dem Ton dessen, der die
Hoffnung ausgegeben hat, jeden
Schimmer von Hoffnung.
»Unglaublich!« sagte sie ausge
bracht. »Was macht's denn solchen
großen Firmen, ob sie noch eine kurze
Weile warten!'«
»Viel macht’s ihnen,« erwiderte er.
als wenn er über die Angelegenheit
irgend eines beliebigen obersliichlichen
Bekannten sprache. »Sie sagen, sie
brauchen ihr Geld, sie brauchen es
nothwendig-«
»Aber so nothwendig, daß sie nicht
aus Rücksicht aus dich . . .«
Sie stockte, denn er sah sie plöglich
überrascht und durchdringend an.
Hatte diese Frau, diese ehemals so
vergötterte Frau, die kein Herz hatte,
hatte sie auch kein Schamgefühl, kei
nen Funken davon?!
»Sie sind ja doch nur meine Ge
schäftssreunde,« sagte er ruhig. »Wei
ter nichts. Was geh« ich sie denn sonst
an? Sie gehören doch nicht zu mei
nen Freunden oder —- zu meiner Fa
milie,« schloß er fast unhörbar·
Sie vermochte nicht ihn anzu
blicken. Aber sie nahm sich zusammen
und sagte mit niedergeschlagenen Au
gen: »Du kannst dir wohl denken,
wenn es mir möglich wäre . . .«
Mit einem Ruck stand er auf.
,,Bitte,« sagte er, »ich weiß!« Und
als fürchte er, mit seiner Selbstbeherr
schung zu Ende zu sein, verließ er
eilig das Zimmer.
It- -t- It
Es schien nicht hell werden zu wol
len an diesem trüben üiooembertage
durch den Nebel draußen vor den
Fenstern der Jacobi’schen Wohnung
glitten die Menschen wie Schatten
vorüber. Abgespannt und ermüdet
sah die barmherzige Schwester aus,
die dem Arzte gegenüber saß und ihm
berichtete, wie die letzte Nacht gewesen
war. Die Kranke hatte kaum eine
Stunde geschlafen, die Aufregung
hatte noch nicht im geringsten nach
gelassen. Und wenn sie bei klarer
Besinnung war, kam nichts über ihre
Lippen als jene Fluth von Selstvor
würfeu, die sie kunnten.
Der Arzt nahm den Fall jetzt noch
schwer-r als zu Anfang. Seit er den
Brief ihres Mannes gelesen, den sie
in ihrer Tasche gehabt als man sie in
erbarmungswürdigem Zustand drau
ßen in den Anlagen gesunden und
nach Hause gebracht hatte, mit dem
Fieberfrost, mit den wirren Reden,
dachte er nicht mehr so zuversichtlich
daß ihre gesunde junge Natur sich
schon durchringen werde. Wem solche
Worte gelten, wie sie in jenem Briese
standen, dem sei Gott gnädig! Sie
dringen ins Herz ein wie Dolchspitzen,
sie quälen bei Tag und bei Nacht, sie
pressen und martern die Seele, bis sie
sie zerstört haben.
»Es ist wahrscheinlich,« sagte der
Arzt. »daß man an eine Uebersühs
ruug in eine Anstalt wird denken
müssen, sobald die Kranke transpor
tabel ist. Da nähere Verwandte nicht
existiren und die entfernteren sich ja
nicht gerade beeilen, zu kommen, so
müssen wir zunächst mal abwarten,
was die nächsten Tage bringen.
Als der Arzt zu seinem Wagen
ging, dachte er: Viel wird da nichts
mehr zu machen sein. Schade um
die junge Person! Da geht dieser
Mann hin, dieser gesunde, kräftige
Mann, der noch das ganze Leben vor I
sich hatte, der eine junge bildhübschei
Frau besaß, und erschiefzt sich! Trüb- I
elig! j
Er stieg ein und rief dem Kutscher
,;u: »Weiter! Lindenallee IM«
Am Abend desselben Tages saß
Justizrath Westen mit seinem
Freunde Professor Willmer im Wein
zimmer eines großen, start besuchten
Restaurants. Die Herren hatten schon
bezahlt und waren im Begriff, zu
gehn. Der Justizrath warf die Zei
tung aus den Tisch und stand aus.
,,Widerlich,« sagte er, »wie so wag
breitgetreten wird! Alles haarklein
beschrieben, als handelte sichs um
den ekelhastesten Standal!«
»Na, ich bin nur über eins sroh!«
fuhr der Justizrath fort, tnöpste sei-«
nen Paletot zu, nahm seinen Hut und
ging dem Professor voran.
,,1leber was sind sie stoh?« fragte
draußen auf der Straße der Pro
fessor.
,,Ueber meinen Nath, den ich da
mals der Frau Jacobi gegeben habe.
Vor einiger Zeit war die nämlich
drauf «und dran, ihrem Mann ihr
ganzes Vermögen auszuliesern.«
,,Hätte sie denn damit den Baute
rott abwenden lönnen?«
»Gott behüte! Wer hätte ihr denn
das garantiren können? Anderer
seits war ’s aber bombensicher, daß
sie, wenn dies Geld auch wieder ver
loren war, nachher beide nichts zu
brocken und zu beißen gehabt hätten.«
»Bist-. ps they-Siecht. Metede
»«.-se1vnvernanoua) yao ich· Venen
Sie, ihr verstorbener Vater war mein
Freund, dem hab’ ich heilig verspre
chen müssen, seiner Tochter beizuste
ben, daß die ihr Geld nicht mal ganz
unsinnig verzettelt. Man kennt das
ja, wag verstehen denn Frauen von
Geld?! Da hab’ ich ihr gesagt, kei
ne Pfennig darf sie hergeben, «
»Sie soll sehr krank sein, hörte ich.«
»Jo, Nervenfieber. Das ist ja auch
kein Wunder nach solcher Katastrophe.
Aber lassen Sie das selbst einige Wo
chen dauern oder noch länger, schließ
lich wirds re sich Ha doch wieder erbo
len, solch junger astiger Körper hält
schon was aus. Und dann —-—- wenn
sie überlegen muß, wie sie jetzt nun
ihr Leben einrichten will, dann hat
sie doch einen Rückhalt. Dann hat
sie ihre nette reichliche Rente und kann
die in Ruhe verzehren.«
suchstabtich
——
Humoresle von K a r l R o d e.
Buchstäblich wollten Herr Major
von Platen verstanden und genommen
werden, buch —— stäb — lich. Alle
Erörterungen, Begründungen, Ent
schuldigungen und was es’ sonst noch
gibt an unnützem Geschwätz, waren
ihm in den Tod zuwider. Ob Kind,
ob Gesind’, ob selbst Frau Majorin
und »Madame mete« sich dazu herbei
lieszem Herr Major schnitt sie tur
zerhand mit einem barsch-en ,,Halt’s
Maul!« ab. »Zu Beseht, nein! —- Zu
Befehl, ja!« so, je nachdem, wollte er
die Antwort; allerdings mit dem Zu
satzet »Herr Major!« von Seiten des
Gesindes und sonstiger Leute; und
,,Lieber Maun« oder »Lieber Papa«
von Gemahlin und Kindern.
Für einen denkenden Menschen ist
das ein Kunststück. Aber da eben saß
die Scharte im Schueidemesser: »Ihr
habt nichts zu denken! Das thue ich
siir Euch!« befahl der Herr Major
«Gehorchen sollt Jhr nnd antwor
ten, wenn ich sraget s-« Basta!«
Am besten hatte es der alte Kutscher
Grube los, den Herr Major buchstäb
lich zu verstehen und ihm in der besah
lenen Weise zu antworten, gegebenen
salls auch zu gehorchen, ohne zu den
ken. tsr war daher auch zu einer Art
Faktotum bei seinem Herrn emporge
stiegen, trotz mancher sonderbarer Zu
sälligleiten, welche dieses »buch — - stäb
i« liche« Verstehen mit sich brachte.
Eines Tages zum Beispiel wollte
der Herr Major aus der Pirschsahrt
durch den Wald an einem Lederziiqel
etwas ändern, hatte aber kein Messer
bei sich.
",,Hast Du ein Messer in der Ta
sche?« fragte er deshalb den alten
Grube, der hinter ihm im Wagen saß.
»le Befehl, nein, Herr Maior!«
lautete die Antwort.
Eine Viertelstunde später hielt man
vor der Försterei. Der Herr MaioH
ließ sich dort ein Messer geben und än- j
derte damit die Zügel. Der alte’
Grupe nahm die Zeit wahr, sein
.inihst,iiel zu verzehren zu welchem
Zwecke er sich eines Taschenmesserz be
diente.
»Hast ja doch ein Messer bei Dir
alter Esel!« ries der Herr Major und
suntelte den Alten grimmig an.
»Ein Befehl, ja, Herr Major!« lau (
tete die Antwort. i
»Warum sagst Du denn vorhin, Du ’
habest teines?«
(
»Ich hatte g nicht in der Tasche»
sondern im tieselschast, Herr MajoH
zu besehlen!« Und dabei schaute der;
alte Bursche seinen wiithenden Herrn;
mit solcher Seelenruhe an, daß dem:
die eigene Ruhe tviedertehrte. Ein i
anderes Mal --— es war ein wundcr s
schöner Herbsttag, so ein echter Gottes:
sonnengruß an das irdische Menschen
voll — sollten die gnädigen Fräulein
von der Bahn abgeholt werden. Der i
Herr Major war gerade bei einer eben-—
so eiligen als wichtigen Korrespondenz,
als der alte Grube bei ihm eintrat und
fragte, wag siir einen Wagen er neh
men solle? -
Die Frage war dumm, denn bei
schönem Wetter benutzt man zu solchen
Fahrten selbstverständlich einen offe
nen Wagen und den besten, den man
hat. Aber beim Herrn Maior sollte
ja Niemand denken, sondern gehors
eben; sie war also in diesem Fall das
Resultat seines Systems-. Nichte
destoioeniger suhr der Herr Major un:
geduldig aus: .,,Den Mistwagen, al
ter Hanswurst!«
Und Grupe spannte seine stolzen
Apfelschimmel vor den Mistwagen,
suhr damit nach der Bahn und erwar
tete die jungen Damen.
Gefahren sind sie ja nicht mit ihm.
Sie haben es vorgezogen, den Weg zu
Fuß zu machen, und das ist ihnen nicht
schlecht bekommen Aber dem alten
Grube konnte Niemand was sagen·
»Ich hab’ den Herrn Major expreß ge·:
fragt, zu Befehl, welchen Wagen ich
nehmen soll; den Mistwagen hat er
befohlen, zu Befehl.«
Wenige Tage später war Jagd auf
einein Nachbargut. Das Wetter war
wiederum so wunderschön, daß eg lei
nem Menschen eingefallen wäre, einen
Mantel umzuhängen, geschweige in ei
nen Pelz zu kriechen. Der Herr Ma
jor ganz besonders hätte dies weit von
sich gewiesen, denn er haßte als alter
Militär jegliche Verweichlichung. Jn
dessen -«- es lann vor Nacht leicht an
ders werden, als es am frühen Mor
gen war: so dachte.die Frau Majorin.
Außerdem wußte sie, daß bei solchen
Jagden dem Wein wacker zugespro
chen wird und die Jagdessen sich big
spät in die Nacht hin auszudehnen
pflegen. Sie hatte dem Herrn Ge
mahl deshalb um Erlaubniß gebeten,
ihm den Pelz wenigstens in den Sitz
fasten des Wagens legen zu dürfen
Doch auch das hatte der gestrenge
Herr abgelehnt, energisch, brüst:
»Bist nicht recht gescheit!«
Nun war sie, eigensinnig, wie Wei
ber sind. Sie hatte den alten
Grupe veranlaßt, den fraglichen
Pelz seinerseits im Wagensitz zu ver
stauen; aber heimlich, daß Herr Ma
jor nichts davon gewahr würde. l
Sie hatte sich sogar, um sicher zu ge
hen, mit eigenen Augen überzeugt,
daß der Kutscher ihren Befehl auch
ausgeführt habe. Dann war der Wa
gen mit dem Herrn Major davonge
ahren.
Als man sich spät nachts von dem
opulenten Jagdessen zurück aus dem.
Heimweg befand, war es nicht nurs
empfindlich takt, es sprühte auch eint
eisiger Herbstnebel nieder, so ein Mit- ;
telding zwischen Nebel und Regen, wie
es in Herbstnächten nicht selten isst und s
bald bis aus die Knochen durchdringt, ;
wenn man nicht besonders warm unds
dicht angezogen ist. Der Herr Major H
war bald naß wie eine gebadet-e Katze
und sror, trotz reichlichen WeingenusR
fes, bis in den Magen hinein. Jetzt
wäre ihm der Pelz willkommen gewe
sen, zumal, als der alte Grupe vor«
ihm aus dem Bocke sich behaglich in dem »
seinigen dehnte und reckte. Er machte -
sich bittere Vorwürfe, die Sorglichteit
seines braven Weibes in den Wind ge- .
schlagen zu haben und ertappte sich
schließlich --—— klappernd vor Frost —
bei dem Wunsche, sie möchte seinem
Willen entgegen, den Pelz oder einen
Mantel mitgegeben haben, so daß
der Kutscher nur seines Befehles har
re, um ihn hervorzuholen Ein paar
Selundeu kämpfte er noch mit dem
Entweder, standhaft zu bleiben und
mit dem Oder, den Pelz zu verlangen;
dann siegten der Regen und das Oder.
Er fragte:
»Hat gnädige Frau den Pelz oder
den Mantel in den Wagen gelegt,
Gtist1c?«
»Hu Befehl, nein, Herr Mai-dri«
antwortete das Faktotum prompt.
Nun war es vorbei mit aller Hoff
nuna, Herr v. Platen mußte aushal
ten.
»Dann fahre zu, damit wir nach
Haus kommen!«
»Zu Befehl, Herr Major.«
Zrihause wunderte sich Frau Majo
rin nicht wenig, daß ihr alter Ehe
herr »naß wie ’ne Katze« und »un
wirsch wie ein setter Mons« drein-:
schaute.
»Aber Liebster!« fragte sie aus
ihrem Bette heraus, »wie kann man
denn so eigensinnig sein?! Hättest
doch den Pelz umthun können, da es
so häßlich geworden ist.«
,,Hatte ich ihn denn?!« Der Herr
Major knurrte wie eine Bnlldogge, der
man das Futter sortziehen will. »Ge
schieht mir alten Esel aber schon ganz
recht. Weshalb bin ich so verriickt
»Aber Du hattest doch den Pelz im
Sitztasten, Liebster! Jch habe mich
selbst davon überzeugt, daß Grube ihn
inr Wagentasten untergebracht hat«
,,W s— a -- a --—— a g?«
»Aber ganz gewiß- !«
»Da soll doch gleich !«
Trotzdem es längst nach Mitternacht
war riß der Herr Maior das Fenst er
aus und schrie nach dem mit dem Aus
spannen der Pferde beschäftigten Fak
totum hinab: »He Grs.1pe!«
»Herr Major?«
»Antreten, aber sofort!«
»Z« Befehl, Herr Major!«
Wenige Selunden später stand das
Faktotum vor seinem Herrn.
»Hast Du meinen Pelz im Wagen
gehabt?«
»Z« Befehl, ja, Herr Majori«
»Alle-J Heupserd, warum gabst D u
ihn mir dann nicht?«
»Z« Befehl, Herr Major! Gnä’
Frau hatten befohlen, ich sollte den
Pelz so in den Wagentasten packen,
daß Herr Major ihn nicht entdeckten.«
»Schafslops, warum sagst Du mir
dann nicht« das; Du den Pelz im Was- »
genlasten hast? Denkst Du, ich srage
Dich zum Spaß, Du Rind?!«
»Ja Befehl, Herr Major! Herr
Major haben gesragt, ob g n ä d i g e
F ra u den Pelz oder den Mantel in
den Wagen gelegt haben.«
»Nun? Und?«
»Da hab« ich »Nein« geantwortet,
weil ich selbst ihn habe in den
Kasten Packen müssen «
,,Hinnnelhagel. . . so ein phäno
menales Petari! So ein RdinozeroSL
Mach’, daß Du raugtominst, Du . .
Hansrvurst
Als der Maior von seinem phäno
menalen Schnuper kurirt war, war
er es auch von seiner Buchstäblichkeitg:
manier.
Schwierig.
Der kleine Fritz starrt nachdenklich
auf ein broschirtes unaufgeschnittenes
Buch. Theilnahme-voll erkundigt sich
Mama nach seinen Gedanken.
»Ja, Mutti«, sagt der Kleine, in
dem er die Finger zwischen zwei un
iaufgefchnittene Seiten legt: »Wie ha
ben die Leute es denn fertig gebracht,
da hineinzudmcken?«
W
Eine ägyptifche Schatzkamsrern
Aeghpten lpt der geschichtlichen
Forschung wieder eine große Ueber
raschung bereitet. Dem englischen
Archäologen Th. Davis, der schon frü
her besonderes Glück hatte, ist, nach
dein »Schwäb. Merkur«, abermals
ein Fund gelungen, der alle bisheri-,
gen, in Aegypten zu Tage gekomme
ne Schätze überragt. Es handelt sich
um ein Königsgrab in Theben, wso
Davis im Februar d. J. bei seinen
Ausgrabungen auf eine Treppe stieß,
die zu einem früher nicht geöffneten
Grab hinabfiihrie. Nachdem eine
Oeffnung gemacht worden, kroch Da
viS in den Raum, wo eine Treppe zu
einer anderen, von großen Steinen
verschlossenen Thüre führte. Auch
diese öffnete man, und es zeigte sich
nun, daß man eine wahre Schatzkan1
mer Vor sich hatte. Dort lagen Mu
miensärge mit eingelegtem Gold, rie
nge Alavastervasen von auserlesen
hübschen Formen, Stühle und Kästen,
die von Goldbelag strahlten und
prächtig bemalt waren. Es dauerte
mehrere Tage, bevor man einen
Ueberblick über alle Schätze gewann.
Die neugeöffnete Grablammer ist un
gefähr 30 Fuß lang, 15 Fuß breit
und acht Fuß hoch. Rechts am Ein
gang standen zwei große Sarkophage
von schwarz gemaltem Holz mit rei
cher Vergoldung und eingelegtem
Gold aus der Außenseite, während die
Jnnenseite Einlagen von Silber ent
hielt. Ueber einer Goldmasle, die
zu einer der Mamien gehörte, lag ein
Schleier von schwarzem Masselin. Die
Jnschsriften zeigten, daß man es mit
der Begräbnißsielle der Eltern der be
rühmten Königin Teie zu thun hatte.
Teie, eine merkwürdige Frau, war die
Mutter des Königs Amon-Hotep
des Vierten, der die ägyptische Reli
gion erneuern wollte. Frühere Fun
de deuteten darauf hin, daß diese Kö
nigin aus einem mesopotamischen Ge
schlecht stammte. Dies wird jetzt be
stätigt, wobei sich gleichzeitig ergiebt,
daß sie nicht von königlicher Geburt
war, was sie jedoch nicht hinderte, ei
nen großen Einfluß auszuüben. Die
vielen Jnschriften, die zu Tage geför
dert wurden, dürften dazu beitragen,
Licht über die Glanzzeit Aegypten’s
in der Zeit der 18. Dynastie zu wer
fen. Damals war dort, wie sich ein
Zeitgenosse ausdrückte, »Gold so all
gemein wie Sand«, sodaß das Land
im weitesten Sinne ein wahres Cali
fornien gewesen sein muß.
--
Cromwell oder Crumwell ?
Ein interessantes Dotument aus
dem Jahre 1638 ist in der »Northamp
ton Free Librarh zutage gekommen,
ein Contratt aus dem Jahre 1638,
nach dem Oliver Cromwell auf eine
Jsahresrente von 30 Pfd. Strlg. ver
zichtet, die er sechs Jahre bezogen
hatte. Die im Britischen Museum ge
prüfte Urkunde wirst ein neues Licht
auf das frühere Leben des Lord-Pro
.tettors. Er wird in der Urkunde als
»Oliver Crumwell, Gentleman« be
zeichnet und, abgesehen von der Unter
J schrift, immer Crumwell geschrieben,
’,,jetzt oder ehemalig ein Diener des
Right Honoravle, Oliver Lord St.
John von Bletsoe.« Man kann als-o
annehmen, daß Cromwell außer seiner
Beschäftigung als Biehzüchter in St.
Jves auch als Verwalter eines der ans
stoßenden Güter St. Johns thiitig
war. Verwalter und Diener waren
damals synonyme Ausdrücke. Die
Familien Cromwell und St. John
waren immer befreundet und verschwä
aert. Die Rente wurde in halbjährli
chen Zahlunan zu Mariii Verkündi
gung (25. März) und Michaelis l29.
September) in der südlichen Vorhalle
der grauen alten Kirche von Cottos
broole ausbezahlt Cromwells Un
terschrift ist sehr energisch und charak
teristisch
-
Die Letzte.
Die letzte Ueberlebende des schreckli
chen Rückzugeg der Engländer von Ka
bul im Jahre 1842 ist in der Person
der Wittwe des verstorbenen Obersten
Waller vor Kurzem in Brighton bei
London aus dem Leben geschieden.
Man erinnert sich, daß von den 14,000
Soldaten, die damals von Kabul aus
gerückt waren, nur ein einziger Mann,
der Militärarzt Brydone, die« Heimath
wieder sah. Fünf Tage nach Beginn
des Rückzuges waren von den l4,()00
Mann der Kolonne nur mehr 5000
am Leben. Nach weiteren drei Tagen
waren nur noch 65 Mann übrig und
Brydoue war von diesen der einzige,
der mit dem Leben davon kam. Die
alte Dame, die jetzt im hohen Alter
abgerufen worden ist, war damals
eine blutjunge Frau, kaum neunzehn
Jahre alt und nicht viel über ein Jahr
verheirathet. Albar Khan nahm die
Frauen und Kinder, die das englische
Heer begleiteten, unter seinen Schutz.
Frau Waller, die bis lurz vor ihrem
Tode beneidengwerthe Gesundheit und
geistige Frische genoß, erzählte noch an
ihrem Lebensende mit photographi
scher Treue von jenen für Englands
Fahnen so unheilvollen Tagen und von
ihrer längeren Gefangenschaft unter
den Afghanen, wo ihr zweites Kind
geboren wurde.
—-——--.
Aufopferndx
Dame lan einem Wohlthätigkeit5
ball): »Ich fühle mich heute den gan
zen Tag nicht wohl.« -
Herr: »Warum sind Gnädige dann
nicht lieber zu Haus geblieben?«
Dame: »Ach Gott, was thut man
nicht alles zum wohlthätigen Zweck!«